L 9 AS 2771/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 25 AS 3185/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2771/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2013 wird aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2013 angeordnet, soweit der Antragsgegner die Bewilligung von Arbeitslosengeld II um mehr als 240,00 EUR monatlich für die Zeit von 01. April 2013 bis 31. August 2013 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/3 der außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Beschwerde ist teilweise - in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang - begründet.

Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat in seinem Beschluss vom 30.06.2013 den zugrunde liegenden Tatbestand sowie die rechtlichen Grundlagen für eine vom Antragsgegner vorgenommene Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 09.04.2013 ausführlich und zutreffend dargestellt. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer erneuten Darstellung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Der Senat teilt die vom SG aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung, soweit es um die Anrechnung von Vermögen und Einkommen geht, welche im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Beschlagnahme von Waren stehen. Aus den hiermit verbundenen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung folgt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Das im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller im Bewilligungszeitraum nachgewiesene Einkommen aus abhängiger Beschäftigung ist jedoch auf den Bedarf anzurechnen und war daher im Rahmen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu berücksichtigen.

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]). Die Anrechnung von Einkommen beruht auf § 11 Abs. 1 und 2 und § 11b SGB II. Unter Berücksichtigung des vorgelegten Anstellungsvertrages wird die Beschäftigung als Gebäudereiniger ab 24.04.2013 auf unbestimmte Zeit ausgeübt. Einkommensnachweise hat der Antragsteller allerdings bislang nur für Mai und Juni 2013 vorgelegt. Aus den vorliegenden Kontoauszügen lassen sich Lohnzahlungen auch für Mai und Juni nicht feststellen, sodass eine Lohnzahlung für April nicht belegt wurde. Angesichts der Aufnahme der Tätigkeit noch im April und trotz Vereinbarung eines Stundenlohnes sieht sich der Senat nicht gehindert, für die Entscheidung im sozialgerichtlichen Eilverfahren auch für diesen Monat einen Lohn in Höhe von 400 EUR zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Senat ein entsprechendes monatliches Einkommen bis zum Ende des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnittes (31.08.2013) zugrunde gelegt. Insoweit ergibt sich aus dem ab April 2013 erzielten Einkommen in Höhe von 400 EUR unter Berücksichtigung von § 11b Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II ein Absetzungsbetrag in Höhe von 160 EUR, sodass ein Einkommen in Höhe von 240 EUR (400 EUR - 160 EUR) auf den von dem Antragsgegner in dem aufgehobenen Bescheid vom 07.03.2013 festgestellten Bedarf in Höhe von 737 EUR anzurechnen ist. Daher ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld II in dieser Höhe mit der Aufnahme der Beschäftigung rechtswidrig geworden, weshalb eine teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung sich voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen dürfte (§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).

Die aufschiebende Wirkung der Klage war jedoch im Hinblick auf den 240 EUR übersteigenden Betrag anzuordnen. Denn der Antragsgegner hat nicht darzulegen vermocht, dass der Antragsteller seit 01.04.2013 über bereite Mittel verfügt, die seine Hilfebedürftigkeit in vollem Umfang ausschließen. Damit fehlt es am Nachweis der Aufhebungsvoraussetzungen nach den §§ 45 bzw. 48 SGB X. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes darf eine einmalige Einnahme über einen Verteilzeitraum hinweg nur dann bedarfsmindernd berücksichtigt werden, soweit sie als bereites Mittel geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (BSG Urt. v. 29.11.2012, B 14 AS 33/12 R in Juris). Das SG hat in seinem Beschluss vom 30.06.2013 (Seite 6 f.) die Zweifelsfragen im Hinblick auf die Eignung und Verwertbarkeit der festgestellten Waren zur Bedarfsdeckung (Vermögen/Einkommen, Grundfreibetrag, Bedarfsdeckung durch Hehlerei, Verkehrswert) ausführlich dargelegt. Der Senat teilt diese Bedenken, sie sind jedoch zumindest für die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid nicht wesentlich. Entscheidend ist, dass es nach der polizeilichen Beschlagnahme der Waren schon an einer tatsächlichen Verwertbarkeit von Vermögensgegenständen fehlt. Die Anrechnung von fiktivem Einkommen verstößt aber gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz (Beschluss des erkennenden Senats vom 05.10.2012, L 9 AS 3208/12 ER-B in Juris). Nichts anderes gilt, wenn der Antragsgegner das Vorhandensein von Vermögen unterstellt, auf das der Antragsteller aber derzeit keinen Zugriff hat. Schließlich lassen sich weder dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 05.04.2013 (ohne Unterschrift des Aufnehmenden, Bl. 34 d. Akte) noch dem Auszug aus der Beschuldigtenvernehmung vom 21.03.2013 konkrete Anhaltspunkte über den Umfang und den Wert der nicht beschlagnahmten Gegenstände entnehmen. Damit bleibt es letztlich spekulativ, ob und ggfs. welche Vermögenswerte sich im Besitz des Antragstellers (noch) befinden. Damit spricht derzeit mehr für ein Obsiegen des Antragstellers im tenorierten Umfang, als dass die mit Klage angefochtene Entscheidung insgesamt Bestand haben könnte. Die im Rahmen des § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG zu treffende Interessenabwägung fällt damit und im Hinblick auf die im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zugunsten des Aussetzungsinteresses des Antragstellers aus, dem der Senat mit der zumindest teilweise erfolgten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nachgekommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Antragsteller noch bei Klageerhebung am 10.06.2013 angegeben hatte, "völlig mittellos" zu sein und dass die erforderlichen Nachweise erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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