L 4 KR 4445/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5117/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4445/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. September 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Aufforderung der beklagten Krankenkasse zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Der am 1949 geborene Kläger war als abhängig Beschäftigter pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten. Er war seit 20 Jahren bei der Firma H. als Schweißer beschäftigt. Die Tätigkeit wurde gehend und stehend verrichtet, oft in gebückter Stellung, mit erhobenen Armen, kniend und hockend; dabei waren Lasten über 20 kg zu heben und zu tragen. Ständige Konzentration war erforderlich, gearbeitet wurde im Freien bei Nässe, Kälte, Hitze, starkem Lärm, starker Staubentwicklung, belästigender Rauchentwicklung, belästigenden Gasen oder Dämpfen. Der Kläger leidet seit mehreren Jahren an einem Morbus Basedow und Herzrhythmusstörungen. Ab dem 8. März 2010 war er aufgrund von Depressionen arbeitsunfähig. Er bezog bis zum 31. Mai 2011 Krankengeld von der Beklagten. Am 1. Juni 2011 nahm er seine Beschäftigung wieder auf, nahm gleichzeitig Urlaub und beendete das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2011. Ab 1. September 2011 bezog er Arbeitslosengeld. Anschließend beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (im Folgenden: DRV B-W) eine Rehabilitationsmaßnahme und stellte den Antrag ruhend.

Der behandelnde Hausarzt, Facharzt für Innere Medizin Dr. K. gab gegenüber der Beklagten am 28. Mai 2010 an, der Kläger könne auch leichte Tätigkeiten derzeit nicht ausüben, ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei noch nicht absehbar. Mitbehandler sei der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T ... Eine Radiojodtherapie werde durchgeführt, eine Psychotherapie sei vorgesehen. Es bestehe Erwerbsminderung. Wegen des Vorhofflimmerns sei keine mittelschwere Arbeit mehr möglich. Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) gab in seinem sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 6. Juli 2010 die Diagnosen Depression, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern, Morbus Basedow, Katarakta inzipienz, Conjunktivitis sicca sowie arterielle Hypertonie an. Bei Würdigung der vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass das infolge der somatischen Leiden inhaltlich eingeschränkte Leistungsvermögen nicht mehr mit der langjährig ausgeübten Tätigkeit als Schweißer kompatibel sei, somit bestehe hierfür auf Dauer Arbeitsunfähigkeit, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 51 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) liege vor. Vorstellbar sei nach Besserung der hinzugetretenen depressiven Symptomatik künftig ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten ohne permanenten Zeit- und Leistungsdruck, ohne Absturzgefahr, ohne hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Sehvermögen. Für die bisherige Tätigkeit als Schweißer führe ein Heilverfahren nicht zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 - versehen mit Rechtsbehelfsbelehrung - forderte die Beklagte den Kläger auf, bis spätestens 21. September 2010 einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen, den sie (die Beklagte) an die DRV B-W weiterleiten werde. Im Beratungsgespräch vom selben Tag sei ausführlich über die Erkrankung und die aufgrund der Arbeitsunfähigkeit zu beachtenden rechtlichen Vorschriften gesprochen worden. Unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft und des Klägers sei sie (die Beklagte) zu der Entscheidung gekommen, dass das Einleiten von Maßnahmen über den Rentenversicherungsträger zur Klärung der Situation beitrage. Diese Auffassung vertrete auch der MDK im Gutachten vom 6. Juli 2010. Anderenfalls werde sie nur bis zum 21. September 2010 Krankengeld zahlen. Sie wies darauf hin, dass der Rentenversicherungsträger den Antrag in einen Rentenantrag umdeuten könne und der Kläger bestimmte Erklärungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger und der Rehabilitationsklinik nur mit ihrer Zustimmung abgeben könne. Der Kläger gab einen Vordruck des Facharztes für Orthopädie Dr. J. vom 5. Juli 2010 zur Einleitung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab und stellte am 13. Juli 2010 einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Er erklärte sich mit der Weiterleitung des MDK-Gutachtens an den Rentenversicherungsträger einverstanden.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 Widerspruch. Der Bescheid enthalte keine Ermessensausübung. Es handele sich um ein Standardschreiben. Er (der Kläger) sei überfordert und übervorteilt worden und habe nur infolgedessen den Rehabilitationsantrag unterschrieben. Er sei der deutschen Amtssprache nicht mächtig. Eine Reha-Maßnahme sei auch nach dem MDK-Gutachten nicht indiziert. Die Beklagte dürfe ihn nicht in eine "abschlagsorientierte" Rente drängen. Auf Anfrage der Beklagten vom 4. August 2010, welche Ermessensgesichtspunkte hätten berücksichtigt werden sollen, gab er an, die Ermessensausübung könne nicht nachgeholt werden.

Mit Bescheid vom 30. Juli 2010 gewährte die DRV B-W eine Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation in der Klinik am Südpark, Abteilung Psychosomatik. Den Aufnahmetermin am 19. August 2010 sagte der Kläger ab. Er legte der Beklagten ein Attest der Ärztin für Nuklearmedizin Dr. Ku. vom 9. August 2010 vor, wonach er nicht belastbar sei und die Rehabilitationsmaßnahme verschieben müsse, bis eine gute Einstellung der derzeit massiven Hypothyreose erreicht sei. Dr. N. vom MDK empfahl auf Anfrage der Beklagten unter dem 27. August 2010 zunächst die Schilddrüsensituation zu optimieren, danach ggf. eine orthopädische Rehabilitationsmaßnahme zu veranlassen. Aus medizinischer Sicht sei der Kläger auf Zeit arbeitsunfähig. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 1. September 2010 mit, dass sie aufgrund der Stellungnahme des MDK von weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit ausgehe, derzeit keine Rehabilitationsfähigkeit bestehe, diese werde in zwei bis drei Monaten erneut geprüft. Der damalige klägerische Bevollmächtigte mahnte den Erlass eines Abhilfebescheides an. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 zurück. Die Krankenkasse könne nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert sei, eine Frist von zehn Wochen setzen, in der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen hätten. Nach § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) seien Leistungsträger ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hätten dieses entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen einzuhalten. Auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens bestehe ein Anspruch. Die Aufforderung nach § 51 SGB V sei vor der Aushändigung mit dem Kläger besprochen worden. Gesichtspunkte gegen eine Aufforderung nach § 51 SGB V für eine Abwägung zugunsten des Klägers seien nicht genannt worden, auch nicht auf Nachfrage beim klägerischen Bevollmächtigten. Das Interesse des Versicherten an einem möglichst langen Krankengeldbezug sei allein im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung kein Grund, von der Aufforderung zum Stellen des Rehabilitationsantrages abzusehen. Unter Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft mit denen des Klägers sei - wie bereits in der Entscheidung vom 12. Juli 2010 festgestellt - die Aufforderung zum Stellen des Rehabilitationsantrags rechtmäßig.

Am 8. September 2010 stellte der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG - S 11 KR 4602/10 ER -) einen Antrag auf Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12. Juli 2010. Nachdem die Beklagte erklärte, die aufschiebende Wirkung zu beachten und weiterhin Krankengeld zu zahlen, da der Kläger der Aufforderung nachgekommen sei und den Rehabilitationsantrag fristgerecht gestellt habe, erklärte der Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes am 4. Oktober 2010 für erledigt.

Mit seiner am 6. Oktober 2010 zum SG erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Da die Beklagte von ihm gegenwärtig nicht verlange, eine Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen, müsse sie den Bescheid aufheben. Er (der Kläger) habe auch den Bewilligungsbescheid des Rentenversicherungsträgers hinsichtlich der Rehabilitationsmaßnahme angefochten. Er müsse von jeglicher Gefährdung seines zurückliegenden Krankengeldanspruchs freigestellt werden. Die Rehabilitationsfähigkeit sei bei der Aufforderung zum Rehabilitationsantrag nicht gegeben gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zur Aufhebung des Bescheides vom 12. Juli 2010 bestehe kein Anlass. Fraglich sei vielmehr das Rechtsschutzinteresse des Klägers, diesen anzufechten. Die Aufforderung zum Rehabilitationsantrag erledige sich bei Aufnahme der bisherigen oder einer neuen Tätigkeit oder bei anderweitigem Sozialleistungsbezug. Seinerzeit sei die Aufforderung rechtmäßig gewesen, insbesondere sei Voraussetzung nicht Rehabilitationsfähigkeit, sondern Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Anderenfalls wäre § 51 SGB V gerade bei besonders schweren Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nicht anwendbar, was nicht der Zuständigkeitsverteilung zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherungsträger entspreche. Ob ein Erfolg von Rehabilitationsmaßnahmen nicht zu erwarten sei, entscheide der Rentenversicherungsträger, der den Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation ggf. in einen Rentenantrag nach § 116 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) umdeute. Unter dem 21. April 2011 stellte Dr. N. vom MDK bei suffizient eingestellten Schilddrüsenwerten Rehabilitationsfähigkeit fest, angesichts der nachgewiesenen vaskulären Enzephalopathie mit kognitiven Defiziten in einer übersichtlichen Klinik mit neuropsychologischem Schwerpunkt.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 11. September 2012 ab. Die Voraussetzungen des § 51 SGB V seien erfüllt. Nach den Feststellungen des MDK im Gutachten vom 6. Juli 2010 sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen gewesen. Die vom Kläger gerügte mangelnde Rehabilitationsfähigkeit stehe nicht entgegen. § 51 SGB V setze die Erfolgsaussicht der Leistung zur Rehabilitation nicht voraus. Die Krankenkasse könne daher auch bei fehlender Erfolgsaussicht zur Antragstellung auffordern, um über die Umdeutung des Antrags nach § 116 Abs. 2 SGB VI eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über den Rentenanspruch herbeizuführen. Die Aufforderung stehe im Ermessen der Krankenkasse. Die Beklagte habe ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Nach der Begründung im Bescheid vom 12. Juli 2010 beruhe die Entscheidung auf einer Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft mit den Interessen des Klägers. Da der Kläger trotz Aufforderung mit Schreiben vom 4. August 2010 keine bei der Ermessensausübung bisher unberücksichtigt gebliebenen Gesichtspunkte mitgeteilt habe, sei auch die Würdigung im Widerspruchsbescheid rechtsfehlerfrei erfolgt.

Gegen das ihm über seinen Bevollmächtigten am 12. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Oktober 2012 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Er (der Kläger) sei kein Objekt, das man zwischen den verschiedenen Sozialversicherungsträgern hin- und herschieben könne, sondern ein Subjekt, ausgestattet mit Rechten. Die Aufforderung zur Stellung eines Rehabilitationsantrages unter Androhung der Einstellung des Krankengeldes verstoße als Verwaltungszwangsmaßnahme durch die psychische Drangsalierung gegen Artikel 1 Grundgesetz (GG). Es sei unbegreiflich, dass ein Gericht so etwas im wahrsten Sinne des Wortes absegne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. September 2012 und den Bescheid vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf das angegriffene Urteil und ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, auch zum Verfahren S 11 KR 4602/10 ER, und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings ist die Klage bereits unzulässig.

Der im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren gestellte Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010 aufzuheben, ist unzulässig.

Eine Anfechtungsklage ist nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nur zulässig, wenn sie sich gegen einen Verwaltungsakt richtet. Dieser muss noch zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung wirksam sein und darf sich nicht erledigt haben, ansonsten kann seine Rechtmäßigkeit allenfalls mit einer Fortsetzungsfeststellungs-, nicht aber mehr mit einer Anfechtungsklage überprüft werden.

Zwar handelt es sich bei dem angegriffenen Schreiben vom 12. Juli 2010 um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen erfüllen Aufforderungsschreiben nach § 51 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - B 1 KR 6/03 -; in juris). Insbesondere haben sie eine rechtliche Auswirkung. Die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Rehabilitationsmaßnamen bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger löst die in der Norm genannte Frist von zehn Wochen aus. Nach Ablauf dieser Frist erlischt nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld, wenn er keinen Antrag auf Rehabilitationsleistungen gestellt hat. Hierin liegt ein Eingriff in die Rechtsposition des Adressaten des Aufforderungsschreibens, in diesem Falle des Klägers (vgl. Urteil des Senats vom 7. August 2009 - L 4 KR 936/07 -; nicht veröffentlicht).

Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 ist jedoch unwirksam geworden und war dies auch schon vor Erhebung des Widerspruchs am 28. Juli 2010 und der Klage am 6. Oktober 2010. Eine Anfechtungsklage kann sich nur gegen einen wirksamen Verwaltungsakt richten. Ein Verwaltungsakt wird nach § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt und mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird. Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt - nur - wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung tritt auch ein, wenn der Verfügungssatz eines Bescheids seine Rechtswirkung dadurch verliert, dass die angeordnete Rechtsfolge eingetreten ist. Der Verfügungssatz und damit der Regelungsgehalt eines Bescheids nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist - nur - die Aufforderung an den Versicherten, einen Rehabilitationsantrag zu stellen. Die Zehn-Wochen-Frist nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist lediglich eine kraft Gesetzes eintretende - mögliche - Folge einer Aufforderung zur Stellung eines Rehabilitationsantrags. Diese Frist wird nicht durch den Verfügungssatz des Bescheids selbst ausgelöst. Die Ablehnung der Zahlung von Krankengeld nach Ablauf der Zehn-Wochen-Frist, wenn der Versicherte den Rehabilitationsantrag nicht stellt, muss entsprechend durch gesonderten Bescheid erfolgen. Eine eventuelle spätere Umdeutung des Rehabilitations- in einen Rentenantrag - die hier nicht erfolgt ist - ist nicht einmal mehr eine mittelbare Folge der Aufforderung selbst. Hier hatte der Kläger am 13. Juli 2010 den Rehabilitationsantrag gestellt, zu dem ihn die Beklagte aufgefordert hatte. Damit war der rechtliche Inhalt des Verfügungssatzes umgesetzt und der Bescheid selbst war erledigt.

Der Kläger konnte die Aufforderung im Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, nur noch mit einem Fortsetzungsfeststellungswiderspruch bzw. einer Fortsetzungsfeststellungsklage angreifen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage wäre allerdings ebenfalls unzulässig gewesen.

Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt vor der Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Norm ist auch (analog oder in erweiternder Auslegung) anwendbar, wenn sich ein Verwaltungsakt bereits vor Klagerhebung oder sogar vor Einlegung des Widerspruchs, aber jedenfalls vor Ablauf der einschlägigen Rechtsbehelfsfrist, erledigt hatte. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts liegt dann vor, wenn diese Feststellung geeignet ist, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 131 Rn. 10a). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger durch den Bescheid selbst fortwährend in seinen Rechten verletzt oder durch die Begründung des Verwaltungsakts oder durch die Umstände seines Erlasses in seinen Grundrechten beeinträchtigt ist (Rehabilitationsinteresse), wenn die Entscheidung für ein anderes Rechtsverhältnis, etwa zur Durchsetzung eines Schadens- bzw. Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes (GG), präjudiziell wäre oder wenn in naher Zukunft bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen konkrete Wiederholungsgefahr besteht, der Kläger also erneut Adressat eines gleichen Verwaltungsakts werden wird, weil absehbar ist, dass er einen entsprechenden Antrag erneut stellen muss oder erneut in die Situation geraten wird, in der die Behörde den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist - wie bei der Feststellungsklage nach § 55 SGG - grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Keller, a.a.O, Rn. 10 m.w.N.), hier, nachdem der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet, der Tag der Entscheidung durch den Senat.

Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010 rechtswidrig gewesen sei.

Wie bereits ausgeführt, erschöpfte sich der rechtliche Regelungsgehalt dieses Bescheids darin, den Kläger zur Stellung eines Rehabilitationsantrags aufzufordern. Die Feststellung, dass diese Aufforderung rechtswidrig gewesen sei, würde die Rechtsposition des Klägers in keiner Weise verbessern. Konkrete rechtliche Nachteile hat er nicht geltend gemacht.

Da der Kläger - nachdem er zunächst bis 31. Mai 2011 Krankengeld von der Beklagten bezog - am 1. Juni 2011 seine Arbeit wieder aufnahm und ab 1. September 2011 Arbeitslosengeld bezog, was Verfügbarkeit und damit Arbeitsfähigkeit voraussetzt, bestanden schon in tatsächlicher Hinsicht die Umstände, die zur Aufforderung nach § 51 SGB V geführt hatten, nicht fort. Dass der Kläger erneut aufgefordert wurde, ist im Klage- und im Berufungsverfahren nicht vorgetragen worden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat bestand somit keine Wiederholungsgefahr.

Der Kläger kann auch ersichtlich im Zusammenhang mit der Aufforderung der Beklagten keine Amtshaftungsansprüche geltend machen. Nachteile bzw. Schäden sind ihm nicht entstanden.

Da der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 bereits am 13. Juli 2010 erledigt war und damit seine Wirksamkeit verloren hatte, geht das von der Beklagten durchgeführte Widerspruchsverfahren mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 ins Leere. Hat sich der Verwaltungsakt vor Ablauf der Widerspruchsfrist erledigt, bedarf es nämlich entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG eines Vorverfahrens nicht, auch eine Klagefrist entsprechend § 87 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 ist nicht einzuhalten (zu allem Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 131 Rn. 7d).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved