L 9 R 468/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 3146/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 468/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit sowie die Feststellung weiterer Versicherungszeiten. Zunächst ist darüber zu entscheiden, ob die Berufung zulässig ist.

Mit Bescheid vom 18.11.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 27.2.2012 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen rentenrechtlichen Zeiten bis 31.12.2005 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien. Außerdem teilte sie dem Kläger mit, welche Zeiten nicht als Beitragszeit vorgemerkt werden konnten.

Gegen den Bescheid vom 27.2.2012 legte der Kläger am 20.3.2012 Widerspruch ein und begehrte die Vormerkung weiterer Versicherungszeiten.

Im selben Schreiben begehrte er die erneute Prüfung, ob ihm Rente wegen Erwerbsminderung zustehe. Außerdem beantragte er die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Mit Bescheid vom 28.3.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab. Hierfür seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Im maßgeblichen 10-Jahreszeitraum vom 1.4.2002 bis 31.3.2012 habe der Kläger anstatt der erforderlichen acht Jahre (96 Kalendermonate) nur 14 Kalendermonate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt.

Mit Bescheid vom 10.4.2012 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 18.11.2011 ab, da dieser Bescheid rechtmäßig gewesen sei.

Mit dem am 18.4.2012 eingegangenen Widerspruch wandte sich der Klägern gegen die Bescheide vom 28.3.2012, vom 10.4.2012 sowie (erneut) gegen den Bescheid vom 27.2.2012 und einen Bescheid vom 4.12.2011 (gemeint wohl: Bescheid vom 18.11.2011).

Mit drei getrennten Widerspruchsbescheiden vom 9.8.2012 wies die Beklagte die Widersprüche gegen den Bescheid vom 28.3.2012 (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit), den Bescheid vom 10.4.2012 (Rente wegen Erwerbsminderung) und den Bescheid vom 27.2.2012 (Feststellungsbescheid) zurück.

Gegen alle drei Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 30.8.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben und ärztliche Unterlagen sowie den Bescheid des Landratsamts K. vom 31.8.2012 (GdB 60 seit 1.1.2010) vorgelegt.

Mit Verfügung vom 7.11.2012 hat das SG auf seine Absicht hingewiesen, gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 7.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 8.12.2012 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 25.1.2013, eingegangen beim SG am 30.1.2013, Berufung eingelegt. Er hat vorgetragen, er habe das Schreiben des SG vom 7.11.2012 seinem Sozialarbeiter gezeigt, der erklärt habe, da darin keine Frist angegeben sei, hätte er genügend Zeit, seinen Rechtsanwalt, Herrn F. aus F., zu kontaktieren und mit ihm das Weitere zu besprechen. Dies sei zwischenzeitlich geschehen; der Rechtsanwalt werde das Weitere veranlassen.

Mit Verfügung vom 19.2.2013 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei. Nicht maßgeblich sei, dass im Hinweisschreiben des SG keine Frist angegeben worden sei. Entscheidend sei, dass danach der Gerichtsbescheid vom 7.12.2012 ergangen sei, in dem sehr wohl eine Frist (Berufungsfrist von einem Monat) genannt worden sei.

Mit Beschluss vom 23.4.2013 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F. abgelehnt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

ihm wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. Februar 2011, 28. März 2011 und 10. April 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung weiterer Versicherungszeiten Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt worden ist.

Der Senat war nicht gehindert, über die Berufung des Klägers zu entscheiden, obwohl der Kläger zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht erschienen war. Einen erheblichen Grund für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger nicht genannt und insbesondere nicht glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass der Kläger nur bereit war, zum Termin zu erscheinen, wenn er mit Einzeltransport – und nicht mit Sammeltransport – aus der Justizvollzugsanstalt zum Termin gebracht würde, stellt keinen erheblichen Grund dar. Es ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger aufgrund einer chronischen Bronchitis an der Teilnahme am Termin gehindert war, zumal er erklärt hat, dass der Termin doch nicht aufgehoben werden solle, da er versuchen werde, mit einem Einzeltransport zu kommen. Gemäß § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Berufungsfrist gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist hier versäumt.

Die Berechnung der Berufungsfrist richtet sich nach § 64 SGG. Die Frist beginnt mit dem Tage nach der Zustellung (des Urteils) zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endet mit dem Ablauf desjenigen Tages, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 SGG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid enthält eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung. Sowohl die Frist für die Berufung, die Form der Berufungseinlegung und die Stellen, bei denen die Berufung eingelegt werden kann, sind zutreffend benannt (§ 66 Abs. 1 SGG).

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 7.12.2012 ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 8.12.2012 zugestellt worden. Nach § 64 Abs. 1 SGG hat der Lauf der Berufungsfrist mit dem Tage nach der Zustellung, also am 9.12.2012, begonnen und nach § 64 Abs. 2 S. 1 SGG mit Ablauf des 8.1.2013 geendet. Die im Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung ist vollständig und weist insbesondere auf die Monatsfrist des § 151 SGG hin.

Die Berufung ist indes erst am 30.1.2013 beim SG eingegangen und daher verspätet eingelegt worden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Kläger war jedenfalls nicht ohne Verschulden gehindert, die Berufungsfrist einzuhalten.

Die Berufungsfrist ist nur dann ohne Verschulden nicht eingehalten, wenn diejenige Sorgfalt angewandt wird, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, so dass auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft Prozessführenden die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen ist (BSG, Urteil vom 27.05.2008 - B 2 U 5/07 R - in SozR 4-1500 § 67 Nr. 6 und in Juris, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage § 67 Rn. 3 m.w.N.).

Vorliegend beruht die Fristversäumnis auf dem Verschulden des Klägers, da er die im Gerichtsbescheid des SG vom 07.12.2012 in der Rechtsmittelbelehrung genannte Berufungsfrist nicht beachtet hat.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, sein Sozialarbeiter habe ihm im Hinblick auf das Schreiben vom 7.11.2012 (Hinweisschreiben des Gerichts, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden) gesagt, in diesem Schreiben vom 7.11.2012 sei keine Frist angegeben, weshalb er genügend Zeit habe, seinen Anwalt zu kontaktieren, ist dies nicht maßgeblich. Entscheidend ist, dass danach der Gerichtsbescheid vom 7.12.2012 ergangen ist, in dem sehr wohl eine Frist (Berufungsfrist von einem Monat) genannt ist.

Da somit die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden des Klägers nicht eingehalten worden ist, verwirft der Senat die nicht fristgemäß eingelegte Berufung als unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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