L 11 R 1608/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 507/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1608/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.03.2013 aufgehoben und der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragstellerin vom 03.12.2012 anzuordnen, abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 28.073,83 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.12.2012, mit dem diese die Antragstellerin verpflichtet hatte, Beiträge zur Sozialversicherung iHv 45.418,16 EUR zuzüglich Säumniszuschläge iHv 10.729,50 EUR zu zahlen.

Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt ein Maler- und Gipsergeschäft. Am 01.07.2008 schloss sie mit G. R. (im Folgenden: GR), der ein Gewerbe als Maler angemeldet hatte, einen Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) über die Erbringung von Werkleistungen (vgl dazu Blatt 73 ff der Verwaltungsakte). Nach diesem RV hatte GR für die Antragstellerin Leistungen bei der Durchführung von Fassadenanstrichen, Gipserarbeiten, Estricharbeiten, Malerarbeiten, Betonsanierungen und Verlegung von Industriefußböden, und Teppich-, PVC- und Korkböden zu erbringen, wobei die jeweilige Spezifikation der Leistung nach Art und Umfang in Einzelverträgen festgelegt werden sollte (§ 1 Abs 1 des RV). Nach § 6 Abs 1 RV hatte GR seine Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als selbständiger Unternehmer zu erbringen, bei der Durchführung der Aufträge unterliege er nicht dem Weisungsrecht des Auftraggebers. Nach § 9 Abs 1 RV war GR nicht verpflichtet, nur für die Antragstellerin tätig zu sein, konnte aber durch Einzelvertrag verpflichtet werden, für die Dauer des Einzelvertrages sowie einem Zeitraum von 12 Monaten danach für einen Kunden oder einen benannten Dritten keine selbständigen oder unselbständigen Tätigkeiten unmittelbar sowie mittelbar zu erbringen (§ 9 Abs 2 RV). Er war verpflichtet, eigenes Werkzeug einzusetzen (§ 6 Abs 4 RV).

Die Antragstellerin setzte in der Folge GR bei verschiedenen Aufträgen ein. Zunächst rechnete GR auf Stundenbasis, später nach Angeboten ab (zu den Abrechnungen vgl Blatt 107 ff bzw 125 ff der Verwaltungsakte).

Die Antragsgegnerin führte in der Zeit vom 05.11.2008 bis 10.05.2010 bei der Antragstellerin für den Prüfzeitraum vom 01.01.2004 bis 30.09.2008 eine Betriebsprüfung durch. Mit Bescheid vom 15.07.2010 stellte die Antragsgegnerin fest, es bestehe für GR Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung, in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung; GR stehe in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mit der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin setzte die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen iHv 5.370,42 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 fest. Zwar sei am 01.07.2008 ein Rahmenvertrag über Werksvertragsleistungen geschlossen worden, die tatsächlichen Gegebenheiten wichen aber von den vertraglichen Regelungen ab. Von Juli bis September 2008 habe GR nur auf Stundenbasis abgerechnet. Er habe angegeben, wöchentliche Stundennachweise führen zu müssen. Auf seinen Rechnungen sei kein Bezug zu einem Bauvorhaben zu erkennen. GR habe auch angegeben, er müsse regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten und täglich 8 Stunden, wöchentlich 40 Stunden arbeiten. Außerdem treffe GR kein relevantes Unternehmerrisiko. Er sei wie jeder andere Arbeitnehmer in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert.

Mit ihrem Widerspruch vom 29.07.2010 machte die Antragstellerin geltend, GR habe auch für andere Auftraggeber gearbeitet. Er habe von seinem Vater einen Malerbetrieb übernommen. In den Jahren 2008 bis 2010 habe er Aufträge auch außerhalb der Firma der Antragstellerin angenommen. Im Jahr 2009 habe er weniger gearbeitet, da seine Tochter in Frankreich schwer erkrankt gewesen sei. Dies zeige, dass die Tätigkeit von GR nicht mit der Tätigkeit eines normalen Angestellten vergleichbar gewesen sei.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2011 zurück. Die hiergegen am 30.08.2011 beim Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage (Az S 2 R 3184/11) wurde mit Urteil vom 07.06.2013 abgewiesen (zu dem dort stattgefundenen Erörterungstermin vom 03.12.2012 vgl die Niederschrift auf Blatt 4 bis 7 der SG-Akte des vorliegenden Verfahrens).

Die Antragsgegnerin führte zwischen dem 08.02.2012 und dem 03.12.2012 eine weitere Betriebsprüfung im Betrieb der Antragstellerin betreffend den Prüfzeitraum 01.10.2008 bis 31.12.2011, durch. Nach Anhörung der Antragstellerin setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 03.12.2012 Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv 45.418,16 EUR zuzüglich Säumniszuschläge iHv 10.729,50 EUR fest. GR unterliege auch in der Zeit ab 01.10.2008 bis 31.12.2011 wegen seiner abhängigen Beschäftigung bei der Antragstellerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 10.12.2012 Widerspruch eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 03.12.2012 anzuordnen. Letzteres lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.01.2013 ab.

Am 20.02.2013 hat die Antragstellerin daher beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.12.2012 anzuordnen. Dass GR nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, ergebe sich aus seinen Angaben im Klageverfahren S 2 R 3184/11.

Das SG hat mit Beschluss vom 20.03.2013 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 03.12.2012 angeordnet. Es bestünden erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und GR. Mehr als fraglich sei, ob die von der Antragsgegnerin herangezogenen Beweismittel ausreichten, um eine versicherungspflichtige Beschäftigung des GR zu belegen. Die Antragsgegnerin berücksichtige nicht die Einlassung der Antragstellerin und des GR. Hieraus werde deutlich, dass GR in der Lage gewesen sei, einen Malerbetrieb zu führen, denn er habe bereits von 1990 bis 1999 die ehemalige Firma seines Vaters in Frankreich geführt. GR habe auch angegeben, dass er von Anfang an Betriebsmittel eingesetzt habe, nämlich einen Opel Omega und einen Mercedes Vito sowie eigene Werkzeuge. Weiter habe er glaubhaft geschildert, dass er in Zeitungen geworben und Visitenkarten habe drucken lassen. Darüber hinaus habe er angegeben, er habe schon seit 2008 nicht nur für die Klägerin, sondern auch für andere Firmen und Auftraggeber gearbeitet. Er habe zwar eingeräumt, in der Mehrzahl Aufträge für die Antragstellerin bearbeitet zu haben, dass dies sich aber mit der Dauer seiner selbstständigen Tätigkeit geändert habe. So habe er im Jahr 2013 nur noch 2 oder 3 Aufträge der Antragstellerin ausgeführt. Darüber hinaus sei deutlich geworden, dass GR auch Aufträge abgelehnt bzw eigenständig Angebote unterbreitet habe. Die Antragsgegnerin sei auch nicht auf den Umstand eingegangen, dass GR zum Teil monatelang gar nicht für die Antragstellerin, zum Teil nur mit großen Unterbrechungen und stark wechselndem Umfang gearbeitet habe. Dies seien Indizien dafür, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, sondern zwar eine dauerhafte Geschäftsbeziehung, die sich an den Vereinbarungen im Rahmenvertrag orientiert habe und die in der Praxis in wesentlichen Punkten auch so durchgeführt worden sei.

Gegen den ihr am 22.03.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 12.04.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde eingelegt. GR habe im Parallelverfahren vorgetragen, 1990 die Firma seines Vaters in W./E. übernommen und bis 1999 geführt zu haben. Anschließend sei er als Leiharbeiter tätig gewesen, wo er seit 2005/2006 mit Unterbrechungen für die Antragstellerin gearbeitet habe. GR sei damals im 58. Lebensjahr gewesen und habe eine Rente aus Frankreich bezogen. Aufgrund seines Entschlusses ganz nach Deutschland überzusiedeln, habe er zunächst bei der Antragstellerin nach einer direkten Beschäftigungsmöglichkeit gefragt. Das Gehalt von 12,00 EUR/Stunde habe jedoch nicht seinen Vorstellungen entsprochen, so dass er sich zur Selbständigkeit entschlossen habe. GR sei verpflichtet gewesen, Stundennachweise zu führen, die von der Antragstellerin abgezeichnet worden seien. Ab Oktober 2008 sei die Rechnungsstellung für das jeweilige Bauvorhaben umgestellt worden, es sei jedoch offensichtlich, dass die für das jeweilige Bauvorhaben abgerechneten Beträge grds durch 21,50 teilbar seien, so dass es nahe liege, dass weiterhin eine Abrechnung nach Stunden erfolgt sei. Grds ergebe sich für die Monate Oktober 2008 bis Oktober 2010 (mit Ausnahme des Januar 2009) ein durchschnittlicher Rechnungsbetrag iHv ca 3.700,00 EUR bzw 3.800,00 EUR monatlich. In einem Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung vom September 2008 habe GR angegeben, er habe regelmäßige Arbeits- bzw Anwesenheitszeiten einzuhalten. Er habe auch angegeben, ihm seien Weisungen nach Vorgaben der Kunden hinsichtlich der Ausführung der zu erledigenden Arbeiten erteilt worden. Zwar besitze GR einen Geschäftswagen (Mercedes Vito) und stelle das Werkzeug, das Verbrauchsmaterial (insbesondere Farben und Abdeckplanen) hingegen werde von der Antragstellerin gestellt. Sofern er für seine Arbeit ein Auto mit einer Anhängerkupplung benötigte, leihe er sich dieses - unentgeltlich - von der Antragstellerin. Ebenso leihe er sich Geräte für größere Arbeiten - unentgeltlich - von der Antragstellerin. Auch andere Auftraggeber seien zwar vorgetragen, jedoch bislang nur in geringem Umfang und beschränkt auf einzelne Privatpersonen nachgewiesen worden, weshalb eine zunehmende Etablierung am Markt hierdurch nicht belegt werden könne. Mit der Übernahme eines Auftrages habe sich GR in die sich durch die Vereinbarung der Antragstellerin mit dem jeweiligen Kunden ergebenden Erfordernisse eingegliedert. Er sei an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt gewesen und habe das zu verarbeitende Material gestellt bekommen. Ein unternehmerischer Handlungsspielraum sei nicht gegeben gewesen. Letztlich habe er nur die Wahl gehabt, den Auftrag zu den vorgegebenen Bedingungen anzunehmen oder nicht. Für eine Eingliederung in den Geschäftsbetrieb spreche zudem die bislang unbestrittene Angabe von GR, dass er ohne seine Zustimmung an einem beliebigen Einsatzort habe eingesetzt werden können. Gerade wenn mehrere Baustellen vorhanden seien, liege es im Interesse des Unternehmers diese für sich effektiv und effizient zu planen und zu verbinden. GR sei im Kerngeschäftes der Antragstellerin tätig gewesen, weshalb es der Spezifikation der Leistung des GR iSe ausschließlich ihm übertragenen Aufgabenkreises bedürfe. GR habe letztlich keine Tätigkeit ausgeführt, die sich mit den Kenntnissen und der Ausstattung der Antragstellerin nicht hätte bewerkstelligen lassen. Mit Ausnahme des Januar 2009 unterlägen die Rechnungsbeträge auch nicht derart starken Schwankungen, dass im Rahmen eines Unternehmensrisikos eine unternehmerische Planungsunsicherheit für eine selbständige Tätigkeit spräche.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.03.2013 aufzuheben und den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen ihren Bescheid vom 03.12.2012 anzuordnen, abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. GR habe in seiner Anfangszeit als Selbständiger vermehrt für die Antragstellerin gearbeitet. Die Angaben des GR vor dem SG machten deutlich, dass dieser als Selbständiger jederzeit habe Aufträge ändern können. Da das Material sowie die Art und Weise der Ausführung in den Leistungsverzeichnissen der Bauherren vorgegeben werde, habe GR gar kein anderes Material als das der Antragstellerin nehmen können. Möglicherweise hätte er das Material von einer anderen Firma beziehen können, jedoch wäre dies unsinnig gewesen, da dies bei der Antragstellerin bereits vorhanden gewesen sei. Unregelmäßig seien auch die aus den festgestellten Rechnungen zu entnehmenden Einnahmen des GR. In einigen Monaten habe GR gar nicht gearbeitet und somit auch keine Einnahmen gehabt. Dies bestätige die von ihm vorgetragene Festigung im Markt und vermehrte Aufträge durch Dritte. Klar sei auch, dass GR nicht an den Verhandlungen mit den Bauherren und den jeweiligen Kunden beteiligt gewesen sei, da diese nicht seine Auftraggeber gewesen seien. Sein Auftraggeber sei die Antragstellerin gewesen. Hier habe er im Rahmen des bestehenden Vertrages gearbeitet und Angebote bzw Aufträge entweder ausgeführt oder abgelehnt. Auch habe GR gegenüber dem SG angegeben, dass er, wenn er seinen Auftrag ausgeführt hatte, einfach habe gehen können. Es sei lediglich eine Meldung erfolgt, dass der Auftrag ausgeführt sei bzw die Rechnungsstellung. In den RV seien die Bedingungen für eine laufende oder dauernde Zusammenarbeit festgelegt worden. Dort seien die Kalkulationen eingeflossen und die Parteien hätten sich darauf geeinigt, sämtliche Projekte auf dieser Basis durchzuführen. Jedes Mal eine erneute Kalkulation oder eine Preisgestaltung zu fordern, wäre schlichtweg unnötig und unwirtschaftlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschläge iHv insgesamt 56.147,66 EUR wendet (Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.12.2012).

Der Widerspruch der Antragstellerin vom 10.12.2012 - und eine ggf nachfolgende Anfechtungsklage - haben nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (so auch Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann.

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (st Rspr BSG, vgl ua BSG 28.05.2005, B 12 KR 13/07 R, juris).

Nach im Eilverfahren gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Zwischen den GR und der Antragstellerin bestand im streitigen Zeitraum ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, gesetzlichen Renten- und der Arbeitslosenversicherung begründete. Die Tätigkeit des GR war nicht lediglich eine selbständige Tätigkeit, dh eine nichtabhängige Beschäftigung.

Zwar war GR auf Grundlage des RV nicht verpflichtet, die ihm von der Antragstellerin zugedachten Aufträge anzunehmen, auch konnte er - nach vorheriger Anzeige bei der Antragstellerin (vgl. § 6 Abs 1 RV) - qualifizierte Mitarbeiter einsetzen. Des Weiteren hat er - wie auch die Antragstellerin - die Übernahme bzw die Übertragung von Aufträgen von einer für beide akzeptablen Kalkulation abhängig gemacht und eigenes Werkzeug eingesetzt. Doch hat er sich gegenüber der Antragstellerin im RV und auch in den Einzelverträgen im Ergebnis lediglich dazu verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und eine Leistung zu erbringen, die im Rahmen einer von der Antragstellerin gegenüber einem Dritten, nämlich ihrem Auftraggeber, geschuldeten Werk erforderlich war. Der GR war damit in die von der Antragstellerin geschuldete Auftragserledigung eingebunden. Auch wenn im RV (§ 6 Abs 1 Satz 3) ein Weisungsrecht der Antragstellerin ausgeschlossen war, so konnten die Auftraggeber der Antragstellerin den GR nicht anweisen, denn sie waren ihm gegenüber mangels Vertrag mit GR dazu nicht berechtigt. Vielmehr mussten diese die Antragstellerin anweisen, die wiederum - nun entgegen § 6 Abs 1 Satz 3 RV - den GR anweisen musste. Schon daraus wird ersichtlich, dass der Ausschluss des Weisungsrechts nicht ernsthaft gewollt und durchsetzbar war. Auch wird daraus deutlich, dass der GR in die Arbeitsstruktur der Antragstellerin eingegliedert war. Zwar stellte die Antragstellerin dem GR (vgl § 6 Abs 4 RV) grds kein Werkzeug zur Verfügung, sodass er sein eigenes Werkzeug benutzen musste. Doch hat die Antragsgegnerin ihm - entgegen der vertraglichen Vereinbarung - nicht vorhandenes Werkzeug sowie Fahrzeuge samt Anhänger kostenlos überlassen. Auch war er verpflichtet, das von der Antragstellerin bestimmte und beschaffte Material zu verwenden. Dies zeigt, dass GR nur wenig eigenverantwortlicher unternehmerischer Spielraum zukam. Zwar hat die Antragstellerin ausführen lassen, in der Vereinbarung mit ihrem Kunden sei das Material bereits bestimmt gewesen. Das mag durchaus zutreffen, doch ist dort nicht geregelt, wer dieses Material zu welchen Bedingungen zu beschaffen hat. Insoweit wird deutlich, dass der unternehmerische Spielraum des GR weiter deutlich eingeschränkt war. Letztlich beliefen sich die unternehmerischen Chancen und Risiken darauf, mit eigenem Werkzeug und unter Einsatz der eigenen Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Das Risiko, für den Einsatz von Arbeitskraft aber kein Entgelt zu erhalten, ist aber gerade kein typisches Unternehmer- sondern ein typisches Arbeitnehmerrisiko. Auch der Einsatz vorhandenen, eigenen Werkzeuges birgt insoweit kein erhebliches unternehmerisches Risiko. Insoweit wiegen die Umstände, die auf eine Eingliederung in den Betrieb der Antragstellerin und damit auf eine abhängige Beschäftigung weisen, wie zB der Umstand, dass GR ausschließlich im Kerngeschäft der Antragstellerin statt eines gewöhnlichen Mitarbeiters eingesetzt war, dass er kein wesentliches unternehmerisches Risiko trug, dass er letztlich dem Weisungsrecht der Antragstellerin unterlegen hatte, schwerer als die Umstände, die gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Bereits nach summarischer Prüfung überwiegen vorliegend die Indizien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem GR derart eindeutig, dass für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kein Raum ist. Ungeachtet dessen bleibt die eingehende Würdigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Streitwert wird entsprechend der Rechtsprechung des Senats nach § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf die Hälfte der streitigen Beitragsnachforderung und der Nebenkosten festgesetzt, also ½ aus 56.147,66 EUR, mithin 28.073,83 EUR. Gleichzeitig wird die Streitwertfestsetzung 1. Instanz (bisher: 14.036,91 EUR) von Amts wegen geändert (§ 63 Abs 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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