L 5 R 5760/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 5514/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5760/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1955 in der T. geborene Kläger siedelte im Jahr 1973 in die Bundesrepublik Deutschland um. Er absolvierte keine Berufsausbildung und war zunächst von 1975 bis 1979 in wechselnden Arbeitsverhältnissen als Textilreiniger, Bandarbeiter und Maschinenbediener tätig. Seit 1979 war er bei der Fa. B. GmbH & Co. KG als angelernter Metallarbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt und verrichtete in ständig stehender Körperhaltung Lötarbeiten im Früh- bzw. Spätschichtdienst und Gruppenakkord. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zum 31.03.2002. Vom 24.12.2001 bis 02.10.2002 bezog der Kläger Krankengeld. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 09.10.2002 bis 31.12.2004. Leistungen zur Grundsicherung bezog er wegen des zu berücksichtigenden Einkommens bzw. Vermögens nicht. Nach dem 31.12.2004 meldete sich der Kläger nicht mehr bei einer deutschen Agentur für Arbeit arbeitsuchend.

Vom 05.09.2002 bis 02.10.2002 befand sich der Kläger zur stationären Rehabilitation in der M. in K ... Als Diagnosen wurden dort "rezidivierende depressive Störung mittelgradige Episode, Nikotinabhängigkeit" festgestellt. In der sozialmedizinischen Epikrise des Entlassungsberichts führten die Ärzte aus, sowohl hinsichtlich seiner letzten Tätigkeit als auch bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger vollschichtig leistungsfähig. Er könne mitteschwere Arbeiten ohne Einschränkungen von Seiten der Arbeitshaltung in Tag- oder Früh-/Spätschicht ausüben. Einschränkungen bestünden noch von Seiten der geistig-psychischen Belastbarkeit beim Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, so dass neben Nachtschichtarbeiten zB auch von Arbeiten mit einer erhöhten Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit wie zB Akkord abgesehen werden sollte.

In der Zeit vom 08.01.2009 bis 05.02.2009 absolvierte der Kläger eine am 10.10.2008 beantragte Rehabilitationsmaßnahme in K ... Im Entlassungsbericht wurden die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, psychische und Verhaltensstörung durch Tabak – Abhängigkeitssyndrom, Tinnitus aurium bds. und gemischte Hyperlipidämie genannt. Sozialmedizinisch nahmen die Ärzte eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden auch in Bezug auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes an. Aufgrund der depressiven Symptomatik mit Konzentrationsproblemen, Unruhe, Anspannung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit sei der Kläger aktuell nicht in der Lage, einer verwertbaren Tätigkeit nachzugehen. Im Rahmen der Eigenanamnese gab der Kläger an, die depressiven Symptome hätten im Jahr 1982 begonnen. In den Jahren 1987 und 2002 sei er deswegen in stationärer Behandlung gewesen. Trotz Medikamenteneinnahme halte sein depressiver Zustand weiter an. Im August 2008 sei er in der T. während seines Urlaubs kollabiert. Seit sechs Monaten hätten sich die depressiven Symptome verstärkt und seit vier Monaten hätten einige psychotische Symptome begonnen.

Am 24.02.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Antragsformular gab er an, seit 2001 wegen psychischen Beschwerden erwerbsgemindert zu sein. Mit Bescheid vom 13.03.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger im maßgeblichen Zeitraum vom 10.10.2003 bis 09.10.2008 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt habe. Hiergegen legte der Kläger am 23.03.2009 Widerspruch ein. Er habe sich seit 2005 immer wieder beim Jobcenter gemeldet. Dort sei ihm allerdings gesagt worden, dass es keine Arbeit für ihn gebe und dass es angesichts seines Alters keinen Sinn mache, sich immer wieder zu melden. Außerdem sei er wegen seiner Erkrankung durchgehend in ärztlicher Behandlung gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, ausgehend von einem Eintritt der Erwerbsminderung am 10.10.2008 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die allgemeine Wartezeit sei zwar gegeben. Es fehlten jedoch in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten. Im maßgeblichen Zeitraum vom 10.10.2003 bis 09.10.2008 seien lediglich 15 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Auch der Zeitraum vom 01.01.1984 bis 09.10.2008 sei nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn der Leistungsfall spätestens am 01.01.2006 eingetreten wäre. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage (S 17 R 5776/09), die er am 19.11.2009 wieder zurücknahm.

Am 17.12.2009 sprach der Kläger bei der Beklagten vor und beantragte die Überprüfung des Ablehnungsbescheids vom 13.03.2009. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nochmals zu prüfen, da er seit 2002 laufend arbeitsunfähig erkrankt sei. In dem beigefügten Attest berichtete der Nervenarzt Dr. S. unter dem 22.04.2009, der Krankheitsverlauf sei nach 2002 stark progredient gewesen. Der Kläger sei krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, eine Arbeit aufzunehmen. Aus seinen Unterlagen gehe hervor, dass der Kläger über den genannten Zeitraum arbeitsunfähig gewesen sei. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien keine ausgestellt worden, da das Jobcenter offensichtlich keine benötigt habe oder es Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe.

Mit Bescheid vom 10.02.2010 lehnte die Beklagte die Abänderung des Bescheids vom 13.03.2009 ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente seien nicht erfüllt. Den hiergegen am 04.03.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2010 zurück. Zur Begründung wurden die Argumente aus dem vorangegangenen Widerspruchsbescheid wiederholt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn der Leistungsfall spätestens im November 2006 eingetreten wäre.

Am 03.09.2010 hat der Kläger beim SG Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, er sei schon im Zeitpunkt der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im November 2006 voll erwerbsgemindert gewesen.

Das SG hat die Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. S. hat in der Auskunft vom 11.10.2010 angegeben, der Kläger befinde sich seit 1987 in regelmäßiger nervenärztlicher Behandlung, zunächst bei der aus der Praxisgemeinschaft ausgeschiedenen Kollegin Dr. K. und ab 2008 bei ihm selbst. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit 2003 erheblich verschlechtert. Es sei unzweifelhaft, dass ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente ab November 2006 durchgehend bestünde. Als Beweismittel existierten nur die Karteikarten der Kollegin Dr. K ... Prof. H. von der M. hat dem SG mit Schreiben vom 11.10.2010 und 01.07.2011 von dem Klinikaufenthalt im Jahr 2009 berichtet und Mehrfertigungen der Entlassungsberichte zu den stationären Behandlungen in den Jahren 2002 und 2009 vorgelegt. Der Orthopäde des Klägers Dr. G. hat unter dem 25.11.2010 mitgeteilt, dass er beim Kläger ein myofasziales Triggerpunktsyndrom bei degenerativer Wirbelsäulenerkrankung, Coxarthrose bds. und einen Zustand nach Oberarmfraktur links festgestellt habe. Diese Erkrankungen stünden leichten vollschichtigen Tätigkeiten nicht entgegen. Im Zeitraum von 1991 bis 2002 habe sich der Kläger fünf Mal in seiner Behandlung befunden, im Anschluss erstmalig wieder im Jahr 2010.

Das SG hat Dr. Ö., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, von Amts wegen zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 14.04.2011 sind die Gesundheitsstörungen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen, somatoforme Schmerzstörung, psychische und Verhaltensstörung durch Tabak – Abhängigkeitssyndrom, Tinnitus aurium und gemischte Hyperlipidämie aufgeführt. Wegen der ausgeprägten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen könne der Kläger auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden täglich ausüben. Zur Frage, ob mit einer Besserung des Gesundheitszustandes zu rechnen sei, hat der Gutachter angegeben, es seien noch nicht alle therapeutischen Optionen genutzt worden. Unter anderem sei eine stationäre psychiatrische Behandlung bislang nicht erfolgt. Zum Beginn der Leistungseinschränkung hat der Gutachter ausgeführt, die erste depressive Episode sei im Jahr 1987 aufgetreten. Befunde aus dieser Zeit lägen nicht vor. Der Kläger habe angegeben, damals in Calw behandelt worden zu sein. Für gewöhnlich dauere es dann 10 bis 20 Jahre bis die nächste depressive Episode auftrete. Dies sei auch beim Kläger der Fall gewesen. Ca. im Jahre 2000 sei er erneut schwer depressiv geworden und habe in der Folge seine Berufstätigkeit aufgeben müssen. Im Vorfeld sei es zu einer ersten Kündigung gekommen. Durch einen Widerspruch des Klägers habe er den Verbleib in der Firma erreichen können. Aufgrund von reduzierter Leistungsfähigkeit und Fehlern des Klägers sei es dann zu einer zweiten Kündigung gekommen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geführt habe. Er gehe davon aus, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt mindestens eine mittelgradige depressive Episode gehabt habe. Die Leistungsfähigkeit habe wie heute bei unter drei Stunden täglich gelegen. Zur Rehabilitation im Jahr 2002 habe der Kläger angegeben, dass es ihm damals sogar schlechter gegangen sei als heute. Eine stetige Verschlechterung seit Ende des Arbeitsverhältnisses habe auch seine Ehefrau auf Nachfragen bestätigt. Es werde angeregt, den Hausarzt des Klägers zu befragen. Eventuell sei durch ihn ein exakter Befund und eine Leistungsaussage für das relevante Jahr 2006 möglich. Im Verlauf von rezidivierenden Depressionen würden die Abstände zwischen den einzelnen Episoden in der Regel kleiner und die einzelnen Episoden immer schwerer. Auch aus einer spezielleren Befragung des Nervenarztes könnten sich weitere Erkenntnisse ergeben. Höchstwahrscheinlich sei Ende 2006 die Leistungsfähigkeit des Klägers in demselben Umfang wie heute eingeschränkt gewesen.

Das SG hat daraufhin die bei Dr. S. für den Kläger geführte Karteikarte beigezogen und den Hausarzt des Klägers Dr. D. befragt. Dieser teilte in der schriftlichen Auskunft vom 27.5.2011 mit, der Kläger befinde sich seit Ende 2003 in seiner Behandlung. Der Kläger leide an einer chronischen Depression. Das Ausmaß der Leistungsfähigkeit sei schwer einzuschätzen, zumal die Intensität der Erkrankung wechsele. Es könnten auch Abschnitte mit voller Leistungsfähigkeit bestehen. In den Jahren 2006 und 2007 habe sich der Kläger nur insgesamt drei Mal in seiner Sprechstunde vorgestellt, im Juli 2006 zu einer Routineuntersuchung und im November 2007 wegen Rückenschmerzen. Der Kläger habe sich überwiegend bei seinem Nervenarzt in Behandlung befunden. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien keine ausgestellt worden. Im November 2007 sei wegen heftiger Rückenschmerzen von einer Arbeitsunfähigkeit für mutmaßlich zwei Wochen auszugehen.

Mit Urteil vom 21.11.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. In den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls seien keine drei Jahre Pflichtbeitragszeiten nachgewiesen. Zeitpunkt des Leistungsfalls sei der 10.10.2008, da dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2009 zu entnehmen sei, dass sich die zur Leistungsminderung führende depressive Symptomatik seit sechs Monaten verstärkt habe und seit vier Monaten psychotische Symptome hinzugetreten seien. Im danach maßgeblichen Zeitraum vom 10.10.2003 bis 09.10.2008 seien nur 15 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Verlängerungszeiten lägen nicht vor. Auch die weiteren Ausnahmetatbestände, die Pflichtbeitragszeiten im genannten Umfang entbehrlich machten, seien nicht erfüllt. Ebenso lägen keine Anwartschaftserhaltungszeiten vor. Schließlich stünde zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger nicht schon ab dem 01.01.2006 erwerbsgemindert gewesen sei. Den Ausführungen des Gutachters Dr. Ö. könnten in Bezug auf den Beginn der Leistungsminderung nicht gefolgt werden. Die Schlussfolgerungen des Gutachters beruhten insbesondere auf anamnestischen Angaben des Klägers. Der Gutachter habe dies selbst eingeräumt. Die Ermittlungen des Gerichts hätten einen Leistungsfall ab 2006 nicht ergeben. Vielmehr stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zwar immer depressive Episoden erlitten habe, diese jedoch nicht durchgängig dauerhaft im Sinne einer Erwerbsminderung vorgelegen hätten. Den von Dr. S. bzw. Dr. K. für den Kläger geführten Karteikarten könnten nur Diagnosen entnommen werden. Die sehr knappen Eintragungen ließen nicht auf Funktionsbeeinträchtigungen schließen. Prof. H. habe eine Erwerbsminderung nur für das Jahr 2009 bestätigen können. Auch Dr. D. habe eingeräumt, dass die Erkrankung des Klägers in ihrer Intensität wechsele und zwischendurch Abschnitte mit voller Erwerbsfähigkeit bestehen könnten. Bei Dr. Z. habe das Gericht keinen Befundbericht eingeholt, da sich aus den Akten ergebe, dass sich der Kläger erstmals im Jahr 2008 in seiner Behandlung befunden habe. Aus dem Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahr 2002 ergebe sich schließlich, dass der Kläger damals noch bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als arbeitsfähig eingestuft worden sei. Zur Überzeugung der Kammer sei daher nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Januar 2006 nicht mehr in der Lage gewesen sei, leichte Tätigkeiten mindestens sechsstündig durchzuführen. Schließlich habe der Kläger zur Überzeugung der Kammer auch seinen bisherigen Beruf im Januar 2006 noch ausüben können bzw. sei als angelernter Arbeiter auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes breit verweisbar.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.11.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12.2011 beim SG (eingegangen beim Landessozialgericht (LSG) am 29.12.2011) Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, aus den Angaben von Dr. S. und Dr. Ö. ergebe sich, dass er schon im November 2006 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Die Aufzeichnungen von Dr. K. ermöglichten die Rückdatierung der Leistungsbeurteilung. Schon im Jahr 2002 habe sich die Schwere der Krankheit des Klägers gezeigt. Der Kläger habe im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme in K. mit Ärzten und Pflegern sprechen können, die seine Muttersprache beherrschen. Bereits damals seien die dringende Weiterbehandlung sowie weitere Maßnahmen empfohlen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.11.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 abzuändern und dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Das LSG hat ein weiteres nervenfachärztliches Gutachten eingeholt. D. H. hat im Gutachten vom 04.12.2012 die von Dr. Ö. festgestellten Gesundheitsstörungen und Leistungseinschränkungen bestätigt. Zur Frage des Zeitpunkts des Leistungsfalls hat D. H. ausgeführt, dass retrospektiv nur schwer eine Feststellung möglich sei. Der Kläger habe den Krankheitsverlauf nicht präzise nachzeichnen können. Der im Jahr 2002 von Dr. K. beschriebene Befund spreche nicht für das Vorliegen einer mittelgradigen oder gar schweren depressiven Episode. Dazu passe, dass damals die Diagnosen "depressive Neurose, psychosomatisches Beschwerdebild" gestellt worden seien. Seit der Behandlung in der M. im Januar 2009 seien sich alle Untersucher und Behandler einig, dass eine schwere Depression und ein untervollschichtiges Leistungsvermögen vorlägen. Nachdem damals dokumentiert worden sei, sechs Monate zuvor hätten sich die depressiven Symptome verstärkt und vier Monate zuvor hätten einige psychotischen Symptome begonnen, lasse sich ein vergleichbares Krankheitsbild seit etwa Mitte 2008/Herbst 2008 ableiten. Seit damals lasse sich auch die quantitative Leistungsminderung begründen. Für die Zeit zuvor, dh für den Zeitraum zwischen Herbst 2002 und Sommer/Herbst 2008, lasse sich keine eindeutige Beurteilung treffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 und Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 ist rechtmäßig.

Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger (frühestens) seit dem 01.08.2008 erwerbsgemindert ist. Zu diesem Zeitpunkt und auch danach waren aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt.

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht fest, dass der Kläger (frühestens) seit dem 01.08.2008 nicht mehr unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Aus den aktenkundigen Befundunterlagen ergibt sich zwar, dass der Kläger schon seit 1987 wegen Depressionen in nervenfachärztlicher Behandlung bei Dr. K. war. Es sind jedoch keine derart schweren psychischen Beeinträchtigungen dokumentiert, dass eine quantitative Leistungseinschränkung schon vor August 2008 angenommen werden kann. Aus den im Reha-Verfahren von Dr. K. unter dem 09.04.2002 gegenüber der L. gemachten Angaben ergibt sich lediglich, dass der Kläger damals an einer depressiven Neurose und einem psychosomatischen Beschwerdesyndrom litt. Die Nervenärztin befürwortete aufgrund der Beschwerden mit Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Lust- und Freudlosigkeit, Potenzstörungen, Nervosität, Angst und phobischen Zuständen eine Rehabilitationsmaßnahme. Sie nahm eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit an. Von einer bereits eingetretenen Erwerbsminderung berichtete Dr. K. nicht. Auch aus den Ausführungen im Reha-Entlassungsbericht von 2002 kann nicht auf eine zeitlich relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit geschlossen werden. Danach wurde der Kläger mit den Diagnosen rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode und Nikotinabhängigkeit als arbeitsfähig entlassen. Die Ärzte hielten den Kläger sowohl hinsichtlich seiner letzten Tätigkeit als auch bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für vollschichtig leistungsfähig. Er konnte mittelschwere Arbeiten ohne Einschränkungen von Seiten der Arbeitshaltung in Tag- oder Früh-/Spätschicht ausüben. Einschränkungen bestanden noch von Seiten der geistig-psychischen Belastbarkeit beim Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, so dass neben Nachtschichtarbeiten zB auch Arbeiten mit einer erhöhten Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit wie zB Akkord vermieden werden sollten. In der Folgezeit befand sich der Kläger weiterhin bei Dr. K. in Behandlung, nicht jedoch in stationärer psychiatrischer Behandlung. In der von Dr. K. geführten Karteikarte sind im Jahr 2003 insgesamt nur fünf, im Jahr 2004 sieben, im Jahr 2005 sechs und im Jahr 2006 wieder nur fünf Behandlungstermine des Klägers dokumentiert. Eine Intensivierung der nervenärztlichen Behandlung nach Ende der Reha-Maßnahme im Jahr 2002 kann mithin nicht festgestellt werden. Auch die Aussagen des Hausarztes des Klägers Dr. D. und des Orthopäden Dr. G. lassen die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung im maßgeblichen Zeitraum nicht zu. Im maßgeblichen Zeitraum war der Kläger nur sehr selten bei diesen Ärzten in Behandlung. Aus der Dokumentation von Dr. D. ergeben sich zudem nur Diagnosen, darunter die nicht näher qualifizierte Diagnose "Depression". Erstmals im Entlassungsbericht der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2009 wird eine schwere Episode der depressiven Störung mit quantitativen Leistungseinschränkungen beschrieben. Aufgrund der depressiven Symptomatik mit Konzentrationsproblemen, Unruhe, Anspannung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit ist danach eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden auch in Bezug auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes anzunehmen. Dieses Leistungsvermögen wird von den Gerichtsgutachtern Dr. Ö. und D. H. bestätigt.

Der Beginn der erstmals im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme von 2009 festgestellten Leistungseinschränkung lässt sich auf frühestens 01.08.2008 zurückdatieren. Der Kläger hatte gegenüber den Rehabilitationsärzten angegeben, dass er in dieser Zeit in der T. kollabierte. Seit sechs Monaten hätten sich die depressiven Symptome verstärkt und seit vier Monaten hätten einige psychotische Symptome begonnen. Damit ist ein Beginn der schweren depressiven Episode und der dadurch bedingten Einschränkungen im August 2008 nachvollziehbar. Ein früherer Beginn der Leistungseinschränkung lässt sich dagegen nicht feststellen. Insoweit überzeugen die Ausführungen des Gerichtsgutachters Dr. Ö. nicht. Er spricht sich in seinem Gutachten vom 14.04.2011 dafür aus, dass Ende 2006 die Leistungsfähigkeit des Klägers "höchstwahrscheinlich" schon im selben Umfang eingeschränkt gewesen sei. Dabei kann der Gutachter seine Vermutung im Wesentlichen nur auf ungenaue anamnestische Angaben des Klägers und seiner Ehefrau stützen. Befunde oder Leistungsbeurteilungen aus dem relevantem Zeitraum kann der Gutachter nicht anführen. Ebenso überzeugt die Aussage von Dr. S., der Kläger sei seit jedenfalls November 2006 erwerbsgemindert, nicht. Er selbst behandelte den Kläger erst seit 2008 und kann deshalb keine eigenen Beobachtungen wiedergeben. Den Aufzeichnungen von Dr. K. können keine Befunde entnommen werden, die auf einen früheren Beginn der schweren depressiven Störung und relevanten Beeinträchtigungen schließen ließen. Der Gerichtsgutachter D. H. bestätigt schließlich, dass eine quantitative Leistungsminderung erst seit etwa Mitte 2008/Herbst 2008 abgeleitet werden kann.

Damit ist zur Überzeugung des Senats frühestens am 01.08.2008 ein Leistungsfall anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt und auch später waren jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt.

Die allgemeine Wartezeit hat der Kläger zwar erfüllt (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), da jedenfalls 60 Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten belegt sind. Es fehlen jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Belegung von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung. In dem Zeitraum vom 01.08.2003 bis 31.07.2008, als Fünfjahreszeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung, sind keine 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Denn in dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf, der zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sind im Fünfjahreszeitraum nur 15 Monate mit Pflichtbeitragszeiten vermerkt. Auch zu einem späteren Zeitpunkt (zB Datum der Begutachtung) sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes kommt nicht in Betracht, da der Kläger innerhalb dieses Zeitraumes keine nach § 43 Abs. 4 SGB VI maßgeblichen Zeiten zurückgelegt hat.

Der Kläger hat weder eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen noch Anrechnungszeiten zurückgelegt (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Die beiden Rehabilitationsmaßnahmen liegen außerhalb des Fünfjahreszeitraums und können deshalb keine Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründen. Gleiches gilt für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die bis zum 02.10.2002 zur Gewährung von Krankengeld führten. Vorliegend könnten ohnehin nur Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 01.01.2005 zur Verlängerung des Fünfjahreszeitraums führen. Denn die davor liegenden Zeiten sind mit Pflichtbeiträgen belegt. Sind Monate zum Teil mit einer Pflichtbeitragszeit und zum Teil mit einer Anrechnungszeit belegt, gilt der Monat als Pflichtbeitragsmonat; eine Verlängerung aufgrund der Anrechnungszeit findet dann nicht statt (Freudenberg in jurisPK-SGB VI § 43 Rn. 281). Für den genannten Zeitraum ist Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen. Die Ärzte des Klägers haben keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Soweit Dr. D. nachträglich eine Arbeitsunfähigkeit im November 2007 für "mutmaßlich" zwei Wochen annimmt, fehlte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die Voraussetzung der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Im Übrigen hat die Beweiserhebung nicht ergeben, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.2005 bis 31.07.2008 leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben konnte (s.o.). Ob der Kläger seine letzte Tätigkeit als Löter krankheitsbedingt nicht mehr ausüben konnte, kann dahin gestellt bleiben. Denn bei fortdauernder Erkrankung entfällt spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren (gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit) ein "nachgehender" Berufsschutz für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (BSG Urt. v. 25.02.2004 – B 5 RJ 30/02 R, BSGE 92, 199; fortgeführt durch BSG Urt. v. 25.02.2010 – B 13 R 116/08 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 11). Damit ist zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit jedenfalls ab dem 24.12.2004 nicht mehr auf die letzte Tätigkeit des Klägers abzustellen.

Die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (ab 01.01.2005) sind vorliegend ebenfalls keine Anrechnungszeiten iSd § 43 Abs. 4 Nr. 1 iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, da der Kläger ohne Meldung als Arbeitsuchender arbeitslos war. Ob der Kläger – wie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht – insoweit fehlerhaft durch das Jobcenter beraten wurde, kann dahin gestellt bleiben. Denn selbst bei – hier nicht nachgewiesener – Falschberatung könnte die Arbeitsuchendmeldung nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden (zur Arbeitslosmeldung BSG Urt. v. 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R).

Anhaltspunkte für das Erfüllen anderer Tatbestände für Anrechnungszeiten liegen nicht vor. Es liegt darüber hinaus auch keine Berücksichtigungszeit iSd § 43 Abs. 4 Nr. 2 iVm §§ 57, 249b SGB VI (wegen Kindererziehung oder Pflege) vor. Ebenso wenig liegt eine Zeit iSd § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI vor. Danach sind solche Zeiten zu berücksichtigen, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 oder 2 SGB VI liegt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die von Dr. D. angenommene Arbeitsunfähigkeit im November 2007 ist zwar (jedenfalls) wegen fehlender Unterbrechung keine Anrechnungszeit (s.o.); in den letzten sechs Monaten vor Beginn dieser Zeit liegen jedoch weder ein Pflichtbeitrag noch eine Anrechnungszeit, eine Zeit des Bezugs von Erwerbsminderungsrente oder eine Berücksichtigungszeit. Darüber hinaus liegen im maßgeblichen Zeitraum auch keine Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres (§ 43 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI). Schließlich sind Verlängerungstatbestände nach § 241 Abs. 1 SGB VI nicht gegeben, da der Kläger keine Ersatzzeiten oder Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992 zurückgelegt hat.

Die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist auch nicht nach § 43 Abs. 5 SGB VI entbehrlich. Danach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (zB Arbeitsunfall, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung; § 53 SGB VI). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Schließlich sind die Tatbestände des § 241 Abs. 2 SGB VI ebenfalls nicht erfüllt. Insbesondere ist nicht jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit rentenrelevanten Zeiten belegt. Im Versicherungsverlauf des Klägers besteht seit 01.01.2005 eine Lücke, die auch mit der Ausnahmeregelung des § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht geschlossen werden kann. Die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen scheitert vorliegend jedenfalls an der Frist des § 197 Abs. 2 SGB VI.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 43 SGB VI.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ob der Kläger als angelernter Löter Berufsschutz genießt, kann dahin gestellt bleiben. Jedenfalls ist (auch) in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit ein Leistungsfall vor dem 01.08.2008 nicht nachgewiesen. Mit dem nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2002 dokumentierten Leistungsvermögen konnte der Kläger seine Tätigkeit als Löter mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausführen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (s.o.) steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger dieses Leistungsvermögen schon vor dem 01.08.2008 verloren hatte. Zu diesem Zeitpunkt aber waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt (s.o.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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