Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1147/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2573/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.06.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 1958 geborene Klägerin absolvierte von 1973 bis 1975 eine zweijährige Lehre zur Verkäuferin/Kassiererin. Nach verschiedenen Aushilfsjobs war die Klägerin zuletzt von 2001 bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung am 18.03.2009 als Arbeitskraft in der Essensausgabe einer Grundschule mit 16 bis 24 Stunden pro Woche versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin leidet im Wesentlichen an Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule. Auf den Rentenantrag vom 15.05.2009 hin holte die Beklagte ein Gutachten beim Facharzt für Allgemeinmedizin/Sozialmedizin sowie für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. P. ein, der bei der Klägerin Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule L3/4/5 mit Bandscheibenvorfall L4/5 sowie eine obstruktive Atmungsstörung nach langjährigem fortgesetzten Zigarettenrauchen feststellte und ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Bücken, Überkopfarbeiten, Exposition gegen Nässe, Kälte und Zugluft bejahte, wobei nach Möglichkeit ein Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen möglich sein sollte. Die letzte Tätigkeit, eine Essensbetreuung in einer Schule, könne sie dagegen nur noch in einem zeitlichen Umfang von unter drei Stunden täglich ausüben. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.07.2009 ab. Während des Widerspruchsverfahrens führte die Klägerin eine stationäre orthopädische Rehabilitationsmaßnahme in der Sana-Klinik Zollernalb auf Kosten der Beklagten durch. Im Entlassungsbericht vom Dezember 2010 wurde der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen sowohl für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Essensbetreuung bescheinigt. Entsprechend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2011 zurück.
Das am 15.04.2011 angerufene Sozialgericht Reutlingen (SG) hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich gehört. Der Hausarzt der Klägerin, Dr. B. , hat ausgeführt, die Klägerin leide unter einer COPD, wobei sich unter spezifischer Therapie eine befriedigende Beeinflussung der obstruktiven Komponente zeige. Aus seiner Sicht bestünden keine Bedenken gegen leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat sich nicht zu einer Leistungseinschätzung im Stande gesehen. Dr. S. , behandelnder Orthopäde der Klägerin, hat bei rein orthopädischer Betrachtungsweise keine Bedenken gegen die Annahme eines noch mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten geäußert. Mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht teilweise und damit erst Recht nicht voll erwerbsgemindert. So hätten der Verwaltungsgutachter Dr. P. ebenso wie die behandelnden Ärzte während der dreiwöchigen Rehabilitationsmaßnahme in der Sana-Klinik keine rentenrelevante Erwerbsminderung feststellen können. Hinzu komme, dass die behandelnden Ärzte gleichfalls keine Bedenken gegen die Ausübung leichter Tätigkeiten sechs Stunden täglich geäußert hätten.
Gegen den ihrem damaligen Bevollmächtigen am 12.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18.06.2012 Berufung eingelegt und diese sinngemäß mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands begründet.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.06.2012 und den Bescheid vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Dr. B. neuerlich als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat mitgeteilt, es sei zwischenzeitlich eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin eingetreten. Sie habe aufgrund eines Sturzes im April 2012 eine therapieresistente Beugehemmung des Kniegelenks auf ca. 110° erlitten; weiterhin liege bei der Klägerin eine Peronäusparese mit Fußheberschwäche links vor. Es seien allenfalls leichte Tätigkeiten im Zeitrahmen von zwei Stunden denkbar. Der Senat hat sodann das Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. eingeholt. Diese hat bei der Klägerin eine Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizung des linken Beines (Gefühlsstörungen, Teillähmung des linken Beines) sowie eine beginnende Hüftarthrose beidseits, rechts mehr als links, festgestellt sowie einen Verdacht auf Knorpelschaden im linken Knie geäußert. Vor allem die Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule, in geringem Maße auch die beginnende Verschleißerkrankung der Hüftgelenke, würden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen; diese könne leichte Frauenarbeiten, vorwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen, ohne Heben, Tragen und Schieben von Lasten von über 5 kg, ohne Zwangshaltung des Rumpfs und ohne wiederholtes Bücken und Aufrichten sechs Stunden an fünf Tage die Woche verrichten, wobei die Tätigkeit in geschlossenen warmen Räumen und nicht auf Leitern und Gerüsten durchzuführen sein sollte; wiederholtes und andauerndes Treppensteigen sollte gleichfalls vermieden werden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nur diesen Rentenanspruch hat die Klägerin ausweislich des von ihren Prozessbevollmächtigten gestellten Antrages (vgl. Schriftsatz vom 21.07.2011, Bl. 10 SG-Akte) im erstinstanzlichen Klageverfahren verfolgt, so dass der Bescheid im Übrigen bestandskräftig geworden ist. Nur über diesen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat das Sozialgericht nach dem im Urteil wiedergegebenen Antrag entschieden; soweit es in den Entscheidungsgründen Ausführungen zu einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, gemacht hat, geht dies am Streitgegenstand vorbei. Entsprechend dem in erster Instanz gestellten Antrag hat der Senat auch den Berufungsantrag gefasst.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht voll erwerbsgemindert; ihr steht daher eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Rechtsgrundlage für die einzig begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, und Aufrichten des Rumpfes, Überkopfarbeiten, Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 5 kg, ungünstige Witterungsbedingungen, Kälte, Nässe und Zugluft; dabei sollte die Tätigkeit vorwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert und hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. sowie aus den eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte gefolgert. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Zwar hat der Hausarzt der Klägerin, Dr. B. , im Berufungsverfahren - entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung im Klageverfahren - nunmehr ein sechsstündiges Leistungsvermögen verneint. Diese Beurteilung des Dr. B. ist für den Senat Anlass gewesen, ein fachorthopädisches Gutachten bei der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. in Auftrag zu geben. Durch dieses Gutachten ist indes die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung in vollem Umfang bestätigt worden. Auch die Sachverständige Dr. K. hat der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vorgenannten qualitativen Einschränkungen attestiert. Diese Einschätzung ist anhand der von der Sachverständigen erhobenen Befunde auch schlüssig und nachvollziehbar. Danach liegen bei der Klägerin eine Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit zuletzt nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 mit Gefühlsstörung und einer Peronäuslähmung im linken Bein und eine beginnende Hüftgelenksarthrose, rechts mehr als links vor; daneben besteht ein Verdacht auf Knorpelschaden im linken Knie. Dabei folgen Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin vorwiegend aus der Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule und weniger aus der beginnenden, nur leichten Verschleißerkrankung der Hüftgelenke, welche - so Dr. K. - in erster Linie eine radiologische und weniger eine klinische Diagnose darstellt. Auch die lediglich leichte Bewegungseinschränkung am linken Knie führt zu keiner wesentlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Der Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule wiederum kann durch die genannten qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden, so dass hieraus keine quantitativen Einschränkungen resultier+en. Damit bestätigt die Sachverständige Dr. K. in vollem Umfang die Beurteilung des Gutachters Dr. P ... Soweit zu dem von Dr. P. erhobenen Befund jetzt zusätzlich eine Fußheber- und Großzehenheberlähmung links hinzugetreten ist, kann durch konsequentes Tragen der Peronäusschiene eine Gefährdung, insbesondere eine Sturzgefahr, vermieden werden, so dass hieraus keine weitergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit resultiert.
Letztlich haben damit beide im Laufe des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahren tätig gewordenen Gutachter in zeitlicher Hinsicht kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen; auch die behandelnden Fachärzte (Dr. R. auf neurologischem und Dr. S. auf orthopädischem Gebiet) haben bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verneint.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die am 1958 geborene Klägerin absolvierte von 1973 bis 1975 eine zweijährige Lehre zur Verkäuferin/Kassiererin. Nach verschiedenen Aushilfsjobs war die Klägerin zuletzt von 2001 bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung am 18.03.2009 als Arbeitskraft in der Essensausgabe einer Grundschule mit 16 bis 24 Stunden pro Woche versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin leidet im Wesentlichen an Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule. Auf den Rentenantrag vom 15.05.2009 hin holte die Beklagte ein Gutachten beim Facharzt für Allgemeinmedizin/Sozialmedizin sowie für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. P. ein, der bei der Klägerin Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule L3/4/5 mit Bandscheibenvorfall L4/5 sowie eine obstruktive Atmungsstörung nach langjährigem fortgesetzten Zigarettenrauchen feststellte und ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Bücken, Überkopfarbeiten, Exposition gegen Nässe, Kälte und Zugluft bejahte, wobei nach Möglichkeit ein Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen möglich sein sollte. Die letzte Tätigkeit, eine Essensbetreuung in einer Schule, könne sie dagegen nur noch in einem zeitlichen Umfang von unter drei Stunden täglich ausüben. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 06.07.2009 ab. Während des Widerspruchsverfahrens führte die Klägerin eine stationäre orthopädische Rehabilitationsmaßnahme in der Sana-Klinik Zollernalb auf Kosten der Beklagten durch. Im Entlassungsbericht vom Dezember 2010 wurde der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen sowohl für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Essensbetreuung bescheinigt. Entsprechend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2011 zurück.
Das am 15.04.2011 angerufene Sozialgericht Reutlingen (SG) hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich gehört. Der Hausarzt der Klägerin, Dr. B. , hat ausgeführt, die Klägerin leide unter einer COPD, wobei sich unter spezifischer Therapie eine befriedigende Beeinflussung der obstruktiven Komponente zeige. Aus seiner Sicht bestünden keine Bedenken gegen leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. hat sich nicht zu einer Leistungseinschätzung im Stande gesehen. Dr. S. , behandelnder Orthopäde der Klägerin, hat bei rein orthopädischer Betrachtungsweise keine Bedenken gegen die Annahme eines noch mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten geäußert. Mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht teilweise und damit erst Recht nicht voll erwerbsgemindert. So hätten der Verwaltungsgutachter Dr. P. ebenso wie die behandelnden Ärzte während der dreiwöchigen Rehabilitationsmaßnahme in der Sana-Klinik keine rentenrelevante Erwerbsminderung feststellen können. Hinzu komme, dass die behandelnden Ärzte gleichfalls keine Bedenken gegen die Ausübung leichter Tätigkeiten sechs Stunden täglich geäußert hätten.
Gegen den ihrem damaligen Bevollmächtigen am 12.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18.06.2012 Berufung eingelegt und diese sinngemäß mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands begründet.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.06.2012 und den Bescheid vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst Dr. B. neuerlich als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat mitgeteilt, es sei zwischenzeitlich eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin eingetreten. Sie habe aufgrund eines Sturzes im April 2012 eine therapieresistente Beugehemmung des Kniegelenks auf ca. 110° erlitten; weiterhin liege bei der Klägerin eine Peronäusparese mit Fußheberschwäche links vor. Es seien allenfalls leichte Tätigkeiten im Zeitrahmen von zwei Stunden denkbar. Der Senat hat sodann das Gutachten der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. eingeholt. Diese hat bei der Klägerin eine Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit Nervenwurzelreizung des linken Beines (Gefühlsstörungen, Teillähmung des linken Beines) sowie eine beginnende Hüftarthrose beidseits, rechts mehr als links, festgestellt sowie einen Verdacht auf Knorpelschaden im linken Knie geäußert. Vor allem die Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule, in geringem Maße auch die beginnende Verschleißerkrankung der Hüftgelenke, würden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen; diese könne leichte Frauenarbeiten, vorwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen, ohne Heben, Tragen und Schieben von Lasten von über 5 kg, ohne Zwangshaltung des Rumpfs und ohne wiederholtes Bücken und Aufrichten sechs Stunden an fünf Tage die Woche verrichten, wobei die Tätigkeit in geschlossenen warmen Räumen und nicht auf Leitern und Gerüsten durchzuführen sein sollte; wiederholtes und andauerndes Treppensteigen sollte gleichfalls vermieden werden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nur diesen Rentenanspruch hat die Klägerin ausweislich des von ihren Prozessbevollmächtigten gestellten Antrages (vgl. Schriftsatz vom 21.07.2011, Bl. 10 SG-Akte) im erstinstanzlichen Klageverfahren verfolgt, so dass der Bescheid im Übrigen bestandskräftig geworden ist. Nur über diesen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat das Sozialgericht nach dem im Urteil wiedergegebenen Antrag entschieden; soweit es in den Entscheidungsgründen Ausführungen zu einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, gemacht hat, geht dies am Streitgegenstand vorbei. Entsprechend dem in erster Instanz gestellten Antrag hat der Senat auch den Berufungsantrag gefasst.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist nicht voll erwerbsgemindert; ihr steht daher eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.
Rechtsgrundlage für die einzig begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, und Aufrichten des Rumpfes, Überkopfarbeiten, Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 5 kg, ungünstige Witterungsbedingungen, Kälte, Nässe und Zugluft; dabei sollte die Tätigkeit vorwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert und hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Dass bei der Klägerin eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß nicht gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. sowie aus den eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte gefolgert. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung und die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Zwar hat der Hausarzt der Klägerin, Dr. B. , im Berufungsverfahren - entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung im Klageverfahren - nunmehr ein sechsstündiges Leistungsvermögen verneint. Diese Beurteilung des Dr. B. ist für den Senat Anlass gewesen, ein fachorthopädisches Gutachten bei der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. in Auftrag zu geben. Durch dieses Gutachten ist indes die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung in vollem Umfang bestätigt worden. Auch die Sachverständige Dr. K. hat der Klägerin noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vorgenannten qualitativen Einschränkungen attestiert. Diese Einschätzung ist anhand der von der Sachverständigen erhobenen Befunde auch schlüssig und nachvollziehbar. Danach liegen bei der Klägerin eine Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit zuletzt nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 mit Gefühlsstörung und einer Peronäuslähmung im linken Bein und eine beginnende Hüftgelenksarthrose, rechts mehr als links vor; daneben besteht ein Verdacht auf Knorpelschaden im linken Knie. Dabei folgen Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin vorwiegend aus der Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule und weniger aus der beginnenden, nur leichten Verschleißerkrankung der Hüftgelenke, welche - so Dr. K. - in erster Linie eine radiologische und weniger eine klinische Diagnose darstellt. Auch die lediglich leichte Bewegungseinschränkung am linken Knie führt zu keiner wesentlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Der Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule wiederum kann durch die genannten qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden, so dass hieraus keine quantitativen Einschränkungen resultier+en. Damit bestätigt die Sachverständige Dr. K. in vollem Umfang die Beurteilung des Gutachters Dr. P ... Soweit zu dem von Dr. P. erhobenen Befund jetzt zusätzlich eine Fußheber- und Großzehenheberlähmung links hinzugetreten ist, kann durch konsequentes Tragen der Peronäusschiene eine Gefährdung, insbesondere eine Sturzgefahr, vermieden werden, so dass hieraus keine weitergehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit resultiert.
Letztlich haben damit beide im Laufe des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahren tätig gewordenen Gutachter in zeitlicher Hinsicht kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen gesehen; auch die behandelnden Fachärzte (Dr. R. auf neurologischem und Dr. S. auf orthopädischem Gebiet) haben bereits im erstinstanzlichen Verfahren eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verneint.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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