Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VJ 3799/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VJ 599/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die (fragliche) rheumatische Arthritis des Klägers Folge einer Grippeschutzimpfung und deswegen als Impfschaden anzuerkennen ist.
Der 1937 geborene Kläger wurde am 7. November 2006 mit dem Impfstoff Influsplit® SSW 2006/2007 geimpft. Circa drei Wochen nach der Impfung kam es zu verstärkten, diffusen Schmerzsyndromen. Die Kontrolle der Blutwerte ergab bis auf eine stark beschleunigte Senkungsreaktion keinen Beweis für eine entzündliche rheumatische Erkrankung. Die daraufhin eingeleitete Behandlung mit Kortison war mit klinischer Besserung und Normalisierung der Blutwerte zunächst erfolgreich. Ende 2007 trat ein Rezidiv auf, das stationär im Karl-Olga-Krankenhaus behandelt wurde, ohne dass ein richtungsführender Befund erhoben werden konnte, so dass lediglich der Verdacht auf eine Polymyalgie rheumatica geäußert wurde (Entlassungsbericht des Karl-Olga-Krankenhauses vom 25. Januar 2008). Seitdem erhält der Kläger als Erhaltungsdosis 7,5 mg Kortison bei relativer Beschwerdefreiheit.
Nach der Herstellerinformation sind bekannte Nebenwirkungen - neben nach ein bis zwei Tagen abklingenden Reaktionen an der Injektionsstelle und Allgemeinreaktionen - selten Neuralgie, Parästhesie, Krämpfe oder vorübergehende Throm¬bozytopenie sowie sehr selten Vaskulitis mit vorübergehender Beteiligung der Nieren oder neurologische Störungen wie z.B. Enzephalomyelitis, Neuritis und Guillain-Barré-Syndrom.
Am 11. November 2008 beantragte der Kläger mit der Begründung, seine rheumatische Arthritis beruhe auf der durchgeführten Grippeschutzimpfung, die Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein. Der Allgemeinmediziner Dr. R., bei dem sich der Kläger seit mehr als 20 Jahren in hausärztlicher Behandlung befindet, berichtete, dass der Kläger vor und nach der Impfung über Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden geklagt habe. Die Polymyalgia rheumatica sei erstmalig im Dezember 2006 durch den Rheumatologen Dr. Z. diagnostiziert worden, nachdem sich am 27. November 2006 im Labor als erster Hinweis eine Sturzsenkung gezeigt habe. Die Beschwerden hätten sich im Verlauf der rheumatologischen Therapie mit Steroiden und Antirheumatika gebessert, wenngleich die Steroidtherapie 2007 wegen eines erneuten Schubs hätte unterbrochen werden müssen. Er erachte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Grippeimpfung und der Polymyalgia rheumatica für nicht herstellbar, da der Kläger alle vorangegangenen Grippeschutzimpfungen gut vertragen habe. Der Rheumatologe Dr. Z. berichtete, dass der Kläger an einer Polymyalgia rheumatica sowie einer Spondylose nach Durchführung einer Bandscheibenoperation leide. Die bisherige erhebliche Erhöhung der Blutsenkung habe sich nach der Therapie mit Lantarel deutlich gebessert. Beigefügt war der Entlassungsbericht des Karl-Olga-Krankenhauses, wo der Kläger vom 11. bis 20. Dezember 2007 stationär wegen Verdachts auf Polymyalgia rheumatica behandelt wurde (laborchemisch hätten sich keine Hinweise auf eine Autoimmunerkrankung aus dem rheumatoiden Formenkreis gefunden, sondern radiologisch nur Zeichen der Coxarthrose beidseits sowie einer leichten Arthrose im Ileosakralgelenk links. Aufgrund des Erfolgs der medikamentösen Behandlung komme eine Polymyalgia rheumatica durchaus in Betracht).
Der Beklagte holte hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. ein. Dieser führte am 16. Dezember 2008 aus, nach dem Befundbericht des Dr. R. seien Stützgerüst-Beschwerden seit Jahrzehnten bekannt und würden immer wieder behandelt. Bei früheren Grippeimpfungen mit dem gleichen Impfstoff sei es beim Kläger nie zu unerwünschten Nebenwirkungen gekommen. Der zeitliche Zusammenhang 2006 schließe eine Impfreaktion zwar nicht aus, der weitere Verlauf mit erneutem Krankheitsschub Ende 2007 spreche aber dagegen. Über die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ließen sich keine sicheren medizinischen Aussagen treffen. Folgen der Kortisonbehandlung (Knochenentkalkung) bestünden nicht.
Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2009 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens mit der Begründung ab, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung am 6. (gemeint 7.) November 2006 und der geltend gemachten Gesundheitsstörung "rheumatische Arthritis" sei nicht nachweisbar.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe noch in derselben Nacht nach der Impfung an ungeheuerlichen Lähmungserscheinungen und Unbeweglichkeit mit sehr starken Schmerzen am gesamten Körper gelitten. Die daraufhin durchgeführte Blutuntersuchung habe eine Entzündung ergeben. Dr. Z. habe ihn vollgestopft mit Kortison und ihm dadurch zusätzlich Schaden zugefügt.
In seiner weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. März 2009 führte Dr. G. aus, bezüglich des verwendeten Impfstoffs müsse auf die Angaben des Impfarztes verwiesen werden, die nicht in Zweifel zu ziehen seien. Der Kläger habe die Behandlung bei Dr. Z. im November 2007 abgebrochen, eventuelle Schäden durch die verordnete Kortisontherapie spielten bei der Diskussion der Zusammenhangsfrage keine Rolle. Nach den aktenkundigen Unterlagen seien initial nach der Impfung keine Lähmungen dokumentiert worden, die erste Vorstellung bei Dr. Z. sei erst 6 Wochen später am 20. Dezember 2006 erfolgt. Die durchgeführte Blutuntersuchung habe eine unspezifische Entzündung gezeigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass sich in den Befundunterlagen keine Nachweise über Lähmungen direkt nach der Impfung fänden und eventuelle Schäden durch die verordnete Kortisontherapie für die Zusammenhangsfrage keine Rolle spielten.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorgetragen hat, dass die Vaskulitis unter den Nebenwirkungen von Influsplit genannt werde und es sich bei der Polymyalgia rheumatica um eine zu den Vaskulitiden gehörende Erkrankung handele. Diesen sei gemeinsam, dass sie mit Entzündungen der Blutgefäße einhergingen, deswegen stünden Muskel- und Gelenkschmerzen im Vordergrund.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG eine Auskunft bei dem Hersteller des verwendeten Impfstoffs eingeholt und den Kläger anschließend auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachten lassen.
Die Firma GSK hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2009 den Beipackzettel für Influsplit® SSW 2006/2007 zur Verfügung gestellt und ergänzend ausgeführt, dass die Polymyalgia rheumatika explizit nicht zum Nebenwirkungsspektrum der Impfung gehöre. In sehr seltenen Fällen könne es jedoch mit vorübergehender Beteiligung der Nieren zu einer Vaskulitis kommen.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 3. März und 8. Juni 2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass die Polymyalgia rheumatica zwar als eine zu den Vaskulitiden gehörende Erkrankung anzusehen sei. Nach Aktenlage sei bereits das Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica nicht bewiesen, die Innere Klinik des Karl-Olga-Krankenhauses habe lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt. Auch wenn die Beschwerden auf Kortisonbehandlungen ansprächen, so liege ein beweisender histologischer Befund eben nicht vor. Dies gelte auch für eine Vaskulitis. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sei die Erkrankung anhand klinischer Diagnosekriterien lediglich als wahrscheinlich anzunehmen und im Vollbeweis nur aufgrund eines histologischen Befunds zu erbringen.
Der Kläger hat die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgelegt und die Ansicht vertreten, die Ausführungen des Dr. G. stünden im Widerspruch hierzu. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29. Oktober 2010 zu bedenken gegeben, dass eine Diagnosestellung in den Leitlinien in der kurativen Medizin mit der Zielsetzung einer möglichst frühzeitig eingeleiteten adäquaten Behandlung nicht mit der Diagnoseabsicherung im Sinne eines Vollbeweises einer zu beurteilenden Gesundheitsstörung im Sozialen Entschädigungsrecht gleichzusetzen sei.
PD Dr. Sch., Chefarzt des Sana-Gelenk- und Rheumazentrums B-W, hat in seinem internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 17. August 2011 unter Erhebung der Laborwerte ausgeführt, dass augenblicklich keine wesentliche Entzündungsaktivität bestehe. Für die 2006 diagnostizierte Polymyalgia rheumatica, bei der es sich um eine mit intensiven Muskelschmerzen und Entzündungszeichen im Labor einhergehende chronisch verlaufende Krankheit handele, die einer Langzeitbehandlung mit Kortison bedürfe, sei die Ursache nicht geklärt. Es werde eine immunologische Fehlregulation angenommen. Hinweise darauf, dass die Krankheit durch Impfungen oder andere ärztliche Maßnahmen ausgelöst werden könne, lägen nicht vor. Die beim Kläger gestellte Diagnose sei aufgrund der Beschwerdeschilderung und den mitgeteilten ärztlichen Befunden plausibel. Auch der Verlauf der Kortisontherapie sei vereinbar mit der Krankheit. Nach den Mitteilungen des Paul-Ehrlich-Instituts seit 2001 seien nur 14 Fälle von Polymyalgia rheumatica im zeitlichen Zusammenhang mit einer Grippeimpfung gemeldet worden. Der Erfassung dieser Fälle stünden ca. 9,6 Millionen Grippeimpfungen in der Grippesaison 2007/2008 gegenüber. Auch diese Zahlen sprächen nicht für einen ursächlichen Zusammenhang.
Der Beklagte hat hierzu eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 14. September 2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass ein histologischer Befund im Sinne eines Vollbeweises für eine Vaskulitis im übergeordnetem Sinne weiterhin nicht vorliege. Die nach klinischen und labordiagnostischen Kriterien wahrscheinlich vorliegende Polymyalgia rheumatica werde von dem Gutachter, gestützt durch eine wissenschaftliche Literaturrecherche, nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Grippeimpfung gesehen.
In der daraufhin beantragten erneuten Anhörung hat PD Dr. Sch. am 18. Januar 2012 ergänzend ausgeführt, dass die Diagnose der Polymyalgia rheumatica auch ohne Nachweis von Vaskulitisveränderungen bei dem Kläger plausibel sei, der Verlauf der Krankheit spreche für die Richtigkeit der Diagnose. Dies gelte auch für die Mehrzahl der Patienten, bei denen die Diagnose ohne Nachweis von Vaskulitisveränderungen gestellt werde. Eine Vaskulitis sei bei dem Kläger nicht nachgewiesen worden. Ein Zusammenhang zwischen Grippeimpfung und Polymyalgia rheumatica sei in der wissenschaftlichen Literatur nicht bestätigt.
Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, gerade das Vorliegen einer Vaskulitis, auch im Sinne einer Begleiterkrankung, sei vom Sachverständigen PD Dr. Sch. ausgeschlossen worden. Der Kläger wende dagegen nur statistische Häufigkeiten ein, maßgeblich seien jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls. Es sei auch kein neurologisches Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn die geltend gemachte Erkrankung und die entsprechende Sachkunde entstamme dem internistisch-rheumatologischen Fach- und Formenkreis. Deswegen komme es nicht auf die Leitlinien der Neurologischen Gesellschaft an, sondern es sei entsprechend der geltend gemachten Beeinträchtigung und ihrer Begleitumstände für den rheumatologischen Formenkreis Ermittlungen bzw. auf Antrag des Klägers eine internistisch-rheumatologische Begutachtung zu veranlassen gewesen. Eine weitere Nachfrage beim Sachverständigen über drei Monate nach Überlassung des Gutachtens komme nicht in Betracht. Soweit der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Schädigung eines Nervs durch den Impfvorgang selbst geltend gemacht habe, sei eine Abgrenzung zu Fragen des Arzthaftungsrechts zu bedenken. Überdies stehe sein Vortrag im Widerspruch zu dem gesamten Vorbringen während des Klageverfahrens.
Gegen das am 9. Januar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Februar 2013 (einem Montag) Berufung eingelegt, zu deren Begründung er weiterhin die Auffassung vertritt, durch die gutachterlichen Ausführungen des PD Dr. Sch. sei der medizinische Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Vielmehr hätte noch ein neurologisches Fachgutachten von Amts wegen eingeholt werden müssen. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie würde eine Assoziation zwischen Riesenzellarteriitis (Arteritis cranialis) und Polymyalgia rheumatica hergestellt, eine Assoziation liege in 60 % der Fälle vor. D.h., dass den klinischen Symptomen einer Polymyalgia rheumatica pathologisch das Krankheitsbild einer Riesenzellarteriitis als Unterform der Vaskulitis zugrunde liege. Wenn der Kläger demnach eine nachweisbare Riesenzellarteriitis habe, sei der Vollbeweis eines Impfschadens geführt. Diese Feststellung könne nur ein neurologischer Sachverständiger treffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, eine Polymyalgia rheumatica als Folge der Impfung mit Influsplit festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es bestehe lediglich ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung, nicht jedoch automatisch auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und rheumatischer Erkrankung. Der Nachweis einer Vaskulitis durch histologischen Befund (Gewebeprobe) sei nicht erbracht. Der Kläger stütze sich nur auf allgemeine statistische Häufigkeiten ohne Bezug zu seinem Einzelfall.
Er hat eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 12. Juni 2013 vorgelegt, wonach eine Vaskulitis, die allein nach den Angaben des Impfstoffherstellers durch den Grippeimpfstoff verursacht werden könne, nicht histologisch nachgewiesen sei. Die Vaskulitis sei vom Krankheitsbild auch unspezifisch, während sich eine Polymalgia rheumatica typischer und einheitlicher zeige. Bislang sei man allein aufgrund klinischer Kriterien von der Wahrscheinlichkeit einer Polymalgia rheumatica ausgegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 151, 143, 144 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist statthaft und damit insgesamt zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, der Senat musste den Kläger nicht neurologisch von Amts wegen begutachten lassen, vielmehr liegt das zur Entscheidungsfindung ausreichende Gutachten des PD Dr. Sch. vor der den Kläger umfangreich untersucht, eine ausführliche Anamnese gemacht und sowohl die bereits vorliegenden als auch von ihm selbst erhobenen Laborwerte berücksichtigt hat ... Der neurologischen Sachkunde zur Diagnostik einer Polymyalgia rheumatica oder einer Vaskulitis bedarf es nicht. Beide Erkrankungen gehören nämlich zum internistischen Fachgebiet. Dessen ungeachtet ist nach den vom Kläger vorgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie allein durch die vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführte Diagnostik überhaupt das unklare Krankheitsbild einer Polymyalgia rheumatica festzustellen. Auf eine Arteriitis cranialis - und dahingehend besteht Aufklärungsbedarf aus Sicht des Klägers - besteht im Übrigen bei ihm überhaupt kein Verdacht, er wurde dementsprechend seit 2006 auf eine solche Erkrankung weder richtungsweisend untersucht noch behandelt, obwohl es sich bei dringendem Verdacht auf diese Erkrankung um einen medizinischen Notfall handelt. Typisches Symptom der Erkrankung ist eine einseitige, plötzliche Verschlechterung der Sehschärfe oder des Gesichtsfeldes, die einen sofortigen therapeutischen Handlungsbedarf begründet, die nach Aktenlage aber nie, auch nicht zum Zeitpunkt der stationären Behandlung im Karl-Olga-Krankenhaus, das eine umfassende Untersuchung des Klägers durchführte, bestand. Dass beim Kläger die Diagnose einer Arteriitis cranialis nicht gestellt wurde, ist aus Sicht des Senats auch vor dem Hintergrund erklärbar, dass es nach den Leitlinien für die Diagnostik typischerweise des Auftretens neuartiger oder neu auftretender Kopfschmerzen bedarf, über die der Kläger aber nie berichtet hat, und/oder abnorme Temporalarterien, die durch eine sonografische Untersuchung der Temporalarterie und ihrer Seitenäste zu untersuchen ist, vorliegen müssen. Das entnimmt der Senat den diagnostischen ACR-Kriterien (Bl. 152 SG-Akte). Allein der Umstand, dass bei 40 bis 50 %, also weniger als der Hälfte der Fälle einer Polymyalgia rheumatica eine Koinzidenz, d.h. ein zeitliches, manchmal auch räumliches Zusammentreffen mit einer Arteriitis cranialis auftreten kann, begründet die Erforderlichkeit einer weitergehenden Begutachtung nicht, zumal wenn der Sachverständige bereits den Nachweis von Vaskulitisveränderungen dezidiert ausgeschlossen hat.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R - SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer rheumatischen Arthritis als Folge einer Grippeimpfung 2006 ist § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde oder auf Grund des IfSG angeordnet wurde oder gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer durch diese Maßnahme eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Gemäß § 2 Nr. 11 IfSG ist ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Unter weiterer Berücksichtigung der im Sozialen Entschädigungsrecht und mithin auch im Bereich des IfSG geltenden allgemeinen Grundsätze bedarf es für die von dem Kläger begehrte Feststellung somit der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 12. Januar 2012 - L 6 VJ 147/11 - und Urteil vom 13. Dezember 2012 - L 6 VJ 1702/12):
Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R, terminologisch anders noch die Rechtsprechung des BSG nach dem Bundesseuchengesetz, wonach als Impfschaden die über die übliche Impfreaktion hinausgehende Schädigung, also das zweite Glied der Kausalkette, bezeichnet wurde, so z. B. BSGE 60, 58, 59).
Die Schutzimpfung muss nach der im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausa-litätstheorie von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der Impfkomplikation und diese wesentliche Ursache für die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, den Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.
Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sog. Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus (§ 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSGE 60, 58). Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind.
Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten, auch wenn ein bestimmter Vorgang unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat (BSG SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3).
Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalbeurteilung sind im Sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium (jetzt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]) erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sog. antizipierte Sachverständigengutachten (siehe nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9). Die AHP sind in den Bereichen des Sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm ("normähnlich"). Die AHP enthalten in allen hier zu betrachtenden Fassungen (2005 bis 2008) unter den Nrn. 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt haben. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 2005 sind Ende 2006 allerdings aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden:
"Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Standard der Wissenschaft dar.
Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Absatz 1 der Anhaltspunkte) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von § 60 IfSG durchzuführen. Siehe hierzu auch Nr. 35 - 52 (S. 145 - 169) der Anhaltspunkte."
Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, die indes anders als die AHP keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern enthält, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten, genutzt werden müssen (BSG, Urteil vom 7. April 2011, a. a. O.).
Ausgehend hiervon kann es bereits nach den Arbeitsergebnissen der STIKO als Folge einer Grippeschutzimpfung mit dem Influenza-Impfstoff allein und dies sehr selten zu einer Vaskulitis kommen, eine Polymalgia rheumatica ist hingegen als Impfschaden nicht aufgeführt. Das entnimmt der Senat dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr. 25 (vom 22. Juni 2007, S 219), wonach in Folge einer Vaskulitis Blutungen auftreten können. Die Diagnose einer Vaskulitis wurde beim Kläger aber niemals gestellt, er hat auch - selbst wenn bei ihm das Vollbild der Erkrankung nie aufgetreten ist - nicht über Anzeichen von Einblutungen berichtet, sondern nur über starke Schmerzen im Bewegungsapparat. Das entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. (vgl. dazu im Einzelnen auch unten).
Dessen ungeachtet steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es in Auswertung des Gutachtens von PD Dr. Sch., aber auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Befundberichte von Dr. R. und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. bereits an dem erforderlichen Nachweis einer Polymalgia rheumatica fehlt, diese aber jedenfalls nicht auf die Grippeschutzimpfung vom 7. November 2006 zurückgeführt werden könnte. Das hat das SG ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Darlegungen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Der Kläger hat zwar erstmals in seinem Widerspruchsschreiben über stärkste Schmerzen und "ungeheuerliche" Lähmungserscheinungen berichtet, allerdings weder sofort einen Notarzt geholt, obwohl er bewegungslos vor der Toilette gelegen haben will (so seine Schilderung im Senatstermin), noch am Folgetag einen Arzt aufgesucht. Bei Dr. R. will er dann eine Woche später gewesen sein, dieser hat aber nur Schmerzen in unspezifischer Form beschrieben, die in dieser Form bereits vor der Impfung bestanden. Insofern ist bereits eine erste Impfreaktion fraglich.
Von Dr. Z. wurde zwar 3 Wochen später die Diagnose einer Polymalgia rheumatica gestellt und der Kläger auf diese entzündliche Erkrankung folgerichtig mit Kortison behandelt. Nach dem Therapieauslassversuch des Karl-Olga-Krankenhauses, d. h. nach Absetzen des Kortisons, war indessen laborchemisch eine Autoimmunerkrankung aus dem rheumatoiden Formenkreis nicht nachweisbar. Von dort wurde daher allein in Anbetracht des Ansprechens auf die Kortisontherapie der Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica geäußert, aber eben nur eine Verdachtsdiagnose gestellt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die telefonische Nachfrage der Klinik bei Dr. Z. keinerlei weiterführende Erhärtung der Diagnostik erbrachte. Auch Dr. R. hat daher die Sturzsenkung zu Recht nur als Hinweis auf die rheumatische Erkrankung gewertet. Nichts anderes ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, überarbeitete Fassung 2008, Ziffer 1, wonach die Diagnostik einer Polymalgia rheumatica nicht allein anhand der Anamnese und des klinischen Befundes, sondern zwingend auch durch laborchemische Untersuchungen zu treffen ist. Im Falle des Klägers sprechen somit allein der einmalig erhöhte CRP-Wert, der geäußerte Muskelschmerz und sein Alter für die Erkrankung, da es sich um ein unklares Krankheitsbild überwiegend älterer Menschen handelt. Die Versorgungsärzte Dr. G. und Dr. G. haben deswegen zu Recht die Auffassung vertreten, dass es bereits am Nachweis der geltend gemachten Erkrankung fehlt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten von PD Dr. Sch., der allein aufgrund des klinischen Verlaufs die Diagnose einer rheumatischen Arthritis gestellt hat. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht aber für den Nachweis einer Erkrankung nach Teil C Nr. 2 f der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) nicht aus.
Gleiches gilt für die im gerichtlichen Verfahren behauptete Vaskulitis, für die es noch nicht einmal eine Verdachtsdiagnose gibt. Zwar gehört die rheumatische Arthritis als rheumatische Erkrankung unstreitig zum Formenkreis der Vaskulitiden (so auch Teil B Nr. 18.2.3 der VG). Dass der Kläger an einer Vaskulitis leidet, hat aber der Sachverständige PD Dr. Sch. in Auswertung der Befundunterlagen und aufgrund eigener Untersuchung ausgeschlossen. Wenn nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in 40 bis 50 % der Fälle einer Polymyalgia rheumatica eine Koinzidenz mit einer Arteriitis cranialis besteht, besagt das über den Fall des Klägers aber nichts, bei dem eine Vaskulitis niemals diagnostiziert wurde. Vielmehr besteht nach dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr. 25 (vom 22. Juni 2007, S. 219) eine zu vernachlässigende statistische Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger aufgrund der Grippeschutzimpfung an einer Vaskulitis erkrankt ist, dafür aber nach den o.g. Leitlinien eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass er aufgrund seines Lebensalters zum Risikoprofil der Polymyalgia rheumatica zählt.
Dessen ungeachtet hat PD Dr. Sch. als dafür kompetenter Sachverständiger (beide Erkrankungen gehören zum internistischen Formenkreis) ausgeführt, dass es nach Auswertung der entsprechenden Fachliteratur keinerlei Nachweis dafür gibt, dass durch eine Grippeschutzimpfung die rheumatische Erkrankung ausgelöst werden kann. Vielmehr wird eine immunologische Fehlregulation angenommen, deren Ursache nicht geklärt ist. Dagegen, dass die Grippeschutzimpfung Ursache der gesundheitlichen Beschwerden des Klägers ist, spricht im Übrigen auch aus Sicht des Senats, dass die vom Kläger geäußerten Beschwerden unspezifisch waren und sich auch vor dem Hintergrund der multiplen degenerativen Gelenk/Wirbelsäulenveränderungen erklären lassen, zumal sie vor und nach der Impfung bestanden und sich somit zeitlich zufällig nach dem Impfereignis geäußert haben. Das entnimmt der Senat den Angaben des Impfarztes Dr. R ...
Diese Auffassung wird im Übrigen auch durch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Arteriitis cranialis bestätigt, worin zur Pathogenese ausgeführt wird, dass es sich um ein T-Zell-abhängiges (Auto-)Immungeschehen bei genetischer Prädisposition, möglicherweise infektausgelöst durch Viren und Borrelien, handelt. Ein Zusammenhang mit einer Impfung wird darin nicht ansatzweise behauptet, so dass auch diese Leitlinie nicht das klägerische Begehren stützt.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die (fragliche) rheumatische Arthritis des Klägers Folge einer Grippeschutzimpfung und deswegen als Impfschaden anzuerkennen ist.
Der 1937 geborene Kläger wurde am 7. November 2006 mit dem Impfstoff Influsplit® SSW 2006/2007 geimpft. Circa drei Wochen nach der Impfung kam es zu verstärkten, diffusen Schmerzsyndromen. Die Kontrolle der Blutwerte ergab bis auf eine stark beschleunigte Senkungsreaktion keinen Beweis für eine entzündliche rheumatische Erkrankung. Die daraufhin eingeleitete Behandlung mit Kortison war mit klinischer Besserung und Normalisierung der Blutwerte zunächst erfolgreich. Ende 2007 trat ein Rezidiv auf, das stationär im Karl-Olga-Krankenhaus behandelt wurde, ohne dass ein richtungsführender Befund erhoben werden konnte, so dass lediglich der Verdacht auf eine Polymyalgie rheumatica geäußert wurde (Entlassungsbericht des Karl-Olga-Krankenhauses vom 25. Januar 2008). Seitdem erhält der Kläger als Erhaltungsdosis 7,5 mg Kortison bei relativer Beschwerdefreiheit.
Nach der Herstellerinformation sind bekannte Nebenwirkungen - neben nach ein bis zwei Tagen abklingenden Reaktionen an der Injektionsstelle und Allgemeinreaktionen - selten Neuralgie, Parästhesie, Krämpfe oder vorübergehende Throm¬bozytopenie sowie sehr selten Vaskulitis mit vorübergehender Beteiligung der Nieren oder neurologische Störungen wie z.B. Enzephalomyelitis, Neuritis und Guillain-Barré-Syndrom.
Am 11. November 2008 beantragte der Kläger mit der Begründung, seine rheumatische Arthritis beruhe auf der durchgeführten Grippeschutzimpfung, die Gewährung von Versorgung wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein. Der Allgemeinmediziner Dr. R., bei dem sich der Kläger seit mehr als 20 Jahren in hausärztlicher Behandlung befindet, berichtete, dass der Kläger vor und nach der Impfung über Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden geklagt habe. Die Polymyalgia rheumatica sei erstmalig im Dezember 2006 durch den Rheumatologen Dr. Z. diagnostiziert worden, nachdem sich am 27. November 2006 im Labor als erster Hinweis eine Sturzsenkung gezeigt habe. Die Beschwerden hätten sich im Verlauf der rheumatologischen Therapie mit Steroiden und Antirheumatika gebessert, wenngleich die Steroidtherapie 2007 wegen eines erneuten Schubs hätte unterbrochen werden müssen. Er erachte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Grippeimpfung und der Polymyalgia rheumatica für nicht herstellbar, da der Kläger alle vorangegangenen Grippeschutzimpfungen gut vertragen habe. Der Rheumatologe Dr. Z. berichtete, dass der Kläger an einer Polymyalgia rheumatica sowie einer Spondylose nach Durchführung einer Bandscheibenoperation leide. Die bisherige erhebliche Erhöhung der Blutsenkung habe sich nach der Therapie mit Lantarel deutlich gebessert. Beigefügt war der Entlassungsbericht des Karl-Olga-Krankenhauses, wo der Kläger vom 11. bis 20. Dezember 2007 stationär wegen Verdachts auf Polymyalgia rheumatica behandelt wurde (laborchemisch hätten sich keine Hinweise auf eine Autoimmunerkrankung aus dem rheumatoiden Formenkreis gefunden, sondern radiologisch nur Zeichen der Coxarthrose beidseits sowie einer leichten Arthrose im Ileosakralgelenk links. Aufgrund des Erfolgs der medikamentösen Behandlung komme eine Polymyalgia rheumatica durchaus in Betracht).
Der Beklagte holte hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. ein. Dieser führte am 16. Dezember 2008 aus, nach dem Befundbericht des Dr. R. seien Stützgerüst-Beschwerden seit Jahrzehnten bekannt und würden immer wieder behandelt. Bei früheren Grippeimpfungen mit dem gleichen Impfstoff sei es beim Kläger nie zu unerwünschten Nebenwirkungen gekommen. Der zeitliche Zusammenhang 2006 schließe eine Impfreaktion zwar nicht aus, der weitere Verlauf mit erneutem Krankheitsschub Ende 2007 spreche aber dagegen. Über die Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ließen sich keine sicheren medizinischen Aussagen treffen. Folgen der Kortisonbehandlung (Knochenentkalkung) bestünden nicht.
Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2009 den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens mit der Begründung ab, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Grippeschutzimpfung am 6. (gemeint 7.) November 2006 und der geltend gemachten Gesundheitsstörung "rheumatische Arthritis" sei nicht nachweisbar.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe noch in derselben Nacht nach der Impfung an ungeheuerlichen Lähmungserscheinungen und Unbeweglichkeit mit sehr starken Schmerzen am gesamten Körper gelitten. Die daraufhin durchgeführte Blutuntersuchung habe eine Entzündung ergeben. Dr. Z. habe ihn vollgestopft mit Kortison und ihm dadurch zusätzlich Schaden zugefügt.
In seiner weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13. März 2009 führte Dr. G. aus, bezüglich des verwendeten Impfstoffs müsse auf die Angaben des Impfarztes verwiesen werden, die nicht in Zweifel zu ziehen seien. Der Kläger habe die Behandlung bei Dr. Z. im November 2007 abgebrochen, eventuelle Schäden durch die verordnete Kortisontherapie spielten bei der Diskussion der Zusammenhangsfrage keine Rolle. Nach den aktenkundigen Unterlagen seien initial nach der Impfung keine Lähmungen dokumentiert worden, die erste Vorstellung bei Dr. Z. sei erst 6 Wochen später am 20. Dezember 2006 erfolgt. Die durchgeführte Blutuntersuchung habe eine unspezifische Entzündung gezeigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass sich in den Befundunterlagen keine Nachweise über Lähmungen direkt nach der Impfung fänden und eventuelle Schäden durch die verordnete Kortisontherapie für die Zusammenhangsfrage keine Rolle spielten.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorgetragen hat, dass die Vaskulitis unter den Nebenwirkungen von Influsplit genannt werde und es sich bei der Polymyalgia rheumatica um eine zu den Vaskulitiden gehörende Erkrankung handele. Diesen sei gemeinsam, dass sie mit Entzündungen der Blutgefäße einhergingen, deswegen stünden Muskel- und Gelenkschmerzen im Vordergrund.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG eine Auskunft bei dem Hersteller des verwendeten Impfstoffs eingeholt und den Kläger anschließend auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachten lassen.
Die Firma GSK hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2009 den Beipackzettel für Influsplit® SSW 2006/2007 zur Verfügung gestellt und ergänzend ausgeführt, dass die Polymyalgia rheumatika explizit nicht zum Nebenwirkungsspektrum der Impfung gehöre. In sehr seltenen Fällen könne es jedoch mit vorübergehender Beteiligung der Nieren zu einer Vaskulitis kommen.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 3. März und 8. Juni 2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass die Polymyalgia rheumatica zwar als eine zu den Vaskulitiden gehörende Erkrankung anzusehen sei. Nach Aktenlage sei bereits das Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica nicht bewiesen, die Innere Klinik des Karl-Olga-Krankenhauses habe lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt. Auch wenn die Beschwerden auf Kortisonbehandlungen ansprächen, so liege ein beweisender histologischer Befund eben nicht vor. Dies gelte auch für eine Vaskulitis. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sei die Erkrankung anhand klinischer Diagnosekriterien lediglich als wahrscheinlich anzunehmen und im Vollbeweis nur aufgrund eines histologischen Befunds zu erbringen.
Der Kläger hat die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vorgelegt und die Ansicht vertreten, die Ausführungen des Dr. G. stünden im Widerspruch hierzu. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29. Oktober 2010 zu bedenken gegeben, dass eine Diagnosestellung in den Leitlinien in der kurativen Medizin mit der Zielsetzung einer möglichst frühzeitig eingeleiteten adäquaten Behandlung nicht mit der Diagnoseabsicherung im Sinne eines Vollbeweises einer zu beurteilenden Gesundheitsstörung im Sozialen Entschädigungsrecht gleichzusetzen sei.
PD Dr. Sch., Chefarzt des Sana-Gelenk- und Rheumazentrums B-W, hat in seinem internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 17. August 2011 unter Erhebung der Laborwerte ausgeführt, dass augenblicklich keine wesentliche Entzündungsaktivität bestehe. Für die 2006 diagnostizierte Polymyalgia rheumatica, bei der es sich um eine mit intensiven Muskelschmerzen und Entzündungszeichen im Labor einhergehende chronisch verlaufende Krankheit handele, die einer Langzeitbehandlung mit Kortison bedürfe, sei die Ursache nicht geklärt. Es werde eine immunologische Fehlregulation angenommen. Hinweise darauf, dass die Krankheit durch Impfungen oder andere ärztliche Maßnahmen ausgelöst werden könne, lägen nicht vor. Die beim Kläger gestellte Diagnose sei aufgrund der Beschwerdeschilderung und den mitgeteilten ärztlichen Befunden plausibel. Auch der Verlauf der Kortisontherapie sei vereinbar mit der Krankheit. Nach den Mitteilungen des Paul-Ehrlich-Instituts seit 2001 seien nur 14 Fälle von Polymyalgia rheumatica im zeitlichen Zusammenhang mit einer Grippeimpfung gemeldet worden. Der Erfassung dieser Fälle stünden ca. 9,6 Millionen Grippeimpfungen in der Grippesaison 2007/2008 gegenüber. Auch diese Zahlen sprächen nicht für einen ursächlichen Zusammenhang.
Der Beklagte hat hierzu eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 14. September 2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass ein histologischer Befund im Sinne eines Vollbeweises für eine Vaskulitis im übergeordnetem Sinne weiterhin nicht vorliege. Die nach klinischen und labordiagnostischen Kriterien wahrscheinlich vorliegende Polymyalgia rheumatica werde von dem Gutachter, gestützt durch eine wissenschaftliche Literaturrecherche, nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Grippeimpfung gesehen.
In der daraufhin beantragten erneuten Anhörung hat PD Dr. Sch. am 18. Januar 2012 ergänzend ausgeführt, dass die Diagnose der Polymyalgia rheumatica auch ohne Nachweis von Vaskulitisveränderungen bei dem Kläger plausibel sei, der Verlauf der Krankheit spreche für die Richtigkeit der Diagnose. Dies gelte auch für die Mehrzahl der Patienten, bei denen die Diagnose ohne Nachweis von Vaskulitisveränderungen gestellt werde. Eine Vaskulitis sei bei dem Kläger nicht nachgewiesen worden. Ein Zusammenhang zwischen Grippeimpfung und Polymyalgia rheumatica sei in der wissenschaftlichen Literatur nicht bestätigt.
Mit Urteil vom 22. November 2012 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, gerade das Vorliegen einer Vaskulitis, auch im Sinne einer Begleiterkrankung, sei vom Sachverständigen PD Dr. Sch. ausgeschlossen worden. Der Kläger wende dagegen nur statistische Häufigkeiten ein, maßgeblich seien jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls. Es sei auch kein neurologisches Gutachten von Amts wegen einzuholen. Denn die geltend gemachte Erkrankung und die entsprechende Sachkunde entstamme dem internistisch-rheumatologischen Fach- und Formenkreis. Deswegen komme es nicht auf die Leitlinien der Neurologischen Gesellschaft an, sondern es sei entsprechend der geltend gemachten Beeinträchtigung und ihrer Begleitumstände für den rheumatologischen Formenkreis Ermittlungen bzw. auf Antrag des Klägers eine internistisch-rheumatologische Begutachtung zu veranlassen gewesen. Eine weitere Nachfrage beim Sachverständigen über drei Monate nach Überlassung des Gutachtens komme nicht in Betracht. Soweit der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Schädigung eines Nervs durch den Impfvorgang selbst geltend gemacht habe, sei eine Abgrenzung zu Fragen des Arzthaftungsrechts zu bedenken. Überdies stehe sein Vortrag im Widerspruch zu dem gesamten Vorbringen während des Klageverfahrens.
Gegen das am 9. Januar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Februar 2013 (einem Montag) Berufung eingelegt, zu deren Begründung er weiterhin die Auffassung vertritt, durch die gutachterlichen Ausführungen des PD Dr. Sch. sei der medizinische Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Vielmehr hätte noch ein neurologisches Fachgutachten von Amts wegen eingeholt werden müssen. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie würde eine Assoziation zwischen Riesenzellarteriitis (Arteritis cranialis) und Polymyalgia rheumatica hergestellt, eine Assoziation liege in 60 % der Fälle vor. D.h., dass den klinischen Symptomen einer Polymyalgia rheumatica pathologisch das Krankheitsbild einer Riesenzellarteriitis als Unterform der Vaskulitis zugrunde liege. Wenn der Kläger demnach eine nachweisbare Riesenzellarteriitis habe, sei der Vollbeweis eines Impfschadens geführt. Diese Feststellung könne nur ein neurologischer Sachverständiger treffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. November 2012 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, eine Polymyalgia rheumatica als Folge der Impfung mit Influsplit festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es bestehe lediglich ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung, nicht jedoch automatisch auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und rheumatischer Erkrankung. Der Nachweis einer Vaskulitis durch histologischen Befund (Gewebeprobe) sei nicht erbracht. Der Kläger stütze sich nur auf allgemeine statistische Häufigkeiten ohne Bezug zu seinem Einzelfall.
Er hat eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 12. Juni 2013 vorgelegt, wonach eine Vaskulitis, die allein nach den Angaben des Impfstoffherstellers durch den Grippeimpfstoff verursacht werden könne, nicht histologisch nachgewiesen sei. Die Vaskulitis sei vom Krankheitsbild auch unspezifisch, während sich eine Polymalgia rheumatica typischer und einheitlicher zeige. Bislang sei man allein aufgrund klinischer Kriterien von der Wahrscheinlichkeit einer Polymalgia rheumatica ausgegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 151, 143, 144 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist statthaft und damit insgesamt zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, der Senat musste den Kläger nicht neurologisch von Amts wegen begutachten lassen, vielmehr liegt das zur Entscheidungsfindung ausreichende Gutachten des PD Dr. Sch. vor der den Kläger umfangreich untersucht, eine ausführliche Anamnese gemacht und sowohl die bereits vorliegenden als auch von ihm selbst erhobenen Laborwerte berücksichtigt hat ... Der neurologischen Sachkunde zur Diagnostik einer Polymyalgia rheumatica oder einer Vaskulitis bedarf es nicht. Beide Erkrankungen gehören nämlich zum internistischen Fachgebiet. Dessen ungeachtet ist nach den vom Kläger vorgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie allein durch die vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführte Diagnostik überhaupt das unklare Krankheitsbild einer Polymyalgia rheumatica festzustellen. Auf eine Arteriitis cranialis - und dahingehend besteht Aufklärungsbedarf aus Sicht des Klägers - besteht im Übrigen bei ihm überhaupt kein Verdacht, er wurde dementsprechend seit 2006 auf eine solche Erkrankung weder richtungsweisend untersucht noch behandelt, obwohl es sich bei dringendem Verdacht auf diese Erkrankung um einen medizinischen Notfall handelt. Typisches Symptom der Erkrankung ist eine einseitige, plötzliche Verschlechterung der Sehschärfe oder des Gesichtsfeldes, die einen sofortigen therapeutischen Handlungsbedarf begründet, die nach Aktenlage aber nie, auch nicht zum Zeitpunkt der stationären Behandlung im Karl-Olga-Krankenhaus, das eine umfassende Untersuchung des Klägers durchführte, bestand. Dass beim Kläger die Diagnose einer Arteriitis cranialis nicht gestellt wurde, ist aus Sicht des Senats auch vor dem Hintergrund erklärbar, dass es nach den Leitlinien für die Diagnostik typischerweise des Auftretens neuartiger oder neu auftretender Kopfschmerzen bedarf, über die der Kläger aber nie berichtet hat, und/oder abnorme Temporalarterien, die durch eine sonografische Untersuchung der Temporalarterie und ihrer Seitenäste zu untersuchen ist, vorliegen müssen. Das entnimmt der Senat den diagnostischen ACR-Kriterien (Bl. 152 SG-Akte). Allein der Umstand, dass bei 40 bis 50 %, also weniger als der Hälfte der Fälle einer Polymyalgia rheumatica eine Koinzidenz, d.h. ein zeitliches, manchmal auch räumliches Zusammentreffen mit einer Arteriitis cranialis auftreten kann, begründet die Erforderlichkeit einer weitergehenden Begutachtung nicht, zumal wenn der Sachverständige bereits den Nachweis von Vaskulitisveränderungen dezidiert ausgeschlossen hat.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a VS 5/06 R - SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer rheumatischen Arthritis als Folge einer Grippeimpfung 2006 ist § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde oder auf Grund des IfSG angeordnet wurde oder gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer durch diese Maßnahme eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Gemäß § 2 Nr. 11 IfSG ist ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung.
Unter weiterer Berücksichtigung der im Sozialen Entschädigungsrecht und mithin auch im Bereich des IfSG geltenden allgemeinen Grundsätze bedarf es für die von dem Kläger begehrte Feststellung somit der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 12. Januar 2012 - L 6 VJ 147/11 - und Urteil vom 13. Dezember 2012 - L 6 VJ 1702/12):
Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R, terminologisch anders noch die Rechtsprechung des BSG nach dem Bundesseuchengesetz, wonach als Impfschaden die über die übliche Impfreaktion hinausgehende Schädigung, also das zweite Glied der Kausalkette, bezeichnet wurde, so z. B. BSGE 60, 58, 59).
Die Schutzimpfung muss nach der im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausa-litätstheorie von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der Impfkomplikation und diese wesentliche Ursache für die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, den Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.
Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sog. Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus (§ 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSGE 60, 58). Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind.
Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten, auch wenn ein bestimmter Vorgang unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat (BSG SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3).
Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalbeurteilung sind im Sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium (jetzt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]) erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sog. antizipierte Sachverständigengutachten (siehe nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 9). Die AHP sind in den Bereichen des Sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm ("normähnlich"). Die AHP enthalten in allen hier zu betrachtenden Fassungen (2005 bis 2008) unter den Nrn. 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt haben. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 2005 sind Ende 2006 allerdings aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden:
"Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Standard der Wissenschaft dar.
Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Absatz 1 der Anhaltspunkte) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von § 60 IfSG durchzuführen. Siehe hierzu auch Nr. 35 - 52 (S. 145 - 169) der Anhaltspunkte."
Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, die indes anders als die AHP keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern enthält, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten, genutzt werden müssen (BSG, Urteil vom 7. April 2011, a. a. O.).
Ausgehend hiervon kann es bereits nach den Arbeitsergebnissen der STIKO als Folge einer Grippeschutzimpfung mit dem Influenza-Impfstoff allein und dies sehr selten zu einer Vaskulitis kommen, eine Polymalgia rheumatica ist hingegen als Impfschaden nicht aufgeführt. Das entnimmt der Senat dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr. 25 (vom 22. Juni 2007, S 219), wonach in Folge einer Vaskulitis Blutungen auftreten können. Die Diagnose einer Vaskulitis wurde beim Kläger aber niemals gestellt, er hat auch - selbst wenn bei ihm das Vollbild der Erkrankung nie aufgetreten ist - nicht über Anzeichen von Einblutungen berichtet, sondern nur über starke Schmerzen im Bewegungsapparat. Das entnimmt der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R. (vgl. dazu im Einzelnen auch unten).
Dessen ungeachtet steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es in Auswertung des Gutachtens von PD Dr. Sch., aber auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Befundberichte von Dr. R. und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. bereits an dem erforderlichen Nachweis einer Polymalgia rheumatica fehlt, diese aber jedenfalls nicht auf die Grippeschutzimpfung vom 7. November 2006 zurückgeführt werden könnte. Das hat das SG ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Darlegungen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Der Kläger hat zwar erstmals in seinem Widerspruchsschreiben über stärkste Schmerzen und "ungeheuerliche" Lähmungserscheinungen berichtet, allerdings weder sofort einen Notarzt geholt, obwohl er bewegungslos vor der Toilette gelegen haben will (so seine Schilderung im Senatstermin), noch am Folgetag einen Arzt aufgesucht. Bei Dr. R. will er dann eine Woche später gewesen sein, dieser hat aber nur Schmerzen in unspezifischer Form beschrieben, die in dieser Form bereits vor der Impfung bestanden. Insofern ist bereits eine erste Impfreaktion fraglich.
Von Dr. Z. wurde zwar 3 Wochen später die Diagnose einer Polymalgia rheumatica gestellt und der Kläger auf diese entzündliche Erkrankung folgerichtig mit Kortison behandelt. Nach dem Therapieauslassversuch des Karl-Olga-Krankenhauses, d. h. nach Absetzen des Kortisons, war indessen laborchemisch eine Autoimmunerkrankung aus dem rheumatoiden Formenkreis nicht nachweisbar. Von dort wurde daher allein in Anbetracht des Ansprechens auf die Kortisontherapie der Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica geäußert, aber eben nur eine Verdachtsdiagnose gestellt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die telefonische Nachfrage der Klinik bei Dr. Z. keinerlei weiterführende Erhärtung der Diagnostik erbrachte. Auch Dr. R. hat daher die Sturzsenkung zu Recht nur als Hinweis auf die rheumatische Erkrankung gewertet. Nichts anderes ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, überarbeitete Fassung 2008, Ziffer 1, wonach die Diagnostik einer Polymalgia rheumatica nicht allein anhand der Anamnese und des klinischen Befundes, sondern zwingend auch durch laborchemische Untersuchungen zu treffen ist. Im Falle des Klägers sprechen somit allein der einmalig erhöhte CRP-Wert, der geäußerte Muskelschmerz und sein Alter für die Erkrankung, da es sich um ein unklares Krankheitsbild überwiegend älterer Menschen handelt. Die Versorgungsärzte Dr. G. und Dr. G. haben deswegen zu Recht die Auffassung vertreten, dass es bereits am Nachweis der geltend gemachten Erkrankung fehlt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten von PD Dr. Sch., der allein aufgrund des klinischen Verlaufs die Diagnose einer rheumatischen Arthritis gestellt hat. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht aber für den Nachweis einer Erkrankung nach Teil C Nr. 2 f der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) nicht aus.
Gleiches gilt für die im gerichtlichen Verfahren behauptete Vaskulitis, für die es noch nicht einmal eine Verdachtsdiagnose gibt. Zwar gehört die rheumatische Arthritis als rheumatische Erkrankung unstreitig zum Formenkreis der Vaskulitiden (so auch Teil B Nr. 18.2.3 der VG). Dass der Kläger an einer Vaskulitis leidet, hat aber der Sachverständige PD Dr. Sch. in Auswertung der Befundunterlagen und aufgrund eigener Untersuchung ausgeschlossen. Wenn nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in 40 bis 50 % der Fälle einer Polymyalgia rheumatica eine Koinzidenz mit einer Arteriitis cranialis besteht, besagt das über den Fall des Klägers aber nichts, bei dem eine Vaskulitis niemals diagnostiziert wurde. Vielmehr besteht nach dem Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts Nr. 25 (vom 22. Juni 2007, S. 219) eine zu vernachlässigende statistische Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger aufgrund der Grippeschutzimpfung an einer Vaskulitis erkrankt ist, dafür aber nach den o.g. Leitlinien eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass er aufgrund seines Lebensalters zum Risikoprofil der Polymyalgia rheumatica zählt.
Dessen ungeachtet hat PD Dr. Sch. als dafür kompetenter Sachverständiger (beide Erkrankungen gehören zum internistischen Formenkreis) ausgeführt, dass es nach Auswertung der entsprechenden Fachliteratur keinerlei Nachweis dafür gibt, dass durch eine Grippeschutzimpfung die rheumatische Erkrankung ausgelöst werden kann. Vielmehr wird eine immunologische Fehlregulation angenommen, deren Ursache nicht geklärt ist. Dagegen, dass die Grippeschutzimpfung Ursache der gesundheitlichen Beschwerden des Klägers ist, spricht im Übrigen auch aus Sicht des Senats, dass die vom Kläger geäußerten Beschwerden unspezifisch waren und sich auch vor dem Hintergrund der multiplen degenerativen Gelenk/Wirbelsäulenveränderungen erklären lassen, zumal sie vor und nach der Impfung bestanden und sich somit zeitlich zufällig nach dem Impfereignis geäußert haben. Das entnimmt der Senat den Angaben des Impfarztes Dr. R ...
Diese Auffassung wird im Übrigen auch durch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Arteriitis cranialis bestätigt, worin zur Pathogenese ausgeführt wird, dass es sich um ein T-Zell-abhängiges (Auto-)Immungeschehen bei genetischer Prädisposition, möglicherweise infektausgelöst durch Viren und Borrelien, handelt. Ein Zusammenhang mit einer Impfung wird darin nicht ansatzweise behauptet, so dass auch diese Leitlinie nicht das klägerische Begehren stützt.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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