Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 230/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1450/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt zuletzt nur noch die Feststellung der Berufskrankheit (BK) Nrn. 4301 und 4302 sowie die Anerkennung eines Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine Berufskrankheit".
Der 1966 geborene Kläger war mit Unterbrechungen in der Zeit von 1982 bis 1993 als Zimmererhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit März 1993 ist der Kläger bei der Firma GeFi - G. F. in A. - in der Möbelherstellung als Schreiner versicherungspflichtig beschäftigt. Dieser Beschäftigung ging er bis 04.02.2007 nach, seit dem 05.02.2007 war er arbeitsunfähig und bezieht seit 01.09.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger arbeitete an einer nicht abgesaugten Doppelpresse, mit welcher Holzplatten und Furnier zusammengepresst werden. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, Kauritleimpulver mit Wasser zu vermischen und in die Presse einzufüllen.
Bei dem Kläger wurde im Februar 2007 ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom des linken Oberlappens und Befall des linken oberen Mediastinums diagnostiziert. In dem Befundbericht vom 27.02.2007 des Ortenau Klinikums führten die Ärzte als Nebendiagnose kardiovaskuläre Risikofaktoren: Nikotinabusus (Vorbelastung ca. 25 pack-years) und positive Familienanamnese an. Im Rahmen der Lungenfunktionsprüfung konnten die Ärzte keine Obstruktion oder Restriktion der Lunge feststellen. Ausdrücklich verneinten sie auch Hinweise für eine BK.
Die Krankenkasse des Klägers zeigte am 25.01.2008 den Verdacht auf eine BK an. Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. Sch. (Facharzt für Allgemeinmedizin) und Dr. M. (Fachärztin für Onkologie), das Vorerkrankungsverzeichnis sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht der Vorsorge- und Rehabilitationskliniken St. Georg in H. vom 20.11.2007 bei. In dem Rehabilitationsentlassungsbericht der Maßnahme vom 30.10. bis 19.11.2007 wurde die Diagnose eines Bronchialkarzinoms sowie eines Nikotinabusus gestellt. Im Rahmen der Diagnostik erstellten die Ärzte eine Bodyplethysmographie. Bei dieser zeigte sich eine leichte Restriktion der Lunge, jedoch keine zentrale oder periphere Obstruktion.
Im Rahmen eines Hausbesuches äußerte der Kläger gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten, Frau F. (Abteilung Berufskrankheiten) und Dr. Sch. (Abteilung Prävention), die Arbeitsbedingungen bei seinem letzten Arbeitgeber im Bereich der Pressen seien insbesondere bezüglich der Absaugung bzw. der Belüftung sehr schlecht gewesen. Deshalb hätten sowohl er als auch die Arbeitskollegen oft unter Nasenbluten durch wahrscheinlich gereizte Schleimhäute und Kopfweh gelitten.
Der Arbeitgeber teilte am 06.05.2008 mit, der Kläger sei seit 1993 als Arbeiter an der Presse beschäftigt worden. In seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition führte Dr. Sch. aus, der Kläger sei ihm Laufe seines Berufslebens mit Weißleim, Holzstäuben, DD-Lacken und Wasserlacken in Kontakt gekommen. Bei der Arbeit an den nicht abgesaugten Pressen, die zu 80 Prozent Tätigkeitsschwerpunkt gewesen sei, liege aufgrund des verarbeiteten Kauritleims eine deutlich erhöhte Belastung durch Formaldehyd vor. Allerdings stünden weder Formaldehyd noch die Lacke bzw. Holzstäube im Verdacht, Lungenkrebs hervorzurufen.
Die Beklagte zog weiterhin neben der Schwerbehindertenakte die pathologischen Befunde und das ärztliche Gutachten des Sozialmediziners Dr. Sch. vom 25.04.2008 bei, welches dieser im Rahmen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erstattet hatte. Die Lungenfunktionsprüfung vom 17.04.2008 erbrachte danach eine Obstruktion mit Verteilungsstörung wahrscheinlich, keine relevante Restriktion, Messwerte hierzu teilte Dr. Sch. nicht mit.
Mit Bescheid vom 15.07.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 4104 ("Lungenkrebs durch Asbest") sowie Nr. 1306 ("Erkrankungen durch Methylalkohol") sowie das Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine BK" ab. Zur Begründung führte sie an, im Rahmen seiner beruflichen Beschäftigung sei der Kläger nur mit den Gefahrstoffen Weißleim, Holzstaub, DD-Lack, Wasserlack und Formaldehyd in Kontakt gekommen. Eine berufliche Asbestbelastung oder ein Kontakt zu Methanol habe in keinem der Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, deswegen lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 4104 bzw. Nr. 1306 nicht vor. Diejenigen Erkrankungen, welche nach der Liste der BKen durch Formaldehyd ausgelöst werden könnten, lägen bei dem Kläger nicht vor. Es existierten auch keine neuen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft als herrschende Auffassung im Kreise der Fachwissenschaftler, wonach Formaldehyd Lungentumorerkrankungen verursache bzw. bestimmte Personengruppen mit beruflichen Formaldehydkontakten in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Lungentumorerkrankungen leiden würden. Daher scheide eine Entschädigung wie eine BK ebenfalls aus.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 18.07.2008 Widerspruch mit der Begründung, höhere Konzentrationen von Formaldehyd könnten schwere Atembeschwerden hervorrufen und schließlich zu einer chemisch verursachten Lungenschädigung bis hin zum Tod führen. Auch bei ihm seien die typischen Anzeichen wie Atemnot, Schmerzen in der Brust, Husten und Erbrechen zu erkennen. Die Beklagte zog die Stellungnahme des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) zu Krebserkrankungen nach der Einwirkung von Aldehyden, insbesondere Formaldehyd und Glutaraldehyd, bei (Internetausdruck vom 28.08.2008, Bl. 183 ff. der Verwaltungsakte). Neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur generellen Geeignetheit von Formaldehyd, Krebserkrankungen anderer Lokalisationen als in der Nase bzw. im Nasenrachenraum oder in den Nasennebenhöhlen zu verursachen seien danach nicht bekannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 wurde der Widerspruch daraufhin als unbegründet zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, den Studien, die Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung von Formaldehyd annähmen, könnten gesicherte Erkenntnisse über Einwirkungshöhe und -dauer nicht entnommen werden. Die generelle Eignung werde durch neuere medizinische wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gestützt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 15.01.2009 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Aktenzeichen S 17 U 230/09) und die Anerkennung der BKen 4301 und 4302 begehrt.
Daraufhin hat die Beklagte ein weiteres Verwaltungsverfahren eingeleitet, das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 21.09.2009) und die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. (Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde) vom 30.07.2009 eingeholt. Dr. G. führte aus, erforderlich für das Vorliegen der BK Nrn. 4301 oder 4302 seien zumindest zeitweilige und tätigkeitsbezogene Nachweise einer bronchialen Obstruktion in Verbindung mit konkreten arbeitsplatzbezogenen Beschwerden. Daran fehle es bei unauffälligem Vorerkrankungsverzeichnis und der Angabe des Klägers, bis zum Erkrankungsbeginn nie ernsthaft krank gewesen zu sein und erst bei der Krebserkrankung an Stimmverlust und Husten gelitten zu haben. Wegen der berichteten gereizten Schleimhäute, Kopfweh und Nasenbluten habe er sich nicht in medizinische Behandlung begeben oder gar Kontakt zur Berufsgenossenschaft gesucht. Atemwegsbeschwerden würden erst seit der Tumorerkrankung berichtet. Vielmehr sei der Kläger bis zu den ersten Symptomen einer Tumorerkrankung Anfang 2007 beschwerdefrei gewesen. Insbesondere habe keine Symptomatik einer obstruktiven Atemwegserkrankung in Form von Husten, Auswurf oder Atemnot bestanden. Arbeitsbezogene Beschwerden seien nicht dokumentiert. Später im Rahmen der Tumorerkrankung aufgetretene Beschwerden würden sich aus der Tumorerkrankung selbst und der nicht unbelastenden Behandlung durch Chemotherapie und Strahlentherapie erklären. Dieser Einschätzung schloss sich die Gewerbeärztin E. am 01.09.2009 an.
Mit weiterem Bescheid vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte daraufhin auch die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK Nr. 4301 ("durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen [einschließlich Rhinopathie]") bzw. BK Nr. 4302 ("durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen") ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an, bei dem Kläger sei ausweislich der medizinischen Befunde eine obstruktive Atemwegserkrankung vor Diagnose der Lungentumorerkrankung im Sinne der beiden BKen nicht festgestellt worden. Es fehle daher an dem erforderlichen medizinischen Erkrankungsbild. Darüber hinaus gebe es weder medizinische Befunde zum Nachweis von Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit noch Befunde im Zusammenhang mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung vor der Diagnose der Lungentumorerkrankung.
Auch gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 23.10.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er an, er habe bereits vor dem Lungentumor unter einer obstruktiven Atemwegserkrankung gelitten (Hypersekretion, Veränderungen der Bronchialschleimhaut und Störungen des Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege). Darüber hinaus stelle der Bronchialtumor eine obstruktive Atemwegserkrankung dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, der Kläger habe sich erstmals 2007 in lungenfachärztliche Behandlung begeben, Atemwegsbeschwerden vor der Diagnose der Lungentumorerkrankung seien nicht nachgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14.01.2010 Klage bei dem Sozialgericht Freiburg erhoben (Aktenzeichen S 20 U 244/10). Das Sozialgericht Freiburg hat mit Beschluss vom 07.04.2010 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 17 U 230/09 verbunden und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. hat unter Beifügung der Patientenkartei ab 2002, mitgeteilt, er selbst habe keinen Befund erhoben oder Diagnosen gestellt. Hinweise auf eine Obstruktion fänden sich lediglich im Bericht der Deutschen Rentenversicherung, er selbst habe keine, auch nicht in den Unterlagen.
PD Dr. W. vom Ortenau Klinikum, Abteilung Pneumologie hat ausgeführt, die Frage, ob bei dem Kläger eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BKen vorliege, könne aufgrund der erhobenen Befunde nicht eindeutig beantwortet werden. Denn die Lungenfunktionsdiagnostik sei aufgrund der mediastinalen Raumfassung eingeschränkt worden. Da der Akte zu entnehmen sei, dass eine Zigarettenvorbelastung mit etwa 20 Packungsjahren bestehe, sei neben einem Asthma bronchiale auch eine COPD als Ursache der Einschränkung des FEV1-Wertes möglich. Hierzu sei jedoch ein Bronchospasmolysetest durchzuführen.
Dr. K., bei dem der Kläger zusätzlich bis 12/07 in hausärztlicher Betreuung stand, hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage mitgeteilt, nach seiner Kenntnis leide der Kläger nicht an einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen Nr. 4301 bzw. 4302. Im Januar 2007 sei zunächst ein BWS-Syndrom diagnostiziert worden.
Schließlich hat das Sozialgericht die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Nr. 23/2006 vom 30.03.2006 beigezogen. Das BfR kommt darin zu der Schlussfolgerung, dass sich nach Analyse aller verfügbaren Daten zeige, dass eine inhalative Formaldehydexposition bei Menschen Krebs auslösen und zu Tumoren der oberen Atemwege, nicht hingegen zum Auftreten von Leukämien führen könne. Eine Konzentration von 0,1 ppm Formaldehyd sei sicher und erhöhe das Krebsrisiko nicht nennenswert.
Mit Urteil vom 18.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage (gemeint: die Klagen) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es gebe keine medizinisch-wissenschaftliche Evidenz im Hinblick auf einen Ursachenzusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Formaldehyd und der Entwicklung von Lungentumoren. Das folge aus den Stellungnahmen des HVBG und des BfR. Danach entfalte inhaliertes Formaldehyd seine Wirkung offenbar am "Eintrittsort", also im Nasen-Rachen-Raum. Daher bestünde ein hinreichender Nachweis nur dafür, dass Formaldehyd Tumore im Nasen-Rachen-Raum auslösen könnte. Da der Kläger nicht an einem solchen Tumor, sondern an einem Bronchialkarzinom erkrankt sei, könne seine Erkrankung nicht als Versicherungsfall wie eine BK anerkannt werden. Für die BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 sei der Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung nicht geführt. Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit der Exposition seien nicht dokumentiert, allenfalls sei es aufgrund der Bestrahlung und Chemotherapie zu einer gewissen Obstruktion gekommen. Das Sozialgericht hat sich insoweit auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. gestützt. Auch stelle das bei dem Kläger vorliegende Bronchialkarzinom keine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der genannten BKen dar.
Gegen das am 12.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.04.2012 Berufung eingelegt. Der Kläger hält die Schlussfolgerung des Sozialgerichtes, die Exposition von Formaldehyd führe ausschließlich zur Verursachung von Tumoren der oberen Atemwege für medizinisch nicht haltbar. Darüber hinaus verkenne das Sozialgericht, dass der Gutachter der Deutschen Rentenversicherung Dr. Sch. das Vorliegen einer Obstruktion als wahrscheinlich erachtet habe, deswegen hätte sich das Gericht zu weiteren Sachermittlungen gedrängt sehen müssen. Auch den von PD Dr. W. genannten Bronchospasmolysetest hätte durchführen lassen müssen. Die erste Instanz habe weiterhin verkannt, dass seine Tumorerkrankung als obstruktive Atemwegserkrankung zu verstehen sei. Wenn bereits eine chronisch obstruktive Bronchitis als Atemwegserkrankung anzuerkennen sei, dann müsse dies erst recht für das bei ihm vorliegende Bronchialkarzinom gelten. Es habe sich kein Gutachter bereit erklärt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erstatten, deswegen werde ein entsprechender Beweisantrag nicht gestellt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 aufzuheben und das Bronchialkarzinom als Versicherungsfall "wie eine Berufskrankheit" festzustellen und den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und das Bronchialkarzinom als eine Berufskrankheit nach Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Streitgegenständlich ist nach der Verbindung der Verfahren S 17 U 230/09 und S 20 U 244/10 der Bescheid vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 sowie der Bescheid vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2009. Das Sozialgericht Freiburg hat in dem Urteil vom 18.11.2011 über beide Streitgegenstände entschieden. Dies ergibt sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Urteils. Unerheblich ist hierbei, dass im Tenor die "Klage" abgewiesen wurde, statt "die Klagen" abzuweisen.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Feststellung ablehnenden und einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer BK bzw. des Versicherungsfalles "wie eine BK".
Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 sowie des Versicherungsfalles wie eine BK zu Recht nicht als erfüllt angesehen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 und der Bescheid vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2009 sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. § 212 SGB VII). Danach sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Aufgrund dieser Ermächtigungen in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 (BGBl I S. 2623) (im Weiteren BKV) mit der Anlage 1 zu § 1 BKV erlassen, in der unter Nr. 4301 "durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie) sowie unter Nr. 4302 "durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen" gelistet sind.
Die Unfallversicherungsträger haben darüber hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Für die Feststellung einer Erkrankung als BK müssen die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R ): Die Verrichtung des Versicherten muss einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), der Versicherte muss Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper ausgesetzt gewesen sein, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss zu diesen Einwirkungen geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung des Bronchialkarzinoms als BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 auch zur Überzeugung des Senates nicht gegeben.
Der Kläger kann bereits den Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne dieser BKen nicht führen.
Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des broncho-pulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen der BKen nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit diesen BKen nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwanges ergibt (BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R - Rz. 14, zitiert nach juris). Unter den Begriff "obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der BKV" fallen allergische Rhinopathie, Asthma bronchiale und chronisch obstruktive Bronchitis bzw. chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) (Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung [BKV] Kommentar, Lieferung 2/11, M 4301, S. 7, Nr. 2).
Atemwegsbeschwerden sind vom Kläger nur im Zusammenhang mit der Tumorerkrankung geäußert worden. Selbst 2007 hat er zunächst nur BWS-Beschwerden gehabt und erst die weitere Diagnostik hat dann die mediastinale Raumforderung ergeben. Der Senat entnimmt dies der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K ... Vor 2007 hat sich der Kläger wegen Atemwegsbeschwerden auch nicht in ärztliche Behandlung begeben. Die Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellung des behandelnden Hausarztes Dr. Sch. wird auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis und die Patientenkartei bestätigt. Der Kläger selbst hat sehr frühzeitig berichtet, vor der Krebserkrankung nie krank gewesen zu sein. Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass bereits sein Vater an Lungenkrebs erkrankt war und der Kläger einen erheblichen Nikotinabusus aufwies, hätte es aber nahe gelegen, solche Atemwegsbeschwerden aufmerksam zu beobachten. Dr. G. ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass typische Symptome wie Stimmverlust und Husten erst 2007 aufgetreten sind und es daher am Nachweis einer Obstruktion fehlt.
Soweit der Kläger von einer mangelnden Sachaufklärung durch das Sozialgericht ausgeht, da es einen Bronchospasmolysetest nicht angeordnet hat, ist diese Entscheidung nach Überzeugung des Senates im Lichte des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 103 SGG nicht zu beanstanden. Denn PD Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage diesen Test als ausschließlich entscheidend für die Unterscheidung zwischen Asthma bronchiale und COPD angesehen. Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch, wie oben dargestellt, nicht an. Beide Erkrankungen wären unter den Begriff der obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der genannten BKen zu subsummieren. Das Ergebnis eines solchen Tests kann daher dahin stehen.
Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich allein aus dem Gutachten von Dr. Sch. für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg im April 2008, also über ein Jahr nach Auftreten der Krebserkrankung, ein Anhaltspunkt für eine bei dem Kläger vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass Dr. Sch. die obstruktive Erkrankung nur für wahrscheinlich hält.
Eine Aussage, ob die Obstruktionsstörung schon vor der Krebserkrankung vorlag, hat er zudem gerade nicht getroffen, sondern nur den aktuellen Befund erhoben, der sich aber nach Einschätzung von Dr. G. ohne weiteres durch die Tumorerkrankung selbst bzw. die damit einhergehenden belastenden Behandlungen erklären lässt. Eine gesicherte Diagnose ist hierin überdies nicht zu sehen. Da die Erkrankung zur Anerkennung einer BK jedoch im Vollbeweis vorliegen muss, reicht insoweit allein der Krankheitsverdacht nicht aus. Die anderen den Kläger behandelnden Ärzte sowie die Ärzte in der Rehabilitationseinrichtung St. Georg verneinen ausdrücklich eine bei dem Kläger vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung. Soweit PD Dr. W. in seiner Stellungnahme ausführt, anhand der vorliegenden Befunde könne eine Entscheidung über eine obstruktive Erkrankung nicht eindeutig getroffen werden, widerspricht er damit seinem eigenen Befundbericht vom 27.02.2007, in welchem ausdrücklich davon die Rede ist, dass keine Obstruktion vorliegt. Eine fachärztliche Behandlung wegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung wurde und wird bei dem Kläger ebenfalls nicht durchgeführt. Weitere Ermittlungen in diese Richtung allein auf Basis einer wahrscheinlichen Diagnose ein Jahr nach Auftreten der Tumorerkrankung sind nicht erforderlich, da - worauf Dr. G. zu Recht hinweist - die jetzige Atemwegserkrankung auch allein auf der nun durchgeführten Therapie beruhen kann.
Der Senat teilt auch nicht die Ansicht des Klägers, das bei ihm vorliegende Bronchialkarzinom sei eine obstruktive Atemwegserkrankung. Eine Tumorerkrankung ist nicht mit einer solchen gleichzusetzen, da es sich dabei nicht um eine chronische Krankheit des broncho-pulmonalen Systems handelt. Diesem Unterschied hat das Sozialgericht zu Recht Rechnung getragen.
Selbst bei Annahme einer obstruktiven Atemwegserkrankung bestehen Zweifel an einem ursächlichen Zusammenhang mit der Verrichtung im Rahmen der versicherten Tätigkeit (Bedienen der Presse mit Formaldehydexposition). Zu Recht hat Dr. G. darauf hingewiesen, dass eine arbeitsplatzbezogene Symptomatik während der Tätigkeit weder geäußert wurde noch medizinisch dokumentiert ist. Die von dem Kläger gegenüber Frau F. und Dr. Sch. beklagten, während der Tätigkeit angeblich aufgetretenen Symptome wie Nasenbluten, Erbrechen oder Kopfschmerzen sind keine Symptome einer obstruktiven Atemwegserkrankung; hier wären vielmehr Husten, Auswurf, Atemnot, Fließschnupfen oder Reizung der Augenbindehaut zu nennen (Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung (BKV) Kommentar, Lieferung 2/11, M 4301, S. 3, III und M 4302, S. 2 , III).
Im Übrigen ist die berufsbedingte Exposition mit Formaldehyd jedenfalls nicht wesentliche Bedingung für die Entstehung der Erkrankung. Denn der familiär vorbelastete Kläger war über Jahre hinweg starker Raucher. Somit liegen zwei erhebliche außerberufliche Risikofaktoren für die Entstehung des Bronchialkarzinoms vor, die dazu geführt haben, dass die Ärzte des Ortenau Klinikums einen Verdacht auf eine BK nicht bestätigen konnten und dementsprechend auch selbst keine Anzeige vorgenommen haben. Dessen ungeachtet erklären sich die Beschwerden allein aus der Tumorerkrankung und der unbelastenden Chemo- und Strahlentherapie, worauf Dr. G. zutreffend hingewiesen hat.
Die Anerkennung der BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 wurde daher zu Recht abgelehnt.
Das gilt auch hinsichtlich der Anerkennung des Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine BK" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII.
Mit der Anerkennung wie eine BK soll nicht erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK entschädigt wird. Sinn und Zweck ist es vielmehr, solche durch die versicherte Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (vgl. BSG, Urteil vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - Rz. 18, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen).
Nach Überzeugung des Senats liegen keine durch statistisch abgesicherte Zahlen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, dass bei Formaldehydexposition eine gruppenspezifische Risikoerhöhung für Lungentumore besteht. Der Senat stützt sich insoweit auf die Stellungnahme des BfR Nr. 23/06 vom 30.03.2006 und die Stellungnahme des HVBG. Das BfR hat insoweit ausgeführt, dass Formaldehyd von der International Agency for Research on Cancer (IARC) nach einer Expertenkonsultation Mitte 2004 neu zu bewerten und als humankanzerogen anzusehen ist. Da inhalatives Formaldehyd aber am Eintrittsort seine Wirkung entfaltet, kann als ursächlich nur die Tumorerkrankung im Nasenrachenraum bzw. der oberen Atemwege betrachtet werden. In seiner Stellungnahme zur Studie der IARC bzw. der neuen Einstufung von Formaldehyd hat der HVBG ausgeführt, dass es nach den Studien zwar Hinweise darauf gibt, dass Formaldehyd Krebserkrankungen insbesondere der Nase, der Nasennebenhöhlen und des Nasenrachenraumes verursachen kann. Jedoch gibt es zum einen keine gesicherten medizinischen wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere hinreichende epidemiologische Erkenntnisse zur Definition der Personengruppe, welche ein erhöhtes Risiko tragen. Zum anderen fehlten neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur generellen Geeignetheit von Formaldehyd, Krebserkrankungen anderer Lokalisationen zu verursachen (Stellungnahme des HVBG zu § 9 Abs. 2 SGB VII zu Krebserkrankungen nach der Einwirkung von Aldehyden, insbesondere Formaldehyd und Glutaraldehyd). Soweit der Kläger geltend macht, diese Erkenntnisse seien wissenschaftlich nicht haltbar und die Schlüsse, welche das Sozialgericht daraus gezogen habe, widersprächen der neuen Wissenschaft, so hat er dafür keine wissenschaftlichen oder medizinischen Unterlagen vorgelegt. Der Senat hat sich daher ebenso wenig wie das Sozialgericht dazu verpflichtet gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen. Da es an neuen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber fehlt, dass Formaldehyd tatsächlich geeignet ist, kanzerogen im Bereich der Lunge also der unteren Atemwege zu wirken, war bei dem Kläger auch ein Versicherungsfall "wie eine BK" nicht anzuerkennen.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 193 Abs. 1 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt zuletzt nur noch die Feststellung der Berufskrankheit (BK) Nrn. 4301 und 4302 sowie die Anerkennung eines Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine Berufskrankheit".
Der 1966 geborene Kläger war mit Unterbrechungen in der Zeit von 1982 bis 1993 als Zimmererhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Seit März 1993 ist der Kläger bei der Firma GeFi - G. F. in A. - in der Möbelherstellung als Schreiner versicherungspflichtig beschäftigt. Dieser Beschäftigung ging er bis 04.02.2007 nach, seit dem 05.02.2007 war er arbeitsunfähig und bezieht seit 01.09.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger arbeitete an einer nicht abgesaugten Doppelpresse, mit welcher Holzplatten und Furnier zusammengepresst werden. Zu seinen Aufgaben gehörte es auch, Kauritleimpulver mit Wasser zu vermischen und in die Presse einzufüllen.
Bei dem Kläger wurde im Februar 2007 ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom des linken Oberlappens und Befall des linken oberen Mediastinums diagnostiziert. In dem Befundbericht vom 27.02.2007 des Ortenau Klinikums führten die Ärzte als Nebendiagnose kardiovaskuläre Risikofaktoren: Nikotinabusus (Vorbelastung ca. 25 pack-years) und positive Familienanamnese an. Im Rahmen der Lungenfunktionsprüfung konnten die Ärzte keine Obstruktion oder Restriktion der Lunge feststellen. Ausdrücklich verneinten sie auch Hinweise für eine BK.
Die Krankenkasse des Klägers zeigte am 25.01.2008 den Verdacht auf eine BK an. Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. Sch. (Facharzt für Allgemeinmedizin) und Dr. M. (Fachärztin für Onkologie), das Vorerkrankungsverzeichnis sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht der Vorsorge- und Rehabilitationskliniken St. Georg in H. vom 20.11.2007 bei. In dem Rehabilitationsentlassungsbericht der Maßnahme vom 30.10. bis 19.11.2007 wurde die Diagnose eines Bronchialkarzinoms sowie eines Nikotinabusus gestellt. Im Rahmen der Diagnostik erstellten die Ärzte eine Bodyplethysmographie. Bei dieser zeigte sich eine leichte Restriktion der Lunge, jedoch keine zentrale oder periphere Obstruktion.
Im Rahmen eines Hausbesuches äußerte der Kläger gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten, Frau F. (Abteilung Berufskrankheiten) und Dr. Sch. (Abteilung Prävention), die Arbeitsbedingungen bei seinem letzten Arbeitgeber im Bereich der Pressen seien insbesondere bezüglich der Absaugung bzw. der Belüftung sehr schlecht gewesen. Deshalb hätten sowohl er als auch die Arbeitskollegen oft unter Nasenbluten durch wahrscheinlich gereizte Schleimhäute und Kopfweh gelitten.
Der Arbeitgeber teilte am 06.05.2008 mit, der Kläger sei seit 1993 als Arbeiter an der Presse beschäftigt worden. In seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition führte Dr. Sch. aus, der Kläger sei ihm Laufe seines Berufslebens mit Weißleim, Holzstäuben, DD-Lacken und Wasserlacken in Kontakt gekommen. Bei der Arbeit an den nicht abgesaugten Pressen, die zu 80 Prozent Tätigkeitsschwerpunkt gewesen sei, liege aufgrund des verarbeiteten Kauritleims eine deutlich erhöhte Belastung durch Formaldehyd vor. Allerdings stünden weder Formaldehyd noch die Lacke bzw. Holzstäube im Verdacht, Lungenkrebs hervorzurufen.
Die Beklagte zog weiterhin neben der Schwerbehindertenakte die pathologischen Befunde und das ärztliche Gutachten des Sozialmediziners Dr. Sch. vom 25.04.2008 bei, welches dieser im Rahmen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg erstattet hatte. Die Lungenfunktionsprüfung vom 17.04.2008 erbrachte danach eine Obstruktion mit Verteilungsstörung wahrscheinlich, keine relevante Restriktion, Messwerte hierzu teilte Dr. Sch. nicht mit.
Mit Bescheid vom 15.07.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 4104 ("Lungenkrebs durch Asbest") sowie Nr. 1306 ("Erkrankungen durch Methylalkohol") sowie das Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine BK" ab. Zur Begründung führte sie an, im Rahmen seiner beruflichen Beschäftigung sei der Kläger nur mit den Gefahrstoffen Weißleim, Holzstaub, DD-Lack, Wasserlack und Formaldehyd in Kontakt gekommen. Eine berufliche Asbestbelastung oder ein Kontakt zu Methanol habe in keinem der Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, deswegen lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 4104 bzw. Nr. 1306 nicht vor. Diejenigen Erkrankungen, welche nach der Liste der BKen durch Formaldehyd ausgelöst werden könnten, lägen bei dem Kläger nicht vor. Es existierten auch keine neuen gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft als herrschende Auffassung im Kreise der Fachwissenschaftler, wonach Formaldehyd Lungentumorerkrankungen verursache bzw. bestimmte Personengruppen mit beruflichen Formaldehydkontakten in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Lungentumorerkrankungen leiden würden. Daher scheide eine Entschädigung wie eine BK ebenfalls aus.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 18.07.2008 Widerspruch mit der Begründung, höhere Konzentrationen von Formaldehyd könnten schwere Atembeschwerden hervorrufen und schließlich zu einer chemisch verursachten Lungenschädigung bis hin zum Tod führen. Auch bei ihm seien die typischen Anzeichen wie Atemnot, Schmerzen in der Brust, Husten und Erbrechen zu erkennen. Die Beklagte zog die Stellungnahme des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) zu Krebserkrankungen nach der Einwirkung von Aldehyden, insbesondere Formaldehyd und Glutaraldehyd, bei (Internetausdruck vom 28.08.2008, Bl. 183 ff. der Verwaltungsakte). Neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur generellen Geeignetheit von Formaldehyd, Krebserkrankungen anderer Lokalisationen als in der Nase bzw. im Nasenrachenraum oder in den Nasennebenhöhlen zu verursachen seien danach nicht bekannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2008 wurde der Widerspruch daraufhin als unbegründet zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, den Studien, die Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung von Formaldehyd annähmen, könnten gesicherte Erkenntnisse über Einwirkungshöhe und -dauer nicht entnommen werden. Die generelle Eignung werde durch neuere medizinische wissenschaftliche Erkenntnisse nicht gestützt.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 15.01.2009 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben (Aktenzeichen S 17 U 230/09) und die Anerkennung der BKen 4301 und 4302 begehrt.
Daraufhin hat die Beklagte ein weiteres Verwaltungsverfahren eingeleitet, das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 21.09.2009) und die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. (Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde) vom 30.07.2009 eingeholt. Dr. G. führte aus, erforderlich für das Vorliegen der BK Nrn. 4301 oder 4302 seien zumindest zeitweilige und tätigkeitsbezogene Nachweise einer bronchialen Obstruktion in Verbindung mit konkreten arbeitsplatzbezogenen Beschwerden. Daran fehle es bei unauffälligem Vorerkrankungsverzeichnis und der Angabe des Klägers, bis zum Erkrankungsbeginn nie ernsthaft krank gewesen zu sein und erst bei der Krebserkrankung an Stimmverlust und Husten gelitten zu haben. Wegen der berichteten gereizten Schleimhäute, Kopfweh und Nasenbluten habe er sich nicht in medizinische Behandlung begeben oder gar Kontakt zur Berufsgenossenschaft gesucht. Atemwegsbeschwerden würden erst seit der Tumorerkrankung berichtet. Vielmehr sei der Kläger bis zu den ersten Symptomen einer Tumorerkrankung Anfang 2007 beschwerdefrei gewesen. Insbesondere habe keine Symptomatik einer obstruktiven Atemwegserkrankung in Form von Husten, Auswurf oder Atemnot bestanden. Arbeitsbezogene Beschwerden seien nicht dokumentiert. Später im Rahmen der Tumorerkrankung aufgetretene Beschwerden würden sich aus der Tumorerkrankung selbst und der nicht unbelastenden Behandlung durch Chemotherapie und Strahlentherapie erklären. Dieser Einschätzung schloss sich die Gewerbeärztin E. am 01.09.2009 an.
Mit weiterem Bescheid vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte daraufhin auch die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK Nr. 4301 ("durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen [einschließlich Rhinopathie]") bzw. BK Nr. 4302 ("durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen") ab. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an, bei dem Kläger sei ausweislich der medizinischen Befunde eine obstruktive Atemwegserkrankung vor Diagnose der Lungentumorerkrankung im Sinne der beiden BKen nicht festgestellt worden. Es fehle daher an dem erforderlichen medizinischen Erkrankungsbild. Darüber hinaus gebe es weder medizinische Befunde zum Nachweis von Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit noch Befunde im Zusammenhang mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung vor der Diagnose der Lungentumorerkrankung.
Auch gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 23.10.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er an, er habe bereits vor dem Lungentumor unter einer obstruktiven Atemwegserkrankung gelitten (Hypersekretion, Veränderungen der Bronchialschleimhaut und Störungen des Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege). Darüber hinaus stelle der Bronchialtumor eine obstruktive Atemwegserkrankung dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, der Kläger habe sich erstmals 2007 in lungenfachärztliche Behandlung begeben, Atemwegsbeschwerden vor der Diagnose der Lungentumorerkrankung seien nicht nachgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 14.01.2010 Klage bei dem Sozialgericht Freiburg erhoben (Aktenzeichen S 20 U 244/10). Das Sozialgericht Freiburg hat mit Beschluss vom 07.04.2010 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 17 U 230/09 verbunden und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. hat unter Beifügung der Patientenkartei ab 2002, mitgeteilt, er selbst habe keinen Befund erhoben oder Diagnosen gestellt. Hinweise auf eine Obstruktion fänden sich lediglich im Bericht der Deutschen Rentenversicherung, er selbst habe keine, auch nicht in den Unterlagen.
PD Dr. W. vom Ortenau Klinikum, Abteilung Pneumologie hat ausgeführt, die Frage, ob bei dem Kläger eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BKen vorliege, könne aufgrund der erhobenen Befunde nicht eindeutig beantwortet werden. Denn die Lungenfunktionsdiagnostik sei aufgrund der mediastinalen Raumfassung eingeschränkt worden. Da der Akte zu entnehmen sei, dass eine Zigarettenvorbelastung mit etwa 20 Packungsjahren bestehe, sei neben einem Asthma bronchiale auch eine COPD als Ursache der Einschränkung des FEV1-Wertes möglich. Hierzu sei jedoch ein Bronchospasmolysetest durchzuführen.
Dr. K., bei dem der Kläger zusätzlich bis 12/07 in hausärztlicher Betreuung stand, hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage mitgeteilt, nach seiner Kenntnis leide der Kläger nicht an einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BKen Nr. 4301 bzw. 4302. Im Januar 2007 sei zunächst ein BWS-Syndrom diagnostiziert worden.
Schließlich hat das Sozialgericht die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Nr. 23/2006 vom 30.03.2006 beigezogen. Das BfR kommt darin zu der Schlussfolgerung, dass sich nach Analyse aller verfügbaren Daten zeige, dass eine inhalative Formaldehydexposition bei Menschen Krebs auslösen und zu Tumoren der oberen Atemwege, nicht hingegen zum Auftreten von Leukämien führen könne. Eine Konzentration von 0,1 ppm Formaldehyd sei sicher und erhöhe das Krebsrisiko nicht nennenswert.
Mit Urteil vom 18.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage (gemeint: die Klagen) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es gebe keine medizinisch-wissenschaftliche Evidenz im Hinblick auf einen Ursachenzusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Formaldehyd und der Entwicklung von Lungentumoren. Das folge aus den Stellungnahmen des HVBG und des BfR. Danach entfalte inhaliertes Formaldehyd seine Wirkung offenbar am "Eintrittsort", also im Nasen-Rachen-Raum. Daher bestünde ein hinreichender Nachweis nur dafür, dass Formaldehyd Tumore im Nasen-Rachen-Raum auslösen könnte. Da der Kläger nicht an einem solchen Tumor, sondern an einem Bronchialkarzinom erkrankt sei, könne seine Erkrankung nicht als Versicherungsfall wie eine BK anerkannt werden. Für die BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 sei der Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung nicht geführt. Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit der Exposition seien nicht dokumentiert, allenfalls sei es aufgrund der Bestrahlung und Chemotherapie zu einer gewissen Obstruktion gekommen. Das Sozialgericht hat sich insoweit auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. gestützt. Auch stelle das bei dem Kläger vorliegende Bronchialkarzinom keine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der genannten BKen dar.
Gegen das am 12.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.04.2012 Berufung eingelegt. Der Kläger hält die Schlussfolgerung des Sozialgerichtes, die Exposition von Formaldehyd führe ausschließlich zur Verursachung von Tumoren der oberen Atemwege für medizinisch nicht haltbar. Darüber hinaus verkenne das Sozialgericht, dass der Gutachter der Deutschen Rentenversicherung Dr. Sch. das Vorliegen einer Obstruktion als wahrscheinlich erachtet habe, deswegen hätte sich das Gericht zu weiteren Sachermittlungen gedrängt sehen müssen. Auch den von PD Dr. W. genannten Bronchospasmolysetest hätte durchführen lassen müssen. Die erste Instanz habe weiterhin verkannt, dass seine Tumorerkrankung als obstruktive Atemwegserkrankung zu verstehen sei. Wenn bereits eine chronisch obstruktive Bronchitis als Atemwegserkrankung anzuerkennen sei, dann müsse dies erst recht für das bei ihm vorliegende Bronchialkarzinom gelten. Es habe sich kein Gutachter bereit erklärt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erstatten, deswegen werde ein entsprechender Beweisantrag nicht gestellt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 aufzuheben und das Bronchialkarzinom als Versicherungsfall "wie eine Berufskrankheit" festzustellen und den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und das Bronchialkarzinom als eine Berufskrankheit nach Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Streitgegenständlich ist nach der Verbindung der Verfahren S 17 U 230/09 und S 20 U 244/10 der Bescheid vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 sowie der Bescheid vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2009. Das Sozialgericht Freiburg hat in dem Urteil vom 18.11.2011 über beide Streitgegenstände entschieden. Dies ergibt sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Urteils. Unerheblich ist hierbei, dass im Tenor die "Klage" abgewiesen wurde, statt "die Klagen" abzuweisen.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Feststellung ablehnenden und einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer BK bzw. des Versicherungsfalles "wie eine BK".
Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen der BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 sowie des Versicherungsfalles wie eine BK zu Recht nicht als erfüllt angesehen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2008 und der Bescheid vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2009 sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus §§ 7 und 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. § 212 SGB VII). Danach sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Aufgrund dieser Ermächtigungen in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 (BGBl I S. 2623) (im Weiteren BKV) mit der Anlage 1 zu § 1 BKV erlassen, in der unter Nr. 4301 "durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie) sowie unter Nr. 4302 "durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen" gelistet sind.
Die Unfallversicherungsträger haben darüber hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Für die Feststellung einer Erkrankung als BK müssen die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R ): Die Verrichtung des Versicherten muss einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), der Versicherte muss Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper ausgesetzt gewesen sein, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss zu diesen Einwirkungen geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung des Bronchialkarzinoms als BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 auch zur Überzeugung des Senates nicht gegeben.
Der Kläger kann bereits den Nachweis einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne dieser BKen nicht führen.
Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des broncho-pulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Fehlt es an der Obstruktion, liegen die Voraussetzungen der BKen nicht vor, weil der Verordnungsgeber mit diesen BKen nur Erkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen wollte, wie sich aus ihrer ursprünglichen Bezeichnung "Bronchialasthma" und der weiteren Voraussetzung des Unterlassungszwanges ergibt (BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R - Rz. 14, zitiert nach juris). Unter den Begriff "obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der BKV" fallen allergische Rhinopathie, Asthma bronchiale und chronisch obstruktive Bronchitis bzw. chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) (Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung [BKV] Kommentar, Lieferung 2/11, M 4301, S. 7, Nr. 2).
Atemwegsbeschwerden sind vom Kläger nur im Zusammenhang mit der Tumorerkrankung geäußert worden. Selbst 2007 hat er zunächst nur BWS-Beschwerden gehabt und erst die weitere Diagnostik hat dann die mediastinale Raumforderung ergeben. Der Senat entnimmt dies der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K ... Vor 2007 hat sich der Kläger wegen Atemwegsbeschwerden auch nicht in ärztliche Behandlung begeben. Die Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellung des behandelnden Hausarztes Dr. Sch. wird auch durch das Vorerkrankungsverzeichnis und die Patientenkartei bestätigt. Der Kläger selbst hat sehr frühzeitig berichtet, vor der Krebserkrankung nie krank gewesen zu sein. Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass bereits sein Vater an Lungenkrebs erkrankt war und der Kläger einen erheblichen Nikotinabusus aufwies, hätte es aber nahe gelegen, solche Atemwegsbeschwerden aufmerksam zu beobachten. Dr. G. ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass typische Symptome wie Stimmverlust und Husten erst 2007 aufgetreten sind und es daher am Nachweis einer Obstruktion fehlt.
Soweit der Kläger von einer mangelnden Sachaufklärung durch das Sozialgericht ausgeht, da es einen Bronchospasmolysetest nicht angeordnet hat, ist diese Entscheidung nach Überzeugung des Senates im Lichte des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 103 SGG nicht zu beanstanden. Denn PD Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage diesen Test als ausschließlich entscheidend für die Unterscheidung zwischen Asthma bronchiale und COPD angesehen. Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch, wie oben dargestellt, nicht an. Beide Erkrankungen wären unter den Begriff der obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der genannten BKen zu subsummieren. Das Ergebnis eines solchen Tests kann daher dahin stehen.
Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich allein aus dem Gutachten von Dr. Sch. für die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg im April 2008, also über ein Jahr nach Auftreten der Krebserkrankung, ein Anhaltspunkt für eine bei dem Kläger vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass Dr. Sch. die obstruktive Erkrankung nur für wahrscheinlich hält.
Eine Aussage, ob die Obstruktionsstörung schon vor der Krebserkrankung vorlag, hat er zudem gerade nicht getroffen, sondern nur den aktuellen Befund erhoben, der sich aber nach Einschätzung von Dr. G. ohne weiteres durch die Tumorerkrankung selbst bzw. die damit einhergehenden belastenden Behandlungen erklären lässt. Eine gesicherte Diagnose ist hierin überdies nicht zu sehen. Da die Erkrankung zur Anerkennung einer BK jedoch im Vollbeweis vorliegen muss, reicht insoweit allein der Krankheitsverdacht nicht aus. Die anderen den Kläger behandelnden Ärzte sowie die Ärzte in der Rehabilitationseinrichtung St. Georg verneinen ausdrücklich eine bei dem Kläger vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung. Soweit PD Dr. W. in seiner Stellungnahme ausführt, anhand der vorliegenden Befunde könne eine Entscheidung über eine obstruktive Erkrankung nicht eindeutig getroffen werden, widerspricht er damit seinem eigenen Befundbericht vom 27.02.2007, in welchem ausdrücklich davon die Rede ist, dass keine Obstruktion vorliegt. Eine fachärztliche Behandlung wegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung wurde und wird bei dem Kläger ebenfalls nicht durchgeführt. Weitere Ermittlungen in diese Richtung allein auf Basis einer wahrscheinlichen Diagnose ein Jahr nach Auftreten der Tumorerkrankung sind nicht erforderlich, da - worauf Dr. G. zu Recht hinweist - die jetzige Atemwegserkrankung auch allein auf der nun durchgeführten Therapie beruhen kann.
Der Senat teilt auch nicht die Ansicht des Klägers, das bei ihm vorliegende Bronchialkarzinom sei eine obstruktive Atemwegserkrankung. Eine Tumorerkrankung ist nicht mit einer solchen gleichzusetzen, da es sich dabei nicht um eine chronische Krankheit des broncho-pulmonalen Systems handelt. Diesem Unterschied hat das Sozialgericht zu Recht Rechnung getragen.
Selbst bei Annahme einer obstruktiven Atemwegserkrankung bestehen Zweifel an einem ursächlichen Zusammenhang mit der Verrichtung im Rahmen der versicherten Tätigkeit (Bedienen der Presse mit Formaldehydexposition). Zu Recht hat Dr. G. darauf hingewiesen, dass eine arbeitsplatzbezogene Symptomatik während der Tätigkeit weder geäußert wurde noch medizinisch dokumentiert ist. Die von dem Kläger gegenüber Frau F. und Dr. Sch. beklagten, während der Tätigkeit angeblich aufgetretenen Symptome wie Nasenbluten, Erbrechen oder Kopfschmerzen sind keine Symptome einer obstruktiven Atemwegserkrankung; hier wären vielmehr Husten, Auswurf, Atemnot, Fließschnupfen oder Reizung der Augenbindehaut zu nennen (Mehrtens/Brandenburg, Berufskrankheitenverordnung (BKV) Kommentar, Lieferung 2/11, M 4301, S. 3, III und M 4302, S. 2 , III).
Im Übrigen ist die berufsbedingte Exposition mit Formaldehyd jedenfalls nicht wesentliche Bedingung für die Entstehung der Erkrankung. Denn der familiär vorbelastete Kläger war über Jahre hinweg starker Raucher. Somit liegen zwei erhebliche außerberufliche Risikofaktoren für die Entstehung des Bronchialkarzinoms vor, die dazu geführt haben, dass die Ärzte des Ortenau Klinikums einen Verdacht auf eine BK nicht bestätigen konnten und dementsprechend auch selbst keine Anzeige vorgenommen haben. Dessen ungeachtet erklären sich die Beschwerden allein aus der Tumorerkrankung und der unbelastenden Chemo- und Strahlentherapie, worauf Dr. G. zutreffend hingewiesen hat.
Die Anerkennung der BKen Nrn. 4301 bzw. 4302 wurde daher zu Recht abgelehnt.
Das gilt auch hinsichtlich der Anerkennung des Bronchialkarzinoms als Versicherungsfall "wie eine BK" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII.
Mit der Anerkennung wie eine BK soll nicht erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK entschädigt wird. Sinn und Zweck ist es vielmehr, solche durch die versicherte Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (vgl. BSG, Urteil vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - Rz. 18, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen).
Nach Überzeugung des Senats liegen keine durch statistisch abgesicherte Zahlen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, dass bei Formaldehydexposition eine gruppenspezifische Risikoerhöhung für Lungentumore besteht. Der Senat stützt sich insoweit auf die Stellungnahme des BfR Nr. 23/06 vom 30.03.2006 und die Stellungnahme des HVBG. Das BfR hat insoweit ausgeführt, dass Formaldehyd von der International Agency for Research on Cancer (IARC) nach einer Expertenkonsultation Mitte 2004 neu zu bewerten und als humankanzerogen anzusehen ist. Da inhalatives Formaldehyd aber am Eintrittsort seine Wirkung entfaltet, kann als ursächlich nur die Tumorerkrankung im Nasenrachenraum bzw. der oberen Atemwege betrachtet werden. In seiner Stellungnahme zur Studie der IARC bzw. der neuen Einstufung von Formaldehyd hat der HVBG ausgeführt, dass es nach den Studien zwar Hinweise darauf gibt, dass Formaldehyd Krebserkrankungen insbesondere der Nase, der Nasennebenhöhlen und des Nasenrachenraumes verursachen kann. Jedoch gibt es zum einen keine gesicherten medizinischen wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere hinreichende epidemiologische Erkenntnisse zur Definition der Personengruppe, welche ein erhöhtes Risiko tragen. Zum anderen fehlten neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur generellen Geeignetheit von Formaldehyd, Krebserkrankungen anderer Lokalisationen zu verursachen (Stellungnahme des HVBG zu § 9 Abs. 2 SGB VII zu Krebserkrankungen nach der Einwirkung von Aldehyden, insbesondere Formaldehyd und Glutaraldehyd). Soweit der Kläger geltend macht, diese Erkenntnisse seien wissenschaftlich nicht haltbar und die Schlüsse, welche das Sozialgericht daraus gezogen habe, widersprächen der neuen Wissenschaft, so hat er dafür keine wissenschaftlichen oder medizinischen Unterlagen vorgelegt. Der Senat hat sich daher ebenso wenig wie das Sozialgericht dazu verpflichtet gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen. Da es an neuen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber fehlt, dass Formaldehyd tatsächlich geeignet ist, kanzerogen im Bereich der Lunge also der unteren Atemwege zu wirken, war bei dem Kläger auch ein Versicherungsfall "wie eine BK" nicht anzuerkennen.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 193 Abs. 1 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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