Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AS 5171/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 573/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Dem Kläger werden Kosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger, der ARGE Jobcenter Stuttgart (im Folgenden ARGE) zur Stellung eines vorzeitigen Antrages auf Altersrente aufgefordert werden kann und ob der Beklagte bzw. die ARGE zur Rentenantragstellung für den Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg berechtigt war.
Der am 1948 geborene Kläger steht seit August 2008 (Antrag am 25. Juli 2008 mit Wirkung zum 29. August 2008 nach Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruches) im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Einen Antrag/eine Erklärung auf Leistungsbezug unter erleichterten Bedingungen für über 58-jährige gem. § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. § 65 Abs. 4 SGB II hat der Kläger nach mündlicher und schriftlicher Belehrung durch die ARGE nicht gestellt bzw. abgegeben (Bl. 5/6 und 9 Verwaltungsakte -VA-; ebenso bereits im Mai 2006 nach Vollendung des 58. Lebensjahres während Arbeitslosengeldbezuges - s.Vermerk der Arbeitsagentur vom 22. Mai 2006, Bl. 9/1 VA). Er erzielt Einkommen mit einer geringfügigen Beschäftigung durch den Verkauf von Zeitungen beim Trott-war e.V. Hierbei erzielte er in den Monaten Januar 2011 bis Mai 2011 durchschnittlich 170,00 EUR. In den Folgemonaten Juni, Juli und August 2011 erzielte er deutlich weniger, nämlich 102,00, 110,00 EUR und 120,00 EUR (Bl. 121, 124, 133 und 136 VA).
Mit Bescheid vom 29. Juni 2011 forderte die ARGE den Kläger auf, einen Antrag auf Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen (Bl. 123 VA).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass er nicht mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Altersrente gehe. Seine Regelaltersrente beginne am 5. Juli 2013 mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 wies die ARGE den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 12a SGB II Leistungsberechtigte verpflichtet seien, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei daher rechtmäßig. Sofern der Kläger sich weigere, einen Rentenantrag zu stellen, könne die ARGE gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den entsprechenden Antrag beim zuständigen Leistungsträger stellen. Diesen Antrag stellte die ARGE bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg mit Schreiben vom 30. August 2011.
Dagegen hat der Kläger am 5. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, regulär und ohne Abschläge am 5. Juli 2013 in Altersrente gehen zu wollen. Er sei bemüht, eine Nebentätigkeit auf 400,00-EUR-Basis zu bekommen. Mit seiner Klage hat er zum einen die Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 begehrt sowie die Feststellung, dass die ARGE nicht berechtigt gewesen sei, einen Rentenantrag für den Kläger bei der DRV Baden-Württemberg zu stellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 31. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass sowohl die Aufforderung des Klägers mit Bescheid vom 29. Juni 2011 zur Stellung eines Rentenantrages als auch der von der ARGE sodann anstelle des Klägers gestellte Rentenantrag rechtmäßig seien. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II seien Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Abweichend hiervon seien Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGBII). Der Kläger habe am 6. Mai 2011 das 63. Lebensjahr vollendet. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente könne daher grundsätzlich gefordert werden. Die Aufforderung hierzu stelle einen Verwaltungsakt dar (mit Hinweis auf Geiger in LPK-SGB II 4. Aufl. § 12a Rdnr.7). Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres könne nicht gefordert werden, wenn dies eine unbillige Härte im Sinne der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV) darstelle. Eine unbillige Härte liege insbesondere gemäß § 4 UnbilligkeitsV dann vor, wenn der Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erziele. Dies gelte nur, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nehme. Unbilligkeit läge ebenfalls vor, wenn der Hilfebedürftige durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder anderer ebenso verbindlicher, schriftlicher Zusagen glaubhaft mache, dass er in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werde (§ 5 Abs. 1 UnbilligkeitsV). Der Kläger habe das 63. Lebensjahr vollendet, er übe keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus und verdiene regelmäßig wesentlich weniger als 400,00 EUR. Er habe darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht, eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 UnbilligkeitsV aufzunehmen. Somit würden keine Gründe für eine Unbilligkeit der frühzeitigen Rentenantragstellung vorliegen und sei der Bescheid vom 29. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 daher rechtmäßig. Sofern der Kläger offensichtlich auch die Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehre, dass der Beklagte bzw. die ARGE zur Rentenantragstellung bei der DRV Baden-Württemberg nicht berechtigt gewesen sei, sei die Klage ebenfalls unbegründet. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II könne der Beklagte einen Antrag auf Leistung eines anderen Trägers stellen, wenn der Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf diese Leistungen nicht stelle. Da sich der Kläger weigere, der Aufforderung der ARGE vom 29. Juni 2011 nachzukommen und bei der DRV Baden-Württemberg einen Rentenantrag zu stellen, sei die eigenmächtige Antragstellung durch den Beklagten rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen den ihm mit Empfangsbekenntnis am 1. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 2. Februar 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er letztlich wie schon im Klageverfahren geltend, dass er nicht bereit sei, vorzeitig mit Abschlägen in Altersrente zu gehen. Er habe auch keinen Rentenantrag gestellt und unterschrieben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2012 sowie den Bescheid der ARGE vom 29. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der von der ARGE gestellte Rentenantrag bei der DRV Baden-Württemberg unwirksam ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 2. Mai 2012 wie auch in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 jeweils auch nach Hinweis des Vorsitzenden auf die hier bestehende Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG an seiner Auffassung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Berichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Auf Beklagtenseite ist die Landeshauptstadt Stuttgart - Jobcenter -, eine Einrichtung in kommunaler Trägerschaft, gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Rechtsnachfolger der ARGE Jobcenter Stuttgart in das Verfahren eingetreten, weshalb der Senat das Passivrubrum von Amts wegen berichtigt hat (vgl. BSG v. 18. Januar 2011 – B 4 AS 90/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid der ARGE vom 29. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 zurückgewiesen ebenso wie die Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Antragstellung durch die ARGE bei der DRV Baden-Württemberg. Es wird hierzu auf die Entscheidungsgründe des SG, im Rahmen dessen auch die hier maßgeblichen gesetzlichen Normen (§§ 5, 12a SGB II) dargestellt wurden, gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen und von weiteren Ausführungen hier abgesehen.
Ergänzend ist noch auszuführen, dass auch die Übergangsregelung nach § 65 Abs. 4 SGB II nicht zu Gunsten des Klägers zur Anwendung kommt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber für ältere Leistungsempfänger, bei denen die Vollendung des 58. Lebensjahres und die Entstehung des Leistungsanspruchs vor dem 1. Januar 2008 liegen, Vertrauensschutz geschaffen (vgl. Berlit in LPK SGB II, 3. Auflage, § 65 Rdnr. 7). Satz 3 dieser Vorschrift verweist ergänzend auf § 428 SGB III. Bezüglich der in dieser Vorschrift vorgesehenen Möglichkeit der Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung bestimmt § 428 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung nicht für solche Altersrenten ergehen soll, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch genommen werden können. Hierdurch soll deutlich gemacht werden, dass der Versicherte nur aufgefordert werden soll, wenn er eine Altersrente ohne Rentenminderung beziehen kann (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 5. Auflage 2010, § 428 Rdnr. 9). Auf Grund der Verweisung in § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II wird allgemein angenommen, dass auch die Leistungsempfänger nach dem SGB II nur eine ungeminderte Altersrente beantragen müssen, wenn sie die Leistungen unter der entsprechenden Beschränkung ihrer Arbeitsbereitschaft bezogen haben (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 9, Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 65 Rdnr. 29 ff., Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12a Rdnr. 29, Hünecke in Gagel, SGB II und III, § 65 SGB II Rdnr. 30, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2010 - L 19 B 371/09 AS ER - und LSG Sachsen Beschluss vom 3. November 2010 - L 7 AS 677/10 B ER-). Der Kläger hat zwar das 58. Lebensjahr 2006 und damit vor dem 1. Januar 2008 vollendet. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ist jedoch erst zum 29. August 2008 (davor bis 28. August 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld -Bl. 5 VA) entstanden (s. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Auflage, § 65 Rdnr. 20), sodass schon aus diesem Grund die Übergangsregelung keine Anwendung mehr finden kann. Darüber hinaus hat der Kläger allerdings wie bereits im Mai 2006 (unmittelbar nach Vollendung des 58. Lebensjahres) auch erneut im August/September 2008 eine Erklärung nach § 428 SGB III i.V.m. § 65 Abs. 4 SGB II ausdrücklich nicht abgegeben.
Aus diesen Gründen war daher die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist durch den Senatsvorsitzenden im Erörterungstermin vom 2. Mai 2012 und in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 2 BvR 1255/02 zu der vergleichbaren Regelung des § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juni 2004 – L 12 AL 59/03). Maßstab ist damit nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern ein verständiger Beteiligter.
Das Begehren des Klägers ist offensichtlich aussichtslos. Dies ergibt sich aus der - oben dargelegten - Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage.
Bei der Höhe der auferlegten Kosten hat der Senat berücksichtigt, dass die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren entfallen lässt. Durch die in das Ermessen des Gerichts gestellte Möglichkeit, dem missbräuchlich prozessierenden Beteiligten Verschuldenskosten aufzuerlegen wird letztlich dem Schadensersatzprinzip Rechnung getragen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Mai 2009 – L 21 R 898/07). Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Klägers die Auferlegung einer Verschuldensgebühr in Höhe von 225,00 EUR (Mindestgebühr nach § 192 Abs. 2 Satz 3, § 184 Abs. 2 SGG) für ausreichend und angemessen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2011 - L 2 SO 2441/09).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Dem Kläger werden Kosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger, der ARGE Jobcenter Stuttgart (im Folgenden ARGE) zur Stellung eines vorzeitigen Antrages auf Altersrente aufgefordert werden kann und ob der Beklagte bzw. die ARGE zur Rentenantragstellung für den Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg berechtigt war.
Der am 1948 geborene Kläger steht seit August 2008 (Antrag am 25. Juli 2008 mit Wirkung zum 29. August 2008 nach Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruches) im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Einen Antrag/eine Erklärung auf Leistungsbezug unter erleichterten Bedingungen für über 58-jährige gem. § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. § 65 Abs. 4 SGB II hat der Kläger nach mündlicher und schriftlicher Belehrung durch die ARGE nicht gestellt bzw. abgegeben (Bl. 5/6 und 9 Verwaltungsakte -VA-; ebenso bereits im Mai 2006 nach Vollendung des 58. Lebensjahres während Arbeitslosengeldbezuges - s.Vermerk der Arbeitsagentur vom 22. Mai 2006, Bl. 9/1 VA). Er erzielt Einkommen mit einer geringfügigen Beschäftigung durch den Verkauf von Zeitungen beim Trott-war e.V. Hierbei erzielte er in den Monaten Januar 2011 bis Mai 2011 durchschnittlich 170,00 EUR. In den Folgemonaten Juni, Juli und August 2011 erzielte er deutlich weniger, nämlich 102,00, 110,00 EUR und 120,00 EUR (Bl. 121, 124, 133 und 136 VA).
Mit Bescheid vom 29. Juni 2011 forderte die ARGE den Kläger auf, einen Antrag auf Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen (Bl. 123 VA).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass er nicht mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Altersrente gehe. Seine Regelaltersrente beginne am 5. Juli 2013 mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 wies die ARGE den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 12a SGB II Leistungsberechtigte verpflichtet seien, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung sei daher rechtmäßig. Sofern der Kläger sich weigere, einen Rentenantrag zu stellen, könne die ARGE gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den entsprechenden Antrag beim zuständigen Leistungsträger stellen. Diesen Antrag stellte die ARGE bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg mit Schreiben vom 30. August 2011.
Dagegen hat der Kläger am 5. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, regulär und ohne Abschläge am 5. Juli 2013 in Altersrente gehen zu wollen. Er sei bemüht, eine Nebentätigkeit auf 400,00-EUR-Basis zu bekommen. Mit seiner Klage hat er zum einen die Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 begehrt sowie die Feststellung, dass die ARGE nicht berechtigt gewesen sei, einen Rentenantrag für den Kläger bei der DRV Baden-Württemberg zu stellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 31. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass sowohl die Aufforderung des Klägers mit Bescheid vom 29. Juni 2011 zur Stellung eines Rentenantrages als auch der von der ARGE sodann anstelle des Klägers gestellte Rentenantrag rechtmäßig seien. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II seien Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Abweichend hiervon seien Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (§ 12a Satz 2 Nr. 1 SGBII). Der Kläger habe am 6. Mai 2011 das 63. Lebensjahr vollendet. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente könne daher grundsätzlich gefordert werden. Die Aufforderung hierzu stelle einen Verwaltungsakt dar (mit Hinweis auf Geiger in LPK-SGB II 4. Aufl. § 12a Rdnr.7). Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres könne nicht gefordert werden, wenn dies eine unbillige Härte im Sinne der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV) darstelle. Eine unbillige Härte liege insbesondere gemäß § 4 UnbilligkeitsV dann vor, wenn der Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erziele. Dies gelte nur, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nehme. Unbilligkeit läge ebenfalls vor, wenn der Hilfebedürftige durch die Vorlage eines Arbeitsvertrages oder anderer ebenso verbindlicher, schriftlicher Zusagen glaubhaft mache, dass er in nächster Zukunft eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 aufnehmen und nicht nur vorübergehend ausüben werde (§ 5 Abs. 1 UnbilligkeitsV). Der Kläger habe das 63. Lebensjahr vollendet, er übe keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus und verdiene regelmäßig wesentlich weniger als 400,00 EUR. Er habe darüber hinaus auch nicht glaubhaft gemacht, eine Erwerbstätigkeit gemäß § 4 UnbilligkeitsV aufzunehmen. Somit würden keine Gründe für eine Unbilligkeit der frühzeitigen Rentenantragstellung vorliegen und sei der Bescheid vom 29. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 daher rechtmäßig. Sofern der Kläger offensichtlich auch die Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehre, dass der Beklagte bzw. die ARGE zur Rentenantragstellung bei der DRV Baden-Württemberg nicht berechtigt gewesen sei, sei die Klage ebenfalls unbegründet. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II könne der Beklagte einen Antrag auf Leistung eines anderen Trägers stellen, wenn der Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf diese Leistungen nicht stelle. Da sich der Kläger weigere, der Aufforderung der ARGE vom 29. Juni 2011 nachzukommen und bei der DRV Baden-Württemberg einen Rentenantrag zu stellen, sei die eigenmächtige Antragstellung durch den Beklagten rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat gegen den ihm mit Empfangsbekenntnis am 1. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 2. Februar 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er letztlich wie schon im Klageverfahren geltend, dass er nicht bereit sei, vorzeitig mit Abschlägen in Altersrente zu gehen. Er habe auch keinen Rentenantrag gestellt und unterschrieben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2012 sowie den Bescheid der ARGE vom 29. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der von der ARGE gestellte Rentenantrag bei der DRV Baden-Württemberg unwirksam ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 2. Mai 2012 wie auch in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 jeweils auch nach Hinweis des Vorsitzenden auf die hier bestehende Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG an seiner Auffassung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Berichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Auf Beklagtenseite ist die Landeshauptstadt Stuttgart - Jobcenter -, eine Einrichtung in kommunaler Trägerschaft, gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Rechtsnachfolger der ARGE Jobcenter Stuttgart in das Verfahren eingetreten, weshalb der Senat das Passivrubrum von Amts wegen berichtigt hat (vgl. BSG v. 18. Januar 2011 – B 4 AS 90/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr. 5).
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid der ARGE vom 29. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 zurückgewiesen ebenso wie die Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Antragstellung durch die ARGE bei der DRV Baden-Württemberg. Es wird hierzu auf die Entscheidungsgründe des SG, im Rahmen dessen auch die hier maßgeblichen gesetzlichen Normen (§§ 5, 12a SGB II) dargestellt wurden, gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen und von weiteren Ausführungen hier abgesehen.
Ergänzend ist noch auszuführen, dass auch die Übergangsregelung nach § 65 Abs. 4 SGB II nicht zu Gunsten des Klägers zur Anwendung kommt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber für ältere Leistungsempfänger, bei denen die Vollendung des 58. Lebensjahres und die Entstehung des Leistungsanspruchs vor dem 1. Januar 2008 liegen, Vertrauensschutz geschaffen (vgl. Berlit in LPK SGB II, 3. Auflage, § 65 Rdnr. 7). Satz 3 dieser Vorschrift verweist ergänzend auf § 428 SGB III. Bezüglich der in dieser Vorschrift vorgesehenen Möglichkeit der Aufforderung zur vorzeitigen Rentenantragstellung bestimmt § 428 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung nicht für solche Altersrenten ergehen soll, die vor dem für den Versicherten maßgebenden Rentenalter in Anspruch genommen werden können. Hierdurch soll deutlich gemacht werden, dass der Versicherte nur aufgefordert werden soll, wenn er eine Altersrente ohne Rentenminderung beziehen kann (vgl. Brand in Niesel, SGB III, 5. Auflage 2010, § 428 Rdnr. 9). Auf Grund der Verweisung in § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II wird allgemein angenommen, dass auch die Leistungsempfänger nach dem SGB II nur eine ungeminderte Altersrente beantragen müssen, wenn sie die Leistungen unter der entsprechenden Beschränkung ihrer Arbeitsbereitschaft bezogen haben (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 9, Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 65 Rdnr. 29 ff., Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 12a Rdnr. 29, Hünecke in Gagel, SGB II und III, § 65 SGB II Rdnr. 30, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2010 - L 19 B 371/09 AS ER - und LSG Sachsen Beschluss vom 3. November 2010 - L 7 AS 677/10 B ER-). Der Kläger hat zwar das 58. Lebensjahr 2006 und damit vor dem 1. Januar 2008 vollendet. Sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ist jedoch erst zum 29. August 2008 (davor bis 28. August 2008 bezog der Kläger Arbeitslosengeld -Bl. 5 VA) entstanden (s. Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Auflage, § 65 Rdnr. 20), sodass schon aus diesem Grund die Übergangsregelung keine Anwendung mehr finden kann. Darüber hinaus hat der Kläger allerdings wie bereits im Mai 2006 (unmittelbar nach Vollendung des 58. Lebensjahres) auch erneut im August/September 2008 eine Erklärung nach § 428 SGB III i.V.m. § 65 Abs. 4 SGB II ausdrücklich nicht abgegeben.
Aus diesen Gründen war daher die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist durch den Senatsvorsitzenden im Erörterungstermin vom 2. Mai 2012 und in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2012 erfolgt. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 2 BvR 1255/02 zu der vergleichbaren Regelung des § 34 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juni 2004 – L 12 AL 59/03). Maßstab ist damit nicht die konkrete subjektive Sicht des Klägers, sondern ein verständiger Beteiligter.
Das Begehren des Klägers ist offensichtlich aussichtslos. Dies ergibt sich aus der - oben dargelegten - Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage.
Bei der Höhe der auferlegten Kosten hat der Senat berücksichtigt, dass die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren entfallen lässt. Durch die in das Ermessen des Gerichts gestellte Möglichkeit, dem missbräuchlich prozessierenden Beteiligten Verschuldenskosten aufzuerlegen wird letztlich dem Schadensersatzprinzip Rechnung getragen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Mai 2009 – L 21 R 898/07). Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Klägers die Auferlegung einer Verschuldensgebühr in Höhe von 225,00 EUR (Mindestgebühr nach § 192 Abs. 2 Satz 3, § 184 Abs. 2 SGG) für ausreichend und angemessen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2011 - L 2 SO 2441/09).
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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