L 3 SB 4751/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 5643/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4751/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.

Bei der am 06.12.1952 geborenen Klägerin, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung ist, stellte das Landratsamt - Amt für besondere Hilfen - Esslingen (LRA) mit Bescheid vom 27.01.2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit dem 17.09.2008 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 15.01.2009, eine "depressive Verstimmung, psychovegetative Störungen, Schwindel" und eine "Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen" jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 sowie eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, chronisches Schmerzsyndrom" und eine "Mittelnervendruckschädigung beidseits (Karpaltunnelsyndrom) und Schulterarmsyndrom" mit einem Einzel-GdB von 10. In ihrer Stellungnahme hat Dr. A. die zuvor vom LRA beigezogenen Befundbeschreibungen der behandelnden Ärzte Dr. B., Dr. C. und Dr. D. ausgewertet.

Am 04.11.2009 beantragte die Klägerin wegen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes die Erhöhung des festgestellten GdB. Sie führte hierzu eine chronische Polyarthrose an, die sich verschlimmert habe. Das LRA forderte daraufhin bei der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. die dort vorliegenden Untersuchungsunterlagen sowie bei Dr. D., Neurologe und Psychiater, und Dr. C., Hals-Nasen-Ohrenärztin, jeweils eine Befundbeschreibung an und führte die vorgelegten medizinischen Unterlagen einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 01.12.2009 gab Dr. E. die Einschätzung ab, eine Verschlimmerung sei nicht eingetreten, die bestehende Gonarthrose bedinge keinen Einzel-GdB von mindestens 10.

Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 03.12.2009 ab.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin vorbrachte, ihres Erachtens sei eine wesentliche Änderung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse eingetreten, forderte das LRA beim behandelnden Arzt für Orthopädie Dr. F. eine Befundbeschreibung an und führte diese einer erneuten versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. G. führte unter dem 16.07.2010 aus, durch die von Dr. F. vorgelegten Unterlagen ergebe sich keine Änderung der Einschätzung. Bei der Klägerin zeigten sich keine Lähmungen, Versteifungen oder Instabilitäten. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin daraufhin zurück. Er begründete dies damit, dass der GdB von 30 in Ansehung der beigezogenen Unterlagen unverändert befundgerecht sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.09.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der geltend gemacht wurde, insb. die psychischen und die orthopädischen Erkrankungen seien nicht ausreichend bewertet.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu auf die angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das SG hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. D. hat in seiner Stellungnahme vom 13.11.2010 ausgeführt, bei der Klägerin träten gehäuft massive depressive Episoden auf. Ferner leide sie an Schwindel und Trauma. Der GdB betrage aus psychiatrischer Sicht 40, aus neurologischer Sicht 20. Dr. C. hat unter dem 22.11.2010 ausgeführt, bei der Klägerin eine geringe bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, einen zervikal bedingten Tinnitus und Schwindel diagnostiziert zu haben. Dr. F. hat unter dem 22.11.2010 ausgeführt, die Bewertung der Wirbelsäulenerkrankung sei zu niedrig und die bei der Klägerin bestehende Kniegelenkserkrankung sei vom Beklagten nicht berücksichtigt. Dr. B. hat in ihrer Stellungnahme vom 29.11.2010 ausgeführt, dass das bestehende chronische Schmerzsyndrom und die Depression zu gering bewertet seien.

Nachdem die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte dem Beklagten zugeleitet wurden, hat dieser ein Vergleichsangebot, die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 ab dem 04.11.2009 zu bewerten, abgegeben. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 27.04.2011 hat er hierbei für die "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Chronisches Schmerzsyndrom" einen Einzel-GdB von nunmehr 20 berücksichtigt. Nachdem die Klägerin dem Vergleichsvorschlag nicht näher getreten ist, hat das SG Dr. I., Orthopäde und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie, Naturheilverfahren zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dr. I. hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 22.09.2011 bei der Klägerin chronische belastungs-, witterungs- und stressabhängige Ganzkörperschmerzen bei objektiv umfassenden Funktionsstörungen im Bereich des Rumpfes und der Gliedmaßen in Form von Blockierungen und ausgeprägten, teils autonomen Muskelverspannungen mit Triggerpunktbildung festgestellt und der Gesundheitsstörung einen mittleren Schweregrad beigemessen. Den GdB hierfür hat Dr. I. mit 30 von Januar 2009 bis Januar 2011 und mit 40 ab Februar 2011, insg. bis Januar 2011 mit 40 und ab Februar 2011 mit 50 eingeschätzt. Neben den orthopädischen Erkrankungen bestehe eine depressive Verstimmung die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Aufgrund der Krebserkrankung des Ehemanns der Klägerin im Februar 2011 sei, so Dr. I., davon auszugehen, dass sich die seelischen Probleme der Klägerin erhöht hätten, sodass ab Februar 2011 ein Grad der Behinderung von 50 in Betracht käme.

Nachdem sich der Beklagte, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. J. vom 27.11.2011 der Einschätzung von Dr. I. nicht anzuschließen vermochte, hat das SG, entsprechend einer Anregung von Dr. I., ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben und Dr. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser kam in seinem undatierten Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig mittelgradiger Episode bestehe. Diese enthalte auch psychosomatische Anteile, die die Klägerin weiter in ihrer psychischen Belastbarkeit beeinträchtigten. Für die Depression sei derzeit ein GdB von 30 angemessen. Eine wesentliche Verschlechterung seit Februar 2011 sei nicht nachweisbar. In der mittelschwer ausgeprägten Depression seien bereits psychosomatische Beschwerdeanteile mitberücksichtigt. Ein GdB von 50 lasse sich nicht begründen. Auch bei extensiver Wertung lägen Beeinträchtigungen vergleichbar dem Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel oder Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung nicht vor. Das Karpaltunnelsyndrom sei mit einem GdB von 10 anzusetzen, der sich insgesamt nicht entscheidend auswirke.

Die Beteiligten haben sich zuletzt durch die medizinische Beweisaufnahme in ihrer jeweiligen Einschätzung bestätigt gesehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.10.2012 hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB der Klägerin mit 40 seit dem 04.11.2009 festzustellen, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass sich in den Verhältnissen nur insoweit eine Änderung ergeben habe, als die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit einem GdB von 40 zu bewerten seien. Die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, die mit einem chronischen Schmerzsyndrom einher gehe. Das SG hat hierbei das Vorliegen einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu Grunde gelegt, hingegen das Bestehen einer schweren psychischen Störung verneint. Die Klägerin sei weder beruflich noch in ihrem Alltagsleben so stark eingeschränkt, dass diesbezüglich ein Einzel-GdB von 50 angemessen wäre. Sie sei noch in der Lage berufstätig zu sein und einen Haushalt zu führen. Sie pflege soziale Kontakt, weswegen ein wesentlicher sozialer Rückzug nicht feststellbar sei. Die Einschränkung von Aktivitäten außer Haus sei auch dadurch bedingt, dass sie ihren erkrankten Ehemann nicht alleine lassen möchte, sodass insoweit nicht auf einen erheblichen krankheitsbedingten Rückzug zu schließen sei. Dem bei der Klägerin bestehenden Ganzkörperschmerz stünden keine primär strukturellen Verschleißschäden in der Wirbelsäule oder den peripheren Gelenken gegenüber, sodass die Schmerzstörung nicht dem orthopädischen, sondern dem psychiatrischen Fachgebiet zuzuordnen sei. Hierfür sprächen die von Dr. I. erhobenen orthopädischen Befunde, die lediglich eine allenfalls leichte Bewegungseinschränkung dokumentierten. Auch seien keine neurologischen Defizite feststellbar, sodass für die Gelenke kein Einzel-GdB und für die Wirbelsäule allenfalls ein solcher von 10 anzunehmen sei. Gleiches gelte für das bestehende Karpaltunnelsyndrom. Nicht verändert habe sich im Vergleich zur letzten Feststellung des GdB die Schwerhörigkeit der Klägerin, die unverändert mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei.

Mit Bescheid vom 19.11.2012 hat das LRA in Ausführung des Gerichtsbescheides den GdB der Klägerin seit dem 04.11.2009 mit 40 festgestellt.

Gegen den am 15.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.11.2012 Berufung eingelegt, mit der sie sich insb. gegen die Bildung des Gesamt-GdB durch das SG wendet. Sie trägt vor, die bestehende Schwerhörigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet sei, erhöhe den GdB von 40 für die psychische Erkrankung auf insg. 50. Die Schwerhörigkeit beträfe einen gänzlich anderen Lebensbereich, der Tinnitus verstärke die bestehende Depression. Der vom SG gezogene Vergleich zum Verlust einer Hand lasse eine konkrete Auseinandersetzung damit, inwieweit die Klägerin konkret in ihrem Alltag beeinträchtigt sei, vermissen. Auch habe das SG nicht berücksichtigt, dass sie nach Dr. I. an Ganzkörperschmerzen leide.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 zu verurteilen, bei ihr die Schwerbehinderteneigenschaften mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 04. November 2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages bringt der Beklagte vor, der Gesamtleidenszustand der Klägerin sei nach den Ausführungen von Dr. K. mit dem schwerbehinderter Menschen nicht vergleichbar.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2013 hat der Beklagte, mit solchem vom 06.06.2013 die Klägerin jeweils das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Der Bescheid vom 19.11.2012 ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da er lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid Rechnung trägt und insofern keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) trifft (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts vom 06.01.2003 - B 9 V 77/01 B; Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B -; Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R - jeweils veröffentlicht in juris). Der Bescheid wird hinfällig wenn der Gerichtsbescheid, auf dem er beruht, aufgehoben wird (BSG, Beschluss vom 21.02.1959 - 11 RV 724/58 - veröffentlicht in juris). Der Senat hält, wie er in seinem Urteil vom 08.05.2013 (- L 3 SB 2961/12 - n.v.) bereits entschieden hat, an seiner Rechtsprechung, wonach über den Ausführungsbescheid auf Klage hin zu entscheiden sei (u.a. Urteil des erkennenden Senats vom 19.01.2011 - L 3 SB 3158/09 - n.v.), nicht mehr fest.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat den Beklagten in nicht zu beanstandender Weise verpflichtet, den GdB der Klägerin ab dem 04.11.2009 mit 40 festzustellen, eine darüber hinausgehende Verurteilung, einen GdB von 50 festzustellen, hingegen abgelehnt.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren GdB als 40 festzustellen sind. Das SG ist unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen und Bewertungskriterien, nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts und einer rechtsfehlerfreien Würdigung des Beweisergebnisses zu der nicht zu beanstandenden Einschätzung gelangt, dass die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einen GdB von 40 ab dem 04.11.2009 zu bewerten sind, die Klägerin jedoch keinen Anspruch darauf hat, als schwerbehinderter Mensch anerkannt zu werden. Der Senat schließt sich der Einschätzung des SG nach eigener Überprüfung an und sieht von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Wiederholend und im Hinblick auf das Vorbringen zur Begründung der Berufung ergänzend ist auszuführen, dass die Beeinträchtigungen im Funktionssystem "Psyche" mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten sind. Nach Ziff. Ziff. 3.7 der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrisch, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 – 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 – 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 – 100 zu bewerten. Die bei der Klägerin nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. bestehende rezidivierende depressive Störung rechtfertigt für sich allein betrachtet diesen GdB nicht. Aus den von der Klägerin gegenüber Dr. K. mitgeteilten Abläufen ergibt sich insb. ein strukturierter Tagesablauf der Klägerin, die weder beruflich noch in ihrem Alltagsleben wesentlich eingeschränkt ist. Sie ist noch in der Lage berufstätig zu sein und einen Haushalt zu führen, sie verfügt über einen Bekanntenkreis und enge Freunde, mit denen sie sich gut verstehe. Ein wesentlicher sozialer Rückzug ist hiernach nicht feststellbar. Auch die erhobenen psychopathologischen Befunde rechtfertigen die Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht. So beschreibt Dr. K. die Klägerin zwar als depressiv verstimmt und in ihrer affektiven Schwingungsfähigkeit eingeengt, ansonsten hat Dr. K. hingegen keine Beeinträchtigung einer psychischen Dimension benannt. Nur in Zusammenschau der depressiven Störung mit dem einhergehenden chronischen Schmerzsyndrom und den psychischen Begleiterscheinungen der Tinnitus-Erkrankung kann für das Funktionssystem insgesamt ein Einzel-GdB von 40 angenommen werden. Den vom gerichtlichen Gutachter Dr. I. in seinem Gutachten vom 22.09.2011 benannten mittelschweren Ganzkörperschmerz steht kein korrelierender körperlicher Untersuchungsbefund zur Seite, weswegen auch die durch die Gesundheitsstörung bedingten funktionellen Beeinträchtigungen zusammen mit den Beeinträchtigungen, die infolge der mittelschweren Depression bestehen, zu bewerten sind. In diesem Sinn hat Dr. K. seine Einschätzung des Schweregrades der Depression als mittelschwer gerade unter Einbeziehung der psychosomatischen Beschwerdeanteile begründet. In die Bewertung des Funktionssystems fließt ferner auch die Tinnitus-Erkrankung der Klägerin ein. Deren GdB-Bewertung beurteilt sich nach Ziff. 5.4 der VG danach, ob und in welchem Umfang psychische Begleiterscheinungen durch die Ohrgeräusche bedingt sind. Da die Klägerin den Tinnitus, nach der Stellungnahme von Dr. C. 22.11.2010, weder toleriere noch kompensiere ist es dem Senat nachvollziehbar, dass durch die Erkrankungen bedingte psychovegetative Begleiterscheinungen die Depression verstärken. In Zusammenschau der Beeinträchtigungen der psychischen Belastbarkeit ist der Senat jedoch in Ansehung der von Dr. K. mitgeteilten nicht schwerwiegenden Befundlage davon überzeugt, dass die bei der Klägerin bestehenden funktionellen Auswirkungen, auch in deren Zusammenschau, nicht mit denen, die mit einer schweren psychischen Störung einhergehen, vergleichbar sind. Mit einer Berücksichtigung mit einem Einzel-GdB von 40 wird den gesamten Auswirkungen auf die psychische Belastbarkeit der Klägerin ausreichend und angemessen Rechnung getragen.

Die von Dr. I. erhobenen körperlichen Befunde rechtfertigen allenfalls einen Einzel-GdB von 10 für die Wirbelsäulenerkrankung wegen der bestehenden geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule (vgl. Ziff.18.9. der VG). GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten bestehen hingegen nach den von Dr. I. erhobenen Befunden nicht.

Die ferner bestehende Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten (vgl. Ziff. 5.2 der VG). Weiterhin besteht bei der Klägerin ein Karpaltunnelsyndrom, das entsprechend der Bewertung von Dr. K. mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen ist.

In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Teil A Ziff. 3 VG). Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielmehr weitestgehend bereits im Funktionssystem "Psyche", da dort, wie oben ausgeführt, die psychischen Begleiterscheinungen der Tinnitus-Erkrankung und die psychosomatischen Beschwerdeanteile bereits den Einzel-GdB begründen und vollständig hierin aufgehen. Die ferner bestehenden körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und der Schwerhörigkeit sowie das Karpaltunnelsyndrom wirken sich nicht der Gestalt verstärkend aus, dass in Zusammenschau der bestehenden Beeinträchtigungen ein GdB von 50 gerechtfertigt wäre. Soweit klägerseits mit der Berufung vorgebracht wird, die Schwerhörigkeit betreffe einen anderen Lebensbereich der Klägerin als die psychische Erkrankung und wirke sich stets erhöhend aus, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin trotz der leichten bis mittelschweren Schwerhörigkeit in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und soziale Kontakte zu pflegen. Eine (weitergehende) Beeinträchtigung der Klägerin durch die Schwerhörigkeit ist daher nicht ersichtlich. Dies wird für den Senat insb. auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. K. und der dortigen eigenanamnestischen Angaben zwar detailliert zu ihren Beschwerden vorgetragen hat, dort jedoch, ausweislich des Gutachtens von Dr. K., keine Beeinträchtigungen und Einschränkungen durch das verminderte Hörvermögen mitgeteilt hat. Die Schilderung der Klägerin hatte vielmehr ausschließlich durch ihre psychische Verfassung verursachte Beschwerden zum Inhalt. Hierdurch wird deutlich, dass die Teilhabefähigkeit der Klägerin maßgeblichst durch die Beeinträchtigung der psychischen Stabilität beeinflusst ist. Weitergehende Beschwerden, die die Gesamtauswirkungen beeinflussen, werden von der Klägerin selbst nur im Hinblick auf die orthopädischen, konkret die Wirbelsäulenerkrankung, benannt. Der Senat vermag daher nicht zu erkennen, dass sich die Schwerhörigkeit GdB- erhöhend auswirkt. Die Teilhabefähigkeit der Klägerin wird vielmehr bestimmend durch die psychische Erkrankung beeinträchtigt, sodass eine Erhöhung des Einzel-GdB von 40 wegen der weiteren (leichten) Beeinträchtigungen nicht gerechtfertigt ist. Der vom SG angestellte Vergleich zu den Auswirkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, ist auch für den Senat dahingehend zu beantworten, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin mit diesen nicht vergleichbar sind. Eine Zusammenschau ergibt vielmehr, dass den funktionellen Auswirkungen mit einem GdB von 40 ausreichend und angemessen Rechnung getragen ist.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 09.10.2012 ist hiernach nicht zu beanstanden, die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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