L 4 P 2365/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 4588/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2365/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 25. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beklagten wenden sich mit der Beschwerde gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen von ihnen erlassenen Maßnahmebescheid nach § 115 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die Klägerin betreibt als privater Träger eine zugelassene stationäre Pflegeeinrichtung in N. , in der 62 Pflegebedürftige versorgt werden können. Es besteht ein Versorgungsvertrag. Die Regelprüfung durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung N. und im Lande B. (MDKN) war am 6. März 2012 durchgeführt worden. Am 2. Mai 2012 führten die MDKN erneut eine Qualitätsprüfung gemäß § 114 SGB XI in der Einrichtung der Klägerin durch. Anlass war eine Beschwerde von Angehörigen eines Pflegebedürftigen, der sich vom 12. März bis 10. April 2012 in Kurzzeitpflege in der Einrichtung der Klägerin befand. Gerügt wurde darin eine defizitäre Pflege, die u. a. zu einem Dekubitus an den Fersen und einem nekrotischen Dekubitus am Gesäß geführt hatte, fehlende Mobilisation und fehlende Kontrakturprophylaxe. Im Anschluss an den Aufenthalt in der Einrichtung der Klägerin habe der Pflegebedürftige eine stationäre Krankenhausbehandlung benötigt. Die MDKN fanden in ihrem Prüfbericht vom 21. Mai 2012 nach Durchsicht der Pflegeunterlagen des Anlassgebers und Befragung von sieben Heimbewohnern einige Anlasshinweise bestätigt, u. a. die Handhabung des Dekubitusrisikos, andere nicht. Aufgrund der Prüfung erstellten die MDKN einen vorläufigen Transparenzbericht mit der Gesamtnote "sehr gut (1,2)" mit Einzelnoten 1,3 für Pflege und medizinische Versorgung, 1,1 für den Umgang mit demenzkranken Bewohnern, 1,0 für soziale Betreuung und Alltagsgestaltung und 1,0 für Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene. Die Befragung der Bewohner habe die Note 1,0 ergeben. Die Prüfung wurde durch Sichtung der Pflegedokumentation des Pflegebedürftigen, dessen Angehörigen die defizitäre Pflege gerügt hatten, der Befragung von sieben Heimbewohnern und Einsichtnahme in deren Pflegedokumentation durchgeführt. Beanstandet wurden im Prüfbericht - soweit dies im hiesigen Beschwerdeverfahren streitgegenständlich ist - der Umgang mit dem Dekubitusrisiko, bzw. mit einem bereits bestehenden Dekubitus, der Umgang mit einem Kontrakturrisiko bzw. Kontrakturprophylaxe durch Mobilisation entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Bewohner, der Umgang mit einem Sturzrisiko, die Sturzprophylaxe; im Bereich Ernährung und Flüssigkeitsversorgung gab es Beanstandungen hinsichtlich erforderlicher Maßnahmen bei Einschränkungen der selbstständigen Nahrungsversorgung sowie hinsichtlich der bei Bewohnern mit Urininkontinenz bzw. mit Blasenkatheter erforderlichen Maßnahmen. Hierzu angehört nahm die Klägerin mit Schreiben vom 4. und 19. Juni 2012 Stellung. Ihre Einrichtung setze die Empfehlungen der nationalen Expertenstandards nachweislich um. Die Ergebnisse der Prüfung vom 2. Mai 2012 wichen von der nur sieben Wochen zuvor am 6. März 2012 durchgeführten ab. Pflegefachliche Fehler seien nicht erkennbar, die Verwendung von Risikoskalen zweifelhaft. Teilweise seien die Expertenstandards nicht eindeutig, so z. B. bei der Einschätzung des Sturzrisikos von immobilen Pflegebedürftigen.

Gestützt auf den Prüfbericht vom 21. Mai 2012 erließen die Beklagte den Maßnahmebescheid vom 17. August 2012. Sie führten - soweit er im Beschwerdeverfahren streitgegenständlich ist - folgende Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Mängel auf, die bis zum 28. September 2012 umzusetzen und in den Pflegeprozess zu integrieren seien:

" 13.4 &61485; Die Einschätzung des Sturzrisikos muss aktuell sein. Aktuell bedeutet, dass die letzte Einschätzung mit dem vorgefundenen Zustand der Bewohner übereinstimmt. Das Ergebnis der Einschätzung ist zu dokumentieren &61485; Die relevanten Empfehlungen des Expertenstandards zum Thema Sturzprophylaxe (DNQP 2006) sind im Pflegeprozess zu beachten 13.6 &61485; Es sind bewohnerbezogene Maßnahmen der Sturzprophylaxe auf der Basis der aktuellen und individuellen Risikoermittlung zu planen. Die Festlegung der Intervalle zur Durchführung der Sturzprophylaxemaßnahmen richtet sich nach dem individuell und aktuell einzuschätzenden Sturzrisiko. Die Planung von Maßnahme der Sturzprophylaxe ist zu dokumentieren &61485; Zur Sturzprophylaxe sind folgende Maßnahmen bei den Bewohnern durchzuführen: &61607; Übungen zur Steigerung von Kraft und Balance &61485; Die Durchführung von Maßnahmen der Sturzprophylaxe ist zu dokumentieren &61485; Die relevanten Empfehlungen des Expertenstandards zum Thema Sturzprophylaxe (DNQP 2006) sind im Pflegeprozess zu beachten 13.9 &61485; Es sind bewohnerbezogene Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe auf der Basis der aktuellen und individuellen Risikoermittlung zu planen. Die Festlegung der Intervalle zur Durchführung der Dekubitusprophylaxemaßnahmen richtet sich nach dem individuell und aktuell einzuschätzenden Dekubitusrisiko. Die Planung von Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe ist zu dokumentieren &61485; Zur Dekubitusprophylaxe sind, je nach individueller Situation der Bewohner, folgende Maßnahmen bei den Bewohnern durchzuführen: &61607; Bewegungsförderung mit Angabe der Lagerungsart, -häufigkeit &61485; Die Durchführung von Maßnahmen der Dekubitusprophylaxe ist zu dokumentieren &61485; Die relevanten Expertenstandards zum Thema Dekubitusprophylaxe (DNQP 2006) sind im Pflegeprozess zu beachten 13.11 &61485; Es ist eine differenzierte Einschätzung des Kontrakturrisikos durchzuführen. Es können folgende Faktoren eine Relevanz für das individuelle Kontrakturrisiko haben: &61607; Angaben zu Bewegungsfähigkeiten und Bewegungseinschränkungen &61607; Art, Ausprägung und Lokalisation von Kontrakturen &61607; Berücksichtigung sonstiger Faktoren in Form von - ärztliche Verordnung - Nachweis therapeutischer Maßnahmen &61485; Das Ergebnis der Einschätzung ist zu dokumentieren 14.7 &61485; Es sind bewohnerbezogene Maßnahmen der Nahrungsversorgung auf der Basis der aktuellen und individuellen Ressourcen- und Risikoermittlung zu planen. Die Festlegung der Intervalle zur Durchführung der unterstützenden Maßnahmen der Nahrungsversorgung richtet sich nach den individuell einzuschätzenden Ernährungsressourcen und -risiken. Die Planung von Maßnahmen der Nahrungsversorgung ist zu dokumentieren &61485; Die Durchführung von Maßnahmen der Nahrungsversorgung ist zu dokumentieren &61485; Es sind die geplanten und durchgeführten Maßnahmen der Nahrungsversorgung in individuellen Abständen (insbesondere bei Veränderung der Pflegeanamnese - kurzfristige Änderungen/Anpassungen hinsichtlich der Maßnahmeplanung, Veränderung der Ernährungsrisiken, Veränderung des Hilfebedarfs, Veränderung der individuellen Bedürfnisse - anhand der Pflegedokumentation zu reflektieren. Das Ergebnis der Überprüfung ist zu dokumentieren &61485; Die relevanten Empfehlungen des Expertenstandards zum Thema Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege (DNQP 2009) sind im Pflegeprozess zu beachten 15.4 &61485; Es sind bewohnerbezogene Maßnahmen zur Inkontinenzversorgung auf der Basis der aktuellen und individuellen Ermittlung der Kontinenzsituation zu planen. Die Festlegung der Intervalle zur Durchführung der Maßnahmen der Inkontinenzversorgung richtet sich nach dem individuell und aktuell einzuschätzenden Versorgungsbedarf. Die Planung von Maßnahmen der Inkontinenzversorgung ist zu dokumentieren &61485; Bei Bewohnern mit Inkontinenz sind geeignete Maßnahmen in der Pflegeplanung zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der individuellen Inkontinenzsituation sind geeignete Maßnahmen der Inkontinenzversorgung: &61607; individuelle Planung und Durchführung von Toilettengängen &61485; Die Durchführung der Maßnahmen ist zu dokumentieren &61485; Die relevanten Expertenstandards zum Thema Förderung der Harnkontinenz in der Pflege (DQNP 2007) sind zu beachten".

Die Klägerin erhob am 17. September 2012 Klage gegen den zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zugestellten Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 zum Sozialgericht Freiburg (SG) und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung trug sie vor, der Maßnahmebescheid genüge nicht den nach § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stellenden Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts. Der Maßnahmebescheid verpflichte sie mit vagen und unbestimmten Anordnungen zur sofortigen Umsetzung von Qualitätsmaßnahmen ohne angemessene Fristsetzung. Da sie nicht ermitteln könne, welche konkrete Verpflichtung ihr aufgegeben werde, sei ihr die Umsetzung tatsächlich und rechtlich nicht möglich. Er enthalte keine eindeutigen Handlungsanweisungen. Mehrere Instanzgerichte hätten aus diesem Grund vergleichbare Maßnahmebescheide im vorläufigen Rechtsschutz für rechtswidrig erklärt (Sozialgericht Münster, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - S 6 P 87/10 ER -; Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 23. Dezember 2011 - S 11 KN 315/11 P ER -; nicht veröffentlicht). Der Prüfungssachverhalt sei nicht zutreffend, wie in den Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren ausgeführt. Ihre (der Klägerin) Ausführungen in der Anhörung zu den einzelnen Beanstandungen seien nicht berücksichtigt worden. Die Beklagten hätten damit das ihnen zustehende Ermessen nicht ausgeübt, sondern ungeprüft die Angaben der MDKN übernommen.

Die Beklagten traten dem Antrag entgegen. Da der Gesetzgeber in §§ 115 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XI den Sofortvollzug angeordnet habe, bedürfe es sehr gewichtiger Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage trage dem Umstand Rechnung, dass bei Streitigkeiten über die Qualität der Versorgung der Versicherten in der gesetzlichen Pflegeversicherung dem Interesse der Versicherten an einer einwandfreien Versorgung grundsätzlich Vorrang vor dem Verhinderungsinteresse der Pflegeeinrichtung zukomme. Der Maßnahmebescheid weise aber keine offensichtlichen Rechtsfehler auf. Das Vorbringen der Klägerin, zu dem der MDKN Stellung genommen habe, sei berücksichtigt worden. Sie (die Beklagten) hätten ihr Ermessen bei der Auswahl der zu treffenden Maßnahmen ausgeübt und hinsichtlich zehn Empfehlungen des MDKN acht Maßnahmen angeordnet, die kurzfristigen Handlungsbedarf erfordert hätten. Bei der Beurteilung der Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes sei darauf abzustellen, ob der Adressat dem Fachkreis angehöre, in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen allgemein bekannt seien. Je informierter der Adressat, desto geringer seien die Anforderungen an Bestimmtheit und Begründung des Verwaltungsaktes.

Mit Beschluss vom 25. April 2013 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der Klage S 18 P 4590/12 gegen den Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 hinsichtlich der Nrn 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7 und 15.4 an und wies den Antrag im Übrigen (Nrn. 12.3 und 12.4) zurück. Der angegriffene Maßnahmebescheid sei teilweise offensichtlich rechtswidrig und teilweise offensichtlich rechtmäßig. Die in Nrn. 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7 und 15.4 genannten Maßnahmen seien nicht hinreichend bestimmt. Gemäß § 33 SGB X müsse ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Aus seinem Verfügungssatz müsse für die Beteiligten vollständig, klar und eindeutig hervorgehen, was der Regelungsgehalt sei. Dem Adressaten des streitgegenständlichen Maßnahmebescheids sei nicht ohne weiteres erkennbar, was von ihm unter den genannten Nummern erwartet werde. Die offenbar auf der Basis von Textbausteinen formulierten Maßnahmen enthielten durchweg allgemeine Anforderungen und verwiesen auf die relevanten Empfehlungen der Expertenstandards. Hieraus könne die Klägerin keine konkreten Handlungspflichten ableiten. In ihren Äußerungen vom 4. und 19. Juni 2012 habe sie ausgeführt, dass sie ihrer Auffassung nach die Expertenstandards umsetze und pflegefachliche Fehler für sie nicht erkennbar seien. Vor diesem Hintergrund hätten die Beklagten konkret und einzelfallbezogen darlegen müssen, welche Standards sie zugrunde legten, inwieweit die Klägerin hiervon abweiche und welches Verhalten nunmehr konkret erwartet werde.

Gegen den der Beklagten zu 1) am 29. April 2013 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 28. Mai 2013 Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, soweit die aufschiebende Wirkung angeordnet wurde. Zur Begründung tragen sie vor, die Interessenabwägung sei vom SG unzutreffend vorgenommen worden, denn der Fall sei nicht dringlich, eine Existenzgefährdung der Klägerin nicht zu besorgen. Bedenken hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit bestünden nicht, denn die Maßnahmen seien adressatengerecht formuliert. Die Klägerin müsse aufgrund eigener Sachkunde erkennen, was notwendig sei, um die Mängel zu beheben. Die Anforderungen an die Begründung dürften im Rahmen des summarischen Verfahrens nicht überspannt werden, denn der Adressat sei kein pflegebedürftiger Versicherter, sondern eine mit professionellen Pflegefachkräften besetzte Pflegeeinrichtung. Die Details der Beanstandungen seien der Klägerin im Übrigen längst bekannt gewesen. Im Rahmen der Interessenabwägung überwögen zu verhindernde oder verhinderte Verletzungen der Menschenwürde von aktiven und zukünftigen Heimbewohnern und ihrer Angehöriger eindeutig gegenüber den anscheinend rein aus wirtschaftlichen Interesen vorgebrachten Bedenken der Klägerin.

Die Beklagten beantragen (sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23. April 2013 insoweit aufzuheben, als dort die aufschiebende Wirkung der Klage S 18 P 4590/12 gegen die im Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 unter den Nummern 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7 und 15.4 angeordneten Maßnahmen angeordnet wird und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 18 P 4590/12 gegen den Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 in vollem Umfang abzulehnen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend, weil die unter den Nrn 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7 und 15.4 genannten Anweisungen nicht hinreichend eindeutig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die SG-Akten, auch zum Klageverfahren S 18 P 4590/12, die Senatsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Da allein die Beklagten Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 23. April 2013 eingelegt haben, hat der Senat im Beschwerdeverfahren nur darüber zu entscheiden, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 zu Nrn. 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7 und 15.4 anzuordnen ist. Im Übrigen (soweit das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat), ist im Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beklagten ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin gegen den Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 hinsichtlich der Maßnahmen zu Nrn. 13.4, 13.6, 13.9, 13.11, 14.7, 15.4 angeordnet.

Die von der Klägerin erhobene Klage gegen den Maßnahmebescheid der Beklagten vom 17. August 2012 hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs. 1 des mit Wirkung vom 2. Januar 2002 durch Art. 1 Nr. 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I, S. 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung in (anderen) durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 SGB XI i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XI hat die Klage gegen Maßnahmebescheide nach § 115 Abs. 2 Satz 1 SGB XI keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt (§ 115 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz SGB XI).

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung tritt rückwirkend ab Erlass des angefochtenen Bescheides ein und endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 11. Mai 2011 - L 11 R 1075/11 und L 11 KR 1125/10 ER-B -, veröffentlicht in juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rdnr 19).

Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 4 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Da der vorläufige Rechtsschutz den Hauptsacherechtsschutz sichern soll, sind für diese Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich ausschlaggebend. Wird der Hauptsacherechtsbehelf aller Voraussicht nach erfolgreich sein, überwiegt regelmäßig das private Aufschubinteresse des Antragstellers, andernfalls kommt dem öffentlichen Vollziehungsinteresse regelmäßig der Vorrang zu. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage bzw. des Widerspruchs oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gegeben, so sind die beteiligten Interessen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen (z.B. Beschluss des Senats vom 10. Januar 2012 - L 4 R 945/11 ER-B -, nicht veröffentlicht). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 2010 - L 11 R 1806/10 ER-B -, nicht veröffentlicht).

Die Interessenabwägung fällt hier nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zugunsten der Klägerin aus. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Maßnahmebescheid - soweit er Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - nicht hinreichend bestimmt ist. Rechtsgrundlage des Maßnahmebescheids ist § 115 Abs. 2 SGB XI. Diese Vorschrift ermächtigt die Landesverbände der Pflegekassen, auf die Beseitigung festgestellter Qualitätsmängel hinzuwirken. In materieller Hinsicht muss der Verwaltungsakt auf die Beseitigung festgestellter Mängel gerichtet und wie alle Verwaltungsakte nach § 33 SGB X hinreichend bestimmt sein (Knittel in: Krauskopf, SozKV, Stand Februar 2013, Rn. 5 zu § 115). Die Landesverbände der Pflegekassen müssen daher konkret feststellen, welche Mängel vorliegen und welche Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergriffen werden müssen (Knittel a.a.O.). Zur Beseitigung der Mängel muss eine angemessene Frist gesetzt werden. Hinreichende Bestimmtheit bedeutet, dass der Adressat in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen und der Verwaltungsakt die geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, Komm., 7. Aufl., Rn. 3 zu § 33). Das Erfordernis der Bestimmtheit bezieht sich auf die Regelung, also den Verfügungssatz. Für den verständigen Beteiligten muss der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar werden, eine unterschiedliche subjektive Bewertung darf nicht möglich sein (Engelmann a.a.O.; vgl. z.B. auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. März 2013 - B 5 R 16/12 R -, in juris).

Die Anforderungen an die Bestimmtheit richten sich nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (Engelmann a.a.O.). Für die Beurteilung, ob ein Maßnahmebescheid nach § 115 Abs. 2 SGB XI hinreichend bestimmt ist, ist zu berücksichtigen, dass bei nicht fristgerechter Beseitigung festgestellter und beanstandeter Mängeln der Versorgungsvertrag nach § 115 Abs. 2 Satz 2 SGB XI gekündigt werden kann. Der Erlass des Maßnahmebescheides trägt somit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem dem Leistungserbringer die Gelegenheit gegeben wird, Mängel abzustellen und die Kündigung des Versorgungsvertrages zu vermeiden (Knittel in Krauskopf-, SozKV, Stand Februar 2013, § 115 SGB XI Rdnr. 6). Diesen Zweck erfüllt er nur, wenn erkennbar ist, welche konkreten Maßnahmen gefordert sind. Auch die gemäß § 115 Abs. 5 Satz 2 SGB XI vorgesehene Wiederholungsprüfung, mit der überprüft wird, ob die festgestellten Mängel durch die nach § 115 Abs. 2 SGB XI angeordneten Maßnahmen beseitigt sind, erfordert bestimmte und damit überprüfbare Anordnungen. Nicht zuletzt das von den Beklagten angeführte Ziel, im Wege des Maßnahmebescheides die Qualität der Pflege zu gewährleisten und damit den Grundrechten der Pflegebedürftigen auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde Geltung zu verschaffen, erfordert konkrete Handlungsanweisungen. Die (allgemeine) Verpflichtung der Pflegeeinrichtung, die Pflegebedürftigen entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu pflegen, ergibt sich nämlich bereits aus § 11 Abs. 1 SGB XI.

Der Maßnahmebescheid vom 17. August 2012 führt in seinem Begründungsteil die aufgrund der Befragung von sieben Bewohnern und Auswertung der Pflegedokumentationen festgestellten Qualitätsmängel bewohnerbezogen auf. Die von der Klägerin zu treffenden Maßnahmen sind jedoch nicht hinreichend konkret bezeichnet. Die in dem Verfügungssatz des Maßnahmebescheids (Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Mängel) getroffenen Handlungsanweisungen sind, soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, nicht eindeutig und daher nicht in dem Sinne erfüllbar, dass unzweifelhaft beurteilt werden kann, wann der Verwaltungsakt als umgesetzt gelten kann. Für den Empfänger des Maßnahmebescheids ist nicht erkennbar, was konkret von ihm erwartet wird. Es sind gerade keine bestimmten Maßnahmen benannt. Dies folgt aus der Bezugnahme auf die "aktuelle Einschätzung" (Nr. 13.4), auf "bewohnerbezogene Maßnahmen" (Nrn. 13.6, 13.9, 13.9, 14.7, 15.4), auf die aktuellen und individuellen Verhältnisse bzw. Ressourcen/Risiken (Nrn. 13.6, 13.9, 13.11, 14.7, 15.4) auf "geeignete Maßnahmen" (Nr. 15.4), aus der Formulierung, dass die Intervalle der Maßnahmen nach dem individuell einzuschätzendem Risiko festzulegen seien (Nrn. 13.6, 13.9, 14.7, 15.4) sowie die Bezugnahme auf die Empfehlungen der jeweiligen Expertenstandards. Damit ist nicht erkennbar, auf welche Bewohner bezogen konkret Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen in welchen zeitlichen Intervallen für erforderlich gehalten werden, um die festgestellten Qualitätsmängel zu beseitigen. Hinsichtlich der Formulierung "bewohnerbezogene Maßnahmen" ist schon nicht ersichtlich, ob sich die verlangten Maßnahmen nur auf den Bewohner, der jeweils vor Auflistung der Maßnahmen benannt ist und bei dem anlässlich der Prüfung Beanstandungen erfolgten, beziehen sollen, oder ob die verlangten Maßnahmen für alle Bewohner gefordert werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht aufgrund der Sachkunde der bei der Klägerin beauftragten Pflegefachkräfte und der Begründung des Maßnahmebescheids davon ausgegangen werden, dass diese wissen, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind. Dies ergeben bereits die Stellungnahmen der Klägerin in der Anhörung, in dem sie Qualitätsmängel - bis auf Ausnahmefehler - in Abrede stellte und bekundete, die Empfehlungen der Expertenstandards stets beachtet zu haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 197 a SGG, 63, 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Die Reduzierung des Auffangstreitwertes für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erscheint hier nicht angemessen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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