L 11 R 2298/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2593/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2298/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.03.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.10.2008.

Der 1951 in Kroatien geborene Kläger erlernte in seinem Heimatland den Beruf des Feinmechanikers. Seit 1973 lebt er dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war er zuletzt von 1992 bis 2002 als Qualitätsprüfer versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog der Kläger Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht, seit 01.01.2005 bezieht er durchgehend Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch. Ein Grad der Behinderung von 50 ist anerkannt.

Vom 06.08. bis 10.09.2008 absolvierte der Kläger eine medizinische Rehabilitation in der Z.-Klinik St. B ... Hieraus wurde er mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode, chronisch-rezidivierende Zervikobrachialgien, Zerviko-Cephalgien und Thorakolumbalgien sowie Adipositas arbeitsfähig entlassen.

Am 22.09.2008 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2009 ab.

Hiergegen richtet sich die am 16.06.2009 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, der medizinische Sachverhalt sei nicht komplett aufgeklärt. Zudem genieße er Berufsschutz als Qualitäts- und Güteprüfer. Er habe diese Tätigkeit wegen seiner Depressionen aufgeben müssen, weshalb ihm zumindest eine Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe.

Während des Klageverfahrens ist der Kläger durch den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten aufgrund ambulanter Untersuchung fachübergreifend begutachtet worden durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Sch. (Gutachten vom 14.03.2010), den Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie Dr. W. (Gutachten vom 22.03.2010) und den Internisten L. (Gutachten vom 26.03.2010). Zusammenfassend werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Mäßige Einschränkung der Beweglichkeit der Hals- und Rumpfwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschaden C 6/7 und L 4/5 2. Vasomotorische Kopfschmerzen 3. Persönlichkeitsvariante mit latender Aggressivität und depressiven Verstimmungszuständen 4. Verdacht auf Arthrose der Kniescheibenrückfläche mit Bewegungsschmerz. Die Gutachter gelangen übereinstimmend zu der Einschätzung, dass eine quantitative Leistungsminderung nicht zu begründen sei, während qualitative Einschränkungen insoweit zu berücksichtigen seien, dass Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Zwangshaltungen, erhöhte Ansprüche an Konzentration und Verantwortung sowie besondere Stressbelastung nicht zu verlangen seien.

Zusätzlich hat das SG eine Arbeitgeberauskunft bei der Fa. Wi. GmbH eingeholt. Mit Schreiben vom 07.03.2011 hat die frühere Arbeitgeberin über die bis 2002 ausgeübte Tätigkeit als Prüfer mitgeteilt, dass die Tätigkeit die Wareneingangskontrolle, fertigungsbegleitende Kontrolle und Endkontrolle umfasse und hierfür im Allgemeinen eine zweijährige Berufsausbildung erforderlich sei. Tariflich sei der Kläger der Gruppe der Facharbeiter mit zweijähriger Berufsausbildung zugeordnet gewesen. Darüber hinaus hat das SG den behandelnden Neurologen des Klägers, Dr. Schm., schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat mit Schreiben vom 05.04.2011 über insgesamt drei Kontakte in den Jahren 2007, 2008 und 2011 berichtet. Über die Zeit finde sich eine Zunahme des Leidensdruckes im Rahmen der Auseinandersetzung um den Erhalt eines Status, der dem Kläger erlaube, nicht mehr arbeiten zu müssen. Beim letzten Kontakt habe sich die zunehmend fixierte Überzeugung, nicht mehr arbeiten zu können, als führendes Symptom gezeigt, sodass hier eine Belastungserprobung notwendig wäre. Zusätzlich hat das SG ein gerichtliches Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bei Dr. Wil. eingeholt. Im Gutachten vom 19.07.2011 gelangt dieser zu der Einschätzung, dass der Kläger bei weitgehend unauffälligem klinischen neurologischen Befund und mittelstark ausgeprägter rezidivierender depressiver Symptomatik im Rahmen einer ängstlichen Persönlichkeitsakzentuierung noch als Qualitäts- und Güteprüfer ca acht Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Mit Urteil vom 01.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne und damit weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei. Dabei hat sich das SG im Wesentlichen dem Gutachten von Dr. Wil. angeschlossen. Durch den behandelnden Neurologen Dr. Schm. sei dagegen ein richtungsweisender psycho-pathologischer Befund nicht beschrieben worden. Die Überzeugung des Klägers, nicht leistungsfähig genug zu sein für eine vollschichtige Tätigkeit sei nicht durch entsprechende Befunde belegt. Auch der zuletzt vorgelegte Befundbericht von Dr. La. führe zu keinem anderen Ergebnis. Die dort beschriebenen, seit vielen Jahren bestehenden Gesundheitsstörungen seien bereits in der Begutachtung durch Dr. Sch., Dr. W. und Medizinaldirektor L. gewürdigt worden. Dem Kläger stehe auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Für ihn bestehe Berufsschutz hinsichtlich seines Berufes als Qualitätsprüfer, bei dem es sich um einen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren handele. Die Tätigkeit als Qualitätsprüfer sei dem Kläger auch weiterhin gesundheitlich zumutbar, wie sich aus dem Gutachten von Dr. Wil. ergebe.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 20.04.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 21.05.2012 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, das SG habe keine ausreichende Sachaufklärung hinsichtlich des festzustellenden Leistungsbildes betrieben. Der sachverständige Zeuge Dr. Schm. habe darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung des Leistungsbildes nur bei vorangegangener Belastungserprobung möglich sei; eine solche sei jedoch nicht erfolgt. Insoweit könnten auch die eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da eine vorhergehende Belastungserprobung als wichtige Voraussetzung für die Feststellungen nicht gegeben gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, bei dem Kläger bestehe eine wiederkehrende depressive Reaktion, die in der Spitze (2008) einmalig dokumentiert eine mittelschwere Ausprägung gehabt habe, im Folgenden aber selbst ohne relevante antidepressive Behandlung gut kompensiert sei und allenfalls noch leichte Ausschläge zur Folge gehabt habe. Somit bestehe beim Kläger durchgängig kein Grund, von einer generellen Minderung des quantitativen Leistungsvermögens auszugehen. Nicht einmal bei der Entlassung aus der Z.-Klinik 2008 habe Arbeitsunfähigkeit bestanden. Dr. Wil. und der Behandler Dr. Schm. hätten deutlich gemacht, dass Selbsteinschätzung und erhebbare Befunde erheblich voneinander abwichen. In einer solchen Situation erheblich auseinander klaffender Selbst- und Fremdeinschätzung mit ausgeprägten regressiven Tendenzen sei eine Belastungserprobung ein ins Nichts führender Weg, denn hierbei könne nur beobachtet werden, was der Versicherte zu Wege bringe, nicht was er zu Wege bringen könnte. In der Situation einer Belastungserprobung, die nicht dazu diene, einen angestrebten Arbeitsplatz zu erreichen, sondern die im Rentenverfahren eingesetzt werde, sei das vollständige Ausrichten der Willenskraft auf Erbringen von Leistung eine Illusion.

Der Senat hat zusätzlich Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin M ... In dem Gutachten vom 12.03.2013 stellt Herr M. folgende Diagnosen: 1. Am ehesten leichte chronifizierte depressive Störung, reaktiv auf Trennungsauseinandersetzungen mit seiner Ehefrau im Sinne einer Dysthymia 2. Migräne mit derzeit nach Angaben alle zwei bis drei Monate auftretender Migräneattacke 3. Degenerative Veränderungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten mit Angabe von überwiegend im LWS-Bereich bestehenden ständigen Schmerzen, ohne neurologische Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation 4. Simulation. In der Untersuchungssituation hätten sich keine Hinweise auf Konzentrationsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen oder Störungen der Aufmerksamkeit ergeben, testpsychologisch werde in gravierendem Maß eine kognitive Störung simuliert. Bei der neurologischen Untersuchung hätten sich bei der Sensibilitätsprüfung und der Koordinationsprüfung Befunde gezeigt, die keine organische Erklärung hätten und zumindest zum Teil der willentlichen Steuerung unterlägen. Der Kläger sei weiterhin in der Lage, sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine körperlich leichte Tätigkeit auszuüben. Auf nervenärztlichem Gebiet seien keine Gesundheitsstörungen zu erkennen, die der Verrichtung der Tätigkeit als Prüfer entgegenstehen würden. Eine Beschränkung des Arbeitsweges hinsichtlich der Zeitdauer, der Länge oder der Art des Verkehrsmittels sei weder durch die psychische Störung noch durch eine neurologische Erkrankung nachweisbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der von der Beklagten durchgeführten fachübergreifenden Begutachtung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besondere Stressbelastung ebenso wie die Tätigkeit als Qualitätsprüfer sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.

Der Kläger ist in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit durch eine chronifizierte depressive Störung, Migräne und degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschäden C 6/7 und L 4/5 ohne neurologische Ausfälle beeinträchtigt. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich im Wesentlichen aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Herrn M. sowie den von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. Sch., Dr. W. und Herrn L ... Soweit sowohl von der Z.-Klinik, als auch von dem Gutachter Dr. Wil. von einer mittelgradigen depressiven Symptomatik berichtet wird, sind entsprechende Befunde, die eine derartige Ausprägung der Symptomatik belegen, nicht gesichert. So ist im Entlassungsbericht der Z.-Klinik im psychischen Befund der Antrieb als leicht reduziert, der Affekt etwas herab gestimmt, sprachlicher Ausdruck und Denken zeitweise ungeordnet und fahrig beschrieben. Der Kläger habe von starken Konzentrations- und Gedächtnisstörungen berichtet. Eine entsprechende Objektivierung unter Verwendung von Beschwerdevalidierungstests ist jedoch während des Aufenthaltes in der Z.-Klinik nicht erfolgt, auch Dr. Wil. berichtet zwar, dass das Ergebnis eines CI-Testes zur Objektivierung zerebraler Insuffizienzen in einem Teilbereich der kognitiven Fähigkeiten geeignet sei, er hat jedoch ebenfalls keine Gegenprobe gemacht, ob überhaupt eine Mitarbeit bei solchen Testungen gegeben war. Allerdings hat Dr. Wil. auch vermerkt, dass der Depressionstest zu einem deutlich negativeren Ergebnis geführt hat, als es seinem klinischen Eindruck entsprochen hat. Wie sich bei der Untersuchung durch Herrn M. gezeigt hat, hat der Kläger dort eindeutig kognitive Defizite simuliert. In zwei durchgeführten standardisierten Bewerdevalidierungstests hat der Kläger massive Auffälligkeiten gezeigt; die erzielten Extremwerte ergaben nach den Ausführungen von Herrn M. ohne jeden Zweifel eine bewusste Simulation so nicht vorhandener Beschwerden. Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob vorübergehend eine deutlichere Ausprägung der depressiven Symptomatik bestanden hat, denn insoweit liegt jedenfalls keine überdauernde Beeinträchtigung vor, zudem sind sowohl die Ärzte der Z.klinik als auch Dr. Wil. ebenfalls von einem zeitlich nicht eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers ausgegangen.

Mit den vorhandenen Gesundheitsstörungen kann der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne besondere Stressbelastung mindestens sechs Stunden an fünf Arbeitstagen in der Woche verrichten. Dies ergibt sich übereinstimmend aus allen fünf, im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten. Auch im Entlassungsbericht zu dem 2008 durchgeführten Rehabilitationsverfahren war eine entsprechende Leistungsbeurteilung getroffen worden, die Entlassung erfolgte sogar als arbeitsfähig. Angesichts dieser übereinstimmenden Beurteilungen hat der Senat keinerlei Zweifel, sich der Leistungsbeurteilung durch die Gutachter anzuschließen. Insoweit macht der Senat insbesondere das zuletzt eingeholte Gutachten von Herrn M., in dem ausführlich unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender medizinischer Unterlagen eine aktuelle Einschätzung getroffen wurde, zur Grundlage seiner Beurteilung. Dieses ausführliche Gutachten überzeugt den Senat.

Die subjektive Einschätzung des Klägers, er könne keinerlei Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten, kann dagegen zu keiner anderen Beurteilung führen. Diese subjektive Einschätzung wird durch keinerlei objektive Befunde gestützt, vielmehr ist sie insbesondere vor den bereits vom behandelnden Arzt Dr. Schm. geschilderten Versorgungswünschen und der von Herrn M. dargestellten Simulation zu sehen. So waren bei der Untersuchung durch Herrn M. nicht nur die Beschwerdevalidierungstests extrem auffällig, sondern auch bei der körperlichen Untersuchung demonstrierte der Kläger sensible Defizite, die nicht organisch erklärbar sind; bei der Koordinationsprüfung zeigte er im Finger-Nase-Versuch beidseitig Auffälligkeiten dahingehend, dass er mit seinem Zeigefinger auch bei Wiederholung nicht zur Nasenspitze, sondern auf die Mitte der Stirn zeigte, was nur mit willentlicher Steuerung erklärbar ist, zumal kein anderer Hinweis auf eine Koordinationsstörung vorliegt und der Kläger ansonsten durchaus sehr zielbewusst alle anderen Bewegungen beim Aufheben von Gegenständen, beim An- und Ausziehen etc durchführen konnte.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Der Kläger kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese so genannten qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht wesentlich über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte körperliche Arbeiten erfasst wird. Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken oder auf Leitern oder Gerüsten sind bereits nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Die bestehende qualitative Leistungseinschränkung, dass eine besondere Stressbelastung nicht mehr zumutbar ist, lässt keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen, noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar.

Der Kläger ist auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Herrn M., Dr. W. und Dr. Wil. hervor. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Herrn M. zwar behauptet, seine Gehstrecke sei auf 50 bis 100 Meter beschränkt und er müsse dann wegen Hüftbeschwerden stehen bleiben bzw sich anlehnen, diese subjektiven Angaben sind jedoch in keiner Weise glaubhaft. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 22.03.2010 ausdrücklich dargelegt, dass auf der Grundlage einer aktuellen radiologischen Untersuchung weder eine Koxarthrose noch eine Hüftdysplasie nachweisbar war. Bei Dr. Wil. hat der Kläger im Juli 2011 selbst angegeben, nachts zwei bis drei Stunden spazieren zu gehen. Bei Herrn M. hat der Kläger bei der Erhebung des Tagesablaufs - insoweit in gewissem Gegensatz zu der vorher behaupteten Einschränkung der Gehstrecke - zwar angegeben, er gehe in Pforzheim "am Fluss" spazieren, auf Nachfrage von Herrn M. hat er jedoch keine näheren Angaben zum Umfang dieser Spaziergänge machen wollen. Befunde, die eine derart massive Einschränkung der Gehfähigkeit auf 50 bis 100 Meter belegen könnten, liegen definitiv nicht vor. Abgesehen davon befindet sich der Kläger sei mindestens fünf Jahren nach seinen Angaben gegenüber Herrn M. nicht in orthopädischer Behandlung, sodass ein entsprechender Leidensdruck auszuschließen ist.

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht zur Überzeugung des Senats durchgehend seit Rentenantragstellung. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI), er hat damit weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser, noch voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist nach § 240 SGB VI, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1951 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61, jeweils mwN). Da der Kläger nach wie vor den zuletzt ausgeübten Beruf als Qualitätsprüfer verrichten kann, ist er nicht berufsunfähig. Dass er dies mit den vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch kann, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Herrn M. Dieser hat ausführlich dargelegt, dass nur Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung (beispielsweise Vorgesetzter für mehrere Kollegen) oder mit sehr hoher Stressbelastung (sehr hoher Verantwortung für Menschenleben oder sehr hochwertige Güter) nicht mehr zumutbar sind. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Qualitätsprüfer hat hingegen auch Herr M. für zumutbar erachtet. Dies steht auch in Überstimmung mit den Anforderungen an die Tätigkeit, wie sie sich aus der vom SG eingeholten Arbeitgeberauskunft ergeben. Danach handelt es sich um eine leichte Tätigkeit im Gehen, Stehen und Sitzen ohne Akkord, Fließband-, Nachtarbeit oder Publikumsverkehr und ohne das Erfordernis ständiger Konzentration, erhöhter/hoher Verantwortung oder nervlicher Belastung. Diesen Anforderungen kann der Kläger ohne Weiteres nach wie vor gerecht werden.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhanden Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. Sch., Dr. W., Herrn L., Dr. Wil. und Herrn M. sowie die Auskunft des als sachverständiger Zeuge befragten Dr. Schm. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung). Insbesondere war die Durchführung einer Belastungserprobung für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers nicht erforderlich. Wie der beratungsärztliche Dienst der Beklagten zu Recht ausgeführt hat, macht eine derartige Belastungserprobung in einem Verfahren, dessen Ziel für den Kläger die Erlangung einer Erwerbsminderungsrente ist, schon im Grundsatz wenig Sinn, erst recht gilt dies im vorliegenden Fall bei nachgewiesener Simulation und festgefahrener subjektiver Überzeugung, nicht mehr arbeiten zu können. Weitere Beweiserhebung war nach alledem von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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