L 5 R 5759/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5759/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage gegen den Bescheid vom 27.01.2012 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden im Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht erstattet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Zuschüssen zur Kranken-und Pflegeversicherung in Höhe von zuletzt noch 1.845,94 EUR.

Dem 1942 geborenen Kläger wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 15.03.2007 ab dem 01.04.2007 eine Regelaltersrente bewilligt.

Dagegen erhob der Kläger am 14.05.2007 durch seinen Verfahrensbevollmächtigten Widerspruch mit der Begründung, der Beklagten müsse bekannt sein, dass er freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse sei. Ihm sei daher zu Unrecht der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Rente abgezogen worden.

Mit Bescheid vom 01.08.2007 änderte die Beklagte den Bescheid vom 15.03.2007 dahingehend, dass sie keine Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erhob, sondern dem Kläger - rückwirkend ab Rentenbeginn - einen Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 81,56 EUR bewilligte. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss zur Krankenversicherung u.a. mit der Aufgabe der Krankenversicherung oder dem Eintritt von Versicherungspflicht ende. Er sei verpflichtet, jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses der Beklagten unverzüglich mitzuteilen.

Am 07.04.2009 teilte die Handwerkskammer der Beklagten mit, dass der Eintrag des Klägers in die Handwerksrolle als Tischler zum 31.03.2009 gelöscht worden sei. Als Löschgrund war angegeben "persönliche Gründe: Tod, Alter, Krankheit".

Am 08.12.2010 meldete die zuständige Krankenversicherung der Beklagten über Datentransfer eine Änderung dahingehend, dass anstelle des Beitragszuschusses nach § 106 SGB VI ab dem 01.04.2009 eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bestehe.

Durch Bescheid vom 12.01.2011 berechnete die Beklagte daraufhin ab dem 01.04.2009 die Regelaltersrente des Klägers neu. Aus der Rente seien für die Zeit ab dem 01.04.2009 Beiträge zur KVdR zu zahlen. Für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.01.2011 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 2.716,87 EUR aufgrund rückständiger Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Der Bescheid über die Bewilligung eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung werde ab 01.02.2011 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Es sei beabsichtigt, dies auch mit Wirkung für die Vergangenheit, nämlich ab 01.04.2009, zu tun. Es sei beabsichtigt, weitere 1.935,12 EUR zu Unrecht gezahlter Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.01.2011 zurückzufordern.

In einem Telefonat mit der Ehefrau des Klägers (Aktenvermerk vom 19.01.2011) äußerte diese gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten, sie hätten nicht gewusst, dass sich an dem Krankenversicherungsversicherungsverhältnis durch die Aufgabe des Geschäftsbetriebes etwas geändert habe. Die Beiträge seien zwar nicht mehr abgebucht worden, sie seien aber davon ausgegangen, dass der Versicherungsschutz über die Rente bestehe.

Der Kläger legte am 31.01.2011 Widerspruch mit der Begründung ein, dass es sich um ein Versäumnis der zuständigen Krankenkasse, nicht um seinen Fehler handele, dass das geänderte Versicherungsverhältnis derart verspätet mitgeteilt worden sei. Der Beklagten sei bereits am 07.04.2009 die Mitteilung über die Löschung aus der Handwerksrolle zugegangen. Diese hätte deshalb selbst entsprechend reagieren können, so dass der Vorwurf gegen ihn, er habe die Änderung nicht rechtzeitig mitgeteilt, ins Leere gehe. Der Kläger schlug vor, sich vergleichsweise dahingehend zu einigen, dass er die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.04.2009 in Höhe von 2.716,87 EUR nachzahle, dass er aber den Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 1.935,12 EUR nicht zu erstatten habe.

Durch Bescheid vom 28.02.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 01.08.2007 hinsichtlich des bewilligten Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung auf und forderte die überzahlten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 1.935,12 EUR vom Kläger zurück.

Am 07.03.2011 legte der Kläger auch gegen den Bescheid vom 28.02.2011 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass die Überzahlung allein durch die Beklagte verschuldet sei, da sie nicht auf die Gewerbeabmeldung reagiert habe.

Die Krankenkasse des Klägers bestätigte mit Mitteilung vom 23.03.2011, dass bis einschließlich zum 31.03.2009 freiwillige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seitens des Klägers gezahlt worden seien. Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sei durch Bescheid vom 17.04.2009 festgestellt worden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 28.02.2011 sowie 12.01.2011 zurück. Auf Grundlage des § 48 SGB X sei die Gewährung eines Beitragszuschusses mit Wirkung vom 01.04.2009 zu Recht aufgehoben worden. Die entstandene Überzahlung von 1.935,12 EUR habe der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Da wegen eines atypischen Falles eine Ermessensausübung zu erfolgen habe, sei zu berücksichtigen, dass zwar eine Meldung der Handwerkskammer über die Löschung des Tischlerbetriebes erfolgt sei, allerdings habe der Kläger selbst keine Mitteilung darüber gemacht. Die Krankenkasse habe die Änderungsmitteilung erst verzögert vorgenommen. Weder aus dem einen noch dem anderen Umstand ergebe sich aber, dass von der Rückforderung der überzahlten Beiträge abgesehen werden könne. Der Kläger habe nämlich gewusst, dass er aufgrund der Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit nicht mehr freiwillig krankenversichert gewesen sei. Er habe dennoch den Beitragszuschuss entgegen genommen, obwohl er gewusst habe, dass dieser zweckgebunden für seine Aufwendungen zur freiwilligen Krankenversicherung gewährt werde. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung rechtmäßiger Zustände überwiege daher das Interesse des Klägers am Behalt der zu Unrecht gezahlten Beitragszuschüsse.

Dagegen erhob der Kläger am 29.11.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim. Die Klage richte sich nur gegen die Erstattung der erhaltenen Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 1.935,12 EUR. Er habe zum 31.03.2009 seine selbständige Tätigkeit aufgegeben. Dies habe er der zuständigen Krankenkasse angezeigt. Da die Krankenkasse verpflichtet sei, seine Mitteilungen über wesentliche Änderungen an den Rentenversicherungsträger weiter zu leiten, habe er davon ausgehen können, dass er mit der Mitteilung an die Krankenkasse seiner Mitwirkungspflicht Genüge getan habe. Dass die Krankenkasse die Mitteilung aus dem Jahre 2009 erst im Jahr 2010 an die Beklagte weitergeleitet habe, sei ein Fehlverhalten der Krankenkasse und ihm nicht anzulasten. Der Beklagten sei die Betriebsaufgabe im Übrigen durch eine Mitteilung der Handwerkskammer am 14.04.2009 bekannt worden.

Mit Urteil vom 14.12.2011 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 28.02.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 auf und verurteilte die Beklagte, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die streitige Rechtsfrage neu zu entscheiden. Die Beklagte habe das ihr bei der Entscheidung über die Rücknahme des Beitragszuschusses zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X solle ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene gewusst oder nicht gewusst habe, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei dadurch eingetreten, dass die freiwillige Krankenversicherung des Klägers nur bis zur Betriebsaufgabe am 31.03.2009 bestanden habe. Der Kläger habe auch jedenfalls grob fahrlässig nicht gewusst, dass sein Anspruch auf Beitragszuschuss weggefallen sei. Grob fahrlässig handele, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lasse. Dem Kläger sei zum einen das Verschulden seines Bevollmächtigten dahingehend zuzurechnen, dass dieser den Antrag auf Bewilligung eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung gestellt und die hierzu ergangenen Hinweise, insbesondere betreffend die Mitteilungspflicht bei Wegfall der freiwilligen Krankenversicherung gegenüber dem Rentenversicherungsträger, dem Kläger nicht mitgeteilt und ihn darüber aufgeklärt habe. Auch wenn der Bevollmächtigte angegeben habe, er könne sich nicht daran erinnern, den Kläger über seine Mitteilungspflichten aufgeklärt zu haben, sei das Gericht dennoch davon überzeugt, dass dies nicht geschehen sei. Denn der Kläger habe nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung keinerlei Ahnung davon gehabt, dass ihn derartige Mitteilungspflichten getroffen hätten. Der Kläger habe zum anderen auch selbst die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht gelassen, als er nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung den Bewilligungsbescheid vom 01.08.2007 überhaupt nicht gelesen habe mit Ausnahme der ersten Seite, aus der sich der Rentenbetrag ergeben habe. Hätte er diesen Bescheid vollständig gelesen, wie es einem sorgfältig handelnden Rentenberechtigten obliege, hätte er um seine Pflicht gewusst, die Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses unmittelbar dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Die Beklagte habe das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 4 SGB X eröffnete Ermessen aber nicht fehlerfrei ausgeübt, weil sie davon ausgegangen sei, anlässlich der Meldung der Handwerkskammer vom 07.04.2009 habe keinerlei Anlass bestanden, den Rentenbescheid zu überprüfen. Die Angaben der Handwerkskammer seien nicht sehr konkret gewesen. Dies habe wohl dazu geführt, dass der zuständige Sachbearbeiter wegen des auch in der Meldung zitierten Löschungsgrundes "Tod" lediglich über einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nachgedacht habe. Der Fall des Klägers dürfte allerdings nicht der einzige sein, bei dem aufgrund der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit die freiwillige Krankenversicherung nicht mehr habe aufrechterhalten werden können. Zwar habe die Beklagte aufgrund der Mitteilung der Handwerkskammer nicht zwingend auf den Wegfall der freiwilligen Versicherung des Klägers schließen können. Allerdings habe es genügend Anlass gegeben, um beim Kläger, der Handwerkskammer oder der Krankenkasse des Klägers im Rahmen der Amtsermittlung nachzufragen. Wenn die Beklagte nun im Widerspruchsbescheid davon ausgehe, dass sie keinerlei Mitverschulden an der erst sehr späten Feststellung des Wegfalls der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers im eigenen Hause treffe (entgegen des ausführlichen Vermerks vom 01.07.2011 seitens der Sachbearbeitung, Bl. 97 der Verwaltungsakte), so könne dem nicht gefolgt werden. Es liege Ermessensfehl-gebrauch vor. Das Sozialgericht wies ausdrücklich darauf hin, dass das Vorliegen des Ermessensfehlers und das Vorliegen eines Mitverschuldens der Beklagten nicht bedeuten müsse, dass nur ein Weniger als die vollständige Aufhebung des bewilligten Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung rechtmäßig sein könne. Die Beklagte könne ihr Ermessen frei ausüben, allerdings unter Berücksichtigung ihrer Mitverschuldensquote. Die Beklagte könne in der neu zu erlassenden Entscheidung ebenfalls zu dem Ergebnis gelangen, dass das öffentliche Interesse bzw. das Interesse der Beitragszahler deutlich mehr wiege als das Interesse des Klägers.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.12.2011 Berufung einlegen lassen. Das Sozialgericht habe ihm zu Unrecht ein Verschulden seines Bevollmächtigten wegen mangelnder Aufklärung über die Mitteilungspflichten zur Last gelegt. Denn dieser habe in der mündlichen Verhandlung lediglich angegeben, er könne sich nicht daran erinnern, ob er den Kläger bei der Antragstellung auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen habe. Diese habe immerhin schon gut vier Jahre zurück gelegen. Zudem sei es unrichtig, das er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Er habe seine Krankenkasse über die Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit unterrichtet. Dies hätte die Krankenkasse der Beklagten mitteilen müssen. Zudem habe die Handwerkskammer die Beklagte bereits am 06.04.2009 über die Betriebsaufgabe informiert. Er trage daher keine Mitschuld an der Überzahlung und sei daher nicht verpflichtet, den Beitragszuschuss in Höhe von 1.935,12 EUR auch nur anteilsweise zurückzuzahlen.

Mit Bescheid vom 27.01.2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 01.08.2007 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung nach § 48 SGB X für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 31.01.2011 auf und forderte für diesen Zeitraum einen überzahlten Betrag in Höhe von 1.845,94 EUR zurück. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, er habe nicht gewusst, dass er zu Unrecht einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung erhalten habe und dass die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht abgezogen würden, sei nicht glaubhaft. Dem stehe entgegen, dass der Kläger gegen die ursprüngliche Rentenbewilligung Widerspruch erhoben habe mit dem Ziel, die damals zunächst einbehaltenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner wieder ausbezahlt und einen Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zu erhalten. In der Folge dieses Widerspruchs seien ihm aufgrund des Änderungsbescheides vom 01.08.2007 die zunächst einbehaltenen Beiträge nachbezahlt und der Beitragszuschuss bewilligt worden. Zudem sei er auch seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen, über die er im Bewilligungsbescheid vom 01.08.2007 aufgeklärt und in den anschließenden Rentenanpassungsmitteilungen nochmals erinnert worden sei. Von dieser Verpflichtung könne er sich auch nicht mit der Einlassung entbinden, dass er den Bewilligungsbescheid nicht vollständig gelesen habe. Allein darin liege eine grobe Fahrlässigkeit begründet. Die Beklagte stellte in ihre Ermessenserwägungen ein, dass der Kläger erst am 20.04.2009 von der Krankenkasse erfahren habe, dass für ihn ab dem 01.04.2009 Krankenversicherungspflicht bestehe. Deshalb verbleibe es für den Monat April bei der Zuschussgewährung. Für den Zeitraum vom 01.05.2009 bis zum 31.01.2011 kam die Beklagte unter Abwägung aller von ihr in die Ermessensabwägung eingestellten Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, dass das Verschulden des Klägers an der Überzahlung gegenüber den Ermessensgesichtspunkten, die gegen eine Rücknahme der gezahlten Beitragszuschüsse sprechen würden, ein höheres Gewicht aufweise. Der Kläger habe sich auch nach Erhalt der Rentenanpassungsmitteilungen von 07/2009 und 07/2010 nicht darüber informiert, dass sich aus der Änderung seines Krankenversicherungsverhältnisses auch Auswirkungen für seinen Anspruch auf die Beitragszuschüsse ergeben hätten. Er habe diese Zuschüsse weiterhin in Empfang genommen, obwohl er die Aufwendungen, für die diese gedacht gewesen seien, gar nicht mehr gehabt habe.

Der Kläger hat noch vorgetragen, die Beklagte habe in einem Aktenvermerk selbst erkannt, dass ein atypischer Fall vorliege, in dem wegen der Kenntnis der Beklagten von der Löschung in der Handwerkskammer im Wege des Ermessens ein Mitverschulden der Beklagten an der Überzahlung mit einem Drittel bei der Höhe der Rückforderung zu berücksichtigen sein solle. Ihm werde zu Unrecht eine Verletzung seiner Mitteilungspflichten vorgeworfen. Er habe der Krankenkasse das Ende seiner selbständigen Tätigkeit mitgeteilt. Nichts anderes hätte er der Beklagten mitteilen können, die darüber aber bereits Kenntnis gehabt habe. Die Verbindung, die zwischen dem Ende seiner Tätigkeit und dem Wegfall des Beitragszuschusses bestanden habe, habe er nicht kennen müssen und auch nicht kennen können. Er sei daher nach § 65 SGB I von seinen Mitteilungspflichten entbunden, dass sich die Beklagte die erforderlichen Kenntnisse ohne Aufwand selbst habe beschaffen können. Die Beklagte hätte nach der Mitteilung der Handwerkskammer über die Betriebsaufgabe zeitnah den Bescheid über den Beitragszuschuss korrigieren können und damit die Überzahlung des Beitragszuschusses verhindern können. Sie treffe daher das alleinige Verschulden an der Überzahlung, so dass eine Rückforderung unzulässig sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage gegen den Bescheid vom 27.01.2012 abzuweisen.

Der Kläger könne sich nicht auf das bestehende Meldeverfahren zwischen Krankenversicherungsträger und Rentenversicherungsträger berufen. Dieses entbinde ihn nicht von seinen Mitteilungspflichten der Beklagten gegenüber. Während er der Krankenkasse das Ende seiner selbständigen Tätigkeit habe mitteilen müssen, sei er gegenüber der Beklagten verpflichtet gewesen, jede Änderung seines Krankenversicherungsverhältnisses mitzuteilen. Der Rentenversicherungsträger müsse nicht wissen, aus welchem Grund die freiwillige Krankenversicherung bestehe oder entfalle. Aus dem Wegfall der selbständigen Tätigkeit habe daher nicht automatisch auf den Eintritt in die Krankenversicherung der Rentner geschlossen werden müssen. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass er den Beitragszuschuss für seine Zahlungen zur freiwilligen Krankenversicherung erhalte. Nachdem keine freiwilligen Beiträge mehr bei ihm abgebucht worden seien, habe er erkennen können und müssen, dass die Voraussetzungen für den Beitragszuschuss entfallen seien. Er habe die ihm obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße missachtet, da er auch nach Erhalt der Hinweise in den Rentenanpassungsmitteilungen von 07/2009 und 07/2010 seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des Sächsischen LSG vom 06.12.2011 (L 4 R 680/10).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Gegenstand des Berufungsverfahrens war zunächst der Bescheid der Beklagten vom 28.02.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011, mit dem die Bewilligung des Zuschusses zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (durch Bescheid vom 01.08.2007) mit Wirkung vom 01.04.2009 aufgehoben und dem Kläger die Erstattung der in der Zeit vom 01.04.2009 bis zum 31.01.2011 überzahlten Zuschüsse in Höhe von 1.935,12 EUR aufgegeben worden ist. Angesichts dieses Rückforderungsbetrags ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten. Die Berufung des Klägers ist auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig

Gegenstand des Berufungsverfahren ist allerdings nur noch der nach Einlegung der Berufung erlassene Bescheid der Beklagten vom 27.01.2012. Die Beklagte ist mit Erlass dieses Bescheides dem Urteil des Sozialgerichts nachgekommen und hat einen ersetzenden Bescheid aufgrund einer erneuten Ermessensentscheidung erlassen. Sie hat dabei dem Begehren des Klägers teilweise entsprochen und den Rückforderungszeitraum um einen Monat verkürzt, so dass sich eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers erst für Beitragszuschüsse ab dem 01.05.2009 ergab. Den vom Kläger zu erstattenden Betrag hat die Beklagte dementsprechend nunmehr auf 1.845,94 EUR festgesetzt. Der Bescheid vom 27.01.2012 ersetzt den vorangegangenen Bescheid vom 28.02.2011, der deshalb - wie auch der Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 - keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Auch das erstinstanzliche Urteil ist nach Erlass des ersetzenden Bescheides gegenstandslos geworden, da die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Urteil vollständig erfüllt und sich der Streitgegenstand geändert hat. Der Bescheid vom 27.01.2012 ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden; der Senat hat allein darüber auf Klage zu entscheiden (st. Rspr. des BSG, z.B. BSG vom 30.01.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr. 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.01.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr. 1 S 3; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 10. Aufl. 2012, § 96 RdNr. 7).

II.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2012 ist aber nicht begründet.

Die Beklagte hat die Bewilligung des Zuschusses zu den Beiträgen des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung zu Recht mit Wirkung ab dem 01.05.2009 bis zum 31.01.2011 aufgehoben. Der angefochtene Bescheid vom 27.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Bescheid beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt.

1.) § 48 SGB X regelt (im Unterschied zu § 45 SGB X) die Aufhebung von Verwaltungsakten, die nicht schon bei ihrem Erlass (Wirksamwerden gem. § 39 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig waren, sondern erst danach rechtswidrig geworden sind. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Er soll gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also rückwirkend, aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

a.) Rentenbezieher, die nach näherer Maßgabe der §§ 106, 106a (a.F.) SGB VI einen Zuschuss zu den Aufwendungen (Beiträgen) für eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung erhalten, sind gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und damit i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet, dem Rentenversicherungsträger Änderungen in den Verhältnissen, die für diese Sozialleistung (§ 11 Satz 1 SGB I) erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Gewährung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung setzt (u.a.) voraus, dass der Rentenbezieher freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist (§ 9 SGB V). Endet die freiwillige Versicherung, etwa weil Versicherungspflicht eintritt (§ 191 Nr. 2 SGB V), fällt naturgemäß auch der Anspruch auf Beitragszuschuss weg. Auf ihre gesetzliche Mitteilungspflicht werden die Rentenbezieher in den Bescheiden über die Bewilligung der Beitragszuschüsse eingehend hingewiesen. Sie werden darüber belehrt, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss mit der Aufgabe oder dem Ruhen der freiwilligen Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfällt und deswegen die gesetzliche Verpflichtung besteht, jede Änderung des Kranken- bzw. Pflegeversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Im Antrag auf Zuschussbewilligung verpflichtet sich der Rentenbewerber außerdem ausdrücklich, (u.a.) die Beendigung einer freiwilligen Versicherung sowie Veränderungen der Beitrags- und Prämienhöhe unverzüglich anzuzeigen.

Grobe Fahrlässigkeit (auch i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) liegt gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Notwendig ist, dass schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (vgl. etwa BSG, Urt. v.08.02.2001, - B 11 AL 21/00 R -).

b.) § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Sollvorschrift. Das bedeutet, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufheben muss und (nur) in atypischen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen hiervon abweichen darf. Das Vorliegen eines atypischen Falles stellt eine Rechtsvoraussetzung für die Eröffnung des Aufhebungsermessens dar. Maßgeblich hierfür sind die Umstände des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Rückerstattung nach Lage des Falles eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, Urt. v. 31.01.2008, -B 13 R 23/07 R -).

Ist der Behörde danach Ermessen eröffnet, muss sie das Interesse des Versicherten am Behaltendürfen der rechtswidrig (weiter-)bezogenen Leistung mit dem öffentlichen Interesse an deren Rückführung abwägen. Letzterem kommt grundsätzlich der Vorrang zu. Das folgt aus dem für alle Versicherungsträger geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 69 Abs. 2 SGB IV). Außerdem ist die Stundung oder Niederschlagung von Ansprüchen - wie Erstattungsansprüchen gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X - an enge Voraussetzungen gebunden (vgl. § 76 Abs. 2 SGB IV; auch BSG, Urt. v. 11.04.2002, - B 3 P 6/01 R – juris Rdnr. 21). Für eine von dieser gesetzlichen Wertung abweichende Ausübung des Aufhebungsermessens müssen damit erhebliche Gründe vorliegen. Hierfür kommen etwa grobes Verschulden der Behörde ohne Verschulden des Betroffenen oder eine besondere Härte oder die Unverhältnismäßigkeit der Rückforderung in Betracht. Hat der Versicherte Gesichtspunkte dieser Art nicht vorgetragen und sind solche auch sonst nicht ersichtlich, wird die Betätigung von Aufhebungsermessen (unbeschadet des Vorliegens eines atypischen Falles) grundsätzlich nicht veranlasst sein (dazu näher Senatsurteile v. 23.02.2011, - L 5 KR 3975/09 – und v. 28.09.2011, - L 5 R 3888/10 – zum Rücknahmeermessen nach § 45 SGB X mit w. N. auf die Rspr. des BSG).

c.) Gem. § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde die Aufhebung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen verfügen, welche die Aufhebung des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Frist beginnt mit Kenntnis der Behörde vom Aufhebungsgrund. Dazu gehört auch die Kenntnis von jenen Umständen, die eine Atypik i. S. des "Soll"-Ermessens begründen. Denn der Sinn der Jahresfrist dient nicht dem Vertrauensschutz des Betroffenen, sondern der Rechtssicherheit (BSG, Urt. v. 31.01.2008, - B 13 R 23/07 R -).

d.) Ist der Verwaltungsakt gem. § 48 SGB X aufgehoben worden, sind bereits erbrachte Leistungen gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ohne weitere Voraussetzungen zu erstatten. Ermessen ist nicht mehr auszuüben. Die zu erstattende Leistung ist gem. § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Der Erstattungsanspruch ist verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach § 50 Abs. 3 SGB X (Erstattungsbescheid) unanfechtbar geworden ist (§ 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X).

2.) Davon ausgehend hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27.01.2012 die Bewilligung des Zuschusses zum freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag durch Bescheid vom 01.08.2007 für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.01.2011 rechtsfehlerfrei aufgehoben und dem Kläger zu Recht aufgegeben, zu viel erhaltene Beitragszuschüsse in Höhe von 1.845,94 EUR zu erstatten.

In den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheids vom 01.08.2007 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, dass der Kläger zum 01.04.2009 nach Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig zur Krankenversicherung der Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) geworden ist, weshalb seine bis dahin bestehende freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten gem. § 191 Nr. 2 SGB V geendet hat. Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung hat er deswegen nicht mehr zahlen müssen (§§ 250 Abs. 2, 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und unstreitig auch nicht mehr gezahlt; entsprechendes gilt für die Pflegeversicherung.

Die Beklagte hat den Bewilligungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X rechtsfehlerfrei mit Wirkung für die Vergangenheit ab 01.05.2009 bis zum 31.01.2011 aufgehoben.

Der Kläger hat der Beklagten nicht mitgeteilt, dass für ihn ab dem 01.04.2009 Krankenversicherungspflicht bestand. Dies war ihm aber seit dem 20.04.2009 aus dem Bescheid der Krankenversicherung vom 17.04.2009 (vgl. Mitteilung der T. an die Beklagte vom 23.03.2011) bekannt gewesen. Er hat der Beklagten auch in der Folgezeit nicht mitgeteilt, dass er seit 01.04.2009 freiwillige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht mehr gezahlt hat bzw. solche Beiträge von seinem Konto nicht mehr abgebucht wurden. Dadurch ist er gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X seiner gesetzlichen Mitteilungspflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I nicht nachgekommen. Wie bereits das Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger seine Mitteilungspflicht zumindest grob fahrlässig missachtet hat. Sofern er diese tatsächlich nicht gekannt haben sollte, muss er sich eine grobe Verletzung seiner Sorgfaltspflichten entgegen halten lassen. Der Kläger ist im Bewilligungsbescheid vom 01.08.2007 eingehend darauf hingewiesen worden, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung endet und dass er verpflichtet ist, der Beklagten jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses mitzuteilen. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass er diesen Bescheid nicht vollständig gelesen habe. Zur Recht weist die Beklagte darauf hin, dass bereits darin ein grob fahrlässiges Verhalten liegt, mit dem sich der Kläger nicht exkulpieren kann. Dies gilt umso mehr, als der Bescheid vom 01.08.2007 auf den Widerspruch des Klägers als Abänderungsbescheid ergangen ist, nachdem der Kläger bei Bewilligung der Rente zunächst der KVdR zugeordnet worden war und entsprechende Beiträge von der Rente abgezogen worden waren. Der Kläger hatte mit Widerspruch vom 14.05.2007 ausdrücklich - wie bereits mit förmlichen Antrag vom 16.01.2007 - den Zuschuss zur Krankenversicherung beantragt. Es hat sich daher aufgedrängt, den Bescheid vom 01.08.2007, mit dem dem Begehren des Klägers insoweit Abhilfe gewährt wurde, auch vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Hatte der Kläger damit selbst die Möglichkeit gehabt, von der Mitteilungspflicht Kenntnis zu erlangen, kommt es nicht darauf an, ob und wenn ja aus welchen Gründen es unterblieben ist, dass der Bevollmächtigte des Klägers ihn nicht über die im Formularantrag auf Gewährung des Zuschusses zur Krankenversicherung enthaltene ausdrückliche Verpflichtung hingewiesen hat.

Wenn der Kläger die ihm obliegende Mitteilung unterlässt, obgleich er feststellt, dass freiwillige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gar nicht mehr abgebucht werden, steht auch der Vorwurf eines bedingt vorsätzlichen Verschweigens im Raum. Jedenfalls hat der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, nämlich ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet, was jedem einleuchten muss. Jedem muss klar sein, dass zu nicht mehr gezahlten Beiträgen ein Zuschuss nicht weiter gewährt werden kann. Das hat auch der Kläger einsehen können. Der Kläger hat damit außerdem i. S d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X wegen besonders schwerwiegender Sorgfaltsverletzung nicht gewusst, dass der Zuschussanspruch weggefallen ist. Dies gilt umso mehr als der Kläger seine selbständige Tätigkeit gerade deshalb aufgegeben hat, weil ihm die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung, zu denen er sich knapp zwei Jahre zuvor den Zuschuss im Widerspruchsverfahren erstritten hatte, letztlich zu hoch geworden waren, wie er im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht angegeben hat. Dies spricht dafür, dass der Kläger die Finanzierung seines Krankenversicherungsschutzes sehr wohl im Blick hatte. Zudem hat die Ehefrau des Klägers fernmündlich gegenüber der Beklagten eingeräumt, sie hätten bemerkt, dass die Beiträge zur Krankenversicherung nicht mehr abgebucht worden sind. Der Senat nimmt dem Kläger aber nicht ab, dass er davon ausgegangen ist, kostenfrei über die Rentenversicherung krankenversichert gewesen zu sein. Der Kläger war zu Beginn seines Rentenbezuges zunächst der KVdR zugeordnet worden, wofür Beiträge von seiner Rente einbehalten worden sind. Dagegen hatte der Kläger sich auch mittels Widerspruch gewendet. Dass derartige Beiträge für eine Pflichtversicherung nach Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung plötzlich nicht mehr anfallen würden, konnte der Kläger nicht annehmen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger, der einen selbständigen Tischlerbetrieb geführt hatte, über das notwendige Einsichtsvermögen bzw. die notwendige Urteils- und Kritikfähigkeit verfügt hat bzw. verfügt, um den Wegfall des Zuschussanspruchs bei Wegfall der bezuschussten Aufwendungen und die Notwendigkeit zur Information der Beklagten bzw. zur Nachfrage bei dieser erkennen zu können.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Bewilligung des Beitragszuschusses nach der Mitteilung der Betriebsaufgabe durch die Handwerkskammer von Amts wegen hätte aufheben müssen. Für das Vorliegen eines atypischen Falles ist hier nichts ersichtlich. Es bestehen insbesondere keine nachweisbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein Mitverschulden an der Überzahlung trifft. In Anbetracht der individuellen Verhältnisse jedes Versicherten war eine Überprüfung von Amts allein auf die Mitteilung der Handwerkskammer hinsichtlich der Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der Massenverwaltung nicht zu verlangen. Die Beurteilung der Krankenversicherungspflicht fällt - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - allein in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse. Aus diesem Grund ist die Mitteilungspflicht des Versicherten gegenüber dem Rentenversicherungsträger auch gerichtet auf Änderungen seines Krankenversicherungsverhältnisses. Diese Änderung war dem Kläger durch den Bescheid der T. vom 17.04.2009 bekannt. Ebenso wenig kann sich der Kläger auf das zwischen der Beklagten und den Krankenkassen bestehende Meldeverfahren berufen, da ihn dieses nicht von seiner eigenen Mitteilungspflicht entbindet (vgl. Senatsurteile vom 15.02.2012 - L 5 R 3255/11 - und vom 23.01.2013 - L 5 R 5250/11 -).

Selbst wenn man der Beklagten darin folgte, dass im Hinblick auf ihre durch die Handwerkskammer erlangte Kenntnis vom Wegfall der selbständigen Tätigkeit des Klägers vom Vorliegen eines atypischen Falles auszugehen ist, so hat sie ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 27.01.2012 umfassend sämtliche für die Ermessensausübung maßgeblichen Kriterien zusammengestellt, das Verschulden des Klägers an dem Eintritt der Überzahlung als überwiegend angesehen und dieses gegen Vertrauensschutz sprechen lassen. Insoweit steht nach der Auffassung des Senats - wie ausgeführt - sogar der Vorwurf eines bedingt vorsätzlichen Verschweigens im Raum (vgl. auch Senatsurteil vom 15.02.2012 - L 5 R 3255/11 -). Es ist nicht erkennbar, welche Ermessenserwägungen die Beklagte hier sonst noch hätte anstellen sollen.

Den Kläger trifft danach mindestens ein erhebliches Verschulden an der Entstehung der Überzahlung. Dass ihn die Erstattung der Zuschüsse unverhältnismäßig treffen könnte, ist weder substantiiert dargetan noch erkennbar.

Die einjährige Aufhebungsfrist (§§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) war zum Zeitpunkt des zunächst erlassenen Aufhebungsbescheids vom 28.02.2011 gewahrt. Die Beklagte hat von der Überzahlung durch Mitteilung der Krankenkasse am 08.12.2010 erfahren. Bis zum Erlass des nunmehr streitgegenständlichen ersetzenden Bescheids war der Ablauf dieser Frist durch das anhängig gemachte Rechtsmittelverfahren gehemmt.

Gegen die Berechnung des Erstattungsbetrags sind Einwendungen nicht erhoben; Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich.

Da der angefochtene Überprüfungsbescheid rechtmäßig ist, war die Klage abzuweisen. Einer Entscheidung über die Berufung bedurfte es nicht mehr, da diese durch Erlass des ersetzenden Bescheids gegenstandslos geworden war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt unberührt, da über die Berufung in der Sache nicht mehr zu entscheiden war. Die Beklagte hat die ihr im Urteil des Sozialgerichts auferlegte Verpflichtung zur Neubescheidung erfüllt und diese nicht mit der Berufung angegriffen. Nur in diesem Fall hätte sie sich auch gegen die - teilweise - zu ihren Lasten ergangene Kostenentscheidung wenden können.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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