L 4 P 846/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 P 7213/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 846/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2013 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe III.

Die am 1925 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Sie lebte vom 19. Januar 2004 bis zum 31. Juli 2009 in dem durch die Beigeladene betriebenen Pflegeheim. Am 28. Februar 2007 beantragte sie über ihre Bevollmächtigte, ihre mit Generalvollmacht handelnde Tochter, auf Betreiben der Beigeladenen die Höherstufung in Pflegestufe III. Sie gab an, sie teile die Einschätzung der Beigeladenen nicht und halte die dort vorgenommene Pflege für defizitär. Die Beklagte bewilligte nach Begutachtung der Klägerin durch Pflegefachkraft F. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) am 7. Mai 2007 (täglicher Pflegebedarf Körperpflege 102 Minuten, Ernährung 91 Minuten, Mobilität 50 Minuten) Leistungen der Pflegestufe III ab 1. Januar 2007 im Rahmen der vollstationären Pflege (Bescheid vom 15. Mai 2007). Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde von dem bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschuss zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008).

Mit ihrer am 28. Oktober 2008 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der Höherstufung, nach erfolgtem Umzug begrenzt auf die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2009, weiter und beantragte hilfsweise die Einholung eines pflegewissenschaftlichen "Meta-Gutachtens", außerdem die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Eigenanteil für Pflegestufe II und III, sämtlicher sozialversicherungsbedingter Zuzahlungen seit 1. März 2007, von Schmerzensgeld, eines monatlichen Honorars zuzüglich Arbeitgeberanteil und Auslagenpauschale für ihre Bevollmächtigte, der Umzugskosten in ein anderes Pflegeheim sowie von Reise- und Verdienstausfall für den Besuch von Angehörigen im neuen, weiter entfernten Heim. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das SG lud das Pflegeheim, in dem die Klägerin vom 19. Januar 2004 bis 31. Juli 2009 gelebt hatte, zum Verfahren bei (Beschluss vom 9. März 2009). Die Beigeladene legte das fachinternistisch-geriatrische Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Geriatrie und Diabetologie Fr., Ärztlicher Leiter des Geriatrischen Zentrums S., vom 8. April 2009 aus dem zivilgerichtlichen Verfahren zwischen der Klägerin und ihr vor dem Landgericht Stuttgart (Az O 513/07) vor. Das SG holte von Amts wegen ein Gutachten nach Aktenlage von Facharzt für Allgemeinmedizin G. ein (Gutachten vom 19. August 2009; täglicher Pflegebedarf für Grundpflege 260 Minuten).

Mit Urteil vom 16. Januar 2013 hob das SG den angegriffenen Bescheid, soweit darin die Leistungen nach Pflegestufe III für den Januar 2007 zuerkannt wurden, auf. Im Übrigen wies es die Klage ab. Für Januar 2007 habe kein Antrag vorgelegen. Den im Februar 2007 gestellten Antrag habe die Klägerin allerdings nicht wirksam zurücknehmen können. Ab Februar 2007 sei der Bescheid rechtmäßig, aufgrund des festgestellten Pflegebedarfs die Zuordnung zu Pflegestufe III zutreffend. Dies entnehme es (das SG) den übereinstimmenden Gutachten der Pflegefachkraft F. vom MDK im Verwaltungsverfahren und des von ihm beauftragten Sachverständigen G., die zudem durch das in dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart erstattete fachinternistisch-geriatrische Gutachten bestätigt würden. Ein weiteres Gutachten sei daher nicht erforderlich gewesen. Für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche sei es nicht zuständig, weil insoweit keine sozialrechtlichen Anspruchsgrundlagen einschlägig seien. Eine Verweisung an das Landgericht sei nicht erfolgt, denn die Klägerin habe schriftsätzlich zu erkennen gegeben, dass sie die Prüfung der in der Zuständigkeit des Sozialgerichts liegenden Schadensersatzansprüche begehre.

Gegen das ihr über ihre Bevollmächtigte am 19. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 21. Februar 2013 beim SG (persönliche Abgabe durch die Bevollmächtigte) Berufung eingelegt, diese aber nicht begründet. Auf den Hinweis der Berichterstatterin, dass die Berufungsfrist nicht gewahrt sei, hat sie am 2. April 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, sie habe seit 6. Februar 2013 Ernährungsprobleme, die eine künstliche Ernährung erforderten. Ihre Bevollmächtigte habe eine Entscheidung hinsichtlich der Sondenernährung treffen und sich hierzu eingehend mit dem Thema befassen, einschlägige Literatur beschaffen und lesen, sich mit verschiedenen Personen beraten müssen. Sie (die Klägerin) sei vom 8. bis 12. März 2013 im Krankenhaus gewesen und habe am 28. März 2013 den Arztbericht über den stationären Aufenthalt erhalten. Vor und nach dem Klinikaufenthalt habe ihre Bevollmächtigte bis einschließlich 30. März 2013 neben der Fachlektüre etliche Gespräche geführt und Post bearbeitet, was viel Zeit beansprucht habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2013 abzuändern und den Bescheid vom 15. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2008 hinsichtlich der Gewährung von Leistungen der Pflegestufe III für den Zeitraum 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2009 aufzuheben, hilfsweise, ein Meta-Gutachten von einer Pflegewissenschaftlerin oder einem Pflegewissenschaftler über das Pflegegutachten vom 9. Mai 2007 unter Einbeziehung der zu diesem Zeitpunkt verordneten (Bedarfs-)Medikation einzuholen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin den Differenzbetrag ihres (der Klägerin) Eigenanteils zwischen den Pflegestufen II und III ab Inkrafttreten der Höherstufung zuzüglich Zinsen zu tragen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin sämtliche sozialversicherungsbedingten Zuzahlungen, die seit 1. März 2007 anfallen, zuzüglich Zinsen zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, gesamtschuldnerisch Schmerzensgeld an sie (die Klägerin) zu zahlen.

4. Die Beklagte zu verurteilen, ihrer (der Klägerin) Bevollmächtigten ab 1. März 2007 ein monatliches Honorar in Höhe des tariflichen Entgelts eines amtlichen Betreuers sowie des Arbeitgeberanteils bei den Sozialabgaben und eine monatliche Aufwandspauschale für Porto-, Telefon-, Kopier- und Fahrtkosten, Schreibwarenverbrauch, Büromiete, Mitgliedsbeitrag im Interessenverband und Fachliteratur zuzüglich Zinsen zu zahlen.

5. Die Beklagte zu verurteilen, die am 1. August 2009 entstandenen Umzugskosten in das neue Pflegeheim, welche aus ihrer (der Klägerin) schlechten Betreuung bei der Beigeladenen erwuchsen, zu zahlen.

6. Die Beklagte zu verurteilen, ab August 2009 die Reise- und Verdienstausfallkosten, die bei Besuchen durch Angehörige im neuen, über 200 km entfernten Heim durch Angehörige regelmäßig anfallen, zu erstatten.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung sei verspätet eingelegt.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Verfügung vom 4. April 2013 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegte Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist bereits unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde. Sie war daher zu verwerfen (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierauf hingewiesen worden.

Die Berufung ist als unzulässig, weil verfristet, zu verwerfen. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Januar 2013 zugestellte Urteil erst am 21. Februar 2013, einem Donnerstag, beim SG Berufung eingelegt und damit die Monatsfrist überschritten.

Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren. Denn Anhaltspunkte für fehlendes Verschulden als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 67 Abs. 1 SGG) sind nicht ersichtlich. Zwar hat die Klägerin nach Hinweis auf die versäumte Frist vorgetragen, ihre Bevollmächtigte sei wegen seit dem 6. Februar 2013 bestehender Ernährungsprobleme, die sich nur durch künstliche Ernährung beheben ließen, mit der Entscheidungsfindung zum Thema Sondenernährung befasst gewesen. Vom 8. bis 12. März 2013 sei sie (die Klägerin) im Krankenhaus gewesen, der Arztbericht habe erst am 28. März 2013 vorgelegen. Es ist aber nicht erkennbar, dass dies ein Hinderungsgrund gewesen sein könnte, die nur wenige handschriftliche Zeilen umfassende, ohne Begründung versehene Berufungsschrift bereits zwei Tage früher, am 19. Februar 2013, beim SG abzugeben. Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG, 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) muss die Klägerin sich das Verschulden ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs. 4 SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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