L 11 R 5728/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3080/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5728/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 in Sibirien geborene Kläger hat in der ehemaligen UdSSR den Beruf des Zimmermanns erlernt. Seit 09.02.1990 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland. Hier hat er ua als Maurergehilfe, Bodenleger, Lagerarbeiter gearbeitet und war zuletzt bis 2008 als Dachdeckerhelfer und Autokran-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 13.10.2008 bezog der Kläger Krankengeld; seit 30.03.2009 ist er arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Am 25.01.2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Befundberichte behandelnder Ärzte des Klägers bei und veranlasste eine ambulante Untersuchung durch Dr Z ... In seinem Gutachten vom 18.02.2010 stellte Dr Z. folgende Gesundheitsstörungen fest: Cervikocephalgien bei degenerativen HWS-Veränderungen mit Spinalkanalstenose und mäßiggradiger Bewegungseinschränkung des Kopfes, Lumbalgien ohne neurologische Defizite, Impingement-Syndrom linkes Schultergelenk mit geringgradiger schmerzbedingter Funktionseinschränkung, Zn OP eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 9/97, Zn Neer-Plastik rechte Schulter mit guter Funktion, Zn Arthroskopie linkes Knie ohne Funktionseinschränkung, Va initiale Coxarthrose, Hyperlipidämie. Für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bestehe ein über 6-stündiges Leistungsvermögen. Mit Bescheid vom 05.03.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den Widerspruch des Klägers, den er mit der aufgrund der orthopädischen Erkrankungen bestehenden Schmerzsymptomatik begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.06.2010 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, wegen seiner Krankheit sei er selbst zu einer Berufstätigkeit von mindestens drei Stunden täglich nicht in der Lage; die Beklagte müsse deshalb Rente wegen Erwerbsminderung leisten.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr M. zu V. hat mit den bestehenden Beeinträchtigungen leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich für zumutbar gehalten (Schreiben vom 27.03.2011). Dr B. hat über zwei Untersuchungen 2010 berichtet und den neurologischen Befund mitgeteilt; es bestehe sicher eine somatoform überlagerte Schmerzsymptomatik (Schreiben vom 14.04.2011). Der Allgemeinmediziner Dr W. hat mit Schreiben vom 02.05.2011 auf die im Vordergrund stehenden orthopädischen Beeinträchtigungen verwiesen. Dr S. (Orthopäde) hat über eine einmalige Vorstellung des Klägers wegen Schmerzen in der linken Schulter im März 2010 und eine Behandlung wegen Beschwerden im rechten Kniegelenk seit Mai 2011 berichtet (Schreiben vom 20.05.2011). Zusätzlich hat das SG ein gerichtliches Sachverständigengutachten auf orthopädischem Gebiet bei Prof Dr S. eingeholt. In seinem Gutachten vom 05.08.2011 stellt Prof Dr S. folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der HWS iS eines Cervicalsyndroms ohne radikuläre Symptomatik bei degenerativen Veränderungen und mehretagigen Bandscheibenvorfällen und Zn Bandscheibenoperation C 6/7 2. rezidivierendes Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen 3. nicht wesentlich beeinträchtigter Zn Neer-Plastik 4. nicht wesentlich beeinträchtigter Zn nach operierten beidseitigen Innenmeniskusläsionen 5. Va somatoform überlagerte Schmerzsymptomatik Für die Tätigkeit als Dachdeckerhelfer bestehe keine Eignung mehr, leichte Tätigkeiten könnten mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden, dabei sollten Akkord-, Fließbandarbeiten und Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft vermieden werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger leide vor allem unter Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet. Aufgrund dieser Erkrankungen könne er zwar die Tätigkeit als Dachdeckerhelfer nicht mehr ausüben, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mit gewissen qualitativen Einschränkungen seien aber noch, wie der Sachverständige feststelle, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich und zumutbar. Damit stünden die Voraussetzungen der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung nicht fest.

Dagegen richtet sich die am 27.12.2011 eingelegte Berufung des Klägers. Er leide an Schwindel, Kopfschmerzen und die Beweglichkeit des Kopfes sei erheblich eingeschränkt. Hierzu verweist er auf zwischenzeitlich vorliegende weitere radiologische Befunde der HWS vom 09.12.2011. Zudem sei ein kardiologisches Leiden diagnostiziert worden, im Februar 2012 sei eine Stentimplantation vorgenommen worden. Hierzu hat der Kläger den Arztbrief des Herz-Zentrums Bad K. vom 07.02.2012 vorgelegt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits 55 Jahre als sei, keine Schulabschlüsse in Deutschland und immer hart gearbeitet habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.02.2010 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen ihres ärztlichen Dienstes durch MedDir L. vom 08.01.2013.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein weiteres orthopädisches Gutachten eingeholt bei Dr S ... In dem Gutachten vom 26.11.2012 stellt Dr S. folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Cervicobrachiales C 6-Syndrom beidseits nach Spondylodese C 6/7 mit Anschlussdegeneration C 5/6 und C 4/5 2. Lumbales Facettensyndrom und funktionelle Spinalkanalstenose L 3/4 mit Bewegungseinschränkung 3. Coxarthrose beidseits ohne Bewegungseinschränkung 4. endgradiges Impingement linke Schulter, unauffällige Mobilität rechte Schulter 5. Dupuytrensche Kontraktur linke Hand 6. somatoforme Schmerzstörung bei depressiver Verstimmung 7. arterielle Hypertonie 8. erfolgreiche Stentimplantation bei koronarer 1-Gefäßerkrankung ohne Dekompensationszeichen 9. Nervus cutaneus femoris lateralis Meralgie beidseits Leichte Tätigkeiten könnten drei bis weniger als sechs Stunden täglich verrichtet werden. Es sei zu einer Chronifizierung einer sich verselbstständigenden Schmerzerkrankung gekommen, die schließlich nicht mehr willentlich zu beeinflussen sei. Die zumutbare Willensanspannung sei bei dem Kläger nicht mehr vorhanden. Nur aus diesem Grund sei eine vollschichtige Leistungsfähigkeit nicht mehr möglich.

Zusätzlich hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr S. eingeholt. In dem Gutachten aufgrund einer Untersuchung vom 14.02.2013 werden Sensibilitätsstörungen im Versorgungsbereich des Nervus cutaneus femoralis lateralis beidseits angegeben, Hinweise auf segmentale Reiz- oder Ausfallerscheinungen fanden sich nicht. Ebenso ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine gravierende Schmerzsymptomatik mit erheblichen Rückwirkungen auf das Leistungsvermögen. Allein aus neurologischer Sicht bestehen nach den Ausführungen von Dr S. keine wesentlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben, psychiatrische Störungen liegen nicht vor. Dr S. hält leichte Tätigkeiten für sechs Stunden und länger arbeitstäglich für zumutbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 2, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01.02.2010.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom Senat sowie vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord- oder Fließbandarbeit und ohne Einwirkung von Kälte und Nässe sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der Kläger ist im Wesentlichen durch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigt. Insoweit besteht ein Zn nach Spondylodese C 6/7 mit Cervicalsyndrom bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenschäden mit Bewegungseinschränkung der HWS, ein Lumbalsyndrom, ein Impingementsyndrom der linken Schulter mit geringgradiger Funktionseinschränkung, unauffällige Mobilität der rechten Schulter nach Neer-Plastik, beginnende Coxarthrose ohne Funktionseinschränkung und Dupuytrensche Kontraktur der linken Hand. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus der Zusammenschau der vorliegenden Gutachten von Dr Z., Prof Dr S. und Dr S ... Gravierende Abweichungen hinsichtlich der Diagnosen ergeben sich nicht. Die Dupuytrensche Kontraktur der linken Hand bewirkt keine Funktionseinschränkung, wie Dr S. ausdrücklich betont. Soweit Dr S. von einer stärkeren Bewegungseinschränkung der HWS und LWS ausgeht als Prof Dr S., wirkt sich dies auf die Leistungsbeurteilung nicht aus, denn im klinischen Befund findet sich bei Dr S. lediglich eine mäßige Einschränkung der Hals- und Rumpfwirbelsäule mit einer "konzentrischen" Einschränkung im Hals- und Rumpfabschnitt ohne motorisch einschränkende neurologische Ausfälle. Aufgrund der vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet kann der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten von Prof Dr S. und Dr Z., denen sich der Senat anschließt. Soweit Dr S. von einer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit ausgeht, begründet er dies allein mit der nach seiner Auffassung nicht mehr vom Kläger zu fordernden Willensanspannung infolge der Schmerzkrankheit. Insoweit kann dem Gutachten von Dr S. indes nicht gefolgt werden.

Dr S. stützt sich für die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und depressiven Störung allein auf die von ihm durchgeführten psychometrischen Tests und Selbstauskunftsbögen, ohne dass entsprechende Einschränkungen im klinischen Befund sichtbar würden oder auch nur die aktuellen Beschwerden und noch erhaltenen Fähigkeiten im Alltagsleben genauer erfragt und dargestellt würden. In der nachfolgenden neurologisch-psychiatrischen Begutachtung durch Dr S. ergaben sich weder aus neurologischer noch psychiatrischer Sicht wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen. So ergab sich weder aus dem klinischen Befund (keine Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, keine Affektlabilität) noch aus den eigenen Angaben des Klägers eine belangvolle depressive Symptomatik, allenfalls entstand der Eindruck, dass es zeitweise zu depressiv getönten Stimmungsschwankungen kommt. Auch konnte weder aus der Anamnese noch den klinischen Befunden oder dem insgesamt unauffälligen Verhalten während der Untersuchung eine gravierende Schmerzbeeinträchtigung mit Rückwirkungen auf das Leistungsvermögen erkannt werden. Dr S. verweist insoweit nachvollziehbar auf erhaltene soziale Aktivitäten wie Mithilfe im Haushalt, Spazierengehen, Radfahren, Gartenarbeit und Rasen mähen. Ob der vom Kläger gemähte Rasen 400 qm misst - so hat Dr S. den Kläger verstanden - oder 20 bis 30 qm - so der Kläger unter Vorlage eines Grundstückplans des von ihm indes nicht bewohnten Grundstücks in der G.Straße. in K., spielt keine maßgebliche Rolle. Dass der Kläger unstreitig überhaupt noch Gartenarbeit verrichtet, dient allein zur Abrundung des Bildes und zeigt, dass durchaus noch häusliche Aktivitäten gelebt werden. Insoweit ist die Schlussfolgerung von Dr S. unter ausführlicher Darstellung des klinischen Befunds und der eigenen Angaben des Klägers zu erhaltenen Aktivitäten und seinem Tagesverlauf schlüssig und nachvollziehbar, dass eben keine belangvolle Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit über die Beschränkung auf leichte Arbeiten hinaus vorliegt.

Neurologisch ist mehrfach eine Meralgie des Nervus cutaneus femoris lateralis (Einklemmung eines Nerven im Leistenbereich) festgestellt worden, zuletzt im Gutachten von Dr S ... Dies bewirkt jedoch keine Einschränkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wie nicht nur der Gutachter Dr S., sondern auch Dr S. bestätigt. Daneben bestehen allein Sensibilitätsstörungen iSv Taubheitsparästhesien von der HWS ausgehend; im Bereich der LWS bestehen keinerlei segmentale Ausstrahlungen. Diese neurologischen Störungen bedingen, wie Dr S. nachvollziehbar darlegt, keine wesentliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Der Senat schließt sich auch insoweit der schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Beurteilung an.

Daneben besteht bei dem Kläger noch eine koronare 1-Gefäßerkrankung, die erfolgreich mit Stentimplantation behandelt wurde. Eine beeinträchtigte Herzleistung ist nicht nachzuweisen, im Gegenteil konnte der Kläger bei der Belastungsergometrie bis 175 Watt belastet werden ohne Zeichen einer koronaren Insuffizienz. Weitergehende Leistungseinschränkungen folgen hieraus daher nicht. Insoweit stützt sich der Senat auf die Ausführungen von MedDir L. vom 04.05.2012, die hinsichtlich der kardiologischen Beurteilung von Dr S. geteilt werden.

Der Senat konnte sich somit davon überzeugen, dass die von Prof Dr S., Dr S. und Dr Z. sowie von Dr S. (betreffend die orthopädischen Diagnosen) genannten Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese Gesundheitsstörungen führen aber nicht zu einem in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit schließt sich der Senat - wie bereits ausgeführt - den Ausführungen und Einschätzungen der Gutachten von Prof Dr S., Dr S. und Dr Z. an. Der Kläger ist mithin in der Lage, unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeine Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat 19.12.1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG 19.08.1997, 13 RJ 55/96 und 30.10.1997, 13 RJ 49/97, juris). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Der Kläger kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird. Tätigkeiten mit überwiegend einseitiger Körperhaltung, häufigem Bücken, Steigen auf Leitern und Gerüsten oder Überkopfarbeiten (Gutachten Prof Dr S. und Dr S.) sind bereits nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Der Ausschluss von Arbeiten in Nässe und Kälte, beides ganz allgemein der Gesundheit abträglich, versperrt den Zugang zu typischen Arbeitsplätzen für leichte körperliche Arbeiten nicht in nennenswerter Weise. Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Dr Z., Prof Dr S., Dr S. und Dr S. hervor. Keiner der Gutachter hat Befunde erhoben, die eine Einschränkung der Wegefähigkeit ergeben könnten. So hat auch der Kläger selbst gegenüber Dr S. seine Gehstrecke mit 1 bis 2 Kilometern angegeben.

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit Rentenantragstellung durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1951 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN). Da der Kläger zuletzt als ungelernter Dachdeckerhelfer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, kann er auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Derartige leichte Tätigkeiten kann der Kläger, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten insbesondere von Prof Dr S. und Dr S. in Verbindung mit den vorliegenden Auskünften der als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Ärzte und dem Verwaltungsgutachten von Dr Z. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Nichts anderes folgt aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arztbrief von Dr B. vom 30.06.2013. Dort werden als Diagnosen angeführt: Postlaminektomie-Syndrom, Hypertonie, Spannungskopfschmerzen und Somatisierungsstörung. Der Kläger gab gegenüber Dr B. an, es sei ein Tumor im Gehirn festgestellt worden. Wegen eines vorbeschriebenen zerebralen Kavernoms sei der Kläger beunruhigt gewesen. Ein zur Sicherheit durchgeführtes Schädel-MRT habe einen unveränderten Befund ergeben. Angesichts dessen besteht keine Veranlassung, im vorliegenden Verfahren weitere Ermittlungen anzustellen. Eine Änderung der Sachlage hat sich nicht ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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