Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2415/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1264/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Wege einer Zugunstenentscheidung bestandskräftige Bescheide der Beklagten aufzuheben und als Folgen einer als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus eine Depression sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen festzustellen, eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zu gewähren und Kosten einer Heilbehandlung zu übernehmen sind.
Der 1952 geborene Kläger war von 1968 bis 31.05.2002 als Automechaniker, zuletzt ab 1976 im Autohaus B. in F. bis zu dessen Betriebsschließung, tätig. Danach war er arbeitslos. Zuletzt war der Kläger technischer Gruppenleiter in einer Einrichtung für geistig und psychisch Erkrankte. Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 04.10.2001 wurde dem Kläger Rente auf Zeit ab 01.10.2001 bis 30.06.2002 wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt.
Neben der Hörbeeinträchtigung hatte der Kläger weitere Gesundheitsstörungen bei der Beklagten geltend gemacht. Mit Bescheid vom 10.01.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung der Berufskrankheiten Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel) und Nr. 1303 (Erkrankung durch Benzol oder seine Homologe), mit Bescheid vom 09.04.2002 die Feststellung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 und mit Bescheid vom 11.02.2003 die Feststellung der Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2109 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lenden- und Halswirbelsäule) ab.
Gestützt auf die Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 22.01.1999 (äquivalenter Dauerschallpegel von mehr als 85 dB(A) und weniger von 90 dB(A) während der Tätigkeit im Autohaus B. ), das Gutachten von Professor Dr. Z. vom 18.08.1999 (Schallempfindungsschwerhörigkeit ohne prozentualen Hörverlust beidseits mit Tinnitus beidseits, MdE um 10 v.H.) und die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.11.1999 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2000 eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und als deren Folge eine minimale Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen fest. Die Gewährung einer Rente wurde abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2000).
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 27.06.2002, mit dem Versicherungsleistungen geltend gemacht wurden, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2003 die Gewährung von Rente ab, denn die geltend gemachten, seit Februar 2001 aufgetretenen Schwindelerscheinungen mit Zunahme der Ohrgeräusche seien nicht auf den Lärm am Arbeitsplatz zurückzuführen. Ursache sei ein berufsunabhängiges Halswirbelsäulensyndrom. Auch sei es zu keiner nennenswerten Verschlechterung des Hörvermögens gekommen, wie der Vergleich der Hörtestergebnisse von 1999 mit dem vom behandelnden HNO-Arzt Dr. M. mitgeteilten Befund vom 12.03.2001 ergebe. Der hiergegen erhobene und nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003 zurückgewiesen.
Über seine Ehefrau beantragt der Kläger telefonisch am 17.01.2006 und 23.03.2006 die Gewährung von Heilbehandlung bzw. Übernahme von Fahrkosten für die derzeit stattfindende stationäre Behandlung in der Psychosomatischen Klinik Bad A. - Tinnitus Klinik -. Dort wurde der Kläger vom 08.02.2006 bis 12.04.2006 unter den Diagnosen eines dekompensierten Tinnitus, einer lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit beidseits, von Endolymphschwankung links und einer depressiven Episode behandelt (Entlassungsbericht der Klinik vom 12.04.2006). Mit Bescheid vom 09.05.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Heilbehandlungskosten, Eigenbeteiligung und Fahrtkosten aus dieser Behandlung ab. Wesentliche Ursache für das Heilverfahren sei nicht die anerkannte Lärmschwerhörigkeit. Im Rahmen des auf Widerspruch des Klägers eingeleiteten Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 25.09.2006 ein, wonach eine Depression grundsätzlich auch Folge eines starken Tinnitus sein könne. Vorliegend sei die depressive Episode Folge der beruflichen Stresssituation des Klägers, die vielmehr umgekehrt die Tinnitussymptomatik verschlimmere. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage (S 4 U 1838/07) nahm der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2007 zurück.
Unter dem 19.09.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X unter Zurücknahme der Bescheide vom 12.01.2000, vom 11.03.2003 und vom 09.05.2006. Hilfsweise beantragte er, weitere Folgen der Ohrgeräusche (Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen) als berufsbedingte Schädigungen anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Mit Bescheid vom 20.11.2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 12.01.2000 (Anerkennung einer Berufskrankheit ohne Renten) und vom 11.03.2003 (Rentenablehnung) ab. Neue Tatsachen seien nicht geltend gemacht worden.
Mit Bescheid vom 09.01.2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 09.05.2006 (Ablehnung von Heilbehandlungskosten) ab.
Mit Bescheid vom 29.01.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung von Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Folgen der anerkannten Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Depressionen, den Schlaf- und Konzentrationsstörungen und des durch die berufliche Tätigkeit verursachten Tinnitus lasse sich nicht belegen.
Der Kläger legte am 13.12.2007 gegen den Bescheid vom 20.11.2007 und am 11.02.2008 gegen die im Januar 2008 ergangenen Bescheide jeweils Widerspruch ein. Mit gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 25.06.2008 wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 07.07.2008 in allen drei Verfahren Klagen vor dem Sozialgericht Reutlingen (S 7 U 2415/08, S 7 U 2416/08), das mit Beschluss vom 18.09.2008 die Klageverfahren unter dem führenden Aktenzeichen S 7 U 2415/08 verband.
Das Sozialgericht hörte den Praxisnachfolger von Dr. M. , HNO-Arzt E. , schriftlich als sachverständigen Zeugen (Aussage vom 18.11.2008), der die von Dr. M. ab 1987 erhobenen Befunde mitteilte.
Außerdem holte das Sozialgericht von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.12.2009 mit ergänzender Äußerung vom 30.07.2010 ein. Danach ergebe der beim Kläger bestehende Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links abweichend von den Vorgutachten eine MdE von 10 v.H ... Eine Trennung zwischen lärmbedingten Anteilen und solchen, die klar auf einer von der Innenohrfunktionsstörung unabhängigen Depression beruhten, erscheine für die Entstehung des Tinnitus nicht ausreichend möglich. Die von Professor T. angenommene lärmunabhängige Verschlimmerung des Tinnitus sei zwar denkbar, jedoch spekulativ. Auch die Zuordnung zur Halswirbelsäule sei möglich, aber nicht beweisbar. Zu den Ausführungen von Professor T. über ein fluktuierendes Gehör sei anzumerken, dass ihm Vorbefunde, die wohl in der Akte nicht vorhanden gewesen seien, nicht vorgelegen hätten. Ob die Tinnitusverschlechterung ausschließlich dem fluktuierenden Gehör oder einer HWS-Problematik oder der Depression zuzuordnen sei, erscheine ihm gutachterlich nicht möglich, könne jedoch diskutiert werden.
In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.02.2010 verwies Professor Dr. T. darauf, dass für den Kläger nur bis 2002 eine hinreichende Lärmexposition bestanden habe. Eine Zunahme des lärmbedingten Höheverlustes oder eines lärmbedingten Tinnitus sei danach nicht mehr möglich gewesen. Hörsturzartige Hörverschlechterungen seien bereits vor Beendigung der Lärmexposition vorhanden gewesen und durch den behandelnden Arzt Dr. M. dokumentiert. Solche seien auch nach Ende der Lärmexposition als Tieftonhörminderungen aufgetreten. Damit seien zweifelsfrei lärmunabhängige zusätzliche Hörminderungen gesichert. Auch ein Hörsturzgeschehen, das die Symptomentrias eines typischen Morbus Meniere erfülle, sei dokumentiert. Entgegen der Auffassung von Professor Dr. R. beziehe sich der Zwischenwert einer MdE um 10 v.H. in der genannten Tabelle auf die Konstellation eines beidseitigen Hörverlustes von 20 %.
Außerdem holte das Sozialgericht von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. vom 17.11.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 07.10.2011 ein. Dr. S. führte aus, bei der Untersuchung des Klägers habe er keine psychische Störung von Krankheitswert diagnostizieren können, auch keine leichte mittelgradige oder schwere depressive Episode bzw. keine somatoforme Störung und auch keine Angststörung. Nach Ende der Lärmexposition und nach Arbeitslosigkeit sei der Kläger in einer Behinderteneinrichtung tätig gewesen und habe parallel eine heilpädagogische Schulung absolviert. Es hätten sich zu diesem Zeitpunkt eine Belastung am Arbeitsplatz und Konflikte mit Kollegen entwickelt. Daraus habe sich eine mittelgradige depressive Episode, auch vor dem Hintergrund eines Wohnortwechsels 2004 mit Umzug in ein neues Haus, und der dokumentierte Hörsturz entwickelt, mit Verstärkung des Tinnitus. In dieser Zeit sei 2005 ein Hörsturz mit verstärktem Tinnitus aufgetreten und der Kläger sei deshalb in der Tinnitus-Klinik Bad A. stationär behandelt worden. Die depressive Störung habe sich gebessert. Die bei HNO-Untersuchungen zur Erfassung der Tinnitus-Beeinträchtigung verwendeten psychometrischen Testbogen würden die Selbsteinschätzung der subjektiven Beschwerden abfragen. Dieses Verfahren sei nicht zur Diagnosestellung entwickelt und auch nicht für die Gutachtenssituation. Die bei der Untersuchung des Klägers durch Professor Dr. H. erreichten 32 Score-Punkte im Beck-Depression-Inventar würden sich normalerweise bei Erkrankten, die in eine geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Akutklinik aufgenommen werden und Werte zwischen 25 und 30 Punkte erreichen, ergeben. Relevant für die Feststellung einer psychiatrischen Erkrankung sei die psychiatrische Gesamtwertung und die psychiatrische Untersuchung und keinesfalls nur die dem Probanden vorgelegten Fragen zur Selbstauskunft.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das Sozialgericht das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. H. - unter Mitwirkung von Ärztin Schn. - vom 28.06.2011 mit gutachterlicher Ergänzung vom 01.11.2011 ein. Danach bestünden beim Kläger in Übereinstimmung mit den Vorgutachten eine chronische Lärmschwerhörigkeit und zum anderen auch cochleäre Endolymphschwankungen links, die nicht der Lärmschädigung zuzurechnen seien. Der Tinnitus sei jedoch primär lärmbedingt. Die Endolymphschwankungen gingen mit einer Hörminderung im Tieftonbereich einher, was auch einen Tinnitus in diesem Bereich erwarten lasse. Beim Kläger sei ein Tinnitus im Hochtonbereich zu verdecken gewesen. Auch die charakteristischen Merkmale, die auf eine cervikale Genese des Tinnitus hinweisen, seien beim Kläger nicht erfüllt. Der Kläger habe vor Auftreten des Tinnitus an keinen manifesten psychiatrischen Störungen gelitten. Der Tinnitus habe somit eine depressive Entwicklung getriggert. Die psychometrische Testdiagnostik habe eindeutige Zeichen einer Depression ergeben. Der klinische Eindruck des Klägers sei durch die Psychometrie untermauert worden. Simulation und Aggravation würden für ausgeschlossen erachtet. Dr. S. habe nicht auf das bekannte psychometrische Testinstrumentarium zurückgegriffen. Unter integrativer Berücksichtigung des Tinnitus mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen sei die aus der Lärmschwerhörigkeit resultierenden MdE um 10 v.H. auf eine Gesamt-MdE von 20 v.H. auf hno-ärztlichem Fachgebiet zu erhöhen.
Mit Urteil vom 18.01.2012 wies das Sozialgericht die Klagen ab. In den Entscheidungsgründen stützte sich das Sozialgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. , wonach beim Kläger kein krankheitswertiger Befund auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege. Professor Dr. H. könne insoweit nicht gefolgt werden, da er seine Diagnosestellung allein auf die Beschwerdeschilderung des Klägers stütze. Die im Jahre 2006 aufgetretene depressive Episode sei nach den Ausführungen von Dr. S. nicht auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen. Dem Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit zugestanden. Nach Professor Dr. Z. habe sich 1999 weder im Tonaudiogramm noch im Sprachaudiogramm ein prozentualer Hörverlust gezeigt. Der von Professor Dr. R. im Dezember 2009 erhobene Befund sei bereits fraglich auf die Lärmschwerhörigkeit zu beziehen, da der Kläger bereits 2002 die lärmschädigende Tätigkeit aufgegeben habe. Entgegen der Auffassung von Professor Dr. R. sei bei den von ihm gemessenen Hörverlusten mit 0 % rechts von 20 % links nur eine MdE um 0 v.H. ermittelt. Die 2006 vorübergehend aufgetretenen Hörverschlechterung sei nach Professor Dr. T. auf den durch beruflichen Stress ausgelösten Hörsturz zurückzuführen und nicht Folge der Berufskrankheit. Da beim Kläger derzeit weder eine Depression noch Konzentrationsstörungen diagnostiziert seien, sei die auf der Lärmschwerhörigkeit beruhende MdE in nicht rentenberechtigender Höhe von 10 v.H. einzuschätzen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 02.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.03.2012 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Er macht geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe Professor Dr. H. seine Beurteilung nicht allein auf die Beschwerdeschilderung, sondern tatsächlich auch auf die psychovegetativen Begleiterscheinungen, die er während der Untersuchung habe beobachten können, gestützt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei die Depression wesentliche Folge des Tinnitus. Die Schlaf- und Konzentrationsstörungen seien Folge des berufskrankheitsbedingten Tinnitus. Es werde beantragt, zum Nachweis dazu die Gegenüberstellung der beiden Sachverständigen vorzunehmen und sie deshalb in die mündliche Verhandlung zu laden. Der Kläger hat die Bescheinigung von Professor Dr. H. vom 05.03.2012 vorgelegt, wonach das Gericht sich nur auf die klassischen Bewertungskriterien des Königsteiner Merkblatts verlassen habe, während er, der Sachverständige, die Bewertung von 20 % auf die psychovegetativen Begleiterscheinungen zurückgeführt hätte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2012 und die Bescheide der Beklagten vom 20.11.2007, 09.01.2008 und 29.01.2008 in der Gestalt der drei Widerspruchsbescheide vom 25.06.2008 sowie den Bescheid vom 12.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2000 teilweise - soweit damit Verletztenrente abgelehnt wird -, den Bescheid vom 11.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2003 und den Bescheid vom 09.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2007 aufzuheben und eine Depression sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Folge der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab 01.01.2003, hilfsweise ab 20.09.2007, zu gewähren und die Kosten des Heilverfahrens in der Klinik Bad A. für die Zeit vom 08.02.2006 bis 12.04.2006 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt werde, Professor Dr. H. habe sich auf die psychovegetative Begleiterscheinungen des Tinnitus bei seiner MdE Einschätzung gestützt, werde nicht dargelegt, aufgrund welcher objektivierbaren Befunde und anerkannt objektiven Testverfahren der Sachverständige zu seinen Ergebnissen gekommen sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 11.01.2013 ist der Sachverständige Professor Dr. H. um Vorlage der im Gutachten verwerteten und vom Kläger ausgefüllten Testbögen und um Äußerung zu den an der Gutachtenserstattung mitwirkenden Hilfspersonen gebeten worden. Professor Dr. H. hat unter Übersendung der ausgefüllten Fragebogen mitgeteilt, dass diese von der Ärztin Schn. ausgewertet worden seien (Schreiben vom 15.01.2013 mit Anlage: "Mini-Tinnitus-Fragebogen", HADS-D Patientenbogen, BDI-Bogen, ausgefüllt jeweils am 23.05.2011).
In Ausführung der erteilten richterlichen Auflage vom 11.01.2013 hat der Kläger um Prüfung gebeten, ob durch den Sachverständigen die Anfrage des Gerichts ausreichend beantwortet sei (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 27.02.2013). Es werde davon ausgegangen, dass die mitgeteilte Verfahrensweise den notwendigen fachlichen Standards entsprochen habe. Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen zur Gegenüberstellung und Erläuterung und Verteidigung ihrer Standpunkte in der mündlichen Verhandlung werde ausdrücklich aufrechterhalten. Entgegen der gerichtlichen Anfrage nach aufklärungsbedürftigen Fragen stelle sich nicht das Problem, inwieweit noch Sachverhaltsfragen aufzuklären seien. Es gehe vielmehr darum, welche Folgerungen aus den unterschiedlichen Bewertungen von zwei Sachverständigen beim selben Sachverhalt richtig seien. Inwieweit sei der pauschale Verweis auf das Königsteiner Merkblatt richtig. Dr. S. sei zu fragen, ob die erhobenen Befunde nicht objektiv auf Konzentrationsstörungen hindeuteten und ob die festgestellten psychosozialen Belastungen und damit die vorübergehende depressive Episode nicht auch wesentliche Folge der festgestellten Berufskrankheit sei. Professor Dr. H. sei zu fragen, ob und inwieweit der verwendete Fragebogen eine Hintergrundkontrolle auf geplantes Ankreuzen für zielführend erkannte Fragen ermöglicht habe.
Mit richterlicher Verfügung vom 04.03.2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die von Klägerseite aufgeworfenen Fragenkomplexe in den Gutachten und hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen bereits beantwortet bzw. abgehandelt worden seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10.04.2013; Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2013).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagte und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Senat hat den Antrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst. Er begehrt einerseits die Überprüfung bestandskräftiger Bescheide im Wege einer Zugunstenentscheidung mit rückwirkender Rentengewährung und Übernahme von Behandlungskosten (nachfolgend A) und andererseits nach Verschlimmerung die Feststellung weiterer Berufskrankheitenfolgen und hilfsweise eine Rentengewährung ab Zeitpunkt des Verschlimmerungsantrags (nachfolgend B).
A. Rechtsgrundlage für die Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide ist § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, Abs. 4 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Es kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Sozialleistungen sind längstens vier Jahre ab dem Zeitpunkt des Beginns des Jahres, in dem der Rücknahmeantrag gestellt wurde (hier ab 01.01.2003 bei Antragstellung am 20.09.2007), rückwirkend zu erstatten (§ 44 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB X).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide vom 12.01.2000, 11.03.2003 und 09.05.2006 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind nicht rechtswidrig. Weder ist das Recht zu Lasten des Klägers unrichtig angewandt noch ist von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen hat. Die Beklagte hat zutreffend eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt und Rente abgelehnt (Bescheid vom 12.01.2000, nachfolgend A I), auf Verschlimmerungsantrag des Klägers Rente mangels Unfallfolgen mit rentenbegründender MdE abgelehnt (Bescheid vom 11.03.2003, nachfolgend A II) und die Übernahme von Heilbehandlung und Heilbehandlungskosten für die stationäre Behandlung von Februar bis April 2006 in der Tinnitus-Klinik Bad A. abgelehnt (Bescheid vom 09.05.2006, nachfolgend A III).
A I. Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2000 war auf das Gutachten von Professor Dr. Z. vom 18.08.1999 und die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.11.1999 gestützt, die die von der Beklagten beigezogenen Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, insbesondere den Entlassungsbericht der Tinnitus-Klinik Bad A. vom 16.11.1998 und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik K. vom 07.08.1995, ausgewertet haben. In den Entlassungsberichten sind als tinnitusbezogene, vom Kläger geklagte Beschwerden ein körperlicher und geistiger Schwächezustand, Spannungskopfschmerzen, Konzentrationsverlust, gesteigerte Nervosität und Reizbarkeit sowie Panikgefühl bei immer wieder auftretenden Tinnitusverstärkungen und Schlafstörungen angeführt (Entlassungsbericht vom 16.11.1998), wobei 1995 nur Durchschlafstörungen angegeben wurden und das Einschlafen ausdrücklich als problemfrei bezeichnet wurde. Die neuropsychologische Untersuchung ergab entgegen den subjektiven Beschwerdeangaben keine Hinweise auf kognitive Defizite bzw. relative Leistungsminderungen (Entlassungsbericht vom 07.08.1995). Bei der Behandlung 1998 war eine deutlich verbesserte Tinnitusakzeptanz erreicht worden (Entlassungsbericht vom 16.11.1998), was zu einer dauerhaften Beschwerdeverbesserung jedenfalls bis 2005 geführt hat (Entlassungsbericht der Tinnitus-Klinik Bad A. vom 12.04.2006). Bei der Untersuchung durch Professor Dr. Z. im Juni 1999 hatte der Kläger die 1998 durchgeführte Therapie in der Tinnitus Klinik Bad A. als hilfreich bestätigt und als Belastungen des Tinnitus angegeben, dass ihn der Pfeifton beim Einschlafen und bei der Konzentration stark störe.
Unter Berücksichtigung dieser Befunde war die MdE-Einschätzung von Professor Dr. Z. und Professor Dr. T. mit einer MdE um 10 v.H. nicht zu beanstanden. Der von Professor Dr. Z. erhobene audiometrische Befund ergab einen Hörverlust von 0 % beidseits sowohl nach dem Ton- als auch nach dem maßgebenden Sprachaudiogramm, weshalb die auf der diagnostizierten Schallempfindungsschwerhörigkeit beruhende Hörminderung mit einer MdE um 0 v.H. korrekt eingestuft war. Die Erhöhung der aus der reinen Hörminderung folgenden MdE um 10 v.H. aufgrund der lärmbedingten Ohrgeräusche ist rechtlich nicht zu beanstanden, sie entspricht den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen zur Bestimmung der MdE eines Gehörschadens. Nach dem Königsteiner Merkblatt, das die derzeit herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung wiedergibt, kann in Fällen dauerhafter Ohrgeräusche der lärmbedingte Begleit-Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadens mit einer MdE bis zu 10 v.H. integrativ berücksichtigt werden, wobei schwerste Beeinträchtigungen durch die Ohrgeräusche eine zusätzliche neurologisch-psychiatrische Begutachtung und gesonderte Bewertung erfordern (Königsteiner Empfehlung, überarbeitete Auflage März 2012, Nr. 4.4.4). Selbst wenn entgegen den testpsychologischen Befunden aus 1995 und dem Entlassungsbefund von 1998 allein die Beschwerdeangaben des Klägers im Juni 1999 zur Beeinträchtigung durch den Tinnitus zu Grunde gelegt werden, ist die Erhöhung der aus der lärmbedingten Hörminderung folgenden MdE auf 10 v.H. wegen der angegebenen Tinnitusbeschwerden, die neben der vegetativen Begleitsymptomatik, wie Einschlafstörungen, Konzentrationsstörungen und gefühlter starker psychischer Belastung, keine psychiatrisch auffällige Befunde beschreiben, mehr als angemessen und ausreichend. Dem entgegenstehende Befunde für den fraglichen Zeitraum 1999/2000 hat der Kläger nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Die Ablehnung der Rentengewährung mit Bescheid vom 12.01.2000 war rechtens, da eine rentenbegründende MdE um 20 v.H. (§ 56 Abs. 1 SGB VII) nicht vorlag.
A II. Der Bescheid vom 11.03.2003 war aufgrund des Verschlimmerungsantrages des Klägers vom 27.06.2002 ergangen, mit dem die Verstärkung des Tinnitus unter Angabe von Schwindelerscheinungen geltend gemacht worden war. Aus den von der Beklagten beigezogenen und in den Akten dokumentierten HNO-ärztlichen Befunden, die nach dem Jahr 2000 erhoben wurden, ergeben sich keine wesentlichen Veränderungen der anerkannten Folge der Berufskrankheit bzw. sind keine weiteren Gesundheitsstörungen aufgetreten, die Folge der festgestellten Lärmschwerhörigkeit sind. Eine Zunahme der Hörminderung selbst ist den 2001 erstellten Audiogrammen von Dr. M. (auf Anfrage der Beklagten vom 11.09.2002 von Dr. M. übersandt) nicht zu entnehmen. Im Befundbericht des HNO-Arztes Dr. M. vom 19.03.2001 wird von einer massiven Verstärkung des Ohrgeräusches, das die rechte Seite betrifft (Befundbericht des Orthopäden Dr. St. vom 13.02.2001), berichtet. Dr. M. bezog diese Beschwerden auf die Halswirbelsäulen-Symptomatik. Nach Dr. M. war es gelungen, durch ambulante Physiotherapie den Tinnitus etwas zu beeinflussen (Befundbericht vom 19.03.2001). Im Befundbericht von Dr. M. vom 28.01.2003 werden auf die Anfrage der Beklagten (Schreiben vom 17.12.2002), wann sich der Kläger wegen seines Ohrgeräusches seit März 2001 vorgestellt habe, nur die Behandlungsdaten von Februar und März 2001 mitgeteilt. In der beratungsärztlichen Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.05.2001 wurde die Lautstärkezunahme des Tinnitus dem lärmunabhängigen, HWS-bedingten Geschehen zugeordnet, insbesondere das Auftreten des Schwindels könne auf keinen Fall einer Lärmgenese zugeordnet werden. Der Senat lässt dahinstehen, ob diese Zusammenhangsbeurteilung von Prof. Dr. T. zutreffend ist oder durch die Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. H. im Gutachten vom 28.06.2011 widerlegt werden, wonach der lärmunabhängige Gehörschaden im Tieftonbereich auch die Zuordnung des Tinnitus in diesem Frequenzbereich hätte erwarten lassen. Eine Frequenzbestimmung des Tinnitus ist in diesem Zeitraum nicht erfolgt, so dass die Tinnitusverstärkung im Tieftonbereich weder ausgeschlossen noch nachgewiesen ist. Doch selbst wenn die geltend gemachte einseitige Lautstärkezunahme des Tinnitus eine Ausweitung der anerkannten Berufskrankheitfolge wäre, ist nach den vorliegenden Befunden keine wesentliche Verschlechterung des berufskrankheitsbedingten Gesundheitszustands nachgewiesen. Eine psychovegetative Irritation durch den Tinnitus ist unter Ausschöpfung des nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen gegebenen Bewertungsrahmens (vgl. oben Königsteiner Empfehlung Nr. 4.4.4) berücksichtigt. Das vorübergehende Hinzutreten von Schwindelerscheinungen, die nach Behandlung wieder abgeklungen waren, rechtfertigt keine Erhöhung der MdE von 10 v.H. Weitergehende oder psychiatrisch zu beurteilende Gesundheitsstörungen sind den bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2003 zu den Akten der Beklagten gelangten medizinischen Befunden nicht zu entnehmen gewesen. Ein Rentenanspruch des Klägers war daher auch zu diesem Zeitpunkt nicht begründet. Die Ablehnung der Rente mit Bescheid 11.03.2003/Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003 erfolgte zu Recht.
A III. Die mit Bescheid vom 09.05.2006 erfolgte Ablehnung der Heilbehandlungskosten war ebenfalls rechtens. Die Behandlung in der Tinnitus-Klinik Bad A. vom Februar bis April 2006 erfolgte u.a. unter der Diagnose eines dekompensierten Tinnitus-Leidens und einer depressiven Episode (Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik Bad A. – Tinnitus-Klinik - vom 12.04.2006). Dort ist ausgeführt, dass der Kläger seit einem Jahr eine drastische Leidenssteigerung unter dem Tinnitus im Zusammenhang mit einer grundlegend veränderten Lebenssituation erlebe. Der Kläger habe seit ca. drei Jahren als technischer Gruppenleiter in einer Einrichtung für geistig- und psychisch Erkrankte mit hohem emotionalem Engagement gearbeitet. Im letzten halben Jahr sei es zu einem Konflikt mit Gruppenleiter und Kollegen gekommen, der ihn völlig den Boden unter den Füßen habe verlieren lassen. In der Folge sei er dann in eine andere Abteilung gewechselt. Parallel dazu habe er eine heilpädagogische Zusatzausbildung beginnen müssen, die ihn in den Inhalten sehr belaste und bei der er sich im Rahmen der massiven depressiven Reaktion nicht mehr auf den notwendigen Lernprozess konzentrieren könne. Hiervon ausgehend hat Professor Dr. S. in seinem Gutachten vom 17.11.2010 mit Ergänzung vom 07.10.2011 für den Senat ebenso wie für das Sozialgericht überzeugend dargelegt, dass die Behandlung nicht aufgrund der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit bzw. des Tinnitus erforderlich war, sondern von der Berufskrankheit nicht abhängige, psychische Belastungsfaktoren für die behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung ursächlich waren. Beim Kläger entwickelte sich vor dem Hintergrund seiner Grundpersönlichkeit eine depressive Episode, die zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S. abgeklungen war. Die damalige Verschlechterung sowohl des Hörvermögens und des Tinnitus stand nach Dr. S. allein im Zusammenhang mit den belastenden psychosozialen Ereignissen nach Aufgabe der früheren Berufstätigkeit, die nicht durch die Lärmschwerhörigkeit sondern durch die Betriebsaufgabe des letzten Arbeitgebers veranlasst war, und den sich daraus entwickelnden Lebensumständen bis hin zu Konflikten mit Kollegen und der Belastung der Zusatzausbildung. Die in der Tinnitus-Klinik Bad A. diagnostizierte depressive Episode war daher nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. S. nicht Folge des Tinnitus, sondern hatte sich unabhängig von der Lärmschwerhörigkeit entwickelt. Soweit durch die Depression der Tinnitus verstärkt wurde oder die Kompensation des Tinnitus nicht mehr gelungen ist, ist dies nicht eine nachgehende Folge der Lärmschwerhörigkeit, sondern ein nicht versicherter Nachschaden, der durch das Hinzutreten einer nicht versicherten Bedingung nach dem Versicherungsfall zur Verschlechterung anerkannter Berufskrankheiten-/Unfallfolgen führt. Ansprüche auf Entschädigungsleistungen bestehen hierfür nicht.
Der Auffassung von Professor Dr. H. , der im Gutachten vom 28.06.2011 lärmbedingte Exazerbationen des Tinnitus annimmt und es als unwahrscheinlich erachtet, dass gerade zum Zeitpunkt des stationären Aufenthalts 2006 die bereits seit 1985 zu beobachtenden rezidivierenden Hörverluste aufgrund cochleärer Endolymphschwankungen eine Tinnitusexazerbation erklären sollen und er daher der Auffassung ist, dass der lärmbedingte Tinnitus die depressive Entwicklung des Klägers getriggert habe, kann sich der Senat nicht anschließen. Die Darlegungen von Professor Dr. H. sind insoweit nicht überzeugend. Die von Dr. S. diskutierten belastenden psychosozialen Ereignisse des Arbeitsplatzkonfliktes und der Zusatzausbildung nach Arbeitslosigkeit werden von Professor Dr. H. nicht erwähnt und bewertet, was aber auch außerhalb des Fachgebiets eines HNO-Facharztes liegt.
B. Die mit Bescheid der Beklagten vom 29.01.2008 abgelehnte Feststellung der geltend gemachten Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheitenfolgen und die konkludente Ablehnung von Verletztenrente – durch die Darlegung, die Lärmschwerhörigkeit bedinge nach wie vor eine MdE von 10 v.H. - ist nicht rechtsfehlerhaft. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Berufskrankheitenfolgen und auf Verletztenrente. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Unter dem 19.09.2007 hatte der Kläger, hilfsweise neben dem gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, die Feststellung dieser Gesundheitsstörungen und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. beantragt. Die formellen Voraussetzungen eines feststellenden Verwaltungsakts (Antragstellung und feststellungsfähiges Rechtsverhältnis - rentenbeginnende gesundheitliche Folgen eines Versicherungsfalls -) waren daher gegeben.
Aus dem überzeugenden nervenärztlichen Gutachten von Dr. S. ergibt sich für den Senat, dass beim Kläger keine Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet besteht. Dr. S. hat das Vorliegen einer Depression, einer somatoformen Störung oder einer Angststörung aufgrund der ausführlichen Exploration des Klägers verneint. Zu den stationären Behandlungen in den neunziger Jahren in der Tinnitus Klinik bzw. in der Reha-Klinik N.-K. und später im Jahr 2006 erfolgte beim Kläger keine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung was Dr. S. als weiteren Hinweis dafür bewertete, dass der von ihm erhobene unauffällige Befund zutrifft, da bei einer anhaltenden mittelgradigen oder schweren Depression gemeinhin fachspezifische Behandlungen eingeleitet werden. Auch konnte Dr. S. Konzentrationsstörungen und Störungen der Aufmerksamkeit während der gesamten Begutachtung nicht einmal ansatzweise feststellen, obgleich der Kläger aufgrund seiner Hörminderung einer vermehrten Anstrengung beim Zuhören ausgesetzt gewesen ist. Dr. S. verweist hierzu auch auf die früheren Befunderhebungen in der Reha-Klinik N.-K. , bei denen auch testpsychologisch entsprechende Störungen nicht hatten objektiviert werden können.
Die gegenteilige, fachfremde Beurteilung durch Professor Dr. H. überzeugt den Senat nicht. Dem HNO-ärztlichen Gutachten von Professor Dr. H. ist eine nervenärztliche Untersuchung nicht zu entnehmen. Die testpsychologische Untersuchung, auf die sich Professor Dr. H. stützt, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. allein kein hinreichendes Diagnosemittel, da die nach Selbsteinschätzung abgefragten Lebensumstände immer die fachärztliche Beurteilung erfordern, inwieweit die Selbstauskünfte und Selbsteinschätzungen mit dem erhobenen klinischen Befund bei der nervenärztlichen Exploration korrelieren. Eine solche Bewertung hat bei der Begutachtung durch Professor Dr. H. nicht stattgefunden. Ausweislich der Stellungnahme von Professor Dr. H. vom 15.01.2013 beruht seine HNO-ärztliche Gutachtenserstattung auf der Mitwirkung der Ärztin Schn. , die - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt - ohne Facharztprüfung die ausgefüllten Fragebogen ausgewertet hat. Der Senat misst daher der gutachterlichen Beurteilung von Dr. S. auch wegen der höheren Fachkompetenz den überzeugenderen Beweiswert zu. Außerdem sind die in der ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 von Prof. Dr. H. genannten Testverfahren nicht alle durchgeführt worden. Dem Senat ist auf Anforderung nur ein "Mini Tinnitus-Fragebogen", ein "HADS-D Patientenbogen" und der "BDI"-Bogen, zu dem auch Dr. S. mit Ausführungen zum Beck-Depression-Inventarbogen Stellung genommen hat, übersandt worden. Die in den Testbogen implementierte Plausibilitätskontrolle wurde im Gutachten von Prof. Dr. H. nicht kommentiert, obgleich hierfür Anlass bestanden hätte. Im BDI-Testbogen werden unter 05.E und 08.H (einerseits Verneinung von Schuldgefühlen, andererseits Bejahung von Selbstvorwürfen wegen Mängel) sowie 18.R und 19.S (einerseits sehr stark nachlassender Appetit, andererseits in letzter Zeit kaum Gewichtsabnahme) nicht ohne weiteres miteinander vereinbare Angaben gemacht.
Die von Prof. Dr. R. bzw. Prof. Dr. H. angenommene Hörminderung aufgrund der jeweils selbst vorgenommenen Hörprüfungen, die nach der Tabelle einer asynchronen Hörstörung allein wegen der Hörminderung eine MdE um 10 v.H. rechtfertige, begründet keine berufskrankheitsbedingte höhere MdE unter integrativer Berücksichtigung der bisherigen Teil-MdE von 10 v.H. für den Tinnitus. Die nach Ende der Lärmexposition aufgetretene Hörminderung ist nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Z. und Prof. Dr. T. nicht mehr auf den Lärmschaden zurückzuführen. Darüber hinaus wäre die angenommene Teil-MdE von 10 v.H. bei den mitgeteilten Hörverlusten von 0 % rechts und 20 % links rechtlich nicht begründet. Der angenommene Zwischenwert einer MdE von 10 v.H., der nach der Tabelle für eine beidseitige Normalhörigkeit (Hörverlust von 0-20 %) ausgewiesen wird, ist bei der gebotenen rechtlichen Betrachtung vorliegend nicht gerechtfertigt, denn dieser Hörverlust ist nicht mit dem Ausmaß der Hörminderungen vergleichbar, die nach der Tabelle eindeutig, d.h. ohne Zwischenwerte, eine MdE um 10 v.H. ergeben. Der Hinweis von Prof. Dr. T. , dass grundsätzlich nur Hörverluste von beidseits von 20 % - eine gerade noch randständige Normalhörigkeit - die MdE von 10 v.H. begründen könnten, ist daher zutreffend. Diese Bewertung beinhaltet letztlich eine Rechtsfrage, deren Beantwortung dem Senat vorbehalten ist und wozu die medizinischen Sachverständigen nur das Ausmaß der Gesundheitsschädigung aufgrund ihrer Sachkenntnis beizutragen haben. Die Frage, inwieweit die nach dem Königsteiner Merkblatt möglichen Zwischenwerte insofern anzuwenden sind, gibt bei dem geklärten medizinischen Sachverhalt daher keinen Anlass, die Sachverständigen auf HNO-ärztlichem Gebiet erneut zu befragen.
Der Senat sah keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Auch aufgrund der Anregung des Klägerbevollmächtigten, die Sachverständigen Dr. S. und Professor Dr. H. ergänzend zu befragen, sah sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Der Senat lässt dahinstehen, ob mit dem vorbehaltlos erklärten Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die entsprechenden Anträge des Klägerbevollmächtigten aufrechterhalten worden sind. Der Antrag auf Gegenüberstellung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, um ihnen die Diskussion ihrer sich widersprechenden Ergebnisses zu ermöglichen, ist damit jedenfalls erledigt. Das Fragerecht eines Beteiligten wäre damit ohnehin nicht zu begründen gewesen, worauf in der richterlichen Verfügung vom 11.01.2013 die Beteiligten hingewiesen worden waren.
Darüber hinaus gebietet das den Beteiligten einzuräumende rechtliche Gehör keine weitere Sachaufklärung. Zwar steht einem Beteiligten nach § 116 SGG i.V.m. §§ 402, 397 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache als dienlich erachtet. Das Gericht kann den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zum Termin laden (§ 118 SGG, § 411 Abs. 3 ZPO) oder es kann die schriftliche Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen veranlassen, wenn dies zweckmäßig erscheint. Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen vom Beteiligten nicht formuliert werden. Es reicht aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen. Die Sachdienlichkeit einer angekündigten Frage ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Frage im Rahmen des Beweisthemas hält und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet ist; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B -, Juris; zuletzt BSG Urteil vom 17.12.2012 - B 13 R 355/11 -, vom 25.10.2012 - B 9 SB 51/12 - , Juris). Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält, kommt es dabei nicht an. Es gehört zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dazu, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können (BSG, Beschluss vom 24.07.2012 B 2 U 100/12 B , Juris).
Nach diesen Grundsätzen haben sich keine besonderen Umstände ergeben, die eine erneute Anhörung von Dr. S. und Professor Dr. H. notwendig machen. Der Kläger macht insofern geltend, der pauschale Verweis auf das Königsteiner Merkblatt lasse nicht erkennen, ob der individuelle Fall richtig beurteilt worden sei. Vorliegend ist dies vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. nicht zu beantworten, da dies nicht sein Fachgebiet berührt und er sich insoweit auch nicht auf das Königsteiner Merkblatt stützt. Inwieweit Professor Dr. H. zu einer Dr. S. widersprechenden Bewertung nach dem Königsteiner Merkblatt Stellung nehmen soll, ist damit nicht hinreichend dargelegt. Auch die an Dr. S. zu richtende Frage, ob Konzentrationsstörungen aus dem erhobenen Befund nicht objektiv erkennbar sind, psychosoziale Belastungen und eine vorübergehende depressive Episode nicht auch Folge der Berufskrankheit sein könnten, kann eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen nicht begründen. Der Sachverständige hat sich zu diesem Fragenkomplex bereits ausführlich in seinem Gutachten geäußert und in der vom Sozialgericht hierzu schon veranlassten ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten von Professor Dr. H. an seiner Bewertung festgehalten, dass die vorübergehende psychische Störung Folge der berufskrankheitsunabhängigen sozialen Ereignisse war. Auch hat Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass die Verwendung von Testverfahren allein die Diagnose psychischer Störungen von Krankheitswert nicht rechtfertigt, sondern eine psychiatrische Gesamtbewertung und psychiatrische Untersuchung erfordert. Die an Dr. H. zu richtende Frage, ob und inwieweit der verwendete Fragebogen eine Hintergrundkontrolle ermöglicht habe, ist von Professor Dr. H. bereits in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 beantwortet. Dort ist ausgeführt, dass der klinische Eindruck des Patienten durch die Psychometrie untermauert worden sei und eine Simulation und Aggravation als ausgeschlossen erachtet werde. Damit hat Professor Dr. H. bereits zu erkennen gegeben, dass er auch den vom Kläger gewonnenen persönlichen Eindruck seiner Beurteilung zugrundegelegt hat. Eine aufklärungsbedürftige Lücke in der Gutachtenserstattung ist damit vom Kläger nicht bezeichnet worden. Der Vortrag des Klägers gab dem Senat keinen Anlass ergänzende Stellungnahmen der genannten Sachverständigen einzuholen.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Wege einer Zugunstenentscheidung bestandskräftige Bescheide der Beklagten aufzuheben und als Folgen einer als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus eine Depression sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen festzustellen, eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. zu gewähren und Kosten einer Heilbehandlung zu übernehmen sind.
Der 1952 geborene Kläger war von 1968 bis 31.05.2002 als Automechaniker, zuletzt ab 1976 im Autohaus B. in F. bis zu dessen Betriebsschließung, tätig. Danach war er arbeitslos. Zuletzt war der Kläger technischer Gruppenleiter in einer Einrichtung für geistig und psychisch Erkrankte. Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 04.10.2001 wurde dem Kläger Rente auf Zeit ab 01.10.2001 bis 30.06.2002 wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt.
Neben der Hörbeeinträchtigung hatte der Kläger weitere Gesundheitsstörungen bei der Beklagten geltend gemacht. Mit Bescheid vom 10.01.2002 lehnte die Beklagte die Feststellung der Berufskrankheiten Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel) und Nr. 1303 (Erkrankung durch Benzol oder seine Homologe), mit Bescheid vom 09.04.2002 die Feststellung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 und mit Bescheid vom 11.02.2003 die Feststellung der Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2109 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lenden- und Halswirbelsäule) ab.
Gestützt auf die Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 22.01.1999 (äquivalenter Dauerschallpegel von mehr als 85 dB(A) und weniger von 90 dB(A) während der Tätigkeit im Autohaus B. ), das Gutachten von Professor Dr. Z. vom 18.08.1999 (Schallempfindungsschwerhörigkeit ohne prozentualen Hörverlust beidseits mit Tinnitus beidseits, MdE um 10 v.H.) und die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.11.1999 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2000 eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und als deren Folge eine minimale Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen fest. Die Gewährung einer Rente wurde abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2000).
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 27.06.2002, mit dem Versicherungsleistungen geltend gemacht wurden, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2003 die Gewährung von Rente ab, denn die geltend gemachten, seit Februar 2001 aufgetretenen Schwindelerscheinungen mit Zunahme der Ohrgeräusche seien nicht auf den Lärm am Arbeitsplatz zurückzuführen. Ursache sei ein berufsunabhängiges Halswirbelsäulensyndrom. Auch sei es zu keiner nennenswerten Verschlechterung des Hörvermögens gekommen, wie der Vergleich der Hörtestergebnisse von 1999 mit dem vom behandelnden HNO-Arzt Dr. M. mitgeteilten Befund vom 12.03.2001 ergebe. Der hiergegen erhobene und nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003 zurückgewiesen.
Über seine Ehefrau beantragt der Kläger telefonisch am 17.01.2006 und 23.03.2006 die Gewährung von Heilbehandlung bzw. Übernahme von Fahrkosten für die derzeit stattfindende stationäre Behandlung in der Psychosomatischen Klinik Bad A. - Tinnitus Klinik -. Dort wurde der Kläger vom 08.02.2006 bis 12.04.2006 unter den Diagnosen eines dekompensierten Tinnitus, einer lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit beidseits, von Endolymphschwankung links und einer depressiven Episode behandelt (Entlassungsbericht der Klinik vom 12.04.2006). Mit Bescheid vom 09.05.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Heilbehandlungskosten, Eigenbeteiligung und Fahrtkosten aus dieser Behandlung ab. Wesentliche Ursache für das Heilverfahren sei nicht die anerkannte Lärmschwerhörigkeit. Im Rahmen des auf Widerspruch des Klägers eingeleiteten Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 25.09.2006 ein, wonach eine Depression grundsätzlich auch Folge eines starken Tinnitus sein könne. Vorliegend sei die depressive Episode Folge der beruflichen Stresssituation des Klägers, die vielmehr umgekehrt die Tinnitussymptomatik verschlimmere. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage (S 4 U 1838/07) nahm der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2007 zurück.
Unter dem 19.09.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf eine Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X unter Zurücknahme der Bescheide vom 12.01.2000, vom 11.03.2003 und vom 09.05.2006. Hilfsweise beantragte er, weitere Folgen der Ohrgeräusche (Depressionen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen) als berufsbedingte Schädigungen anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Mit Bescheid vom 20.11.2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 12.01.2000 (Anerkennung einer Berufskrankheit ohne Renten) und vom 11.03.2003 (Rentenablehnung) ab. Neue Tatsachen seien nicht geltend gemacht worden.
Mit Bescheid vom 09.01.2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 09.05.2006 (Ablehnung von Heilbehandlungskosten) ab.
Mit Bescheid vom 29.01.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung von Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Folgen der anerkannten Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Depressionen, den Schlaf- und Konzentrationsstörungen und des durch die berufliche Tätigkeit verursachten Tinnitus lasse sich nicht belegen.
Der Kläger legte am 13.12.2007 gegen den Bescheid vom 20.11.2007 und am 11.02.2008 gegen die im Januar 2008 ergangenen Bescheide jeweils Widerspruch ein. Mit gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 25.06.2008 wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 07.07.2008 in allen drei Verfahren Klagen vor dem Sozialgericht Reutlingen (S 7 U 2415/08, S 7 U 2416/08), das mit Beschluss vom 18.09.2008 die Klageverfahren unter dem führenden Aktenzeichen S 7 U 2415/08 verband.
Das Sozialgericht hörte den Praxisnachfolger von Dr. M. , HNO-Arzt E. , schriftlich als sachverständigen Zeugen (Aussage vom 18.11.2008), der die von Dr. M. ab 1987 erhobenen Befunde mitteilte.
Außerdem holte das Sozialgericht von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. R. vom 07.12.2009 mit ergänzender Äußerung vom 30.07.2010 ein. Danach ergebe der beim Kläger bestehende Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links abweichend von den Vorgutachten eine MdE von 10 v.H ... Eine Trennung zwischen lärmbedingten Anteilen und solchen, die klar auf einer von der Innenohrfunktionsstörung unabhängigen Depression beruhten, erscheine für die Entstehung des Tinnitus nicht ausreichend möglich. Die von Professor T. angenommene lärmunabhängige Verschlimmerung des Tinnitus sei zwar denkbar, jedoch spekulativ. Auch die Zuordnung zur Halswirbelsäule sei möglich, aber nicht beweisbar. Zu den Ausführungen von Professor T. über ein fluktuierendes Gehör sei anzumerken, dass ihm Vorbefunde, die wohl in der Akte nicht vorhanden gewesen seien, nicht vorgelegen hätten. Ob die Tinnitusverschlechterung ausschließlich dem fluktuierenden Gehör oder einer HWS-Problematik oder der Depression zuzuordnen sei, erscheine ihm gutachterlich nicht möglich, könne jedoch diskutiert werden.
In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.02.2010 verwies Professor Dr. T. darauf, dass für den Kläger nur bis 2002 eine hinreichende Lärmexposition bestanden habe. Eine Zunahme des lärmbedingten Höheverlustes oder eines lärmbedingten Tinnitus sei danach nicht mehr möglich gewesen. Hörsturzartige Hörverschlechterungen seien bereits vor Beendigung der Lärmexposition vorhanden gewesen und durch den behandelnden Arzt Dr. M. dokumentiert. Solche seien auch nach Ende der Lärmexposition als Tieftonhörminderungen aufgetreten. Damit seien zweifelsfrei lärmunabhängige zusätzliche Hörminderungen gesichert. Auch ein Hörsturzgeschehen, das die Symptomentrias eines typischen Morbus Meniere erfülle, sei dokumentiert. Entgegen der Auffassung von Professor Dr. R. beziehe sich der Zwischenwert einer MdE um 10 v.H. in der genannten Tabelle auf die Konstellation eines beidseitigen Hörverlustes von 20 %.
Außerdem holte das Sozialgericht von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. vom 17.11.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 07.10.2011 ein. Dr. S. führte aus, bei der Untersuchung des Klägers habe er keine psychische Störung von Krankheitswert diagnostizieren können, auch keine leichte mittelgradige oder schwere depressive Episode bzw. keine somatoforme Störung und auch keine Angststörung. Nach Ende der Lärmexposition und nach Arbeitslosigkeit sei der Kläger in einer Behinderteneinrichtung tätig gewesen und habe parallel eine heilpädagogische Schulung absolviert. Es hätten sich zu diesem Zeitpunkt eine Belastung am Arbeitsplatz und Konflikte mit Kollegen entwickelt. Daraus habe sich eine mittelgradige depressive Episode, auch vor dem Hintergrund eines Wohnortwechsels 2004 mit Umzug in ein neues Haus, und der dokumentierte Hörsturz entwickelt, mit Verstärkung des Tinnitus. In dieser Zeit sei 2005 ein Hörsturz mit verstärktem Tinnitus aufgetreten und der Kläger sei deshalb in der Tinnitus-Klinik Bad A. stationär behandelt worden. Die depressive Störung habe sich gebessert. Die bei HNO-Untersuchungen zur Erfassung der Tinnitus-Beeinträchtigung verwendeten psychometrischen Testbogen würden die Selbsteinschätzung der subjektiven Beschwerden abfragen. Dieses Verfahren sei nicht zur Diagnosestellung entwickelt und auch nicht für die Gutachtenssituation. Die bei der Untersuchung des Klägers durch Professor Dr. H. erreichten 32 Score-Punkte im Beck-Depression-Inventar würden sich normalerweise bei Erkrankten, die in eine geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Akutklinik aufgenommen werden und Werte zwischen 25 und 30 Punkte erreichen, ergeben. Relevant für die Feststellung einer psychiatrischen Erkrankung sei die psychiatrische Gesamtwertung und die psychiatrische Untersuchung und keinesfalls nur die dem Probanden vorgelegten Fragen zur Selbstauskunft.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das Sozialgericht das HNO-ärztliche Gutachten von Professor Dr. H. - unter Mitwirkung von Ärztin Schn. - vom 28.06.2011 mit gutachterlicher Ergänzung vom 01.11.2011 ein. Danach bestünden beim Kläger in Übereinstimmung mit den Vorgutachten eine chronische Lärmschwerhörigkeit und zum anderen auch cochleäre Endolymphschwankungen links, die nicht der Lärmschädigung zuzurechnen seien. Der Tinnitus sei jedoch primär lärmbedingt. Die Endolymphschwankungen gingen mit einer Hörminderung im Tieftonbereich einher, was auch einen Tinnitus in diesem Bereich erwarten lasse. Beim Kläger sei ein Tinnitus im Hochtonbereich zu verdecken gewesen. Auch die charakteristischen Merkmale, die auf eine cervikale Genese des Tinnitus hinweisen, seien beim Kläger nicht erfüllt. Der Kläger habe vor Auftreten des Tinnitus an keinen manifesten psychiatrischen Störungen gelitten. Der Tinnitus habe somit eine depressive Entwicklung getriggert. Die psychometrische Testdiagnostik habe eindeutige Zeichen einer Depression ergeben. Der klinische Eindruck des Klägers sei durch die Psychometrie untermauert worden. Simulation und Aggravation würden für ausgeschlossen erachtet. Dr. S. habe nicht auf das bekannte psychometrische Testinstrumentarium zurückgegriffen. Unter integrativer Berücksichtigung des Tinnitus mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen sei die aus der Lärmschwerhörigkeit resultierenden MdE um 10 v.H. auf eine Gesamt-MdE von 20 v.H. auf hno-ärztlichem Fachgebiet zu erhöhen.
Mit Urteil vom 18.01.2012 wies das Sozialgericht die Klagen ab. In den Entscheidungsgründen stützte sich das Sozialgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. , wonach beim Kläger kein krankheitswertiger Befund auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege. Professor Dr. H. könne insoweit nicht gefolgt werden, da er seine Diagnosestellung allein auf die Beschwerdeschilderung des Klägers stütze. Die im Jahre 2006 aufgetretene depressive Episode sei nach den Ausführungen von Dr. S. nicht auf die anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen. Dem Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen der anerkannten Lärmschwerhörigkeit zugestanden. Nach Professor Dr. Z. habe sich 1999 weder im Tonaudiogramm noch im Sprachaudiogramm ein prozentualer Hörverlust gezeigt. Der von Professor Dr. R. im Dezember 2009 erhobene Befund sei bereits fraglich auf die Lärmschwerhörigkeit zu beziehen, da der Kläger bereits 2002 die lärmschädigende Tätigkeit aufgegeben habe. Entgegen der Auffassung von Professor Dr. R. sei bei den von ihm gemessenen Hörverlusten mit 0 % rechts von 20 % links nur eine MdE um 0 v.H. ermittelt. Die 2006 vorübergehend aufgetretenen Hörverschlechterung sei nach Professor Dr. T. auf den durch beruflichen Stress ausgelösten Hörsturz zurückzuführen und nicht Folge der Berufskrankheit. Da beim Kläger derzeit weder eine Depression noch Konzentrationsstörungen diagnostiziert seien, sei die auf der Lärmschwerhörigkeit beruhende MdE in nicht rentenberechtigender Höhe von 10 v.H. einzuschätzen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 02.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.03.2012 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Er macht geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe Professor Dr. H. seine Beurteilung nicht allein auf die Beschwerdeschilderung, sondern tatsächlich auch auf die psychovegetativen Begleiterscheinungen, die er während der Untersuchung habe beobachten können, gestützt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei die Depression wesentliche Folge des Tinnitus. Die Schlaf- und Konzentrationsstörungen seien Folge des berufskrankheitsbedingten Tinnitus. Es werde beantragt, zum Nachweis dazu die Gegenüberstellung der beiden Sachverständigen vorzunehmen und sie deshalb in die mündliche Verhandlung zu laden. Der Kläger hat die Bescheinigung von Professor Dr. H. vom 05.03.2012 vorgelegt, wonach das Gericht sich nur auf die klassischen Bewertungskriterien des Königsteiner Merkblatts verlassen habe, während er, der Sachverständige, die Bewertung von 20 % auf die psychovegetativen Begleiterscheinungen zurückgeführt hätte.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.01.2012 und die Bescheide der Beklagten vom 20.11.2007, 09.01.2008 und 29.01.2008 in der Gestalt der drei Widerspruchsbescheide vom 25.06.2008 sowie den Bescheid vom 12.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2000 teilweise - soweit damit Verletztenrente abgelehnt wird -, den Bescheid vom 11.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2003 und den Bescheid vom 09.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2007 aufzuheben und eine Depression sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Folge der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab 01.01.2003, hilfsweise ab 20.09.2007, zu gewähren und die Kosten des Heilverfahrens in der Klinik Bad A. für die Zeit vom 08.02.2006 bis 12.04.2006 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt werde, Professor Dr. H. habe sich auf die psychovegetative Begleiterscheinungen des Tinnitus bei seiner MdE Einschätzung gestützt, werde nicht dargelegt, aufgrund welcher objektivierbaren Befunde und anerkannt objektiven Testverfahren der Sachverständige zu seinen Ergebnissen gekommen sei.
Mit richterlicher Verfügung vom 11.01.2013 ist der Sachverständige Professor Dr. H. um Vorlage der im Gutachten verwerteten und vom Kläger ausgefüllten Testbögen und um Äußerung zu den an der Gutachtenserstattung mitwirkenden Hilfspersonen gebeten worden. Professor Dr. H. hat unter Übersendung der ausgefüllten Fragebogen mitgeteilt, dass diese von der Ärztin Schn. ausgewertet worden seien (Schreiben vom 15.01.2013 mit Anlage: "Mini-Tinnitus-Fragebogen", HADS-D Patientenbogen, BDI-Bogen, ausgefüllt jeweils am 23.05.2011).
In Ausführung der erteilten richterlichen Auflage vom 11.01.2013 hat der Kläger um Prüfung gebeten, ob durch den Sachverständigen die Anfrage des Gerichts ausreichend beantwortet sei (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 27.02.2013). Es werde davon ausgegangen, dass die mitgeteilte Verfahrensweise den notwendigen fachlichen Standards entsprochen habe. Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen zur Gegenüberstellung und Erläuterung und Verteidigung ihrer Standpunkte in der mündlichen Verhandlung werde ausdrücklich aufrechterhalten. Entgegen der gerichtlichen Anfrage nach aufklärungsbedürftigen Fragen stelle sich nicht das Problem, inwieweit noch Sachverhaltsfragen aufzuklären seien. Es gehe vielmehr darum, welche Folgerungen aus den unterschiedlichen Bewertungen von zwei Sachverständigen beim selben Sachverhalt richtig seien. Inwieweit sei der pauschale Verweis auf das Königsteiner Merkblatt richtig. Dr. S. sei zu fragen, ob die erhobenen Befunde nicht objektiv auf Konzentrationsstörungen hindeuteten und ob die festgestellten psychosozialen Belastungen und damit die vorübergehende depressive Episode nicht auch wesentliche Folge der festgestellten Berufskrankheit sei. Professor Dr. H. sei zu fragen, ob und inwieweit der verwendete Fragebogen eine Hintergrundkontrolle auf geplantes Ankreuzen für zielführend erkannte Fragen ermöglicht habe.
Mit richterlicher Verfügung vom 04.03.2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die von Klägerseite aufgeworfenen Fragenkomplexe in den Gutachten und hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen bereits beantwortet bzw. abgehandelt worden seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10.04.2013; Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2013).
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagte und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Senat hat den Antrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst. Er begehrt einerseits die Überprüfung bestandskräftiger Bescheide im Wege einer Zugunstenentscheidung mit rückwirkender Rentengewährung und Übernahme von Behandlungskosten (nachfolgend A) und andererseits nach Verschlimmerung die Feststellung weiterer Berufskrankheitenfolgen und hilfsweise eine Rentengewährung ab Zeitpunkt des Verschlimmerungsantrags (nachfolgend B).
A. Rechtsgrundlage für die Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide ist § 44 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, Abs. 4 SGG. Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Es kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Sozialleistungen sind längstens vier Jahre ab dem Zeitpunkt des Beginns des Jahres, in dem der Rücknahmeantrag gestellt wurde (hier ab 01.01.2003 bei Antragstellung am 20.09.2007), rückwirkend zu erstatten (§ 44 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB X).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen nicht vor. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide vom 12.01.2000, 11.03.2003 und 09.05.2006 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind nicht rechtswidrig. Weder ist das Recht zu Lasten des Klägers unrichtig angewandt noch ist von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich im Nachhinein als unrichtig erwiesen hat. Die Beklagte hat zutreffend eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt und Rente abgelehnt (Bescheid vom 12.01.2000, nachfolgend A I), auf Verschlimmerungsantrag des Klägers Rente mangels Unfallfolgen mit rentenbegründender MdE abgelehnt (Bescheid vom 11.03.2003, nachfolgend A II) und die Übernahme von Heilbehandlung und Heilbehandlungskosten für die stationäre Behandlung von Februar bis April 2006 in der Tinnitus-Klinik Bad A. abgelehnt (Bescheid vom 09.05.2006, nachfolgend A III).
A I. Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2000 war auf das Gutachten von Professor Dr. Z. vom 18.08.1999 und die beratungsärztliche Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.11.1999 gestützt, die die von der Beklagten beigezogenen Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, insbesondere den Entlassungsbericht der Tinnitus-Klinik Bad A. vom 16.11.1998 und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik K. vom 07.08.1995, ausgewertet haben. In den Entlassungsberichten sind als tinnitusbezogene, vom Kläger geklagte Beschwerden ein körperlicher und geistiger Schwächezustand, Spannungskopfschmerzen, Konzentrationsverlust, gesteigerte Nervosität und Reizbarkeit sowie Panikgefühl bei immer wieder auftretenden Tinnitusverstärkungen und Schlafstörungen angeführt (Entlassungsbericht vom 16.11.1998), wobei 1995 nur Durchschlafstörungen angegeben wurden und das Einschlafen ausdrücklich als problemfrei bezeichnet wurde. Die neuropsychologische Untersuchung ergab entgegen den subjektiven Beschwerdeangaben keine Hinweise auf kognitive Defizite bzw. relative Leistungsminderungen (Entlassungsbericht vom 07.08.1995). Bei der Behandlung 1998 war eine deutlich verbesserte Tinnitusakzeptanz erreicht worden (Entlassungsbericht vom 16.11.1998), was zu einer dauerhaften Beschwerdeverbesserung jedenfalls bis 2005 geführt hat (Entlassungsbericht der Tinnitus-Klinik Bad A. vom 12.04.2006). Bei der Untersuchung durch Professor Dr. Z. im Juni 1999 hatte der Kläger die 1998 durchgeführte Therapie in der Tinnitus Klinik Bad A. als hilfreich bestätigt und als Belastungen des Tinnitus angegeben, dass ihn der Pfeifton beim Einschlafen und bei der Konzentration stark störe.
Unter Berücksichtigung dieser Befunde war die MdE-Einschätzung von Professor Dr. Z. und Professor Dr. T. mit einer MdE um 10 v.H. nicht zu beanstanden. Der von Professor Dr. Z. erhobene audiometrische Befund ergab einen Hörverlust von 0 % beidseits sowohl nach dem Ton- als auch nach dem maßgebenden Sprachaudiogramm, weshalb die auf der diagnostizierten Schallempfindungsschwerhörigkeit beruhende Hörminderung mit einer MdE um 0 v.H. korrekt eingestuft war. Die Erhöhung der aus der reinen Hörminderung folgenden MdE um 10 v.H. aufgrund der lärmbedingten Ohrgeräusche ist rechtlich nicht zu beanstanden, sie entspricht den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen zur Bestimmung der MdE eines Gehörschadens. Nach dem Königsteiner Merkblatt, das die derzeit herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung wiedergibt, kann in Fällen dauerhafter Ohrgeräusche der lärmbedingte Begleit-Tinnitus bei der Bewertung des Gesamtschadens mit einer MdE bis zu 10 v.H. integrativ berücksichtigt werden, wobei schwerste Beeinträchtigungen durch die Ohrgeräusche eine zusätzliche neurologisch-psychiatrische Begutachtung und gesonderte Bewertung erfordern (Königsteiner Empfehlung, überarbeitete Auflage März 2012, Nr. 4.4.4). Selbst wenn entgegen den testpsychologischen Befunden aus 1995 und dem Entlassungsbefund von 1998 allein die Beschwerdeangaben des Klägers im Juni 1999 zur Beeinträchtigung durch den Tinnitus zu Grunde gelegt werden, ist die Erhöhung der aus der lärmbedingten Hörminderung folgenden MdE auf 10 v.H. wegen der angegebenen Tinnitusbeschwerden, die neben der vegetativen Begleitsymptomatik, wie Einschlafstörungen, Konzentrationsstörungen und gefühlter starker psychischer Belastung, keine psychiatrisch auffällige Befunde beschreiben, mehr als angemessen und ausreichend. Dem entgegenstehende Befunde für den fraglichen Zeitraum 1999/2000 hat der Kläger nicht vorgetragen und sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Die Ablehnung der Rentengewährung mit Bescheid vom 12.01.2000 war rechtens, da eine rentenbegründende MdE um 20 v.H. (§ 56 Abs. 1 SGB VII) nicht vorlag.
A II. Der Bescheid vom 11.03.2003 war aufgrund des Verschlimmerungsantrages des Klägers vom 27.06.2002 ergangen, mit dem die Verstärkung des Tinnitus unter Angabe von Schwindelerscheinungen geltend gemacht worden war. Aus den von der Beklagten beigezogenen und in den Akten dokumentierten HNO-ärztlichen Befunden, die nach dem Jahr 2000 erhoben wurden, ergeben sich keine wesentlichen Veränderungen der anerkannten Folge der Berufskrankheit bzw. sind keine weiteren Gesundheitsstörungen aufgetreten, die Folge der festgestellten Lärmschwerhörigkeit sind. Eine Zunahme der Hörminderung selbst ist den 2001 erstellten Audiogrammen von Dr. M. (auf Anfrage der Beklagten vom 11.09.2002 von Dr. M. übersandt) nicht zu entnehmen. Im Befundbericht des HNO-Arztes Dr. M. vom 19.03.2001 wird von einer massiven Verstärkung des Ohrgeräusches, das die rechte Seite betrifft (Befundbericht des Orthopäden Dr. St. vom 13.02.2001), berichtet. Dr. M. bezog diese Beschwerden auf die Halswirbelsäulen-Symptomatik. Nach Dr. M. war es gelungen, durch ambulante Physiotherapie den Tinnitus etwas zu beeinflussen (Befundbericht vom 19.03.2001). Im Befundbericht von Dr. M. vom 28.01.2003 werden auf die Anfrage der Beklagten (Schreiben vom 17.12.2002), wann sich der Kläger wegen seines Ohrgeräusches seit März 2001 vorgestellt habe, nur die Behandlungsdaten von Februar und März 2001 mitgeteilt. In der beratungsärztlichen Stellungnahme von Professor Dr. T. vom 15.05.2001 wurde die Lautstärkezunahme des Tinnitus dem lärmunabhängigen, HWS-bedingten Geschehen zugeordnet, insbesondere das Auftreten des Schwindels könne auf keinen Fall einer Lärmgenese zugeordnet werden. Der Senat lässt dahinstehen, ob diese Zusammenhangsbeurteilung von Prof. Dr. T. zutreffend ist oder durch die Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. H. im Gutachten vom 28.06.2011 widerlegt werden, wonach der lärmunabhängige Gehörschaden im Tieftonbereich auch die Zuordnung des Tinnitus in diesem Frequenzbereich hätte erwarten lassen. Eine Frequenzbestimmung des Tinnitus ist in diesem Zeitraum nicht erfolgt, so dass die Tinnitusverstärkung im Tieftonbereich weder ausgeschlossen noch nachgewiesen ist. Doch selbst wenn die geltend gemachte einseitige Lautstärkezunahme des Tinnitus eine Ausweitung der anerkannten Berufskrankheitfolge wäre, ist nach den vorliegenden Befunden keine wesentliche Verschlechterung des berufskrankheitsbedingten Gesundheitszustands nachgewiesen. Eine psychovegetative Irritation durch den Tinnitus ist unter Ausschöpfung des nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen gegebenen Bewertungsrahmens (vgl. oben Königsteiner Empfehlung Nr. 4.4.4) berücksichtigt. Das vorübergehende Hinzutreten von Schwindelerscheinungen, die nach Behandlung wieder abgeklungen waren, rechtfertigt keine Erhöhung der MdE von 10 v.H. Weitergehende oder psychiatrisch zu beurteilende Gesundheitsstörungen sind den bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2003 zu den Akten der Beklagten gelangten medizinischen Befunden nicht zu entnehmen gewesen. Ein Rentenanspruch des Klägers war daher auch zu diesem Zeitpunkt nicht begründet. Die Ablehnung der Rente mit Bescheid 11.03.2003/Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003 erfolgte zu Recht.
A III. Die mit Bescheid vom 09.05.2006 erfolgte Ablehnung der Heilbehandlungskosten war ebenfalls rechtens. Die Behandlung in der Tinnitus-Klinik Bad A. vom Februar bis April 2006 erfolgte u.a. unter der Diagnose eines dekompensierten Tinnitus-Leidens und einer depressiven Episode (Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik Bad A. – Tinnitus-Klinik - vom 12.04.2006). Dort ist ausgeführt, dass der Kläger seit einem Jahr eine drastische Leidenssteigerung unter dem Tinnitus im Zusammenhang mit einer grundlegend veränderten Lebenssituation erlebe. Der Kläger habe seit ca. drei Jahren als technischer Gruppenleiter in einer Einrichtung für geistig- und psychisch Erkrankte mit hohem emotionalem Engagement gearbeitet. Im letzten halben Jahr sei es zu einem Konflikt mit Gruppenleiter und Kollegen gekommen, der ihn völlig den Boden unter den Füßen habe verlieren lassen. In der Folge sei er dann in eine andere Abteilung gewechselt. Parallel dazu habe er eine heilpädagogische Zusatzausbildung beginnen müssen, die ihn in den Inhalten sehr belaste und bei der er sich im Rahmen der massiven depressiven Reaktion nicht mehr auf den notwendigen Lernprozess konzentrieren könne. Hiervon ausgehend hat Professor Dr. S. in seinem Gutachten vom 17.11.2010 mit Ergänzung vom 07.10.2011 für den Senat ebenso wie für das Sozialgericht überzeugend dargelegt, dass die Behandlung nicht aufgrund der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit bzw. des Tinnitus erforderlich war, sondern von der Berufskrankheit nicht abhängige, psychische Belastungsfaktoren für die behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung ursächlich waren. Beim Kläger entwickelte sich vor dem Hintergrund seiner Grundpersönlichkeit eine depressive Episode, die zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S. abgeklungen war. Die damalige Verschlechterung sowohl des Hörvermögens und des Tinnitus stand nach Dr. S. allein im Zusammenhang mit den belastenden psychosozialen Ereignissen nach Aufgabe der früheren Berufstätigkeit, die nicht durch die Lärmschwerhörigkeit sondern durch die Betriebsaufgabe des letzten Arbeitgebers veranlasst war, und den sich daraus entwickelnden Lebensumständen bis hin zu Konflikten mit Kollegen und der Belastung der Zusatzausbildung. Die in der Tinnitus-Klinik Bad A. diagnostizierte depressive Episode war daher nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. S. nicht Folge des Tinnitus, sondern hatte sich unabhängig von der Lärmschwerhörigkeit entwickelt. Soweit durch die Depression der Tinnitus verstärkt wurde oder die Kompensation des Tinnitus nicht mehr gelungen ist, ist dies nicht eine nachgehende Folge der Lärmschwerhörigkeit, sondern ein nicht versicherter Nachschaden, der durch das Hinzutreten einer nicht versicherten Bedingung nach dem Versicherungsfall zur Verschlechterung anerkannter Berufskrankheiten-/Unfallfolgen führt. Ansprüche auf Entschädigungsleistungen bestehen hierfür nicht.
Der Auffassung von Professor Dr. H. , der im Gutachten vom 28.06.2011 lärmbedingte Exazerbationen des Tinnitus annimmt und es als unwahrscheinlich erachtet, dass gerade zum Zeitpunkt des stationären Aufenthalts 2006 die bereits seit 1985 zu beobachtenden rezidivierenden Hörverluste aufgrund cochleärer Endolymphschwankungen eine Tinnitusexazerbation erklären sollen und er daher der Auffassung ist, dass der lärmbedingte Tinnitus die depressive Entwicklung des Klägers getriggert habe, kann sich der Senat nicht anschließen. Die Darlegungen von Professor Dr. H. sind insoweit nicht überzeugend. Die von Dr. S. diskutierten belastenden psychosozialen Ereignisse des Arbeitsplatzkonfliktes und der Zusatzausbildung nach Arbeitslosigkeit werden von Professor Dr. H. nicht erwähnt und bewertet, was aber auch außerhalb des Fachgebiets eines HNO-Facharztes liegt.
B. Die mit Bescheid der Beklagten vom 29.01.2008 abgelehnte Feststellung der geltend gemachten Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheitenfolgen und die konkludente Ablehnung von Verletztenrente – durch die Darlegung, die Lärmschwerhörigkeit bedinge nach wie vor eine MdE von 10 v.H. - ist nicht rechtsfehlerhaft. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Berufskrankheitenfolgen und auf Verletztenrente. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Unter dem 19.09.2007 hatte der Kläger, hilfsweise neben dem gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, die Feststellung dieser Gesundheitsstörungen und die Gewährung einer Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. beantragt. Die formellen Voraussetzungen eines feststellenden Verwaltungsakts (Antragstellung und feststellungsfähiges Rechtsverhältnis - rentenbeginnende gesundheitliche Folgen eines Versicherungsfalls -) waren daher gegeben.
Aus dem überzeugenden nervenärztlichen Gutachten von Dr. S. ergibt sich für den Senat, dass beim Kläger keine Erkrankung auf psychiatrischem Gebiet besteht. Dr. S. hat das Vorliegen einer Depression, einer somatoformen Störung oder einer Angststörung aufgrund der ausführlichen Exploration des Klägers verneint. Zu den stationären Behandlungen in den neunziger Jahren in der Tinnitus Klinik bzw. in der Reha-Klinik N.-K. und später im Jahr 2006 erfolgte beim Kläger keine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung was Dr. S. als weiteren Hinweis dafür bewertete, dass der von ihm erhobene unauffällige Befund zutrifft, da bei einer anhaltenden mittelgradigen oder schweren Depression gemeinhin fachspezifische Behandlungen eingeleitet werden. Auch konnte Dr. S. Konzentrationsstörungen und Störungen der Aufmerksamkeit während der gesamten Begutachtung nicht einmal ansatzweise feststellen, obgleich der Kläger aufgrund seiner Hörminderung einer vermehrten Anstrengung beim Zuhören ausgesetzt gewesen ist. Dr. S. verweist hierzu auch auf die früheren Befunderhebungen in der Reha-Klinik N.-K. , bei denen auch testpsychologisch entsprechende Störungen nicht hatten objektiviert werden können.
Die gegenteilige, fachfremde Beurteilung durch Professor Dr. H. überzeugt den Senat nicht. Dem HNO-ärztlichen Gutachten von Professor Dr. H. ist eine nervenärztliche Untersuchung nicht zu entnehmen. Die testpsychologische Untersuchung, auf die sich Professor Dr. H. stützt, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. allein kein hinreichendes Diagnosemittel, da die nach Selbsteinschätzung abgefragten Lebensumstände immer die fachärztliche Beurteilung erfordern, inwieweit die Selbstauskünfte und Selbsteinschätzungen mit dem erhobenen klinischen Befund bei der nervenärztlichen Exploration korrelieren. Eine solche Bewertung hat bei der Begutachtung durch Professor Dr. H. nicht stattgefunden. Ausweislich der Stellungnahme von Professor Dr. H. vom 15.01.2013 beruht seine HNO-ärztliche Gutachtenserstattung auf der Mitwirkung der Ärztin Schn. , die - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt - ohne Facharztprüfung die ausgefüllten Fragebogen ausgewertet hat. Der Senat misst daher der gutachterlichen Beurteilung von Dr. S. auch wegen der höheren Fachkompetenz den überzeugenderen Beweiswert zu. Außerdem sind die in der ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 von Prof. Dr. H. genannten Testverfahren nicht alle durchgeführt worden. Dem Senat ist auf Anforderung nur ein "Mini Tinnitus-Fragebogen", ein "HADS-D Patientenbogen" und der "BDI"-Bogen, zu dem auch Dr. S. mit Ausführungen zum Beck-Depression-Inventarbogen Stellung genommen hat, übersandt worden. Die in den Testbogen implementierte Plausibilitätskontrolle wurde im Gutachten von Prof. Dr. H. nicht kommentiert, obgleich hierfür Anlass bestanden hätte. Im BDI-Testbogen werden unter 05.E und 08.H (einerseits Verneinung von Schuldgefühlen, andererseits Bejahung von Selbstvorwürfen wegen Mängel) sowie 18.R und 19.S (einerseits sehr stark nachlassender Appetit, andererseits in letzter Zeit kaum Gewichtsabnahme) nicht ohne weiteres miteinander vereinbare Angaben gemacht.
Die von Prof. Dr. R. bzw. Prof. Dr. H. angenommene Hörminderung aufgrund der jeweils selbst vorgenommenen Hörprüfungen, die nach der Tabelle einer asynchronen Hörstörung allein wegen der Hörminderung eine MdE um 10 v.H. rechtfertige, begründet keine berufskrankheitsbedingte höhere MdE unter integrativer Berücksichtigung der bisherigen Teil-MdE von 10 v.H. für den Tinnitus. Die nach Ende der Lärmexposition aufgetretene Hörminderung ist nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Z. und Prof. Dr. T. nicht mehr auf den Lärmschaden zurückzuführen. Darüber hinaus wäre die angenommene Teil-MdE von 10 v.H. bei den mitgeteilten Hörverlusten von 0 % rechts und 20 % links rechtlich nicht begründet. Der angenommene Zwischenwert einer MdE von 10 v.H., der nach der Tabelle für eine beidseitige Normalhörigkeit (Hörverlust von 0-20 %) ausgewiesen wird, ist bei der gebotenen rechtlichen Betrachtung vorliegend nicht gerechtfertigt, denn dieser Hörverlust ist nicht mit dem Ausmaß der Hörminderungen vergleichbar, die nach der Tabelle eindeutig, d.h. ohne Zwischenwerte, eine MdE um 10 v.H. ergeben. Der Hinweis von Prof. Dr. T. , dass grundsätzlich nur Hörverluste von beidseits von 20 % - eine gerade noch randständige Normalhörigkeit - die MdE von 10 v.H. begründen könnten, ist daher zutreffend. Diese Bewertung beinhaltet letztlich eine Rechtsfrage, deren Beantwortung dem Senat vorbehalten ist und wozu die medizinischen Sachverständigen nur das Ausmaß der Gesundheitsschädigung aufgrund ihrer Sachkenntnis beizutragen haben. Die Frage, inwieweit die nach dem Königsteiner Merkblatt möglichen Zwischenwerte insofern anzuwenden sind, gibt bei dem geklärten medizinischen Sachverhalt daher keinen Anlass, die Sachverständigen auf HNO-ärztlichem Gebiet erneut zu befragen.
Der Senat sah keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Auch aufgrund der Anregung des Klägerbevollmächtigten, die Sachverständigen Dr. S. und Professor Dr. H. ergänzend zu befragen, sah sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Der Senat lässt dahinstehen, ob mit dem vorbehaltlos erklärten Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die entsprechenden Anträge des Klägerbevollmächtigten aufrechterhalten worden sind. Der Antrag auf Gegenüberstellung der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, um ihnen die Diskussion ihrer sich widersprechenden Ergebnisses zu ermöglichen, ist damit jedenfalls erledigt. Das Fragerecht eines Beteiligten wäre damit ohnehin nicht zu begründen gewesen, worauf in der richterlichen Verfügung vom 11.01.2013 die Beteiligten hingewiesen worden waren.
Darüber hinaus gebietet das den Beteiligten einzuräumende rechtliche Gehör keine weitere Sachaufklärung. Zwar steht einem Beteiligten nach § 116 SGG i.V.m. §§ 402, 397 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache als dienlich erachtet. Das Gericht kann den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zum Termin laden (§ 118 SGG, § 411 Abs. 3 ZPO) oder es kann die schriftliche Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen veranlassen, wenn dies zweckmäßig erscheint. Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen vom Beteiligten nicht formuliert werden. Es reicht aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen. Die Sachdienlichkeit einer angekündigten Frage ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich die Frage im Rahmen des Beweisthemas hält und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet ist; andernfalls kann das Begehren rechtsmissbräuchlich sein (BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B -, Juris; zuletzt BSG Urteil vom 17.12.2012 - B 13 R 355/11 -, vom 25.10.2012 - B 9 SB 51/12 - , Juris). Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält, kommt es dabei nicht an. Es gehört zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dazu, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können (BSG, Beschluss vom 24.07.2012 B 2 U 100/12 B , Juris).
Nach diesen Grundsätzen haben sich keine besonderen Umstände ergeben, die eine erneute Anhörung von Dr. S. und Professor Dr. H. notwendig machen. Der Kläger macht insofern geltend, der pauschale Verweis auf das Königsteiner Merkblatt lasse nicht erkennen, ob der individuelle Fall richtig beurteilt worden sei. Vorliegend ist dies vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. nicht zu beantworten, da dies nicht sein Fachgebiet berührt und er sich insoweit auch nicht auf das Königsteiner Merkblatt stützt. Inwieweit Professor Dr. H. zu einer Dr. S. widersprechenden Bewertung nach dem Königsteiner Merkblatt Stellung nehmen soll, ist damit nicht hinreichend dargelegt. Auch die an Dr. S. zu richtende Frage, ob Konzentrationsstörungen aus dem erhobenen Befund nicht objektiv erkennbar sind, psychosoziale Belastungen und eine vorübergehende depressive Episode nicht auch Folge der Berufskrankheit sein könnten, kann eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen nicht begründen. Der Sachverständige hat sich zu diesem Fragenkomplex bereits ausführlich in seinem Gutachten geäußert und in der vom Sozialgericht hierzu schon veranlassten ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten von Professor Dr. H. an seiner Bewertung festgehalten, dass die vorübergehende psychische Störung Folge der berufskrankheitsunabhängigen sozialen Ereignisse war. Auch hat Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass die Verwendung von Testverfahren allein die Diagnose psychischer Störungen von Krankheitswert nicht rechtfertigt, sondern eine psychiatrische Gesamtbewertung und psychiatrische Untersuchung erfordert. Die an Dr. H. zu richtende Frage, ob und inwieweit der verwendete Fragebogen eine Hintergrundkontrolle ermöglicht habe, ist von Professor Dr. H. bereits in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 beantwortet. Dort ist ausgeführt, dass der klinische Eindruck des Patienten durch die Psychometrie untermauert worden sei und eine Simulation und Aggravation als ausgeschlossen erachtet werde. Damit hat Professor Dr. H. bereits zu erkennen gegeben, dass er auch den vom Kläger gewonnenen persönlichen Eindruck seiner Beurteilung zugrundegelegt hat. Eine aufklärungsbedürftige Lücke in der Gutachtenserstattung ist damit vom Kläger nicht bezeichnet worden. Der Vortrag des Klägers gab dem Senat keinen Anlass ergänzende Stellungnahmen der genannten Sachverständigen einzuholen.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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