L 9 R 651/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 5865/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 651/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Oktober 2009 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner laufenden Rentenansprüche mit gegen ihn gerichteten Forderungen der Beigeladenen.

Der 1942 geborene Kläger war selbstständig tätig und als Unternehmer (N.R.G. Dienstleistungen für das Kfz-Gewerbe) bei der Beigeladenen Nr. 1, der B. (BG) bzw. deren Rechtsvorgängerin, der BG, versichert. Ausweislich der vorliegenden Beitragsbescheide (Bl. 17 ff. der LSG-Akten L 9 R 651/12) schuldete der Kläger von den bindend festgestellten Beitragsforderungen für die Zeit vom 09.08.1999 bis 15.05.2000 der Beigeladenen Nr. 1 dieser noch 958,37 EUR.

Der AOK in E. schuldete der Kläger aus seiner ehemaligen Arbeitgebereigenschaft noch Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom 16.11.2004 bis 31.01.2005, einschließlich Kosten und Gebühren, i.H.v. 9.869,77 EUR (Bescheid vom 30.06.2006).

Am 15.05.2003 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Beigeladenen Nr. 1 ein, die darin mitteilte, der Kläger schulde ihr Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung einschließlich der bisher entstandenen Kosten und Gebühren in Höhe von 958,37 EUR. Sie bat um Auf- bzw. Verrechnung bzw. um Vormerkung des Verrechnungsersuchens. Die Beklagte teilte der Beigeladenen Nr. 1 unter dem 22.05.2003 mit, dass der Kläger derzeit keine Rentenleistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe erhalte. Das Verrechnungsersuchen werde vorgemerkt.

Am 04.07.2006 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Beigeladenen Nr. 2, der AOK, E., vom 30.06.2006 ein, die mitteilte, der Kläger schulde ihr noch Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom 16.11.2004 bis 31.01.2005 einschließlich Säumniszuschläge und Kosten/Gebühren in Höhe von 9.869,77 EUR. Ab 31.12.2005 kämen weitere Säumniszuschläge hinzu. Die Forderung sei bestandskräftig festgestellt und nicht verjährt (Bescheid vom 30.06.2006: Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom 16.11.2004 bis 31.01.2005, einschließlich Kosten und Gebühren, 9.869,77 EUR). Die Beklagte teilte daraufhin der Beigeladenen Nr. 2 mit, derzeit würden keine Leistungen erbracht. Das Verrechnungsersuchen werde vorgemerkt. Es liege schon ein Verrechnungsersuchen der Beigeladenen Nr. 1 vom 13.05.2003 vor. Am 27.04.2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Regelaltersrente ab 01.08.2007.

Auf Anfrage der Beklagten erklärte die Beigeladene Nr. 1, die Forderung von 958,37 EUR bestehe in voller Höhe (Schreiben vom 10.05.2007) und die Beigeladene Nr. 2, der Kläger schulde ihr nach wie vor 9.869,77 EUR; hinzu kämen Säumniszuschläge (Schreiben vom 08.05.2007).

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 21.05.2007 zur beabsichtigten Verrechnung mit der Forderung der Beigeladenen Nr. 1 in Höhe von 958,37 EUR mit der Hälfte der monatlichen Nettorente in Höhe von 600,77 EUR (verbleibender Rest 300,38 EUR) an. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht.

Mit Bescheid vom 22.05.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 01.08.2007 Regelaltersrente in Höhe von 600,77 EUR.

Mit Bescheid vom 12.06.2007 verrechnete die Beklagte die Forderung der Beigeladenen Nr. 1. Sie führte aus, 300,38 EUR würden verrechnet und 300,39 EUR würden an den Kläger ausgezahlt.

Mit einem weiteren Bescheid vom 13.06.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Rente werde neu berechnet, weil sich der Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung um einen Beitragszuschlag erhöht habe. Für die Zeit ab 01.08.2007 würden monatlich 300,39 EUR gezahlt. Gleichzeitig teilte sie der Beigeladenen Nr. 1 mit, ab 01.08.2007 würden an sie 300,38 EUR ausgezahlt.

Gegen die Bescheide vom 12.06. und 13.06.2007 legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, die geltend gemachten Beitragsansprüche richteten sich gegen seine in Insolvenz gegangene Firma. Sie seien nicht persönlich tituliert und zwischenzeitlich verjährt. Eine Aufrechnung komme daher nicht in Betracht. Die Vorschriften der §§ 52, 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien rechtsunwirksam, da sie gegen höherrangiges Recht, nämlich gegen die Vorschriften der §§ 811 Ziff. 8, 850 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 4 SGB I, verstießen. Außerdem liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vor, da nicht nachzuvollziehen sei, weshalb einzelne staatliche Stellen mit der Durchsetzung ihrer vermeintlichen Ansprüche besser gestellt werden sollten als jede andere Person, die auf das pfändbare Arbeitseinkommen beschränkt sei. Selbst dem nicht berufstätigen Unterhaltsschuldner verbleibe im Rahmen der verschärften Haftung noch ein Selbstbehalt von 770,00 EUR. Mit Bescheid vom 20.07.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine Regelaltersrente werde neu festgestellt, weil sich die rentenrechtlichen Zeiten geändert hätten. Der Bescheid vom 22.05.2007 werde gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen und insoweit durch diesen Bescheid ersetzt. Wie ihr die AOK (Beigeladene Nr. 2) mitgeteilt habe, bestehe beim Kläger zurzeit keine Mitgliedschaft zu einer Krankenkasse. Aufgrund des neuen Zahlbetrages (monatliche Rente ab 01.09.2007 668,26 EUR) erhöhe sich auch der zu verrechnende Betrag zu Gunsten der Berufsgenossenschaft (Beigeladene Nr. 1). Die Nachzahlung für August 2007 werde zu Gunsten der Berufsgenossenschaft einbehalten. Im September 2007 werde ebenfalls der Betrag von 300,38 EUR einbehalten. Im Oktober 2007 werde sie die Restschuld an die Berufsgenossenschaft anweisen. Die monatliche Rente betrage ab 01.09.2007 668,26 EUR. An die Berufsgenossenschaft würden monatlich 300,38 EUR gezahlt. Somit verbleibe ein an den Kläger auszuzahlender Betrag von 367,88 EUR. Die Nachzahlung von 67,49 EUR werde vorläufig nicht ausgezahlt.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Beigeladene Nr. 1, die mit Bescheid vom 18.09.2000 bekannt gegebenen und mittlerweile rechtskräftigen Beitragsforderungen in Höhe von 890,88 EUR seien sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden. Der Beitrag sei mittels Beitragsbescheid vom Einzelunternehmer und Vollhafter, dem Kläger, eingefordert worden. Der Bescheid sei unanfechtbar geworden und die Beiträge verjährten erst in 30 Jahren.

Mit Bescheid vom 29.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 01.10.2007 würden monatlich 367,88 EUR an ihn gezahlt. An die Beigeladene Nr. 1 würden im Oktober 2007 290,12 EUR ausgezahlt. 10,26 EUR würden einbehalten.

Mit Schreiben vom 29.08.2007 hörte die Beklagte den Kläger zur Verrechnung zugunsten der AOK, E. an. Der Kläger widersprach der Verrechnung mit Schreiben vom 03.09.2007 und verwies auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren betreffend die Verrechnung zugunsten der Beigeladenen Nr. 1.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch vom 25.06.2007 gegen den Bescheid vom 12.06.2007 in Gestalt des Bescheides vom 20.07.2007 (Verrechnung mit Forderung der Berufsgenossenschaft) zurück. Zur Begründung führte sie aus, mit Schreiben vom 21.05.2007 sei der Kläger angehört worden. Den im Rahmen der Anhörung schriftlich angeforderten Nachweis, dass er bei Verrechnung von monatlich 300,38 EUR hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) werde, habe er bisher nicht er-bracht. Die Verrechnung im verfügten Rahmen sei daher zulässig. Sofern der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt nachweise, dass er durch diese Verrechnung sozialhilfebedürftig werde, werde sie die Bescheide vom 12.06.2007 bzw. 30.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides nach § 44 SGB X überprüfen.

Mit Bescheid vom 27.09.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 01.11.2007 würden 658,00 EUR ausgezahlt und 10,26 EUR einbehalten. Hiergegen legte der Kläger am 05.10.2007 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 23.10.2007 verrechnete die Beklagte die Forderung der Beigeladenen Nr. 2. Sie führte aus, der Kläger beziehe Rentenleistungen in Höhe von 668,26 EUR, wovon 300,38 EUR mit der Forderung der Beigeladenen Nr. 2 in Höhe von 9.869,77 EUR verrechnet würden.

Mit Bescheid vom 24.10.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 01.12.2007 würden monatlich 367,88 EUR gezahlt. 300,38 EUR monatlich würden an die Beigeladene Nr. 2 ausgezahlt. Die Bescheide vom 29.08. und 27.09.2007 nehme sie bezüglich der einbehaltenen Beträge zurück und zahle an den Kläger 20,52 EUR als Einmalbetrag aus. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29.08. und 27.09.2007 seien damit als erledigt zu betrachten.

Gegen den Bescheid vom 23.10.2007 legte der Kläger am 09.11.2007 Widerspruch ein und verwies auf sein bisheriges Vorbringen im Verrechnungsverfahren für die Berufsgenossenschaft.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, mit Schreiben vom 29.8.2007 sei der Kläger angehört worden. Den im Rahmen der Anhörung schriftlich angeforderten Nachweis, dass er bei Verrechnung von monatlich 300,38 EUR hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder nach dem SGB II werde, habe er bisher nicht erbracht. Die Verrechnung im verfügten Rahmen sei daher zulässig. Sofern der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt nachweise, dass er durch die Verrechnung sozialhilfebedürftig werde, werde sie den Bescheid vom 23.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides nach § 44 SGB X überprüfen.

Am 09.11.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg (S 14 R 5865/07) erhoben und die Aufhebung der Bescheide vom 12.06.2007, 13.06.2007, 20.07.2007, 29.08.2007 und 27.09.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2007 begehrt. Er hat dabei sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Mit Bescheid vom 27.02.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die BG (Beigeladene Nr. 1) habe sie mit Schreiben vom 13.05.2003 ersucht und ermächtigt, die Forderung in Höhe von 958,37 EUR mit seiner Rente zu verrechnen. Er beziehe von der Beklagten Rentenleistungen in Höhe von monatlich 668,26 EUR netto. Mit Schreiben vom 21.05.2007 sei ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Er habe bis heute keine Bescheinigung über Sozialhilfebedürftigkeit vorgelegt und ebenfalls keine Aufstellung über die notwendigen Ausgaben übersandt. Die vom Bevollmächtigten gemachten Angaben zum pauschalen Selbstbehalt in Höhe von 770,00 EUR monatlich stellten keinen Nachweis der Sozialhilfebedürftigkeit dar. Es lägen keine besonderen Umstände vor, welche es rechtfertigen würden, im Wege des Ermessens einen geringeren Betrag zu verrechnen bzw. von einer Verrechnung ganz abzusehen. Nach Würdigung aller Umstände seines Falles sei sie zum Ergebnis gekommen, dass das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Verrechnung im von ihr vorgenommenen Umfang überwiege. Mit Schreiben vom 20.07.2007 habe sie die Nachzahlung i.H.v. 67,49 EUR an die Berufsgenossenschaft überwiesen. Für die Kalendermonate August 2007 und September 2007 seien für die Berufsgenossenschaft jeweils monatlich 300,38 EUR einbehalten worden. Für Oktober 2007 seien einmalig 290,12 EUR einbehalten und an die Berufsgenossenschaft überwiesen worden. Somit sei die gesamte Beitragsforderung der Berufsgenossenschaft i.H.v. 958,37 EUR beglichen worden. Dieser Bescheid sei gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits sei auch der Bescheid vom 27.02.2008. Dieser Bescheid habe die vorhergehenden ersetzt und sei deshalb gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Beklagte habe die Ansprüche der Beigeladenen Nr. 1 in rechtmäßiger Weise mit der Rente des Klägers verrechnet. Soweit der Kläger vortrage, dass er als Privatperson Anspruch auf Rente habe, aber als Unternehmer zur Beitragszahlung verpflichtet sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Maßgeblich sei lediglich, ob er als natürliche Person auftrete und als solche für die Beiträge hafte. Die Beiträge seien auch nicht verjährt. Der Verrechnung stehe auch nicht die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB XII oder II entgegen; eine solche habe der Kläger nicht vorgetragen noch sei eine solche ersichtlich. Die §§ 51 und 52 SGB I verstießen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nach § 851c ZPO könnten Altersrenten aus Vertrag wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Die Höhe der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen ergebe sich aus den §§ 850e ff. ZPO. Dabei seien alle Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger habe weder vorgetragen noch sei es wahrscheinlich, dass die von der Beklagten gewährte Rente sein einziges Einkommen sei. Die verschärfte Haftung nach den §§ 51, 52 SGB I erleichtere die Beitreibung von Beiträgen zur Sozialversicherung und diene dem Schutz der finanziellen Interessen der Versichertengemeinschaft. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Am 18.12.2007 hat der Kläger eine weitere Klage (S 14 R 6491/07) zum SG erhoben, mit der er eine Aufhebung der Bescheide vom 23.10. und 24.10.2007 sowie des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und die Auszahlung der Rente in voller Höhe begehrt. Er hat im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und geltend gemacht, die Regelungen des § 52 und § 51 Abs. 2 SGB I seien verfassungswidrig.

Mit Bescheid vom 08.01.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die AOK E. (Beigeladene Nr. 2) habe sie ersucht und ermächtigt, die Forderung in Höhe von 9.869,77 EUR mit seiner Rente zu verrechnen. Nach Mitteilung der AOK F. sei der Beitragsbescheid vom 30.06.2006, zugegangen am 04.07.2006, rechtskräftig. Mit Schreiben vom 29.08.2007 sei ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Er habe bisher keine Sozialhilfebescheinigung vorgelegt und ebenfalls keine Aufstellung über die notwendigen Ausgaben übersandt. Die vom Bevollmächtigten gemachten Angaben zum pauschalen Selbstbehalt in Höhe von 770,00 EUR monatlich stellten keinen Nachweis der Sozialhilfebedürftigkeit dar. Es lägen keine besonderen Umstände vor, welche es rechtfertigen würden, im Wege des Ermessens einen geringeren Betrag zu verrechnen bzw. von einer Verrechnung ganz abzusehen. Nach Würdigung aller Umstände seines Falles sei sie zum Ergebnis gekommen, dass das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Verrechnung im von ihr vorgenommenen Umfang überwiege. Deswegen werde die Forderung der AOK E. i.H.v. 9.869,77 EUR mit Wirkung vom 01.12.2007 in monatlichen Beiträgen von 300,38 EUR verrechnet. Dieser Bescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Gegenstand des Rechtsstreits sei auch der Bescheid vom 08.01.2008. Dieser habe die vorhergehenden ersetzt und sei deshalb gemäß § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Die Beklagte habe die Ansprüche der AOK in rechtmäßiger Weise mit der Rente des Klägers verrechnet. Die §§ 51, 52 SGB I verstießen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen beide am 14.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheide hat der Kläger am 05.11.2009 Berufungen (Verrechnung mit Forderung der BG/Beigeladene Nr. 1 - L 9 R 5127/09 - und Verrechnung mit Forderung der AOK/Beigeladene Nr. 2 - L 9 R 5128/09 -) eingelegt. Mit Beschluss vom 27.06.2011 hat der Senat die Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Beschluss vom 15.08.2011 hat der Senat - wegen des beim Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG) anhängigen Verfahrens GS 2/10 - das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach Vorlage der Entscheidung des BSG vom 31.08.2011 - GS 2/10 - hat der Senat das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 9 R 651/12 fortgeführt und mit Beschluss vom 27.04.2012 die B. (Beigeladene Nr. 1) sowie die AOK (Beigeladene Nr. 2) zum Verfahren beigeladen.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 SGB I lägen nicht vor; auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I seien nicht gegeben. Diese Vorschrift verstoße gegen Art. 3 GG. Die Ungleichbehandlung liege darin, dass er über die Pfändungsfreigrenze hinaus in Anspruch genommen werde. Die Pfändungsschutzvorschriften nach der ZPO, auf die § 54 Abs. 4 SGB I verweise, stellten keine Vorschriften zugunsten der Gläubiger, sondern eindeutig eine Schuldnerschutzvorschrift dar. Das SG habe die Problematik zwar in den Gerichtsbescheiden erörtert, seine Argumente vermögen die Ungleichbehandlung jedoch nicht zu rechtfertigen. Auch wäre es Aufgabe des SG gewesen, sein Einkommen zu ermitteln und nicht spekulativ zu unterstellen, er werde über Einkommen verfügen, das über der Pfändungsfreigrenze liege. Außerdem habe er sich sehr wohl gegenüber der Beklagten am 25.06.2007 geäußert. Auch wenn er die Rente inzwischen ungekürzt erhalte, habe er ein Feststellungsinteresse. Es liege – wie die Beklagte mit Schreiben vom 12.06.2013 zutreffend mitgeteilt habe – ein Verrechnungsersuchen der S. vom 14.05.2010 (gemeint wohl: 13.06.2007) über 1.027,27 EUR zuzüglich Säumniszuschläge vor. Außerdem ergebe sich auch noch ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der zwischenzeitlich abgeschlossenen Verrechnungen der Beigeladenen. Bei Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Verrechnungen hätte die Beklagte die an die Beigeladenen abgeführten Beträge an ihn nachzuzahlen.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2007, geändert durch den Bescheid vom 27. Februar 2008 (Verrechnung mit Forderung der BG – Beigeladene Nr. 1), den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007, geändert durch den Bescheid vom 8. Januar 2008 (Verrechnung mit Forderung der AOK – Beigeladene Nr. 2) aufzuheben sowie die Folgebescheide vom 13. Juni 2007, 20. Juli 2007, 29. August 2007, 27. September 2007 (Verrechnung mit Forderung der BG – Beigeladene Nr. 1) und vom 24. Oktober 2007, 26. Juni 2008, 3. Juni 2009, 12. Mai 2010, 14. Juli 2010 und 11. August 2010 (Verrechnung mit Forderung der AOK – Beigeladene Nr. 2) insoweit aufzuheben, als darin eine Verrechnung vorgenommen wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus den Berufungsbegründungen ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Sie verweise auf die Ausführungen in den angefochtenen Gerichtsbescheiden. Ergänzend weise sie darauf hin, dass das Schreiben vom 25.06.2007 keine konkreten Ausführungen zur finanziellen Situation des Klägers enthalte. Er habe nach wie vor nicht belegt, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne des SGB XII und des SGB II werde.

Die Beigeladene Nr. 2 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit sie sich gegen das Verrechnungs- ersuchen der AOK wendet.

Die Beigeladene Nr. 1 hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat Mehrfertigungen der Bescheide vom 26.06.2008, 03.06.2009, 12.05.2010, 14.07.2010, 11.08.2010 und 13.09.2007 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 26.06.2008 hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers neu berechnet und mitgeteilt, ab 01.08.2008 würden laufend monatlich 375,26 EUR ausgezahlt; 300,38 EUR würden an die AOK E. gezahlt. Die Nachzahlung von 7,38 EUR werde an den Kläger überwiesen.

Mit Bescheid vom 03.06.2009 hat die Beklagte die Regelaltersrente ab 01.07.2009 neu berechnet und dem Kläger mitgeteilt, es würden ab 01.07.2009 an ihn 391,54 EUR ausgezahlt. An die AOK E. würden monatlich 300,38 EUR gezahlt.

Mit Bescheid vom 12.05.2010 hat sie mitgeteilt, ab 01.07.2010 würden 434,31 EUR ausgezahlt. Es werde im Juli 2010 einmalig ein Betrag von 257,61 EUR an die AOK gezahlt.

Mit Bescheid vom 14.07.2010 hat die Beklagte mitgeteilt, die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert. Die Rente sei daher neu berechnet worden; sie betrage ab 01.08.2010 691,92 EUR. An die AOK E. würden einmalig 257,61 EUR ausgezahlt. Der Kläger erhalte für August 2010 434,31 EUR.

Mit Bescheid vom 11.08.2010 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, die Rente betrage ab 01.09.2010 691,92 EUR. Ab 01.09.2010 würden an ihn monatlich 649,15 EUR ausgezahlt und an die AOK E. einmalig 42,77 EUR.

Mit Bescheid vom 13.09.2010 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, ab 01.10.2010 würden monatlich 691,92 EUR an ihn ausgezahlt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, der Beigeladenen Nr. 2, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegten Berufungen des Klägers sind zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Anfechtungsklagen sind – entgegen der bisher aufgrund des Urteils des BSG vom 27.03.2007, B 13 RJ 43/05 R, in Juris vertretenen Rechtsauffassung – auch nicht deswegen unzulässig geworden, weil die im vorliegenden Verfahren streitigen Verrechnungen der Beigeladenen abgeschlossen sind (Forderung der Beigeladenen Nr. 1 im Oktober 2007; Forderung der Beigeladenen Nr. 2 im September 2010). Denn nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 14.03.2013, B 13 R 5/11 R, in Juris erledigt sich ein Verwaltungsakt über die Verrechnung nicht dadurch vollständig "auf andere Weise", dass der Leistungsträger ihn faktisch umsetzt, indem er von der von ihm monatlich geschuldeten Sozialleistung Einbehalte in einem Umfang vornimmt, die dem Betrag der Gegenforderung entsprechen. Solange die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts zwischen den Beteiligten nicht verbindlich feststeht und er noch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, ist er noch geeignet, rechtliche Gestaltungswirkungen zu erzeugen. Bei Erfolg der Klage müsste der Leistungsträger die einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt entfallen wäre.

Die zulässigen Berufungen sind jedoch nicht begründet, da die angefochtenen Verrechnungsbescheide einschließlich der Folgebescheide rechtmäßig ergangen sind.

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger – hier die Beklagte – mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers – hier BG und AOK – deren Ansprüche gegen den Berechtigten – den Kläger – mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen – hier auf Rentenauszahlung – mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und – wie hier – mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs. 2 SGB I).

Die Verrechnungsbescheide der Beklagten waren nicht deshalb rechtswidrig, weil die Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolgt ist. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig in dieser Handlungsform vornehmen. Nach der während des Berufungsverfahrens ergangenen Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 31.08.2011 (GS 2/10, BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr. 4) steht fest, dass die Beklagte die Verrechnung durch Verwaltungsakt regeln durfte.

Die formellen Voraussetzungen von Verrechnungsverwaltungsakten liegen vor.

Vor Erlass des Verrechnungsbescheides vom 12.06.2007 (BG) hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 21.05.2007 und vor Erlass des Verrechnungsbescheides vom 23.10.2007 (AOK) mit Schreiben vom 29.08.2007 gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Vor Erlass der Änderungsbescheide vom 13.06.2007, 20.07.2007, 29.08.2007, 27.09.2007 (BG) und der Änderungsbescheide vom 08.01.2008, 26.06.2008, 03.06.2009, 12.05.2010, 14.07.2010 und 11.08.2010 (AOK) hat die Beklagte den Kläger zwar nicht erneut angehört. Dies ist jedoch unschädlich, da der Verrechnungsbetrag von 300,38 EUR in den Folgebescheiden nicht erhöht, sondern allenfalls ermäßigt worden ist.

Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht nach der Entscheidung des 13. Senats im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich nach Auffassung des 13. Senats bei dem "Kann" in § 52 Hs. 1 und § 51 Abs. 1 Hs. 1, Abs. 2 Hs. 1 SGB I um ein sog. "Ermessens-Kann" (BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R, SozR 4-1200 § 52 Nr. 5), während der 12. Senat in der Entscheidung vom 15.12.1994, 12 RK 85/92, SozR 3-2400 § 28 Nr. 1 die Ansicht vertreten hat, dass die Verrechnung nach § 28 Nr. 1 SGB IV keine Ermessensentscheidung voraussetzt. Das Wort "kann" bedeutet nach Auffassung des 12. Senats lediglich, dass der Versicherungsträger unter mehreren Möglichkeiten der Erfüllung des Beitragserstattungsanspruchs die Verrechnung wählen kann. Seewald vertritt im Kasseler Kommentar (Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2012, § 52 SGB I Rn. 21 i.V.m. Rn. 12 ff.) die Auffassung, dass das Ermessen in der Regel gebunden sei, da nach den Vorschriften des Haushaltsrechts die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben sind. Da sich das Ausüben von Ermessen zu Gunsten des Versicherten mittelbar auf den ersuchenden Leistungsträger auswirkt, müssen die in die Ermessenserwägung eingestellten Umstände zu Gunsten des Versicherten so gewichtig sein, dass die aufgrund des Haushaltsrechts geltenden Vorgaben in den Hintergrund treten.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein Ermessens-Kann handelt, sind die angefochtenen Bescheide nicht beanstanden. Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 12.06.2007 und den Folgebescheiden in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2007 und in den Bescheiden vom 23.10.2007 und 24.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 keine Ermessenserwägungen dargelegt. Dies ist jedoch unschädlich. Denn die Beklagte hat dem Kläger in den Anhörungsschreiben vom 21.05.2007 und 29.08.2007 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, einen Betrag von 300,38 EUR, ausgehend von einer Nettorente von 600,77 EUR (Schreiben vom 21.05.2007) bzw. 668,26 (Schreiben vom 29.08.2007), zu verrechnen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ferner hat sie ihn aufgefordert, eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers vorzulegen, sofern er durch die Verrechnung hilfebedürftig werden würde. Auf das Anhörungsschreiben vom 21.05.2007 hat sich der Kläger überhaupt nicht geäußert. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 12.06.2007 (Verrechnung mit der Forderung der BG) hat der Kläger weder nachgewiesen, dass er durch die vorgenommene Verrechnung hilfebedürftig im Sinne des SGB II bzw. SGB XII würde, noch hat er seine persönlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse und auch nicht seine Ausgaben dargelegt und erst Recht nicht belegt. Sein Hinweis im Widerspruchsverfahren, dass der Selbstbehalt bei einem nicht berufstätigen Unterhaltsschuldner 770,00 EUR betrage, stellt keine Darlegung und erst Recht keinen Nachweis der persönlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers dar. Auf die Anhörung vom 29.08.2007 hat sich der Kläger zwar geäußert und auf seinen Vortrag im anhängigen Widerspruchsverfahren (Verrechnung gegen die BG) verwiesen. Daraus ließen sich – wie oben dargelegt – jedoch keine konkreten Angaben und Nachweise bezüglich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Situation entnehmen. Angesichts dessen waren keine ermessensrelevanten Gesichtspunkte erkennbar, die für einen den Kläger weniger belastenden Verwaltungsakt gesprochen hätten. Da ermessensrelevante Gesichtspunkte weder vom Kläger geltend gemacht wurden noch sonstwie ersichtlich waren, ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in den oben genannten Bescheiden keine Ermessenserwägungen dargelegt hat. Deshalb kann auch dahinstehen, ob die Beklagte gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit den Bescheiden vom 27.02.2008 und 08.01.2008, in denen sie ausgeführt hat, der Kläger habe keine Bescheinigung über Sozialhilfebedürftigkeit vorgelegt und auch keine Aufstellung über die notwendigen Ausgaben gemacht, so dass keine besonderen Umstände vorlägen, die es rechtfertigen würden, im Wege des Ermessens einen geringeren Betrag zu verrechnen bzw. von einer Verrechnung ganz abzusehen, die Begründung für ihr Ermessen wirksam nachgeholt hat.

Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt.

Im Bescheid vom 12.06.2007 hat die Beklagte die Verrechnung bestimmter, von ihr dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer nach Art und Umfang bestimmter, betragsmäßig bezifferter Forderung der BG (Beigeladene Nr. 1) i.H.v. 958,37 EUR erklärt. Ferner hat sie ausgeführt, dass von der dem Kläger gewährten Regelaltersrente von (zunächst) 600,77 EUR ab 01.08.2007 ein Teilbetrag von 300,38 EUR einbehalten und der Restbetrag von 300,39 EUR an ihn ausgezahlt werde.

Im Bescheid vom 23.10.2007 hat die Beklagte die Verrechnung bestimmter von ihr an den Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer nach Art und Umfang bestimmter, betragsmäßig bezifferter Forderung der AOK (Beigeladene Nr. 2) i.H.v. 9.869,77 EUR erklärt. Ferner hat sie ausgeführt, von der dem Kläger gewährten Altersrente in Höhe von (nunmehr) 668,26 EUR werde ein Teilbetrag von 300,38 EUR einbehalten und ab 01.12.2007 zu Gunsten der AOK verrechnet.

Aus den oben genannten Verrechnungsbescheiden konnte der Kläger, dem der Sachverhalt auch aus den Anhörungsschreiben bekannt war, ohne Weiteres den Verrechnungsbetrag entnehmen sowie den ihm verbleibenen Rentenbetrag.

Es bestand auch objektiv eine Verrechnungslage (§ 387 BGB). Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der BG und der AOK gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden sein.

Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der BG und der AOK geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beitragsforderungen bzw. Gesamtsozialversicherungsbeiträge waren entstanden und fällig. Sie sind von den Beigeladenen gegenüber den Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig gemäß § 77 SGG festgestellt worden. Dies hat der Kläger auch nicht bestritten und ergibt sich auch aus den von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen.

Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass der Kläger, der als Einzelunternehmer und natürliche Person tätig war, für die rückständigen Beitragszahlungen haftet. Hinzu kommt, dass diese ihm gegenüber bestandskräftig festgestellt wurden.

Der Verrechnung steht – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht die Verjährung der Beitragszahlungen bzw. der Gesamtsozialversicherungsbeiträge entgegen. Bestandskräftig festgestellte Beitragsansprüche unterliegen der 30-jährigen Verjährung (§ 52 Abs. 1 und 2 SGB X). Die Beitragsforderungen der Beigeladenen (Bescheide der Beigeladenen Nr. 1 (zuletzt) vom 18.09.2000 und der Beigeladenen Nr. 2 vom 30.06.2006) sind noch nicht verjährt und konnten daher durch Verrechnung geltend gemacht werden.

Die in § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I normierten Grenzen einer Verrechnung mit Beitragsforderungen sind eingehalten. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Einbehalt sozialhilfebedürftig geworden wäre, sind nicht ersichtlich, zumal der Kläger dies weder behauptet und erst recht nicht belegt hat.

Die Beklagte war auch nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträger zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. ab 01.01.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw. zu verrechnen. Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger, wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen von Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB XII bzw. SGB II) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen nicht überschritten.

Die gesetzliche Regelung ist zur Überzeugung des erkennenden Senats auch verfassungsgemäß. Der Kläger ist auch nicht in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Er meint, er werde als Rentenbezieher und Schuldner von Beitragsansprüchen, auf den die Vorschriften der §§ 52 i.V.m. 51 SGB I Anwendung finden, gegenüber der Gruppe von Schuldnern, auf die die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO anwendbar sind, ungleich behandelt, weil für diese Schuldner, selbst für den nicht berufstätigen Unterhaltsschuldner, höhere Pfändungsfreigrenzen gelten.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07 – juris Rn. 63 ff.).

Für die unterschiedliche Behandlung von Beitragsschulden gegenüber Sozialversicherungsträgern und sonstigen Schulden gegenüber anderen Gläubigern gibt es einen sachlichen Grund. Die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I dient dem Schutz der finanziellen Interessen der Versichertengemeinschaft. Bei Beitrags- und Erstattungsansprüchen soll der Berechtigte nicht einerseits von der Versichertengemeinschaft die volle Leistung verlangen und andererseits den Leistungsträger bei dessen Gegenansprüchen auf den Pfändungsschutz verweisen können. Der Höhe nach wird die Aufrechnung bzw. Verrechnung in doppelter Hinsicht begrenzt. Sie ist nur bis zur Hälfte der zustehenden laufenden Hauptforderung und auch in diesem Rahmen auf einen Betrag begrenzt, der dem Berechtigten noch die Mittel des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII belässt bzw. ihn nicht hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II werden lässt. Dabei obliegt es den Leistungsberechtigten selbst, den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II bzw. SGB XII nachzuweisen und ist nicht Aufgabe der Beklagten bzw. der Gerichte, diese zu ermitteln (Pflüger in juris Pk-SGB I, 2. Aufl., Stand Juni 2013 § 51 Rn. 74 und 75). Damit war es dem Kläger, dem Leistungsempfänger, jederzeit möglich, seine Hilfebedürftigkeit geltend zu machen und nachzuweisen.

Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufungen des Klägers mussten deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved