L 5 KR 3042/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 1712/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3042/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.05.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen Beitragsbescheide der Beklagten vom 31.10.2003 und vom 07.01.2004, mit denen er zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegekasse für den G. in Höhe von insgesamt 2.095,76 EUR herangezogen worden ist.

Der im Jahr 1952 geborene Kläger übernahm 1984 den elterlichen Gärtnereibetrieb. Ab dem 01.08.1984 wurde er von den Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zur Beitragspflicht herangezogen (Mitteilung über die Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis der Krankenkasse vom 05.07.1984). Er bestritt seine Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und führte zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Versicherungsträger bis hin zum Bundessozialgericht, in denen er vor allem geltend machte, sein Betrieb unterfalle nicht dem Landwirtschaftsbegriff. Zuletzt stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.08.1993 fest, dass der Kläger weiterhin der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) unterliege, in das Mitgliedsverzeichnis der Krankenkasse (wieder) eingetragen und zur Beitragszahlung herangezogen werde. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und Klage. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 17 Kr 2764/94, später geändert in S 4 Kr 2764/94) schlossen die Beteiligten am 21.11.1996 einen verfahrensbeendenden Vergleich, wonach die Beklagte den Kläger erst ab August 1993 zur Beitragszahlung heranzog und der Kläger seine Klage zurücknahm.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 31.10.2003 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) Beitragsrückstände zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2003 in Höhe von 1.579,32 EUR (Beiträge: 1.526,82 EUR und Säumniszuschläge: 52,50 EUR) mit. Dagegen erhob der Kläger mit Telefax vom 22.12.2003 Widerspruch. Er trug vor, der Bescheid sei verfassungswidrig. Dies folge daraus, dass die zu Grunde liegende Zwangsmitgliedschaft verfassungswidrig und damit nichtig sei. Sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen die Freiheit der Berufswahl bzw. Berufsausübung sowie gegen die Allgemeine Handlungsfreiheit. Weiterhin verletze "das Gesetz" auch Art. 19 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Gesetze müssten allgemein sein. Tatsächlich betrage der Anteil der in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung Versicherten nur 0,1 % der deutschen Gesamtbevölkerung.

Mit Bescheid vom 07.01.2004 (ebenfalls ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Beitragskonto weise für die Zeit vom 01.10. bis 30.11.2003 einen Rückstand von 516,44 EUR (Beiträge: 508,94 EUR und Säumniszuschläge: 7,50 EUR) aus. Der Kläger erhob dagegen am 13.01.2004 Widerspruch und wiederholte sein Vorbringen aus dem Widerspruch vom 22.12.2003.

Am 03.03.2004 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. In dem Widerspruchsbescheid führte sie aus, es sei rechtskräftig festgestellt worden, dass der Kläger der Versicherungspflicht in der Krankenkasse für den G. unterliege. Dies ziehe die Versicherungspflicht in der Pflegekasse für den G. nach sich. Auf Grund dieser Mitgliedschaften seien Beitragsschulden aufgelaufen, die nebst Säumniszuschlägen mit den Bescheiden vom 31.10.2003 und 07.01.2004 geltend gemacht worden seien. An der Beitragspflicht bestünden keine Zweifel. Solche würden insbesondere nicht auf Grund der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken geweckt. Wären diese Argumente durchgreifend, dann hätten sie bereits bei der gerichtlichen Feststellung der Versicherungspflicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden müssen.

Der Kläger erhob am 15.03.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Er wiederholte seine Ausführungen aus den Widerspruchsbegründungen. Ergänzend führte er unter Hinweis auf ein Urteil des BVerfG vom 09.12.2003 aus, die dort als Rechtfertigung für die Versicherungspflicht genannte "gute Rendite" der landwirtschaftlichen Sozialversicherung beruhe lediglich auf Zuschüssen durch staatliche Mittel, also durch Steuergelder. Desweiteren machte er geltend, er betreibe eine Gärtnerei, deren Schwerpunkt nicht Bodenbewirtschaftung, sondern Dienstleistungen und der Verkauf angekaufter Blumen und anderer Gewächse sei. Auf der eigenen Bodenfläche werde weniger als ein Drittel der verkauften Pflanzen selbst gezogen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens trug er noch vor, er habe seine Betriebsflächen mit notariellem Kaufvertrag vom 02.02.2001 verkauft. Ab diesem Verkauf habe er die Bodenbewirtschaftung erheblich reduziert.

Daraufhin führte die Beklagte am 26.09.2005 eine Betriebsbesichtigung beim Kläger durch, die ergab, dass eine gärtnerische Produktion zumindest an diesem Tag nicht mehr stattgefunden habe. Die Beklagte ging aufgrund des Erscheinungsbildes zugunsten des Klägers davon aus, dass nach dem 31.12.2004 keine versicherungspflichtige gärtnerische Produktion mehr stattgefunden habe. Mit Bescheid vom 22.05.2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seine Unternehmertätigkeit aufgegeben habe, so dass die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach dem KVLG 1989 sowie nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI nicht mehr vorliegen würden und der Kläger damit ab dem 01.01.2005 aus der Krankenkasse und Pflegekasse für den G. ausgeschieden sei. Sie teilte dem Kläger in diesem Bescheid auch die bis dahin aufgelaufenen Beitragsrückstände mit. In dem gegen diesen Bescheid geführten Rechtstreit (L 5 KR 3043/10) hat der Senat mit Beschluss vom 17.06.2013 die Berufung des Klägers bereits zurückgewiesen.

Das Sozialgericht wies die Klage gegen die Beitragsbescheide mit Urteil vom 18.05.2010 zurück. Die Beitragsbescheide seien nicht mit Bescheid vom 22.05.2006 aufgehoben worden, obwohl die Beklagte darin den - bis dahin aufgelaufenen - Beitragsrückstand des Klägers aufgeführt habe. Das Sozialgericht verwies hierzu auf die Ausführung im Urteil vom selben Tage im Verfahren S 12 KR 9399/06, welches Gegenstand das Berufungsverfahrens L 5 KR 3043/10 war. Die Bescheide seien nicht zu beanstanden und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei in dem maßgeblichen Zeitraum Pflichtmitglied der Beklagten gewesen. Dies folge daraus, dass seine Pflichtmitgliedschaft für jenen Zeitraum nach wie vor bindend (§ 77 SGG) festgestellt sei. Grundlage hierfür sei der Vergleich des Klägers mit der Beklagten vom 21.11.1996 aus dem Verfahren S 4 KR 2764/94. Die Beklagte habe zwischenzeitlich nicht - auch nicht rückwirkend - festgestellt, dass in dem fraglichen Zeitraum keine Versicherungspflicht vorgelegen hätte. Insbesondere habe sie eine solche Feststellung (verbunden mit einer rückwirkenden Rücknahme oder Aufhebung der bisherigen Feststellungsbescheide nach § 45 Abs. 1 oder § 48 Abs. 1 SGB X) auch nicht in dem Bescheid vom 22.05.2006 getroffen. Zur Begründung hierfür verwies das Sozialgericht ebenfalls auf die Ausführungen in dem Urteil im Parallelverfahren S 12 KR 9399/06. Der Kläger habe auch bislang keinen Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 oder 2 SGB X bei der Beklagten gestellt, um die bestandskräftige Feststellung seiner Versicherungspflicht zu überwinden. Gegen die Höhe der Beiträge in den Bescheiden vom 30.10.2003 und 07.01.2004 sei nichts vorgebracht oder ersichtlich. Dass diese Beitragsforderungen zwischenzeitlich wieder erloschen seien, vor allem durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB), sei ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr weigere sich der Kläger seit langem, diese Beiträge zu bezahlen. Ebenso sei gegen die Höhe der Säumniszuschläge (1 % pro Monat) nichts einzuwenden. Bei einem Monatsbeitrag von EUR 254,47 betrage der monatliche Säumniszuschlag 2,54 EUR. Er addiere sich monatlich, sodass für den Beitrag für April 2003 im Mai schon 5,08 EUR, im Juni schon 7,62 EUR usw. anfielen. So erklärten sich die Säumniszuschläge von EUR 52,50 in dem Bescheid vom 31.10.2003. Auch an der ausreichenden Bestimmtheit der Beitragsfestsetzung (§ 33 Abs. 1 SGB X) sei nicht zu zweifeln. Insbesondere sei eine getrennte Ausweisung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht zwingend notwendig. Kranken- und Pflegekassen dürften ihre Beitragsforderungen gegenüber Mitgliedern, die ihre Beiträge - wie der Kläger - selbst zahlen würden, in einem gemeinsamen Bescheid festsetzen (§ 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI). Auch inhaltlich sei es nicht notwendig gewesen, die Beiträge getrennt aufzuführen. Der Beitrag zur landwirtschaftlichen Pflegeversicherung sei fest an den Krankenversicherungsbeitrag gekoppelt, er betrage einen prozentualen Zuschlag, den das Bundesministerium für Gesundheit alljährlich feststelle (§ 57 Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB XI). Die "Bekanntmachung des für die Pflegeversicherung nach § 57 Absatz 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu erhebenden Zuschlags sowie des in Verbindung mit § 55 Absatz 3 SGB XI zu erhebenden erhöhten Zuschlags für Kinderlose zum Krankenversicherungsbeitrag" werde jährlich unter anderem auf der Homepage des Bundesministeriums, im Bundesanzeiger (BAnz) und im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMB1) veröffentlicht und sei daher allgemein zugänglich. An Hand dieser Angaben könne ein Versicherter auch aus einer zusammengefassten Festsetzung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen ermitteln, wie hoch die einzelnen Beiträge seien.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 01.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.06.2010 Berufung eingelegt, die er zunächst nicht begründet hat.

Mit Verfügung vom 09.02.2011 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Verfahrensweise sei auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11.02.2011 hat der Kläger sodann seine Berufung unter Wiederholung der Ausführungen in früheren Verfahren begründen lassen. Das Sozialgericht habe den Zeitpunkt der Beendigung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verkannt. Dieser habe schon vor dem 01.01.2005 gelegen. Das Sozialgericht habe die Änderung der gesetzlichen Regelungen zur Versicherungspflicht ab 1994 nicht gewürdigt.

Der Kläger beantragt nach sachdienlicher Auslegung,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.05.2010 und die Bescheide der Beklagten vom 31.10.2003 und vom 07.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Mit Verfügung vom 15.03.2013 hat die Berichterstatterin erneut darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Verfahrensweise sei auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts und der Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage gegen die Beitragsbescheide vom 31.10.2003 und vom 07.01.2004 zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum vom 01.04.2003 bis zum 30.11.2003, für den in den Bescheiden rückständige Beiträge angefordert wurden, versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und damit auch zur Beitragsentrichtung verpflichtet. Soweit der Kläger nach wie vor seine Versicherungspflicht bei der Beklagten seit der Übernahme des elterlichen Betriebes im Jahr 1984 bestreitet, ist er in keinem der zahlreichen von ihm geführten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erfolgreich gewesen. Er muss bis zur Beendigung seiner Mitgliedschaft durch die Beklagte zum 31.12.2004 vielmehr die bestandskräftig festgestellte Versicherungspflicht gegen sich gelten lassen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom selben Tag im Verfahren L 5 KR 3043/10 und auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 18.05.2010 Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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