L 8 SB 1779/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SB 7265/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1779/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. März 2013 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Bevollmächtigte der am 29.12.1986 geborenen und am 23.11.2012 gestorbenen Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Stuttgart um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "B".

Das Landratsamt B. erkannte mit Bescheid vom 26.03.2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 09.10.2009 der Klägerin wegen einer Bluterkrankung mit Behandlungsbedüftigkeit, einem psychovegetativen Erschöpfungszustand (Einzel-GdB 100), einer Gewebserkrankung des Gehirns - operiert - sowie einer Unterfunktion der Hirnanhangdrüse (Einzel-GdB 30) einen Gesamt-GdB von 100 seit dem 17.10.2008 sowie die Merkzeichen "G" und "B" zu. Mit Bescheid des Landratsamtes B. vom 12.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 23.11.2011 wurde das Merkzeichen "B" wieder entzogen. Mit ihrer Klage vom 23.12.2011 hat sich die Klägerin hiergegen gewandt und zugleich die Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin E. beantragt.

Nach Einholung von Auskünften der behandelnden Ärzte hat das SG mit Beschluss vom 11.03.2013 die Gewährung von PKH abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht sei nicht gegeben.

Die Bevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihr am 22.03.2013 zugestellten Beschluss am 22.04.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie sich u.a. mit der Beweiswürdigung des SG auseinandergesetzt und ausgeführt, es sei auch nicht ansatzweise zu erkennen, welche wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten sei.

Am 24.05.2013 hat die Mutter der Klägerin, die diese bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertreten hatte (Vollmachtsurkunde vom 10.10.2010) und Rechtsnachfolgerin der Klägerin ist, beim SG Unterlagen eingereicht, aus denen sich ergibt, dass die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 18.06.2012 aufgefordert worden war, den Rechtsstreit sofort einzustellen, da die Klägerin erneut an Krebs erkrankt sei und sich einer Knochenmarktransplantation unterziehen müsse. Dadurch bekomme sie auf Antrag automatisch "den Begleitbuchtstaben B". Mit Schreiben vom 24.11.2012 hat die Mutter der Klägerin der Bevollmächtigten mitgeteilt, die Klägerin sei am 23.11.2012 an den Folgen der vierten Knochenmarktransplantation in der Uni-Klinik T. gestorben.

Trotz schriftlicher Aufforderung des Senats (richterliche Verfügung vom 07.06.2013) hat sich die Bevollmächtigte nicht mehr gemeldet.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz - SSG -) ist unzulässig. Zwar ist sie statthaft, insbesondere liegen die Ausschlusstatbestände des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, nicht vor; das SG hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, sondern die Erfolgsaussichten der Klage. Doch war die Rechtsanwältin nicht mehr bevollmächtigt, gegen die Entscheidung des SG Beschwerde einzulegen; im Übrigen fehlt ein Rechtsschutzinteresse zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens.

In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob unmittelbar mit dem Tod des Bedürftigen das PKH-Verfahren endet (so z.B. aus der Rechtsprechung z.B. LSG Nordrhein-Westfalen 29.02.2008, L 20 B 9/08 SO, juris; OLG Stuttgart 05.05.2011, 13 W 20/11, juris; OLG Oldenburg 27.01.2010, 8 W 4/10, juris; OLG Frankfurt/Main 23.02.2007, 4 W 44/06, juris; aus der Literatur z.B. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 5. Auflage, Rn. 76), weil der PKH-Antrag gegenstandslos geworden sei. Insoweit komme eine Bewilligung von PKH selbst dann nicht mehr in Betracht, wenn das Gericht bei ordnungsgemäßer und zügiger Bearbeitung des PKH-Gesuchs noch zu Lebzeiten des Antragstellers hätte entscheiden und seinen Beschluss diesem noch hätte zugehen lassen können (so OLG Oldenburg a.a.O.). Das PKH-Recht gehe auch nicht auf den Erben über (so OLG Stuttgart a.a.O.; Kalthoener etc. a.a.O.).

Diesem Grundgedanken entspricht auch die Rechtsprechung des BSG (02.12.1987, 1 RA 25/87, SozR 1750 § 114 Nr. 8 = juris), wonach für einen Beteiligten nach dessen Tode im Regelfall PKH nicht bewilligt werden könne. Dabei hatte das BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (06.12.1984, VII ZR 223/83, NJW 1985, 921 = juris) angenommen, die Bewilligung von PKH wirke im Regelfall nicht zurück. Das kann nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) aber nur gelten, wenn das Gericht auch bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang die PKH nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte bewilligen können. Sei dies der Fall, so müsse die Bewilligung der PKH auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem ein bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang erlassener Bewilligungsbeschluss dem antragstellenden Beteiligten hätte zugehen können. Ebenso hat das Thüringer LSG eine PKH-Gewährung nach dem Tod des Beteiligten ausnahmsweise dann angenommen, wenn der Beteiligte nach vollständiger Antragstellung verstorben sei und über den Antrag bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Bearbeitung noch zu Lebzeiten hätte entschieden werden können (ebenso LArbG Hamm 25.11.2002, 4 Ta 180/02, AR-Blattei ES 1290 Nr. 33 = juris). Dem dürfte auch nicht entgegenstehen, dass es sich bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe um eine sozialhilfeähnliche Leistung handelt, die nur aktuelle Bedürfnislagen bedienen will (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.)

Diese vom BSG geprägte Rechtsprechung setzt aber voraus, dass überhaupt nach dem Tode der Partei/des Beteiligten ein Rechtsschutzinteresse an einer rückwirkenden PKH-Gewährung - und vorliegend auch an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens - besteht. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn dem Rechtsanwalt noch ein unbefriedigter Kostenanspruch gegen den verstorbenen Beteiligten, mithin gegen den Nachlass, zusteht und der Nachlass nicht ausreicht, um diesen Anspruch zu bedienen.

Vorliegend fehlt es zunächst schon an der wirksamen Erhebung einer Beschwerde, im Übrigen besteht ein Rechtsschutzinteresse in dem dargelegten Sinne an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht. Die Rechtsanwältin war, nachdem die Klägerin verstorben war und deren Mutter, die ihre Rechtsnachfolgerin ist, ihr gegenüber eindeutig erklärt hatte, das Verfahren nicht weiter betreiben zu wollen, nicht mehr bevollmächtigt, im Namen der Klägerin oder deren Rechtsnachfolgerin das gerichtliche Verfahren, wozu auch das PKH-Verfahren gehört, weiter zu betreiben. Zum Betreiben des Verfahrens gehört aber auch die Einlegung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, auch gegen ablehnende PKH-Entscheidungen. Spätestens mit der Mitteilung der Weisung, das Verfahren sofort einzustellen, was einem Entzug der Vollmacht für andere Verfahrenshandlungen als der Rücknahme der Klage und sonstiger Prozessanträge entspricht, gegenüber dem SG bzw. dem LSG war klar, dass die Rechtsanwältin zur Einlegung der Beschwerde nicht mehr berechtigt war. Fehlte der Rechtsanwältin mithin die Vollmacht, durfte sie auch nicht mehr Beschwerde gegen die Entscheidung des SG vom 11.03.2013 einlegen. Auch hatte sie schon erstinstanzlich entgegen die eindeutigen Weisungen der Mutter der Klägerin, die von der Klägerin bevollmächtigt worden war und die deren Rechtsnachfolgerin ist, das Verfahren vor dem Sozialgericht weder beendet noch dem SG vom Tode der Klägerin berichtet. Dies stellt ein missbräuchliches Weiterbetreiben des Verfahrens dar, wofür PKH nicht zusteht. Auch hat die Rechtsanwältin - trotz Aufforderung durch den Senat mit Schreiben vom 07.06.2013 - nichts vorgetragen, was auf das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens schließen lassen könnte. Die Mutter der Klägerin hat sich hierzu zwar nicht geäußert, vielmehr aber zum Ausdruck gebracht, das Verfahren nicht mehr fortführen zu wollen. Vor diesem Hintergrund konnte auch der Senat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis nicht erkennen.

Darüber hinaus kommt der ursprünglich mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwältin kein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung der PKH zu; sie selbst ist durch die Ablehnung der PKH auch nicht beschwert. Ein eigenes Recht kommt dem Rechtsanwalt nur hinsichtlich eines eigenen Kostenbeitreibungsrechts nach Bewilligung von PKH zu (§ 126 Abs. 1 ZPO); dieses Recht kann aber nicht auf die Befugnis erstreckt werden, aus eigenem Recht gegen die Ablehnung der PKH und seiner Beiordnung Beschwerde einlegen zu können.

Die Beschwerde ist damit als unzulässig zu verwerfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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