L 5 R 4344/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5516/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4344/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.08.2011 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1956 geborene Kläger ist t. Staatsangehöriger und war zuletzt als Verpackungsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2007 ist er arbeitsunfähig und in der Folge zunächst arbeitslos. Im Jahr 2009 ist er nach eigenen Angaben von Juni bis Oktober bei einem Automobilzulieferer als Löter und Schweißer von Kleinteilen beschäftigt gewesen, bis die Firma ihren Betrieb eingestellt hat. Ihm wurde ein GdB von 40 seit dem 17.09.2007 bescheinigt; nach eigenen Angaben beträgt sein GdB inzwischen 50.

Am 02.07.2009 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung verwies er auf eine beidseitige Kniegelenksschädigung, eine Arthrose, Arthralgien, eine beidseitige Hörminderung und Schwindelanfälle.

Die Beklagte veranlasste eine ambulante Untersuchung durch die Ärztin für Anästhesie und Sozialmedizin Dr. Sch. am 31.08.2009. In ihrem Gutachten vom 02.09.2009 kommt Dr. Sch. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein Schulter-Arm-Syndrom links, eine Kniegelenksarthrose beidseits mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung, eine Hypothyreose, Adipositas Grad III, Schwerhörigkeit und der Verdacht auf paroxysmalen Lagerungsschwindel vorliege. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden und mehr weiterhin zumutbar. Die Arbeiten sollten überwiegend im Sitzen erfolgen. Arbeiten mit häufigem Stehen und Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie häufigen Überkopfarbeiten seien dem Kläger gesundheitlich nicht mehr möglich. Eine rentenrelevante Einschränkung der Gehstrecke liege nicht vor. Der Kläger besitze Führerschein und Auto. Zur Untersuchung sei der Kläger mit dem eigenen Auto erschienen. Dr. Sch. stellte fest, dass die Hypothyreose wegen bereits seit Wochen vom Kläger eingestellter Hormonsubstitution manifest ausgeprägt sei und informierte den Kläger sowie den Hausarzt über die unbedingt erforderliche Weiterführung der Hormonsubstitution.

Mit Bescheid vom 08.09.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Dagegen erhob der Kläger am 16.09.2009 Widerspruch. Er sei nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Dieser erhob am 08.12.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe. Er leide an Erkrankungen auf orthopädischen Fachgebiet (Knorpelschädigungen der Kniegelenke, Arthrose und Arthralgien), wodurch sein Geh- und Stehvermögen deutlich reduziert sei. Es liege ferner ein Karpaltunnelsyndrom vor, zusätzlich bestehe Schwerhörigkeit beidseits. Er leide auch an Schwindelanfällen, durch die seine Bewegungsfähigkeit ebenfalls eingeschränkt sei.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Der behandelnde Orthopäde Dr. D. teilte in einer Stellungnahme vom 23.02.2010 mit, dass sich die Situation im Bereich der Kniegelenke über die Jahre schleichend verschlechtert habe. Soweit nach seiner Erinnerung nachvollziehbar, könne der Kläger eine leichte Tätigkeit, überwiegend im Sitzen und ohne Zwangshaltung für die unteren Extremitäten, noch ausführen. Der behandelnde Hausarzt Dr. E. führte am 06.03.2010 aus, dass zur Zeit eine leichte körperliche Tätigkeit unter drei Stunden möglich sei. Die Hypothyreose mit Verdacht auf Thyreoiditis Typ Hashimoto werde medikamentös eingestellt. Die behandelnde Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. F. legte in ihrer schriftlichen Äußerung vom 11.05.2010 dar, dass der Kläger aus fachärztlicher Sicht noch in der Lage sei, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.

Daraufhin holte das Sozialgericht ein internistisches Gutachten bei Dr. S. ein. In seinem Gutachten vom 18.12.2010 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Adipositas (Körpergewicht 112 kg, BMI 37.9, angegebene Gewichtsreduktion von 15 kg in 12 Monaten) sowie Überhöhungen für Cholesterin und Triglyceride im Blutserum vorliegen würden. Dr. S. fand weder Hinweise auf eine Immunthyreoiditis vom Typ Hashimoto noch auf eine Erkrankung aus dem entzündlichen rheumatischen Formenkreis. Eine angegebene regelmäßige Schmerzmitteleinnahme ließ sich in der Analyse der Laborwerte für den Morgen des Untersuchungstages nicht bestätigen. Nach der Einschätzung des Gutachters sei der Kläger mit den festgestellten Erkrankungen nicht mehr in der Lage, schwere körperliche Tätigkeiten durchzuführen. Leichte körperliche Tätigkeiten seien dagegen noch acht Stunden täglich möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, dass seine Gehstrecke zehn Minuten ohne Stock betrage sowie eine bis anderthalb Stunden mit Stock, dann bekomme er Kniebeschwerden. Er führe seit zwei Jahren wegen der Kniebeschwerden kein Kraftfahrzeug mehr. Eine Begutachtung der orthopädischen Beschwerden sei erforderlich.

Das Sozialgericht holte daraufhin ein orthopädisches Gutachten bei Dr. von St. in K. ein. In seinem Gutachten vom 01.04.2011 diagnostizierte Dr. von St.

1. weichteildegenerative Veränderungen des linken Schultergelenks mit einer aktiv schmerzhaften Bewegungseinschränkung für die Abduktion und Anteversion,

2. eine retropatellar betonte Pangonarthrose beidseits mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Einschränkung des Gehvermögens und

3. belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Handgelenke beim Gehen mit Unterarmgehstützen und begleitendem erheblichen Übergewicht.

Auf orthopädischem Gebiet liege ein deutlich reduziertes Leistungsvermögen vor, ohne dass aber die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt seien. Das Geh- und Stehvermögen des Klägers sei durch die beidseits vorhandene Arthrose sicher eingeschränkt, jedoch nicht soweit minimiert, dass die rentenrelevante Wegstrecke nicht mehr zurückgelegt werden könne. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mitunter auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Tätigkeiten sollten in wechselnd stehender, gehender und überwiegend sitzender Arbeitsposition verrichtet werden können. Das Steh- und Gehvermögen sollte auf eine halbe bis eine Stunde im Rahmen der gesamten Arbeitsschicht beschränkt sein. Der Kläger sei in seiner Wegefähigkeit eingeschränkt. Er benutze zur Zeit regelmäßig Unterarmgehstützen. Mit diesen könne er eine Wegstrecke von 500 Metern in 20 Minuten zurücklegen. Sicherlich sei dies an Einzeltagen auch zumutbar. Bei viermal pro Tag erscheine diese Grenze jedoch deutlich überschritten. Diese könne durch eine erhebliche Gewichtsreduktion des Klägers wieder auf das rentenspezifische Niveau angehoben werden. Der Kläger sei lediglich in der Lage, zweimal pro Tag eine Wegstrecke von 500 Meter mit Pausen zurückzulegen.

Dr. L. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten wandte mit Stellungnahme vom 06.05.2011 ein, der Kläger habe bei Dr. S. angegeben, er könne mit Gehstützen noch eine Wegezeit von mehr als einer halben Stunde zurücklegen. Seine Angabe bei Dr. von St., die Gehstrecke sei auf 300 bis 500 Meter zurückgegangen und es komme nach fünf Minuten zu starken Schmerzen und Sturztendenz, sei daher sehr kritisch zu würdigen. Gegebenenfalls könne der Kläger mit dem Auto zur Arbeit fahren, auch sei nicht nachvollziehbar, warum er nicht viermal am Tag 500 m zu Fuß gehen könne, wenn er dies zweimal am Tag schaffe.

Dr. von St. gab ergänzend auf telefonische Nachfrage des Sozialgerichts an, dass der Kläger noch in der Lage sei, ein Kfz mit Automatikgetriebe zu führen nicht aber eines mit Schaltgetriebe.

Der Kläger führte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht aus, seine Gehfähigkeit sei erheblich eingeschränkt. Dies habe der Sachverständige Dr. von St. bestätigt. Er sei in den letzten zwei Jahren nicht mehr Auto gefahren. Er besitze lediglich ein Auto mit Gangschaltung. Sein Gesundheitszustand habe sich seit der Untersuchung bei Dr. S. verschlimmert.

Mit Urteil vom 29.08.2011 änderte das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Kläger sei zwar weder erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI noch berufsunfähig nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Er könne ungeachtet der im Rahmen der Beweiserhebung festgestellten orthopädischen und internistischen Beschwerden noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dem Kläger stehe jedoch trotz mindestens sechsstündigem Leistungsvermögens ein befristeter Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu, da seine Gehfähigkeit deutlich ein-geschränkt und er somit nicht in der Lage sei, Arbeitsplätze aufzusuchen. Zwar sei nach § 43 Abs. 3 SGB VI bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich die konkrete Arbeitsmarktlage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegt jedoch auch dann vor, wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne einer eingeschränkten Wegefähigkeit vorliege (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.1988, Az: 5/4a RJ 57/87). Die Wegefähigkeit wiederum sei dann eingeschränkt, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage sei, viermal täglich eine Wegstrecke von 500m in etwa 20 Minuten zurücklegen oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder wenn der Kläger einen Arbeitsplatz nicht auf anderem Weg, zum Beispiel durch Benutzen eines Autos, zurücklegen könne (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner, SGB VI § 43 RdNr. 43 m.w.N.). Der orthopädische Sachverständige Dr. von St. habe ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner Knieerkrankung in Verbindung mit seiner Adipositas nur noch in der Lage sei, zweimal täglich eine Wegstrecke von 500 m in zumutbarer Zeit zurückzulegen. Aufgrund multipler Kniebeschwerden infolge einer beidseitigen Pangonarthrose könne der Kläger unter Verwendung seiner Unterarmgehstützen regelmäßig nur noch Strecken von 300 bis 500 Metern zurücklegen. Dr. von St. habe bei dem Kläger ein äußerst mühsames Gangbild beobachtet, das zwar mit Gehstützen deutlich an Geschwindigkeit gewonnen habe. Dennoch sei der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die oben genannte Wegstrecke nicht mehr als zweimal am Tag zurücklegen könne und allenfalls noch in der Lage sei, ein Kfz mit Automatikgetriebe zu führen. Der Kläger sei jedoch nur im Besitz eines Kfz mit Gangschaltung. Somit könne er auch nicht auf andere Art als mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen Arbeitsplatz erreichen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei seit der gutachterlichen Untersuchung des Klägers im April 2011 nachweislich eingeschränkt. Dr. von St. hat zwar mitgeteilt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers bereits seit Jahren eingeschränkt sei und sich im Verlauf der letzten Jahre nicht wesentlich geändert habe. Allerdings sei der internistische Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten noch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt sei, da der Kläger ihm gegenüber angegeben habe, unter Zuhilfenahme der Gehstützen etwa eine Stunde laufen zu können. In Übereinstimmung mit dieser Schlussfolgerung habe auch der Kläger selbst bestätigt, dass sich seine Gehfähigkeit seit der Begutachtung durch Dr. S. verschlechtert habe. Mit dem Sachverständigen Dr. von St. sei davon auszugehen, dass die Beschwerden des Klägers durch eine deutliche Gewichtsreduktion abnehmen würden. Es sei anzunehmen, dass dies dem Kläger bis Ende April 2012 möglich sein werde.

Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 19.09.2011 und dem Bevollmächtigten des Klägers am 20.09.2011 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 06.10.2011 Berufung eingelegt. Die Einschränkung der Wegefähigkeit sei nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen. Sie legte eine Stellungnahme von Dr. Sch. vom 17.11.2011 vom sozialmedizinischen Dienst vor. Dieser führt aus, die Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. von St. wichen erheblich von seinen Angaben bei Dr. S. ab, der ihn nur drei Monate zuvor untersucht habe. Laut Gutachten von Dr. S. habe der seit Jahren übergewichtige Kläger im Jahr 2010 15 kg abgenommen, wodurch sich die Belastungssituation verbessert haben müsste. Die von Dr. von St. angenommene erhebliche Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit des Klägers sei deshalb nicht nachvollziehbar. Dr. von St. habe die Angaben des Klägers ohne Plausibilitätsprüfung übernommen. Der Kläger habe aber bei Dr. S. angegeben, er könne ohne Stock zehn Minuten laufen, mit Stock eine bis eineinhalb Stunden, dann würde er Kniebeschwerden bekommen. Er könne zwei bis drei Stockwerke steigen und würde dabei nach sechs bis acht Stufen Kniebeschwerden bekommen. Damit nicht in Einklang stünden die Angaben bei Dr. von St., seine Gehstrecke sei auf 300 bis 500 Meter mit Gehstock abgefallen und er würde nach einer solchen Strecke so starke Knieschmerzen bekommen, dass er hinfalle. Ein zunehmender Knieschmerz führe aber üblicherweise nicht zum Hinfallen. Die Tochter des Klägers habe bei Dr. von St. angegeben, der Kläger benötige für ein Stockwerk 15 Minuten. Dies sei bei den hier festgestellten Kniebeschwerden völlig überzogen. Ein von Dr. von St. festgestellter Kniegelenkserguss rechts könne nicht hochgradig gewesen sein, weil die Beugefähigkeit des rechten Knies besser gewesen sei als die des linken. Eine so gravierende Änderung der Kniesituation gegenüber der Begutachtung durch Dr. S., wie von Dr. von St. angenommen, sei angesichts des langjährigen Verlaufs nicht plausibel. Ebenfalls lasse sich nicht plausibel untermauern, warum der Kläger keinen PKW mit Schaltgetriebe fahren könne, da die benötigte Kraft für das Betätigen der Kupplung wesentlich geringer sei, als für das Abfangen des Körpergewichts bei jedem einzelnen Schritt. Die Wegeunfähigkeit des Klägers könne daher nicht als gesichert angenommen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.08.2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.08.2011 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch über den 30.04.2012 hinaus zu gewähren.

Er hat sich erstmals mit einem am 19.12 2011 beim Senat eingegangenen Schriftsatz im Berufungsverfahren geäußert und dabei sinngemäß Anschlussberufung eingelegt. Er leide bereits seit dem Jahr 2007 an Kniegelenkserkrankungen. Diese seien so gravierend, dass die zeitlich stark befristete Rentengewährung durch das Sozialgericht in Frage gestellt werden müsse. In Anbetracht der bestehenden Schwerhörigkeit und des zeitweise auftretenden Lagerungsschwindels sei es nicht nachvollziehbar, dass ihm das Führen eines PKW mit Schaltgetriebe auf dem Weg zur Arbeit noch möglich sein solle.

Der Senat hat Dr. von St. zur Frage der Wegefähigkeit und den Einwendungen von Dr. L. und Dr. Sch. ergänzend um Stellungnahme gebeten. Dr. von St. hat sich hierzu am 06.02.2012 geäußert und ausgeführt, die Befunde hätten sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt seiner Untersuchung beim Kläger wie im Hauptgutachten beschrieben dargestellt. Bei degenerativen Veränderungen sei der aktuelle Reizzustand ganz entscheidend für die augenblickliche Leistungsfähigkeit. Zu den Angaben des Klägers bei Dr. S. könne er sich nicht äußern. Dr. S. könne jedenfalls fachfremd keine Feststellungen zu den orthopädischen Erkrankungen treffen. Er habe den Kläger auch außerhalb des Untersuchungszimmers in einer unbeobachteten Situation gesehen und auch hier eine deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit festgestellt. Es bestehe für ihn nach einer dreistündigen Untersuchungszeit und der Röntgenbildbegutachtung kein Zweifel, dass der Kläger - auch unter Benutzung von Gehhilfen - nicht mehr regelmäßig die rentenrelevante Wegstrecke von viermal 500 Metern in jeweils 18 bis 20 Minuten zurücklegen könne. Ob die im Rahmen der Hauptbegutachtung angesprochene Gewichtsreduktion daran etwas ändern könne, verbleibe zumindest unsicher.

Dr. Sch. hat hierzu am 12.04.2012 Stellung genommen und ausgeführt, die ergänzenden Äußerungen von Dr. von St. könnten auch weiterhin nicht überzeugen. Der Gutachter habe nach wie vor die Möglichkeit, dass der Kläger ihm gegenüber zweckgebundene Aussagen gemacht haben könnte, nicht in Erwägung gezogen und ganz grundlegende Plausibilitätsprüfungen versäumt. Dazu habe aber schon deshalb Anlass bestanden, weil der Kläger bei Dr. S. schon zur Medikamenteneinnahme keine zutreffenden Angaben gemacht habe. Es habe sich nur ein leichtgradiger Reizzustand rechts bei stabilen beweglichen Kniegelenken gezeigt. Die normal ausgebildete Beinmuskulatur habe keinen Schonzustand erkennen lassen.

Der Senat hat vom Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten zur Frage der Wegefähigkeit des Klägers bei Dr. H. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 04.07.2012 festgehalten, dass der Kläger eine Gewichtszunahme von 10 kg in den letzten Jahren angegeben habe (aktuelles Gewicht zum Untersuchungszeitpunkt nach Angabe des Klägers 121 kg). Bei der Untersuchung habe sich - bei Benutzung eines Gehstockes rechts - anfangs ein mäßig flottes, aber sicheres Gangbild gezeigt. Im Untersuchungsraum seien dem Kläger auch einige Schritte ohne Gehhilfe möglich gewesen, ohne dass sich das Gangbild geändert habe. Nach der Untersuchung habe sich vorübergehend ein ausgeprägtes Schonhinken, mal mehr rechts, mal mehr links betont gezeigt. Aufgefallen sei, dass der Kläger seine Kniegelenke nicht vollständig durchgestreckt habe, was aber bei der Untersuchung in der Rückenlage möglich gewesen sei. Eine geringe Vergröberung der Kniegelenke habe nicht eindeutig einer knöchernen Auftreibung oder einem ungewöhnlich umfassenden Fettmantel zugeordnet werden können. Die Beugung des rechten Knies sei bis 90-100° möglich gewesen, die des linken Knies bis 60°, allerdings spontan beim Anziehen der Hose ebenfalls bis etwa 90-100°. Der Kläger weise an beiden Kniegelenken Gelenkknorpelschäden hinter den Kniescheiben auf. Die übrigen Knieabschnitte innen- und außenseitig zeigten keine massiven arthrotischen Veränderungen. Die letztlich irreversiblen Strukturschäden hinter beiden Kniescheiben führten fraglos zu dauerhaften Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens und der Geh- und Stehfähigkeit. Auch eine Beschränkung des Arbeitsweges aufgrund der arthrotischen Veränderungen nahm Dr. H. an. Er ging aber anhand der ausgewerteten Unterlagen, der Bildgebung und des festgestellten Untersuchungsbefundes davon aus, dass der Kläger trotz der nachvollziehbaren Beschwerden in der Lage sei, gegebenenfalls mit Hilfe des Gehstocks rechts viermal arbeitstäglich eine Gehstrecke von 500 Metern in unter 20 Minuten zurückzulegen. Der Kläger sei auch dazu in der Lage, in der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, wenn ihm ein Sitzplatz zur Verfügung stehe. Dabei seien bis zu 10 Minuten mit erzwungenermaßen angewinkelten Knien zumutbar, längere Fahrten dann, wenn er die Beine nach Belieben ausstrecken könne. Der Gutachter führte zu den Feststellungen des Vorgutachters aus, er stimme mit diesem hinsichtlich der bedeutsamen Arthrose in beiden Kniegelenken, vor allen Dingen hinter den Kniescheiben überein. Dr. von St. sei allerdings in seiner Bewertung der Gehfähigkeit etwas ambivalent. So schreibe er einerseits, dass die Gehfähigkeit des Klägers zwar eingeschränkt, aber jedenfalls nicht so weit minimiert sei, dass die rentenrelevante Wegstrecke nicht mehr zurückgelegt werden könne. Andererseits gebe er an, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung einmalig oder zweimal am Tag eine Wegstrecke von 500 Metern mit Pausen zurücklegen könne, sicherlich aber nicht viermal am Tag, wobei Dr. von St. diese Einschätzung nicht weiter begründe. Er selbst sehe die Gehfähigkeit des Klägers optimistischer. Auf der einen Seite seien die strukturellen und funktionellen Störungen an beiden Kniegelenken nach seiner Einschätzung nicht so massiv, dass sie eine gravierende Einschränkung der Gehfähigkeit plausibel begründen könnten. Auf der anderen Seite lasse der Kläger auch anamnestisch durchaus erkennen, dass er im privaten Umfeld nicht völlig immobil sei.

Er ließ schriftsätzlich ausführen, die Begutachtung durch Dr. H. sei erst nach dem Ende der ihm zugesprochenen Zeitrente erfolgt. Dr. H. könne den gesundheitlichen Zustand im Zeitraum vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 nicht sicher beurteilen, jedenfalls nicht in einer Weise, die die Einschätzung von Dr. von St. widerlege. Für eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes spreche auch der Umstand, dass der GdB zwischenzeitlich auf 50 erhöht worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst gem. § 151 SGG zulässig. Die Berufung des Klägers ist als unselbständige Anschlussberufung ebenfalls zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, da er weder erwerbsgemindert noch wegeunfähig ist. Das Sozialgericht hätte der Klage auch nicht teilweise stattgeben dürfen. Das Urteil war deshalb zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Aus den gleichen Gründen hat die Anschlussberufung des Klägers hingegen keinen Erfolg.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1). Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine Erwerbsminderung liegt nach diesen Maßstäben beim Kläger nicht vor. Er ist ungeachtet seiner gesundheitlichen Beschwerden noch dazu in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Das Sozialgericht hat dies auf der Grundlage der im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen zutreffend festgestellt. Im Vordergrund stehen insoweit die orthopädischen Beschwerden des Klägers. Dr. von St. hat in seinem Gutachten vom 01.04.2011 weichteildegenerative Veränderungen des linken Schultergelenks mit einer aktiv schmerzhaften Bewegungseinschränkung für die Abduktion und Anteversion, eine retropatellar betonte Pangonarthrose beidseits mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Einschränkung des Gehvermögens und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Handgelenke beim Gehen mit Unterarmgehstützten und begleitendem erheblichen Übergewicht diagnostiziert. Er hat aus orthopädischer Sicht schwere körperliche Tätigkeiten ausgeschlossen, hingegen leichte bis mitunter auch mittelschwere Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich für zumutbar erachtet, sofern die Tätigkeit überwiegend sitzend ausgeübt werde und das Steh- und Gehvermögen auf eine halbe bis eine Stunde pro Arbeitstag beschränkt bleibe. Diese Leistungsfähigkeit bestehe seit Jahren und habe sich im Verlauf der letzten Jahre nicht überproportional geändert. Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar und überzeugend. Auch auf internistischem Fachgebiet ergibt sich keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 18.12.2010 eine Adipositas sowie überhöhte Cholesterinwerte und Triglyceride im Blutserum festgestellt; Hinweise auf eine Immunthyreoiditis vom Typ Hashimoto und auf eine Erkrankung aus dem entzündlichen rheumatischen Formenkreis hatten sich im Rahmen seiner Begutachtung hingegen nicht ergeben. Dr. S. hatte leichte bis mittelschwere Arbeiten in Wechselhaltung für acht Stunden pro Arbeitstag an fünf Tagen der Woche für zumutbar gehalten. Die Feststellungen beider Gutachter stimmen sowohl in orthopädischer als auch in internistischer Hinsicht mit den Diagnosen der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beauftragten Gutachterin Dr. Sch. in deren Gutachten vom 02.09.2009 überein. Auch sie hatte den Kläger auf der Grundlage der gleichen Diagnosen noch für leistungsfähig für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr gehalten. Der Senat schließt sich diesen jeweils nachvollziehbaren und übereinstimmenden Leistungseinschätzungen der Gutachter an. Auch die behandelnden Fachärzte des Klägers haben zumindest ein Restleistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten noch angenommen; so hat der Orthopäde Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 23.02.2010 leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und ohne Zwangshaltung für die unteren Extremitäten für zumutbar erachtet, ohne dafür eine zeitliche Einschränkung - wie vom Sozialgericht angefragt - anzugeben; die HNO-Ärztin hat leichte Tätigkeiten ausdrücklich im Umfang von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen der Woche für noch ausführbar benannt. Dass der behandelnde Hausarzt des Klägers, Dr. E., ein unter dreistündiges Leistungsvermögen angenommen hat, kann vor dem Hintergrund der fachärztlichen Äußerungen nicht überzeugen. Dr. E. sah die maßgeblichen Probleme insbesondere in der stark zugenommenen Adipositats und der Hypothyreose, wobei es sich jeweils um behandelbare Gesundheitsstörungen handelt, die eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht begründen können. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren hat vortragen lassen, dass bei Berücksichtigung des Entwicklungsbildes und seines Gesamtzustandes eine Befristung der Rente nicht gerechtfertigt sei, überzeugt dies den Senat nicht. Der Kläger hat zunächst lediglich auf die ärztliche Berichte von Dr. W. aus dem Jahr 2005 und der Sportklinik St. sowie der E. aus dem Jahr 2010 Bezug genommen, die dem orthopädischen Gutachter Dr. von St. bereits vorgelegen hatten. Ergänzend hatte er auf die Schwerhörigkeit und den zeitweise auftretenden Lagerungsschwindel hingewiesen. Beides war aber bereits der Verwaltungsgutachterin Dr. Sch. bekannt und konnte weder nach deren Einschätzung noch nach Einschätzung der behandelnden HNO-Ärztin eine zeitliche Leistungseinschränkung begründen. Weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht dargetan, so dass der Senat auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen hatte.

Streitig zwischen den Beteiligten ist letztlich die Frage der Wegeunfähigkeit des Klägers, von der das Sozialgericht in seinem Urteil auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens von Dr. von St. zumindest für die Zeit einer Gewichtsreduktion ausgegangen ist. Dem kann sich der Senat nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren hierzu durchgeführten weiteren Ermittlungen nicht anschließen. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Senats nicht wegeunfähig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. Urteil des BSG vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. sowie Urteil vom 28.08.2002 - B 5 RJ 12/02 R - in Juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (Urteile des BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - in SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R - in Juris); das Fehlen dieses Minimums an Mobilität führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. Urteile des BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 – in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R –in Juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. Urteile des BSG vom 19.11.1997 - 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R - und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R –in Juris).

Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien liegt beim Kläger keine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB VI vor. Anders als das Sozialgericht vermag der Senat dem Gutachten von Dr. von St. hinsichtlich dessen Ausführungen zur Wegeunfähigkeit des Klägers nicht zu folgen. Dem steht schon entgegen, dass das Gutachten insoweit widersprüchliche Schlussfolgerungen enthält, die der Gutachter auch in seiner ergänzenden Stellungnahme im Berufungsverfahren nicht überzeugend ausgeräumt hat. Dr. von St. hat in seinem Gutachten vom 01.04.2011 zunächst auf Seite 20 ausgeführt, das Gehvermögen des Klägers sei zwar eingeschränkt, aber nicht soweit minimiert, dass die rentenrelevante Wegstrecke nicht mehr zurückgelegt werden könne. Bei der Beantwortung der Beweisfragen auf Seite 23 des Gutachtens gibt Dr. von St. hingegen an, der Kläger könne lediglich zweimal am Tag eine Gehstrecke von 500 m in 20 Minuten zurücklegen, nicht jedoch viermal. Die rentenrelevante Wegstrecke wäre damit nicht erreicht. Diesen Widerspruch hat der Gutachter nicht aufgeklärt. Vom Sozialgericht wurde lediglich telefonisch nach der Möglichkeit des Klägers, ein Kraftfahrzeug zu führen, gefragt. Im Berufungsverfahren wurde der Gutachter auf den entstandenen Widerspruch ausdrücklich hingewiesen, hat sich hierzu in seiner Stellungnahme vom 06.02.2012 aber nicht in überzeugender Weise geäußert. Er hat nach wie vor daran festgehalten, dass sich aus dem Gesamtbild der über dreistündigen Untersuchung einschließlich des Eindrucks des Klägers in einem unbeobachteten Moment sowie aus der Beurteilung der Röntgenbilder die Beurteilung ergeben habe, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, regelmäßig die erforderliche Wegstrecke in der vorgegebenen Zeit zurückzulegen, auch nicht unter Zuhilfenahme eines Gehstocks. Allerdings weist Dr. von St. dabei maßgeblich auf den aktuellen Reizzustand hin, der nach seinen Ausführungen bei degenerativen Veränderungen maßgeblich sei für die augenblickliche Leistungsfähigkeit. Diese Erläuterung ist aber schon deshalb wenig überzeugend, weil es für die Frage einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung nicht auf eine aktuelle Leistungsminderung, sondern auf die prognostische Beurteilung einer zeitlich überdauernden Leistungseinschränkung ankommt. Gerade den von Dr. von St. festgestellten intraartikulären Erguss im rechten Kniegelenk (Seite 12 des Hauptgutachtens) konnte Dr. H. bei seiner am 21.05.2012 durchgeführten Untersuchung des Klägers nicht mehr feststellen. Auch Dr. von St. räumt ein, dass sich bei einer erneuten Untersuchung des Klägers insoweit ein anderer Befund ergeben könne. Für die Annahme einer überdauernden Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers tragen die Ausführungen seines Gutachtens daher nicht. Er hat auch selbst die Option gesehen, dass sich die Gehfähigkeit durch eine erhebliche Gewichtsreduktion des Klägers dahingehend verbessern könnte, dass ihm die rentenrelevante Gehstrecke wieder möglich sei. Diese Angabe spricht dafür, dass der massiven Adipositas neben den rein orthopädischen Befunden in der Einschätzung Dr. von St. eine zusätzliche Bedeutung bei der Beurteilung der Wegefähigkeit beigemessen wurde. Der Senat teilt dagegen die von Dr. Sch. geäußerten Bedenken hinsichtlich der fehlenden Plausibilitätsprüfung durch Dr. von St ... Dieser hätte angesichts der Angaben des Klägers gegenüber Dr. S. nur wenige Monate zuvor durchaus Veranlassung gehabt, die vom Kläger ihm gegenüber angegebene massive Verschlechterung der Gehfähigkeit zu hinterfragen. Der Kläger hatte bei Dr. S. selbst angegeben, er könne mit Gehstock noch eine bis anderthalb Stunden laufen, bis Kniebeschwerden einsetzen würden. Dabei handelt es nicht - wie Dr. von St. in seiner ergänzenden Stellungnahme meint - um eine Angabe des Gutachters Dr. S., sondern um die anamnestisch erhobene Angabe des Klägers selbst. Die eher lapidare Bemerkung von Dr. von St., er sei bei dieser Untersuchung nicht dabei gewesen, kann die Richtigkeit der Wiedergabe dieser klägerischen Angabe in der Anamneseschilderung durch Dr. S. nicht in Frage stellen. Dr. Sch. hat auch nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass der Kläger bei Dr. S. nachweislich unzutreffende Angaben zur Schmerzmitteleinnahme gemacht hat, was einen weiteren Anhaltspunkt dafür darstellt, seine Angaben auch bei der Begutachtung durch Dr. von St. zu hinterfragen. Dieser geht in seiner ergänzenden Stellungnahme hierauf nicht ein, sondern hat die von Dr. Sch. geäußerte Kritik offenbar missverstanden. Auf die Unverträglichkeit von Schmerzmitteln, zu der sich Dr. von St. insoweit äußert, kommt es in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht an.

Der Senat folgt letztlich den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. H., der im Berufungsverfahren von Amts wegen mit der erneuten gutachterlichen Beurteilung der Wegefähigkeit des Klägers beauftragt worden war. Er hat - in der Befunderhebung mit dem Vorgutachter durchaus übereinstimmend - Gelenkknorpelschäden an beiden Kniegelenken hinter den Kniescheiben festgestellt und diese als irreversible Strukturschäden beurteilt. Weitere arthrotische Veränderungen an den Kniegelenken hat er nicht festgestellt. Er hat diese Störungen aber als nicht so massiv beurteilt, dass sie eine gravierende Einschränkung der Gehfähigkeit plausibel machen könnten. Insoweit hat Dr. H. auch die eigenen Angaben des Klägers zu seiner Mobilität im privaten Umfeld bei der Bewertung herangezogen. Dr. H. hat bei seiner Einschätzung der Gehfähigkeit des Klägers auch berücksichtigt, dass die Kniebeweglichkeit bei seiner Untersuchung sich gegenüber der vom Vorgutachter festgestellten Beweglichkeit verschlechtert hatte. Er hat allerdings auch darauf hingewiesen, dass die Beweglichkeit des linken Knies, die mit 60° deutlich hinter der von Dr. von St. festgestellten Beugung von 100° zurückgeblieben war, spontan beim Ankleiden des Klägers erheblich besser war und bei 90-100° lag. Ungeachtet dieser Untersuchungsergebnisse hat Dr. H. eine Einschränkung der rentenrelevanten Wegefähigkeit des Klägers nicht festgestellt. Er hat letztlich auch auf die ambivalenten Ausführungen des Vorgutachters zu Wegefähigkeit verwiesen und die fehlende Erklärung für dessen Einschätzung, dass der Kläger die erforderliche Wegstrecke von 500 Metern in 20 Minuten zwar zweimal, nicht aber viermal am Tag zurücklegen könne. Eine entsprechende Erläuterung hatte auch Dr. Sch. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten vermisst. Diese Beanstandung führt im Ergebnis auch dazu, dass der Senat sich nicht von der Einschätzung der Wegefähigkeit durch Dr. von St. überzeugen konnte. Demgegenüber ist die differenzierte Auseinandersetzung mit den Untersuchungsbefunden, den Einwendungen der Beklagten und den Feststellungen des Vorgutachters, wie sie Dr. H. in seinem Gutachten vorgenommen hat, von erheblich höherer Überzeugungskraft für den Senat, so dass dieser der Einschätzung der Wegefähigkeit durch Dr. H. folgt.

Auch der Einwand des Klägers, die Begutachtung von Dr. H. sei erst nach Abschluss des Zeitraumes erfolgt, für den das Sozialgericht eine Zeitrente zugesprochen habe, greift nicht durch. Denn Dr. H. legt in seinem Gutachten aufgrund der Angaben des Klägers zu der noch möglichen Gehstrecke bei Dr. S. zugrunde, dass eine bedeutsame Einschränkung der Gehfähigkeit erst seit dem Datum der Begutachtung durch Dr. von St. vorliege. Diese hat am 01.04.2011 stattgefunden. Anhaltspunkte dafür, dass sich danach noch weitere Veränderungen, insbesondere Verschlechterungen ergeben haben, konnte weder Dr. H. erkennen, noch sind solche vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen worden. Die von Dr. H. geäußerte Einschätzung der Wegefähigkeit des Klägers bezieht sich somit nachvollziehbar auf den seit der Begutachtung durch Dr. von St. gegebenen Gesundheitszustand des Klägers, den Dr. H. insgesamt positiver im Blick auf die noch verbliebene Gehfähigkeit einschätzt. Der Senat hält dies auch für den Zeitraum vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 für nachvollziehbar. Dass Dr. H. aufgrund der Krankheitsvorgeschichte mit bereits elf durchgeführten Operationen keine positive Prognose für eine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustands des Klägers abgeben konnte, ändert nichts an seiner Einschätzung, dass eine Wegeunfähigkeit des Klägers derzeit nicht nachgewiesen ist. Dr. H. hat auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für zumutbar erachtet, so dass es auf die Frage, ob dem Kläger die Nutzung eines Kraftfahrzeugs für den Weg zur Arbeit noch zumutbar ist, nicht ankommt. Schließlich begründet auch die Erhöhung des GdB auf 50 als solche entgegen der Auffassung des Klägers keine Rückschlüsse auf die bei ihm noch vorhandene Wegefähigkeit.

Nach alledem konnte das Urteil des Sozialgerichts, soweit dem Kläger darin eine Zeitrente vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 zugesprochen worden war, kleinen Bestand haben, so dass es entsprechend abzuändern war. Die Berufung des Klägers blieb hingegen mangels Nachweises von Erwerbsunfähigkeit erfolglos.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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