L 11 R 5394/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 6367/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5394/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die.1960 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige; sie zog am 01.10.1988 in die Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin erlernte keinen Beruf und war bis zum Jahr 1997 als Raumpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Danach übte die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung als Putzhilfe in einer Krankengymnastikpraxis aus.

Vom 07.10.2008 bis zum 04.11.2008 befand sich die Klägerin in einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationsklinik H. in B.-B ... Im Entlassungsbericht vom 13.11.2008 werden folgende Diagnosen gestellt: 1) primäres Fibromyalgiesyndrom 2) Coxarthrose Stadium II rechtsbetont 3) Gonarthrose rechts 4) Verdacht auf undifferenzierte somatoforme Schmerzstörung 5) Adipositas Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben (M 4 des medizinischen Teils der Rentenverwaltungsakte).

Die Klägerin beantragte am 03.02.2009 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13.02.2009 unter Bezugnahme auf die Leistungseinschätzung im Reha-Entlassungsbericht vom 13.11.2008 ab. Den am 10.03.2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2009 nach Beiziehung weiterer Befundberichte (vgl M 6 sowie M 8-10 des medizinischen Teils der Rentenverwaltungsakte) zurück.

Die Klägerin hat am 21.09.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie ua geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.

Das SG hat den behandelnden Orthopäden Dr. B. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 14.11.2009 hat Dr. B. mitgeteilt, dass eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten nicht mehr gegeben sei.

Daraufhin hat das SG zunächst Dr. R., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In ihrem aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 11.01.2010 erstellten Gutachten ist Dr. R. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden arbeitstäglich unter der Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dr. R. hat eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.

Das SG hat des Weiteren Dr. H. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 12.02.2010 erstellten Gutachten kommt Dr. H. zu dem Ergebnis, dass der Klägerin noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar seien. Dr. H. hat gering bis mittelgradige degenerative Veränderungen in der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Duralsack und Wurzelkompression, eine beginnende Coxarthrose beidseits sowie eine beginnende Gonarthrose rechts diagnostiziert.

Das SG hat ferner auf Antrag der Klägerin Dr. A. mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. In seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 29.07.2010 erstellten Gutachtens ist Dr. A. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch weniger als drei Stunden täglich belastbar sei. Dr. A. hat eine anhaltende mittelschwere depressive Störung, eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine anhaltende Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom diagnostiziert. Am 06.12.2010 hat Dr. A. eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und sich dabei zu den von der Beklagten vorgebrachten Einwänden geäußert. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 155 - 164 der SG-Akte verwiesen. Zu dem von Dr. A. erstellten Gutachten und dessen ergänzender Stellungnahme ist die Sachverständige Dr. R. gehört worden; sie hat an den von ihr gestellten Diagnosen und an ihrer Leistungsbeurteilung festgehalten (Stellungnahme vom 23.03.2011, Bl 178 - 192 der SG-Akte).

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.11.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine zeitliche Leistungseinschränkung durch die Erkrankung auf orthopädischem und nervenfachärztlichem Gebiet nach den schlüssigen Gutachten von Dr. H. und Dr. R. nicht vorliege. Der Leistungseinschätzung von Dr. A. könne dagegen nicht gefolgt werden, da die Annahme einer Erwerbsminderung im Wesentlichen auf den subjektiven Beschwerdeangaben beruhe. Die von Dr. A. beschriebenen Befunde reichten jedoch für die Annahme einer Erwerbsminderung nicht aus. Auch ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erwerbsunfähigkeit bestehe nicht, da die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft den ungelernten Tätigkeiten zuzuordnen sei, so dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf ungelernte Tätigkeiten breit verweisbar sei.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2011 zugestellten Urteil am 07.12.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Dr. R. habe bei ihrer Leistungsbeurteilung nicht den multimorbiden Zustand der Klägerin berücksichtigt. Sie sei zuletzt vom 20.10.2011 bis zum 03.11.2011 stationär im Rheumazentrum Oberammergau behandelt worden, da sich die Ganzkörperbeschwerden zunehmend exazerbiert hätten. Auch sei sie vom 01.12.2010 bis zum 05.01.2011 jetzt das zweite Mal in stationärer Behandlung in der Klinik Dr. Rö. gewesen und als Entlassungsdiagnosen seien eine schwere rezidivierende depressive Störung sowie eine Fibromyalgie gestellt worden. Laut der Zwischenanamnese im Entlassungsbericht der Klinik Dr. Rö. vom 12.01.2011 habe sich der psychische Zustand seit September 2011 zunehmend verschlechtert. Dies zeige auch das psychiatrische Gutachten von Dr. A. vom 06.12.2010, wonach sie für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch im Umfang von weniger als drei Stunden belastbar sei. Bei der vorherigen Begutachtung bei Dr. R. am 12.01.2010 sei das Krankheitsbild im Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht so schwerwiegend gewesen. Es sei daher ein internistisch-rheumatologisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, hilfsweise werde beantragt, nach § 109 SGG ein Gutachten einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.11.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung 01.02.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Veranlassung des Senats hat Dr. S. ein internistisches Gutachten vom Amts wegen aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 09.02.2012 erstellt. Dr. S. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Dr. S. hat eine mäßige Adipositas, eine wenig enzymaktive Fettleber sowie eine Hörminderung beidseits diagnostiziert. Hinweise auf eine Erkrankung aus dem entzündlich rheumatischen Formenkreis bestünden nicht. Dr. W. ist in einem orthopädischen Zusatzgutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 16.03.2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klägerin noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zumutbar seien. Dr. W. hat einen geklagten Ganzkörperschmerz ohne objektivierbare Funktionseinschränkung im Bereich der oberen Extremitäten, der Hüft- und Sprunggelenke sowie der Füße, geklagte Wirbelsäulenschmerzen ohne überdauernde Nervenwurzelreizerscheinungen mit zufriedenstellender Wirbelsäulenbeweglichkeit bei nachgewiesenen lumbalen Bandscheibendegenerationen sowie geklagte Kniebeschwerden beidseits ohne äußere Reizerscheinung mit variabler Bewegungseinschränkung links und freier Beweglichkeit rechts bei beginnender Kniegelenksarthrose rechts beschrieben. Der Senat hat des Weiteren Dr. P. sowie Prof. Dr. Dr. Bü. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 96 - 102 sowie 114 - 118 der Berufungsakte verwiesen.

Der Senat hat überdies Prof. Dr. T. mit der Stellung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 22.01.2013 erstellten Gutachten ist Prof. Dr. T. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Prof. Dr. T. hat eine psychogene funktionelle Ganzkörperstörung im Sinne einer somatoformen Störung diagnostiziert.

Der (frühere) Berichterstatter hat den Beteiligten im Erörterungstermin am 24.06.2013 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis 26.07.2013 gegeben.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Einwände dagegen haben sie nicht erhoben.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.02.2009.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren beigezogenen Reha-Entlassungsberichts, den der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Akkord und Fließbandarbeit, Nachtschicht und Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortung sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die Klägerin ist damit nicht voll erwerbsgemindert.

Bei der Klägerin besteht eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Sie klagt über einen andauernden schweren Ganzkörperschmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Dies folgt aus dem Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R., das diese für das SG erstattet hat. Trotz dieser Gesundheitsstörung ist die Klägerin noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Nicht mehr möglich sind der Klägerin Tätigkeiten im Akkord und am Fließband, Tätigkeiten in Nachtschicht und solche mit besonderer geistiger Beanspruchung. Auch dies entnimmt der Senat dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Dr. R ... Diese hat bei ihrer Untersuchung der Klägerin eine ausgeprägte Beschwerdebetonung bei leicht niedergedrückter Stimmung mit noch erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit festgestellt. Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen sind während der gesamten Begutachtung nicht aufgetreten. Die Klägerin hat zwar in der Testpsychologie eine mittelschwere Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörung gezeigt, diese hat jedoch in der Exploration nicht nachvollzogen werden können. Auch die als stark angegebenen Schmerzen haben sich nicht zB durch Ausgleichsbewegungen während des langen Sitzens bei der Exploration verifizieren lassen. Die affektive Schwingungsfähigkeit war voll erhalten, eine Antriebsstörung, eine Störung der Merkfähigkeit oder eine psychotische Symptomatik konnte nicht festgestellt werden. Diese Befunde entsprechen im Wesentlichen den von Prof. Dr. T. getroffenen Feststellungen. Dieser konnte diagnostisch überhaupt kein relevantes psychiatrisches Krankheitsbild erkennen und sprach gar davon, die Klägerin biete "das Bild eines undifferenzierten Jammerzustands, der offensichtlich darauf ausgerichtet sei, Eindruck beim Untersucher zu erzeugen." Insoweit geht der Senat zwar davon aus, dass bei der Klägerin nicht nur ein undifferenzierter Jammerzustand vorliegt, sondern sie tatsächlich an der von Dr. R. beschriebenen somatoformen Schmerzstörung leidet. Daraus ergibt sich aber, wie dargelegt, keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht.

Den Gutachten von Dr. R. und Prof. Dr. T. entnimmt der Senat aber, dass die von Dr. A. diagnostizierte anhaltende mittelschwere depressive Störung und eine anhaltende Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom nicht vorliegt. Die von Dr. A. für seine Diagnosen gegebenen Begründungen vermögen nicht zu überzeugen. Aus einer affektiven depressiven Herabgestimmtheit und einer leichten Antriebsminderung sowie negativen Denkeinengungen lässt sich keine mittelschwere Depression ableiten. Im Gegensatz zu Dr. A. hat Dr. R. eine Konsistenzprüfung durchgeführt (Gutachten Seite 21) und dabei deutliche Hinweise herausgearbeitet, die den Schluss zulassen, dass Funktionsbeeinträchtigungen in dem von der Klägerin geklagten Umfang nicht vorliegen. Eine derartige kritische Würdigung der Beschwerdeangaben der Klägerin hat Dr. A. vermissen lassen.

Die Einschätzung von Dr. R. ist nach Prüfung und Bewertung durch den Senat schlüssig und überzeugend. Die Leistungseinschätzung von Dr. R. entspricht auch den noch von der Klägerin angegebenen Alltagstätigkeiten. So ist die Klägerin noch in der Lage, ihren Haushalt zu erledigen, zum Nordic Walken und zur Wassergymnastik zu gehen. Schwerwiegende Leistungseinschränkungen auf nervenfachärztlichem Gebiet konnten von Dr. R. nicht erhoben werden. Die Leistungseinschätzung der Gutachterin basiert auf einer eingehenden Überprüfung der Angaben der Klägerin auf ihre Konsistenz. Hierbei ergab sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen den angegebenen Beschwerden und dem Verhalten in unbeobachteten Momenten. So konnte ein Muskelschwund nicht verifiziert werden, obgleich die Klägerin angegeben hat, dass sie ständig im Bett liege. Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ist danach nicht zu rechtfertigen. Die Einschätzung von Dr. R. wird bestätigt durch den Reha-Entlassungsbericht vom 13.11.2008. Auch dort wurde eine Diskrepanz zwischen dem objektiven Leistungsvermögen und der Selbsteinschätzung der Klägerin angeführt. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.

Soweit Dr. A. in seinem Gutachten vom 29.07.2010 eine Erwerbsminderung annimmt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die von Dr. A. mitgeteilten Befunde reichen nach Prüfung durch den Senat nicht aus, um tatsächlich eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden anzunehmen. Bereits der geschilderte Tagesablauf belegt, dass zumindest noch leichte Tätigkeiten zumutbar sind. Die Klägerin hat angegeben, dass sie nach der Morgengymnastik ein kleines Frühstück einnehme und sich dann auf den Heimtrainer setze. Die Klägerin hat des Weiteren angegeben, sie nehme Arzttermine oder Gymnastiktermine wahr und erledige noch Kleinigkeiten in der Küche oder wasche Wäsche. Angesichts der allesamt nur leichtgradigen Befunde in Form einer etwas herabgedrückte Stimmungslage, eines etwas geminderten Antriebs und einer leichtgradig beeinträchtigten Konzentration und Aufmerksamkeit ist die Diagnose einer mittelschweren Depression nicht nachvollziehbar. Auch das Verneinen von Aggravation ist ohne die Vornahme der gebotenen Konsistenzprüfung nicht überzeugend. Dem Gutachten von Dr. A. kann danach nicht gefolgt werden.

Auf orthopädischem Fachgebiet konnte der vom Senat gehörte Dr. W. keine gravierenden Befunde erheben. Er bestätigte vielmehr einen "geklagten Ganzkörperschmerz ohne objektivierbare Funktionseinschränkungen". Daher kam er für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis, dass der Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zumutbar sind. Er äußerte zudem den Verdacht auf eine Aggravation. So habe die Klägerin berichtet, dass sie nicht mehr stricken und mit ihren Händen viel machen könne, weil diese ständig schmerzen würden. Die Klägerin habe jedoch in sehr geschickter Weise nach dem mitgebrachten Papieren gegriffen und sei auch in der Lage gewesen, sich die Oberschenkelkompressionsstrumpfhose, welche sehr eng sitze, sicher und ohne Klagen auszuziehen. Zudem sei bei der gezielten Funktionsprüfung der Hände eine Funktionsstörung nicht aufgefallen. Auch bei der Funktionsprüfung der Schultergelenke sei eine negative Antwortverzerrung augenscheinlich gewesen. Bei der Prüfung der Tenderpoints habe die Klägerin grundsätzlich Schmerzen bei schon leichten Hautberührungsreizen am ganzen Körper angegeben. Bei Ablenkung habe jedoch gleichermaßen ohne Schmerzangabe gedrückt werden können. Die Klägerin habe somit zusammenfassend Ganzkörperschmerzen angegeben, die sich jedoch organisch nicht erklären ließen und auch aufgrund der auffallenden Variabilität sehr stark auf eine negative Antwortverzerrung hinwiesen. Die auf orthopädischem Fachgebiet objektiv zu erhebenden Befunde führen deshalb nur zu einer qualitativen Leistungseinschränkung dahingehend, dass keine mittelschweren bis schweren und körperlichen Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und keine Arbeiten mit häufigem Bücken und Vorneüberneigung zumutbar seien. Leichte Tätigkeiten sind jedoch noch vollschichtig möglich. Das Gutachten von Dr. W. ist nach Auffassung der Kammer schlüssig und fundiert. Bereits die Angaben zur Wegefähigkeit zeigen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, Spaziergänge zu unternehmen und ihren Beschäftigungen unter der Woche mit Haushalt, Arztbesuchen und Gymnastikterminen wahrzunehmen. Die erheblichen Aggravationstendenzen werden insbesondere auch dadurch deutlich, dass die von der Klägerin mitgebrachten Unterarmgehstützen keine wesentlichen Gebrauchsspuren zeigen. Objektive Befunde, welche das Gehen an Unterarmstützen rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Eine Erwerbsminderung auf orthopädischem Fachgebiet ist somit nicht gegeben. Die Einschätzung von Dr. W. wird bestätigt durch das orthopädische Gutachten von Dr. H. vom 05.05.2010. Auch bei der Untersuchung durch Dr. H. hat sich die Klägerin als äußerst klagsam gezeigt. Bezüglich der Wirbelsäule lagen gering bis mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen mit Wurzelkompression und beginnender Coxarthrose sowie Gonarthrose vor. Zumindest leichte Tätigkeiten hielt auch Dr. H. vollschichtig zumutbar.

Bezüglich des internistischen Fachgebiets hat Dr. S. in seinem Gutachten vom 09.02.2011 keine Befunde von erwerbsmindernder Relevanz erheben können. Betreffend der angegebenen Fibromyalgie konnten die geklagten Funktionsbeeinträchtigungen nicht durch einen organmedizinisches Substrat belegt werden. Insbesondere konnte der Gutachter keine Erkrankung aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis diagnostizieren.

Durch die vom SG und vom Senat durchgeführte Beweiserhebung ist die Leistungseinschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. B. widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Die häufig auch an die behandelnden Ärzte gerichtete Frage nach der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten dient in erster Linie dazu, dem Gericht die Entscheidung über weitere Beweiserhebungen von Amts wegen zu erleichtern. Ist selbst nach Meinung der behandelnden Ärzte eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen, kann häufig auf die (nochmalige) Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Die von Dr. B. mitgeteilten Befunde sind auf orthopädischem Fachgebiet nach ihrem Schweregrad nicht ausreichend um eine Erwerbsminderung tatsächlich anzunehmen.

Soweit Dr. B. die Erwerbsminderung mit der erheblichen depressiven Komponente begründet, ist dem zu entgegnen, dass nach den fachspezifischen Gutachten von Dr. R. und Prof. Dr. T. eine depressive Erkrankung nicht festgestellt werden konnte. Daran vermögen auch die zahlreichen stationären Aufenthalte der Klägerin (vgl Bericht vom 12.01.2011 in der Klinik Dr. Rö., über die Behandlung in den W.-Z.-Kliniken Rheumazentrum O. vom 25.10.2011 sowie vom 26.11.20120 und den Bericht über den stationären Aufenthalt im Zentrum für seelische Gesundheit von Prof. Dr. Dr. Bü. vom 17.09.2012) nichts zu ändern. Dem Bericht von Prof. Dr. Dr. Bü. vom 17.09.2012 ist zu entnehmen, dass die Klägerin nach mehreren Belastungserprobungen gut erholt und stabilisiert entlassen worden sei. Befunde, welche die in der Klinik Dr. Rö. diagnostizierte schwere rezidivierende depressive Störung bestätigen könnten, wurden von Dr. R. und Prof. Dr. T. nicht erhoben. Auch das chronische Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp, welches in dem Rheumazentrum Oberammergau diagnostiziert worden war, konnte bei der Prüfung der Tenderpoints bei Dr. S. und Dr. R. nicht verifiziert werden.

Der Senat konnte sich somit davon überzeugen, dass die von Dr. R., Dr. H., Dr. W. und Dr. S. genannten Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese Gesundheitsstörungen führen aber nicht zu einem in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen und Einschätzungen der Gutachten von Dr. R., Dr. H., Dr. Weis, Dr. S. und - in Bezug auf die Leistungsbeurteilung - auch der Auffassung von Prof. Dr. T. an. Die Klägerin ist mithin in der Lage unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss der Klägerin eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Die Klägerin kann zwar nach Feststellung der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen, diese sogenannten qualitativen Einschränkungen gehen aber noch nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Tätigkeiten erfasst wird. Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und mit Arbeiten häufig im Bücken und Vorneübergeneigt (Gutachten von Dr. H. und Dr. Weis) sind bereits nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Der Ausschluss von Tätigkeiten in Akkord und Fließbandarbeit, Nachtschichten und Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortung versperrt den Zugang zu typischen Arbeitsplätzen für leichte körperliche Arbeiten nicht in nennenswerter Weise. Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstliche Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG, 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Dr. R., Dr. H., Dr. Weis, Dr. S. und Prof. Dr. T. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkungen der Wegefähigkeit erbracht.

Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit dem 01.02.2009 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); sie hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Nach dem Klageantrag begehrt die Klägerin lediglich die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und nicht auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Die Voraussetzungen für eine solche Rente sind zudem nicht erfüllt, da die Klägerin nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Putzfrau auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Derartige leichte Tätigkeiten kann die Klägerin, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. R., Dr. H., Dr. W., Dr. S. und Prof. Dr. T. und der Reha - Entlassungsbericht vom 13.11.2008 haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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