Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3534/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3547/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.07.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für die Versorgung mit einer Zweitprothese durch die Beklagte.
Der 1956 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und seit einer Unterschenkelamputation links im Jahr 1967 mit einer Unterschenkelprothese versorgt, die im Abstand von zwei bis fünf Jahren erneuert wurde. Zuletzt wurde dem Kläger im November 2006 eine neue Prothese genehmigt, die allerdings im April 2010 noch nicht fertig gestellt war. Die zuvor letzte Prothese war dem Kläger nach seinen Angaben etwa im Jahr 2000 angepasst worden.
Am 11.12.2008 verordnete die Fachärztin für Innere Medizin Dr. B. v. R. dem Kläger eine Ersatzprothese (Zweitprothese). Der Kostenvoranschlag des Sanitätshauses Sch. in Sch. vom 22.12.2008 belief sich auf 9.435,52 EUR. Darin war vermerkt, der Kläger sei beruflich und privat sehr viel unterwegs und müsse auch Auslandsaufenthalte per Flugzeug bewältigen. Prothesenreparaturen hätten in der Vergangenheit durch die alte Prothese kompensiert werden können. Diese sei aber inzwischen verschlissen und könne nicht mehr repariert werden.
Mit Bescheid vom 11.08.2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab und teilte dem Kläger mit, grundsätzlich würden Hilfsmittel lediglich in einfacher Ausstattung zur Verfügung gestellt. Eine Mehrfachausstattung komme nur dann in Betracht, wenn dies aus hygienischen Gründen erforderlich sei, wie beispielsweise bei Kompressionsstrümpfen. Diese Voraussetzungen lägen bei einer Beinprothese nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.09.2009 Widerspruch, den er zunächst nicht weiter begründete.
Die Beklagte befragte den MDK zur Notwendigkeit der Doppelversorgung. Im Gutachten vom 06.10.2009 führte Dr. K. vom MDK aus, nach der Hilfsmittelrichtlinie komme eine Zweitversorgung nur in Einzelfällen in Betracht, nämlich wenn dies aus medizinischen oder hygienischen Gründen erforderlich sei oder eine besondere Beanspruchung durch den Versicherten die Ausstattung mit einem zweiten Hilfsmittel notwendig mache. Auch wegen gewöhnlicher Wartungs- oder Reparaturarbeiten sei eine Zweitprothese nicht erforderlich (LSG Baden-Württemberg vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05 -). Eine länger andauernde Reparatur sei rein hypothetisch und begründe daher keinen Anspruch auf Mehrfachausstattung. Für berufliche oder ehrenamtliche Beeinträchtigungen durch den Ausfall der "Erstprothese" sei die gesetzliche Krankenversicherung nicht zuständig. In der Vergangenheit seien eher selten Reparaturen angefallen (12/2008, 06/2004, 04/2002 und 12/2000), so dass die Angabe im Kostenvoranschlag, die Zweitprothese sei zum Ausgleich bei Reparaturen erforderlich, sozialmedizinisch nicht nachvollziehbar sei.
Der Kläger machte daraufhin durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.11.2009 zur Begründung seines Widerspruches geltend, er habe bislang zwei Prothesen im Wechsel benutzt. Die "alte" Prothese sei mittlerweile jedoch verschlissen, so dass eine Ersatzversorgung notwendig sei. Die Wechselversorgung sei nicht lediglich aus beruflichen Gründen beantragt worden. Die Versorgung mit einer Ersatzprothese sei zum einen erforderlich, um längere Ausfallzeiten bei Reparaturen überbrücken zu können. In erster Linie sei sie aber notwendig, um eine dauerhafte prothetische Versorgung sicherzustellen. Denn die vorhandene Prothese verfüge über einen verhältnismäßig langen Schaft, in dem er abhängig von der Belastung stark schwitze. Die so entstehende Feuchtigkeit staue sich und führe dazu, dass er sich "wundlaufe". Zur Vermeidung von Druckstellen und Geschwüren habe er deshalb auf seine alte Prothese zurückgegriffen und diese nach Bedarf gewechselt. Auch wenn die gesetzliche Krankenversicherung regelmäßig Hilfsmittel nur in einfacher Zahl zur Verfügung stelle, gelte etwas anderes, wenn medizinische oder sonstige außergewöhnliche Gründe dies erforderten (LSG Hessen, Urteil vom 08.10.1980 - L 8 KR 903/79). So komme eine Mehrfachausstattung beispielsweise in Betracht, wenn dies aus hygienischen Gründen erforderlich sei oder durch Schwankungen des Stumpfumfanges die Versorgung mit einer zweiten Prothese notwendig werde (SG Augsburg, Urteil vom 07.07.2004 - S 4 KR 100/04). Ähnliches gelte, wenn eine Ersatzprothese wegen hoher Reparaturhäufigkeit benötigt werde, um Arbeitsunfälle zu vermeiden (SG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2007 - S 4/26 KR 36/03). Die vom MDK zitierte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg betreffe nur den Fall, dass die Doppelversorgung lediglich der Bequemlichkeit diene oder kurze Reparaturzeiten überbrücken solle. Hiervon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte veranlasste eine persönliche Untersuchung des Klägers durch den MDK. Dr. E. zog den Orthopädietechnikermeister des MDK hinzu und führte in seinem Gutachten vom 14.04.2010 aus, die letzte Versorgung mit einer Prothese sei nach Angaben des Klägers vor etwa zehn Jahren erfolgt. Mittlerweile sei eine neue Versorgung von der Beklagten genehmigt worden und in Arbeit. Der Kläger strebe jedoch an, dass die neue Versorgung doppelt ausgeführt werde. Der Kläger stütze sein Begehren auf die durch Schweißbildung bedingten Hygienemängel am ledernen Oberschenkelschaft und in der Stumpfbettung sowie darauf, dass Reparaturzeiten überbrückt werden sollten, was wegen beruflich bedingter Auslandsaufenthalte wichtig sei. Im Rahmen der Befunderhebung stellte Dr. E. fest, dass der Amputationsstumpf stark vernarbt, aber ohne Geschwüre sei. Die Haut sei trocken und ohne Rötung. Die Prothese bestehe im oberen Teil aus Leder, wodurch es nach Angaben des Klägers in den Sommermonaten zu vermehrter Schweißbildung komme. Der begutachtende Orthopädietechnikermeister empfahl hierzu bei Bedarf, etwa alle sechs Monate, eine "Neubelederung" durchzuführen. Zudem komme es in Betracht, von einer Lederfütterung komplett abzusehen und stattdessen geschlossen porigen Schaumstoff (bspw. Polyethylen) zu verwenden. Dieses Material könne in aller Regel besser gereinigt werden. Zudem könne der Kläger auf der Haut Strümpfe tragen, um einen direkten Kontakt mit dem Kunstbein zu meiden. Außerdem könne die Stumpfbettung - wie an sich üblich - herausnehmbar gestaltet werden, was eine bessere Reinigung gewährleiste. Der Kläger könne mit dem Lieferanten (Sanitätshaus) feste Inspektionstermine vereinbaren, um - bei mangelfreier Lieferung - kurze Reparaturintervalle zu vermeiden. Zusammenfassend sei eine Doppel- oder Wechselversorgung nicht begründet.
Nachdem die Beklagte den Kläger zunächst mit Schreiben vom 29.04.2010 nochmals darauf hingewiesen hatte, dass eine Doppelversorgung ausscheide, wies sie den aufrechterhaltenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2010 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, hygienische Defizite, die eine Zweitversorgung begründen könnten, seien bei der gutachterlichen Untersuchung nicht festgestellt worden. Zudem seien Möglichkeiten zur Vermeidung von derartigen hygienischen Defiziten aufgeführt worden. Auch unter Berücksichtigung der beruflich bedingten Auslandsaufenthalte habe der Gutachter zu keinem anderen Ergebnis kommen können.
Am 05.10.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht und wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Ergänzend wies er darauf hin, in der Vergangenheit sei es bei anderen Materialien als Leder stets zu Stumpfreizungen gekommen. Daher sei aus gesundheitlichen Gründen die Ausstattung des Schaftbereichs mit Leder die bessere Alternative. Der Nachteil von Leder bestehe jedoch darin, dass es schneller zu hygienischen Problemen kommen könne. Dies umso mehr, als er ein sehr aktiver Läufer sei. Die Untersuchung beim MDK habe frühmorgens stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Prothese noch nicht lange getragen, sodass diese noch nicht so verschwitzt gewesen sei, wie nachmittags oder am Ende eines Arbeitstages. Wenn er nur eine Prothese benutzen könne, komme es zwangsläufig zu schweißbedingten Reizungen des Stumpfes und zu Druckstellen. Daher sei er darauf angewiesen, die Prothese tagsüber wechseln zu können. Nur hierdurch werde ein dauerhafter Ausgleich seiner Behinderung sichergestellt. Ergänzend müsse berücksichtigt werden, dass sich der Schaft der Prothese schweißbedingt weite, so dass die Prothese nicht mehr so gut am Stumpf hafte. Dies habe Gangunsicherheiten zur Folge. Nach der Rechtsprechung des BSG beinhalte der Behinderungsausgleich jedoch, dass der Einsatz der Beine zum Gehen, Laufen und Stehen jederzeit ohne Einschränkungen möglich sein müsse (Urteile 13.05.1998 - B 8 KN 13/97 und vom 06.06.2001 - B 3 KR 68/01). Das von der Beklagten favorisierte Schaftmaterial sei für ihn nicht geeignet. Hierzu legte der Kläger eine Bescheinigung des Sanitätshauses Sch. vom 02.07.2010 vor. Die Beklagte könne einen angemessenen Behinderungsausgleich nur mittels der Zweitversorgung gewährleisten, da dem gesunden Menschen die Möglichkeit, sich mit seinen Beinen fortzubewegen, über die gesamte Tageszeit zustehe, ohne dass für ihn die Gefahr von Gangunsicherheiten, Reizungen und Druckstellen bestehe.
Mit Urteil vom 07.07.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Hilfsmittelversorgung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung stehe nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) dürften die gesetzlichen Krankenkassen nur solche Leistungen erbringen, die zur Erreichung der gesetzlichen Behandlungsziele notwendig, das heißt unerlässlich seien. Für den Bereich der Hilfsmittelversorgung werde dies in der auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V beruhenden Hilfsmittelrichtlinie (Hilfsmittel-RL) dahin konkretisiert, dass regelmäßig nur eine einfache Ausstattung erfolgen könne. Nur dann, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund einer besonderen Beanspruchung durch den Versicherten geboten sei, komme (ausnahmsweise) eine Mehrfachausstattung in Betracht (§ 6 Abs. 7 Hilfsmittel-RL, vgl. hierzu LSG Hessen, Urteil vom 08.10.1980 - L 8 KR 903/79 und L 8 KR 917/79). Eine Mehrfachausstattung könne daher nur dann durchgeführt werden, wenn nur auf diese Weise ein Behinderungsausgleich möglich sei (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.01.2011 - L 5 KR 22/09). Darüber hinaus erfordere die Wirtschaftlichkeit einer Doppelversorgung, dass eine begründbare, angemessene Relation zwischen den Mehrkosten und dem zusätzlichen Nutzen bestehe (BSG, Urteil vom 13.05.1998 -B 8 KN 13/97 R, vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 06.03.2002 - B 3 KR 68/01 R). Das Gehvermögen des Klägers werde durch die vorhandene Prothese in ausreichender Weise sichergestellt. Der Kläger sei zur Sicherstellung seiner Gehfähigkeit nicht auf eine entsprechende Zweitversorgung angewiesen. Angaben dazu, in welchem Umfang es in den letzten Jahren zu reparaturbedingten Ausfällen mit der Notwendigkeit einer Ersatzversorgung gekommen sei, habe der Kläger auch auf Aufforderung durch das Gericht nicht gemacht. Etwaige Ausfallzeiten könnten durch die Vereinbarung von festen Inspektions- bzw. Wartungsterminen mit dem jeweiligen Sanitätshaus vermieden, zumindest vorgeplant und minimiert werden. Es sei dem Kläger möglich und zumutbar, kurze und begrenzte Ausfallzeiten durch die Benutzung von Gehhilfen zu überbrücken. Die Situation des Klägers unterscheide sich in diesem Gesichtspunkt nicht von derjenigen aller anderen Prothesenträger, so dass eine besondere Betroffenheit, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise eine "Zweitversorgung" durchzuführen, durch die Erforderlichkeit von Wartungen oder Reparaturen nicht begründet werden könne (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05). Auf die beruflich veranlassten Auslandsreisen könne sich der Kläger nicht berufen. Zwar könne im Ausland eine kurzfristig notwendig werdende Reparatur der Prothese möglicherweise nicht immer gewährleistet sein. Dieses Risiko könne jedoch durch regelmäßige Wartungen minimiert werden. Zudem könne es dem Kläger auch im Ausland zugemutet werden, notfalls für eine Übergangszeit auf sonstige Gehhilfen auszuweichen. Die gesetzliche Krankenkasse habe keine einschränkungslose "weltweite" Mobilität zu gewährleisten. Die Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung beschränke sich vielmehr auf Wege, die üblicherweise im Nahbereich zu Fuß zurückgelegt werden könnten (vgl. hierzu Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, April 2011, § 33 SGB V Rdnrn. 12b ff. und vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05 und BSG, Urteil vom 13.05.1998 -N 8 KN 13/97 R). Die hygienischen Probleme mit dem Lederschaft könnten durch eine turnusmäßige "Neubelederung" gemildert werden. Die "Hitzeperiode" im Jahresablauf beschränke sich ohnehin nur auf wenige Wochen bzw. Monate, so dass es dem Kläger zugemutet werden könne, die Prothese auch tagsüber bei Bedarf kurzfristig abzulegen, um den Schaft abzutrocknen bzw. sie auslüften zu lassen. Die Beeinträchtigungen, die sich aus dem Schwitzen ergeben würden, hätten kein solches Gewicht, dass deshalb eine zweite Prothese unerlässlich wäre. Auch aus dem Einwand, unter Hitze bzw. Schwitzen verforme sich der Schaft so stark, dass die Prothese nicht mehr ordnungsgemäß sitze und das Gehen unsicher werde, folge kein anderes Ergebnis. Der Kläger habe keinerlei Angaben dazu gemacht, in welcher Häufigkeit bzw. in welcher Intensität entsprechende Gehunsicherheiten in der Vergangenheit aufgetreten seien und ob es tatsächlich schon einmal zu einem Sturz oder einem wesentlichen Straucheln oder Stolpern gekommen sei, so dass sein Vortrag sich als zu unsubstantiiert erweise. Insgesamt seien die Vorteile, die sich für den Kläger aus einer Zweitprothese ergeben würden nicht so gewichtig, dass hieraus die Unerlässlichkeit bzw. zumindest die Wirtschaftlichkeit einer entsprechenden Versorgung abgeleitet werden könne.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 20.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.08.2011 Berufung eingelegt. Er beruft sich auf bei ihm bestehende atypische Stumpfverhältnisse mit einer starken Vernarbung und sehr empfindlicher Haut. Er habe in der Vergangenheit bereits verschiedene Schaftmaterialien getestet und nur mittels Leder eine befriedigende Hautsituation erreichen können. Dieses habe aber den Nachteil, dass es sich durch Feuchtigkeit und Wärme verforme und dadurch die Passform verloren gehe. Diese werde durch Austrocknen wieder erreicht, weshalb er die Zweitversorgung wünsche, um nach körperlicher Belastung und witterungsbedingtem Schwitzen einen Wechsel der Prothese vornehmen zu können. In der Vergangenheit seien etliche Reparaturausfälle zu verzeichnen gewesen, die bislang durch den Einsatz der vorhandenen Zweitprothese hätten ausgeglichen werden können. Das Sozialgericht habe es versäumt, zu den vorgetragenen hygienischen Aspekten und den damit verbundenen Einschränkungen ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Zuletzt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats das Attest der hausärztlichen Internistin Dr. B. v. R. vom 02.08.2013 sowie Fotografien seines Amputationsstumpfes vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.07.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer Unterschenkelprothese als Zweitprothese zu versorgen,
hilfsweise, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass bei ihm eine Versorgung mit einem Lederschaftsystem erfolgen muss, dieses durch Gebrauch im Verlauf des Tages nicht mehr passgerecht sitzt und hierdurch Druckstellen und Rötungen auftreten und die Prothese schmerzbedingt oder zur Vermeidung von Schmerzen und Entzündungen abgelegt werden muss und aus diesem Grund zum Ausgleich der Behinderung eine Zweitversorgung notwendig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist bei veranschlagten Kosten in Höhe von 9.453,52 EUR für die streitgegenständliche Zweitprothese der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR bei weitem überschritten.
Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Unterschenkelprothese als Zweitprothese.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs. 1 S. 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen.
Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, in Juris m.w.N.).
Der Kläger, der bereits mit einer Unterschenkelprothese versorgt ist, streitet um die Beschaffung dieses Hilfsmittels in doppelter Ausfertigung. Die Ablehnung der Versorgung mit einer Zweitprothese ist aber nach der Auffassung des Senats rechtmäßig, weil eine solche nicht erforderlich ist. Nach § 6 Abs. 8 der aufgrund von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Hilfsmittel-Richtlinie (in der Fassung vom 21.12.2011/15.03.2012; inhaltsgleich mit der Vorgänger-Regelung in § 6 Abs. 7) kann eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln nur verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch die oder den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Der Kläger begehrt insbesondere keine Erneuerung einer noch funktionstechnischen Prothese mit einer technisch weiterentwickelten und qualitativ verbesserten Prothese. Für Fälle dieser Art hat das BSG in der Vergangenheit einen Anspruch auf Zweitversorgung im Hinblick auf das beim unmittelbaren Behinderungsausgleich geltende Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits anerkannt, da dieser Ausgleich die Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts erfordert. Sofern das neuartige Hilfsmittel wesentliche Gebrauchsvorteile im Alltag entfaltet und sich seine Vorteile nicht lediglich auf besseren Komfort im Gebrauch und eine bessere Optik beschränkt, ist der Anspruch auf Zweitversorgung zuzuerkennen (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 20/04 R - und Urteil vom 06.06.2002 - B 3 KR 68/01 R -, jeweils in Juris). Die vom Kläger hier beantragte Zweitversorgung ist gerichtet auf eine identische Unterschenkelprothese, wie sie dem Kläger zuletzt im Jahr 2006 bewilligt worden war. Dies hat der Kläger selbst im Rahmen der Begutachtung durch den MDK am 08.04.2010 angegeben. Die Zweitprothese bietet also im Vergleich zu der vorhandenen Prothese keine wesentlichen Gebrauchsvorteile, so dass unter diesem Gerichtspunkt kein Anspruch auf Mehrfachversorgung gerechtfertigt ist.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 8 der Hilfsmittel-Richtlinie für eine Mehrfachversorgung liegen ebenfalls nicht vor. Es bestehen weder medizinische noch hygienische oder sicherheitstechnische Gründe, die eine Doppelversorgung erforderlich machen.
Der Kläger hat sich zunächst insbesondere auf hygienische Gründe durch witterungs- oder belastungsbedingtes vermehrtes Schwitzen berufen, welches die Lederauskleidung im Oberschaft und im Stumpflager der Prothese feucht werden lasse und zu Verformungen führe. Nach den Feststellungen des Orthopädietechnikermeisters des MDK wurden diese hygienischen Bedenken durchaus bestätigt. Auch wenn sich bei der Untersuchung ein vermehrtes Schwitzen nicht hatte feststellen lassen, bezeichnete es der Fachgutachter als regelhaft, dass sich Leder bei ständigem Hautkontakt nicht nur verfärbe, sondern auch hygienisch bedenklich sei. Hygienedefizite könnten im Umgang mit ledernen Hilfsmitteln generell nachvollzogen werden. Allerdings führt diese Feststellung des Fachgutachters nicht zu einem Anspruch auf Versorgung mit einer Zweitprothese. Denn eine solche erachtet der Gutachter anhand der von ihm aufgezeigten Möglichkeiten, diesen hygienischen Mängeln zu begegnen, als nicht notwendig. Dem schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an. Der Gutachter hat insbesondere festgestellt, dass die Prothese nicht über eine herausnehmbare Stumpfbettung (Softsocket) verfüge, was nach den Feststellungen des Gutachters an sich üblich sei und eine bessere Reinigung erleichtere. Den festgestellten Hygienedefiziten kann bereits durch den vom Gutachter angeregten regelmäßigen - halbjährlichen - Austausch der Lederauskleidung in wirtschaftlich angemessener Weise begegnet werden. Bei der Ausstattungsvariante mit einem herausnehmbaren Softsocket wird dieser Austausch sogar noch erleichtert oder es kann gegebenenfalls auch eine doppelte Ausführung des Softsockets in Betracht kommen, um dem Kläger selbst den Wechsel dieses Lederfutters zu ermöglichen. Auch die vom Fachgutachter empfohlene Vorkehrungsmaßnahme gegen das Durchschwitzen des Lederfutters, das Tragen von Strümpfen auf der Haut, hält der Senat für eine leicht umzusetzende und damit zumutbare Maßnahme, um dem schweißbedingten Verschleiß der Prothese vorzubeugen. Die Umsetzung dieser wesentlich kostengünstigeren Maßnahmen ist dem Kläger zumutbar, so dass die Versorgung mit einer Zweitprothese nicht notwendig ist, um den Hygienebedenken zu begegnen. Darauf, dass der Fachgutachter von der Verwendung anderer Materialen zu Abfütterung der Prothese als Leder geraten hat, die der Kläger aber als hautunverträglich ablehnt, kommt es damit nicht an.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren auf atypische Stumpfverhältnisse aufgrund starker Vernarbung und besonders empfindlicher Haut berufen hat, vermag der Senat darin keine besonderen Umstände zu erkennen, die als solche eine Doppelversorgung notwendig machen. Die starke Vernarbung hat Dr. E. bei der Begutachtung für den MDK am 08.04.2010 bestätigt. Besondere Hautveränderungen, die durch das Tragen der Prothese hervorgerufen worden sein könnten, hat er hingegen nicht festgestellt. Der Senat kann aufgrund dieses Gutachtens feststellen, dass der Kläger damit mit einer gut angepassten und von ihm vertragenen Prothese versorgt ist. Auch der Kläger selbst hat vorgetragen, dass die Lederauskleidung der Prothese von ihm gut vertragen werde, und die damit verbundene Problematik allein auf das Durchschwitzen des Leders beschränkt. Dass die beim Kläger vorhandenen Stumpfverhältnisse eine Doppelversorgung bedingen, ist deshalb nicht nachzuvollziehen.
Der Kläger begründet die aus seiner Sicht bestehende Erforderlichkeit der Mehrfachversorgung schließlich mit der Notwendigkeit, bei reparaturbedingten Ausfällen der Prothese über einen Ersatz verfügen zu können. Auch diese Argumentation begründet nach Überzeugung des Senats keine Erforderlichkeit einer Zweitprothese. Zum einen ist aus der Vergangenheit nur eine ganz geringe Zahl von Reparaturen dokumentiert (12/2008, 06/2004, 04/2002 und 12/2000). Der Kläger selbst hat keine darüber hinaus gehenden Fälle berichtet. Eine besondere Reparaturanfälligkeit der Prothesenversorgung des Klägers vermag der Senat daher nicht festzustellen. Ferner hat der Fachgutachter des MDK auf die Möglichkeit hingewiesen, die Reparaturanfälligkeit der Prothese durch regelmäßige Inspektionen zu verringern. Derartige Inspektionstermine sind planbar und können daher mit den beruflichen und privaten Anforderungen des Klägers abgestimmt werden, so dass ihm der vorhersehbare Ausfall der Prothese zumutbar ist. Die Versorgung mit einer Zweitprothese erweist sich daher in Anbetracht der Kosten in Höhe von 9.435,52 EUR als unwirtschaftlich. Darüber hinaus dürfte für die seltenen Fälle reparaturbedingter Ausfälle auch die zuletzt getragenen Prothese noch als Ersatz zur Verfügung stehen. Zwar hat Dr. E. bestätigt, dass diese zum Zeitpunkt der Begutachtung am 08.04.2010 deutliche Gebrauchsspuren aufgewiesen hat. Dass sie allerdings völlig unbrauchbar und auch für kurzfristige Ersatzzwecke nicht mehr einsetzbar war, ist damit nicht festgestellt. Der Kläger hatte vorgetragen, bis dahin auch jeweils die letzte Prothese als Wechselprothese getragen zu haben. Es dürfte ihm daher zumutbar sein, auch weiterhin bei reparaturbedingten Ausfällen auf die zuletzt getragene Prothese zurückzugreifen.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, beruflich wie privat häufig im Ausland zu sein, ergibt sich daraus keine besondere Beanspruchung der Unterschenkelprothese im Sinne des § 6 Abs. 8 der Hilfsmittel-RL. Weder das Reisen als solches noch die mit einem im Ausland auftretenden Defekt der Prothese verbundenen Schwierigkeiten stellen eine solche besondere Beanspruchung des Hilfsmittels dar. Der Kläger wird vielmehr für solche Fälle Vorsorge zu treffen haben, auch indem er insbesondere durch regelmäßige Wartung der Prothese die Reparaturanfälligkeit gering hält. Die Reiseaktivitäten des Klägers machen eine Mehrfachversorgung aber nicht notwendig.
Soweit der Kläger auch in seiner Klagebegründung vorgetragen hat, er sei ein aktiver Läufer, kann eine damit verbundene besondere Beanspruchung der Prothese die Notwendigkeit einer Mehrfachversorgung schon deshalb nicht begründen, weil es sich insoweit um eine im Bereich des Freizeitsports und nicht bei der Mobilität im Alltag auftretende besondere Beanspruchung handelt. Das BSG hat in seinem Urteil vom 21.03.2013 (- B 3 KR 3/12 R -, a.a.O.) die Gewährung einer Sportprothese als zusätzliche Versorgung neben der normalen Laufprothese und der Badeprothese abgelehnt, weil es einem Versicherten zumutbar sei, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen, und weil nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft ermöglicht werden müsse. Das BSG war im dort zu entscheidenden Fall zu der Einschätzung gelangt, dass die vorhandene Laufprothese Freizeitsport bereits in einem erheblichen Umfang ermögliche und die vom dortigen Kläger gewünschte Sportprothese keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil für den Alltagsgebrauch biete, der von der Versichertengemeinschaft zu tragen sei. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kann der Kläger hier die Notwendigkeit der Zweitprothesenversorgung nicht aus der besonderen Beanspruchung durch seine sportliche Betätigung herleiten, weil die für eine solche Freizeitbetätigung erforderlichen Hilfsmittel, sei es eine Sportprothese oder eine zweite, gleichartige Laufprothese, nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft zur Verfügung gestellt werden müssen.
Soweit sich der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung des Senats auf medizinische Gründe für die Erforderlichkeit der Zweitprothese berufen hat, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen. Dem insoweit von ihm gestellten Hilfsantrag brauchte der Senat nicht zu entsprechen. Die mündlich und im Beweisantrag geltend gemachten medizinischen Beeinträchtigungen in Form von Druckstellen und Rötungen bis hin zu schmerzhaftem Wundscheuern mit Entzündungen sind nicht belegt. Eine ärztliche Bescheinigung, dass der Kläger wegen dieser Beschwerden einen Arzt konsultiert oder sogar in Behandlung gestanden hätte, fehlt. Angaben, wann, wie häufig, in welchem Zusammenhang und mit welcher Intensität die vorgetragenen Krankheitszeichen aufgetreten sind und welcher Arzt dies gegebenenfalls bescheinigen könnte, sind weder vorgetragen worden noch aktenkundig. Dies bereits früher geltend zu machen, hätte sich aber aufgedrängt, nachdem die Beklagte beim MDK das Gutachten von Dr. E. vom 14.04.2010 eingeholt hatte, der bei seiner Untersuchung eine trockene Haut ohne Rötungen, mithin medizinisch einwandfreie Stumpfverhältnisse, vorgefunden hatte. Auch das zuletzt vorgelegte Attest von Dr. B. v. R. vom 02.08.201 gibt insoweit nichts her; es enthält insbesondere keine Befund- oder Behandlungsangaben. Da der Kläger ganz offensichtlich wegen der von ihm geltend gemachten medizinischen Komplikationen nicht in Behandlung war, drängt sich die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen zur näheren Abklärung der bislang nur behaupteten Beschwerden nicht auf.
Es bestehen daher keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für die Versorgung mit einer Zweitprothese durch die Beklagte.
Der 1956 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und seit einer Unterschenkelamputation links im Jahr 1967 mit einer Unterschenkelprothese versorgt, die im Abstand von zwei bis fünf Jahren erneuert wurde. Zuletzt wurde dem Kläger im November 2006 eine neue Prothese genehmigt, die allerdings im April 2010 noch nicht fertig gestellt war. Die zuvor letzte Prothese war dem Kläger nach seinen Angaben etwa im Jahr 2000 angepasst worden.
Am 11.12.2008 verordnete die Fachärztin für Innere Medizin Dr. B. v. R. dem Kläger eine Ersatzprothese (Zweitprothese). Der Kostenvoranschlag des Sanitätshauses Sch. in Sch. vom 22.12.2008 belief sich auf 9.435,52 EUR. Darin war vermerkt, der Kläger sei beruflich und privat sehr viel unterwegs und müsse auch Auslandsaufenthalte per Flugzeug bewältigen. Prothesenreparaturen hätten in der Vergangenheit durch die alte Prothese kompensiert werden können. Diese sei aber inzwischen verschlissen und könne nicht mehr repariert werden.
Mit Bescheid vom 11.08.2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab und teilte dem Kläger mit, grundsätzlich würden Hilfsmittel lediglich in einfacher Ausstattung zur Verfügung gestellt. Eine Mehrfachausstattung komme nur dann in Betracht, wenn dies aus hygienischen Gründen erforderlich sei, wie beispielsweise bei Kompressionsstrümpfen. Diese Voraussetzungen lägen bei einer Beinprothese nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.09.2009 Widerspruch, den er zunächst nicht weiter begründete.
Die Beklagte befragte den MDK zur Notwendigkeit der Doppelversorgung. Im Gutachten vom 06.10.2009 führte Dr. K. vom MDK aus, nach der Hilfsmittelrichtlinie komme eine Zweitversorgung nur in Einzelfällen in Betracht, nämlich wenn dies aus medizinischen oder hygienischen Gründen erforderlich sei oder eine besondere Beanspruchung durch den Versicherten die Ausstattung mit einem zweiten Hilfsmittel notwendig mache. Auch wegen gewöhnlicher Wartungs- oder Reparaturarbeiten sei eine Zweitprothese nicht erforderlich (LSG Baden-Württemberg vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05 -). Eine länger andauernde Reparatur sei rein hypothetisch und begründe daher keinen Anspruch auf Mehrfachausstattung. Für berufliche oder ehrenamtliche Beeinträchtigungen durch den Ausfall der "Erstprothese" sei die gesetzliche Krankenversicherung nicht zuständig. In der Vergangenheit seien eher selten Reparaturen angefallen (12/2008, 06/2004, 04/2002 und 12/2000), so dass die Angabe im Kostenvoranschlag, die Zweitprothese sei zum Ausgleich bei Reparaturen erforderlich, sozialmedizinisch nicht nachvollziehbar sei.
Der Kläger machte daraufhin durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.11.2009 zur Begründung seines Widerspruches geltend, er habe bislang zwei Prothesen im Wechsel benutzt. Die "alte" Prothese sei mittlerweile jedoch verschlissen, so dass eine Ersatzversorgung notwendig sei. Die Wechselversorgung sei nicht lediglich aus beruflichen Gründen beantragt worden. Die Versorgung mit einer Ersatzprothese sei zum einen erforderlich, um längere Ausfallzeiten bei Reparaturen überbrücken zu können. In erster Linie sei sie aber notwendig, um eine dauerhafte prothetische Versorgung sicherzustellen. Denn die vorhandene Prothese verfüge über einen verhältnismäßig langen Schaft, in dem er abhängig von der Belastung stark schwitze. Die so entstehende Feuchtigkeit staue sich und führe dazu, dass er sich "wundlaufe". Zur Vermeidung von Druckstellen und Geschwüren habe er deshalb auf seine alte Prothese zurückgegriffen und diese nach Bedarf gewechselt. Auch wenn die gesetzliche Krankenversicherung regelmäßig Hilfsmittel nur in einfacher Zahl zur Verfügung stelle, gelte etwas anderes, wenn medizinische oder sonstige außergewöhnliche Gründe dies erforderten (LSG Hessen, Urteil vom 08.10.1980 - L 8 KR 903/79). So komme eine Mehrfachausstattung beispielsweise in Betracht, wenn dies aus hygienischen Gründen erforderlich sei oder durch Schwankungen des Stumpfumfanges die Versorgung mit einer zweiten Prothese notwendig werde (SG Augsburg, Urteil vom 07.07.2004 - S 4 KR 100/04). Ähnliches gelte, wenn eine Ersatzprothese wegen hoher Reparaturhäufigkeit benötigt werde, um Arbeitsunfälle zu vermeiden (SG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2007 - S 4/26 KR 36/03). Die vom MDK zitierte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg betreffe nur den Fall, dass die Doppelversorgung lediglich der Bequemlichkeit diene oder kurze Reparaturzeiten überbrücken solle. Hiervon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte veranlasste eine persönliche Untersuchung des Klägers durch den MDK. Dr. E. zog den Orthopädietechnikermeister des MDK hinzu und führte in seinem Gutachten vom 14.04.2010 aus, die letzte Versorgung mit einer Prothese sei nach Angaben des Klägers vor etwa zehn Jahren erfolgt. Mittlerweile sei eine neue Versorgung von der Beklagten genehmigt worden und in Arbeit. Der Kläger strebe jedoch an, dass die neue Versorgung doppelt ausgeführt werde. Der Kläger stütze sein Begehren auf die durch Schweißbildung bedingten Hygienemängel am ledernen Oberschenkelschaft und in der Stumpfbettung sowie darauf, dass Reparaturzeiten überbrückt werden sollten, was wegen beruflich bedingter Auslandsaufenthalte wichtig sei. Im Rahmen der Befunderhebung stellte Dr. E. fest, dass der Amputationsstumpf stark vernarbt, aber ohne Geschwüre sei. Die Haut sei trocken und ohne Rötung. Die Prothese bestehe im oberen Teil aus Leder, wodurch es nach Angaben des Klägers in den Sommermonaten zu vermehrter Schweißbildung komme. Der begutachtende Orthopädietechnikermeister empfahl hierzu bei Bedarf, etwa alle sechs Monate, eine "Neubelederung" durchzuführen. Zudem komme es in Betracht, von einer Lederfütterung komplett abzusehen und stattdessen geschlossen porigen Schaumstoff (bspw. Polyethylen) zu verwenden. Dieses Material könne in aller Regel besser gereinigt werden. Zudem könne der Kläger auf der Haut Strümpfe tragen, um einen direkten Kontakt mit dem Kunstbein zu meiden. Außerdem könne die Stumpfbettung - wie an sich üblich - herausnehmbar gestaltet werden, was eine bessere Reinigung gewährleiste. Der Kläger könne mit dem Lieferanten (Sanitätshaus) feste Inspektionstermine vereinbaren, um - bei mangelfreier Lieferung - kurze Reparaturintervalle zu vermeiden. Zusammenfassend sei eine Doppel- oder Wechselversorgung nicht begründet.
Nachdem die Beklagte den Kläger zunächst mit Schreiben vom 29.04.2010 nochmals darauf hingewiesen hatte, dass eine Doppelversorgung ausscheide, wies sie den aufrechterhaltenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2010 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, hygienische Defizite, die eine Zweitversorgung begründen könnten, seien bei der gutachterlichen Untersuchung nicht festgestellt worden. Zudem seien Möglichkeiten zur Vermeidung von derartigen hygienischen Defiziten aufgeführt worden. Auch unter Berücksichtigung der beruflich bedingten Auslandsaufenthalte habe der Gutachter zu keinem anderen Ergebnis kommen können.
Am 05.10.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht und wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Ergänzend wies er darauf hin, in der Vergangenheit sei es bei anderen Materialien als Leder stets zu Stumpfreizungen gekommen. Daher sei aus gesundheitlichen Gründen die Ausstattung des Schaftbereichs mit Leder die bessere Alternative. Der Nachteil von Leder bestehe jedoch darin, dass es schneller zu hygienischen Problemen kommen könne. Dies umso mehr, als er ein sehr aktiver Läufer sei. Die Untersuchung beim MDK habe frühmorgens stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Prothese noch nicht lange getragen, sodass diese noch nicht so verschwitzt gewesen sei, wie nachmittags oder am Ende eines Arbeitstages. Wenn er nur eine Prothese benutzen könne, komme es zwangsläufig zu schweißbedingten Reizungen des Stumpfes und zu Druckstellen. Daher sei er darauf angewiesen, die Prothese tagsüber wechseln zu können. Nur hierdurch werde ein dauerhafter Ausgleich seiner Behinderung sichergestellt. Ergänzend müsse berücksichtigt werden, dass sich der Schaft der Prothese schweißbedingt weite, so dass die Prothese nicht mehr so gut am Stumpf hafte. Dies habe Gangunsicherheiten zur Folge. Nach der Rechtsprechung des BSG beinhalte der Behinderungsausgleich jedoch, dass der Einsatz der Beine zum Gehen, Laufen und Stehen jederzeit ohne Einschränkungen möglich sein müsse (Urteile 13.05.1998 - B 8 KN 13/97 und vom 06.06.2001 - B 3 KR 68/01). Das von der Beklagten favorisierte Schaftmaterial sei für ihn nicht geeignet. Hierzu legte der Kläger eine Bescheinigung des Sanitätshauses Sch. vom 02.07.2010 vor. Die Beklagte könne einen angemessenen Behinderungsausgleich nur mittels der Zweitversorgung gewährleisten, da dem gesunden Menschen die Möglichkeit, sich mit seinen Beinen fortzubewegen, über die gesamte Tageszeit zustehe, ohne dass für ihn die Gefahr von Gangunsicherheiten, Reizungen und Druckstellen bestehe.
Mit Urteil vom 07.07.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Hilfsmittelversorgung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung stehe nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) dürften die gesetzlichen Krankenkassen nur solche Leistungen erbringen, die zur Erreichung der gesetzlichen Behandlungsziele notwendig, das heißt unerlässlich seien. Für den Bereich der Hilfsmittelversorgung werde dies in der auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V beruhenden Hilfsmittelrichtlinie (Hilfsmittel-RL) dahin konkretisiert, dass regelmäßig nur eine einfache Ausstattung erfolgen könne. Nur dann, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund einer besonderen Beanspruchung durch den Versicherten geboten sei, komme (ausnahmsweise) eine Mehrfachausstattung in Betracht (§ 6 Abs. 7 Hilfsmittel-RL, vgl. hierzu LSG Hessen, Urteil vom 08.10.1980 - L 8 KR 903/79 und L 8 KR 917/79). Eine Mehrfachausstattung könne daher nur dann durchgeführt werden, wenn nur auf diese Weise ein Behinderungsausgleich möglich sei (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.01.2011 - L 5 KR 22/09). Darüber hinaus erfordere die Wirtschaftlichkeit einer Doppelversorgung, dass eine begründbare, angemessene Relation zwischen den Mehrkosten und dem zusätzlichen Nutzen bestehe (BSG, Urteil vom 13.05.1998 -B 8 KN 13/97 R, vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 06.03.2002 - B 3 KR 68/01 R). Das Gehvermögen des Klägers werde durch die vorhandene Prothese in ausreichender Weise sichergestellt. Der Kläger sei zur Sicherstellung seiner Gehfähigkeit nicht auf eine entsprechende Zweitversorgung angewiesen. Angaben dazu, in welchem Umfang es in den letzten Jahren zu reparaturbedingten Ausfällen mit der Notwendigkeit einer Ersatzversorgung gekommen sei, habe der Kläger auch auf Aufforderung durch das Gericht nicht gemacht. Etwaige Ausfallzeiten könnten durch die Vereinbarung von festen Inspektions- bzw. Wartungsterminen mit dem jeweiligen Sanitätshaus vermieden, zumindest vorgeplant und minimiert werden. Es sei dem Kläger möglich und zumutbar, kurze und begrenzte Ausfallzeiten durch die Benutzung von Gehhilfen zu überbrücken. Die Situation des Klägers unterscheide sich in diesem Gesichtspunkt nicht von derjenigen aller anderen Prothesenträger, so dass eine besondere Betroffenheit, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise eine "Zweitversorgung" durchzuführen, durch die Erforderlichkeit von Wartungen oder Reparaturen nicht begründet werden könne (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05). Auf die beruflich veranlassten Auslandsreisen könne sich der Kläger nicht berufen. Zwar könne im Ausland eine kurzfristig notwendig werdende Reparatur der Prothese möglicherweise nicht immer gewährleistet sein. Dieses Risiko könne jedoch durch regelmäßige Wartungen minimiert werden. Zudem könne es dem Kläger auch im Ausland zugemutet werden, notfalls für eine Übergangszeit auf sonstige Gehhilfen auszuweichen. Die gesetzliche Krankenkasse habe keine einschränkungslose "weltweite" Mobilität zu gewährleisten. Die Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung beschränke sich vielmehr auf Wege, die üblicherweise im Nahbereich zu Fuß zurückgelegt werden könnten (vgl. hierzu Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, April 2011, § 33 SGB V Rdnrn. 12b ff. und vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2005 - L 11 KR 729/05 und BSG, Urteil vom 13.05.1998 -N 8 KN 13/97 R). Die hygienischen Probleme mit dem Lederschaft könnten durch eine turnusmäßige "Neubelederung" gemildert werden. Die "Hitzeperiode" im Jahresablauf beschränke sich ohnehin nur auf wenige Wochen bzw. Monate, so dass es dem Kläger zugemutet werden könne, die Prothese auch tagsüber bei Bedarf kurzfristig abzulegen, um den Schaft abzutrocknen bzw. sie auslüften zu lassen. Die Beeinträchtigungen, die sich aus dem Schwitzen ergeben würden, hätten kein solches Gewicht, dass deshalb eine zweite Prothese unerlässlich wäre. Auch aus dem Einwand, unter Hitze bzw. Schwitzen verforme sich der Schaft so stark, dass die Prothese nicht mehr ordnungsgemäß sitze und das Gehen unsicher werde, folge kein anderes Ergebnis. Der Kläger habe keinerlei Angaben dazu gemacht, in welcher Häufigkeit bzw. in welcher Intensität entsprechende Gehunsicherheiten in der Vergangenheit aufgetreten seien und ob es tatsächlich schon einmal zu einem Sturz oder einem wesentlichen Straucheln oder Stolpern gekommen sei, so dass sein Vortrag sich als zu unsubstantiiert erweise. Insgesamt seien die Vorteile, die sich für den Kläger aus einer Zweitprothese ergeben würden nicht so gewichtig, dass hieraus die Unerlässlichkeit bzw. zumindest die Wirtschaftlichkeit einer entsprechenden Versorgung abgeleitet werden könne.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 20.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.08.2011 Berufung eingelegt. Er beruft sich auf bei ihm bestehende atypische Stumpfverhältnisse mit einer starken Vernarbung und sehr empfindlicher Haut. Er habe in der Vergangenheit bereits verschiedene Schaftmaterialien getestet und nur mittels Leder eine befriedigende Hautsituation erreichen können. Dieses habe aber den Nachteil, dass es sich durch Feuchtigkeit und Wärme verforme und dadurch die Passform verloren gehe. Diese werde durch Austrocknen wieder erreicht, weshalb er die Zweitversorgung wünsche, um nach körperlicher Belastung und witterungsbedingtem Schwitzen einen Wechsel der Prothese vornehmen zu können. In der Vergangenheit seien etliche Reparaturausfälle zu verzeichnen gewesen, die bislang durch den Einsatz der vorhandenen Zweitprothese hätten ausgeglichen werden können. Das Sozialgericht habe es versäumt, zu den vorgetragenen hygienischen Aspekten und den damit verbundenen Einschränkungen ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Zuletzt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats das Attest der hausärztlichen Internistin Dr. B. v. R. vom 02.08.2013 sowie Fotografien seines Amputationsstumpfes vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.07.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einer Unterschenkelprothese als Zweitprothese zu versorgen,
hilfsweise, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass bei ihm eine Versorgung mit einem Lederschaftsystem erfolgen muss, dieses durch Gebrauch im Verlauf des Tages nicht mehr passgerecht sitzt und hierdurch Druckstellen und Rötungen auftreten und die Prothese schmerzbedingt oder zur Vermeidung von Schmerzen und Entzündungen abgelegt werden muss und aus diesem Grund zum Ausgleich der Behinderung eine Zweitversorgung notwendig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt auf Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist bei veranschlagten Kosten in Höhe von 9.453,52 EUR für die streitgegenständliche Zweitprothese der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR bei weitem überschritten.
Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Unterschenkelprothese als Zweitprothese.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs. 1 S. 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen.
Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, in Juris m.w.N.).
Der Kläger, der bereits mit einer Unterschenkelprothese versorgt ist, streitet um die Beschaffung dieses Hilfsmittels in doppelter Ausfertigung. Die Ablehnung der Versorgung mit einer Zweitprothese ist aber nach der Auffassung des Senats rechtmäßig, weil eine solche nicht erforderlich ist. Nach § 6 Abs. 8 der aufgrund von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Hilfsmittel-Richtlinie (in der Fassung vom 21.12.2011/15.03.2012; inhaltsgleich mit der Vorgänger-Regelung in § 6 Abs. 7) kann eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln nur verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch die oder den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich ist.
Der Kläger begehrt insbesondere keine Erneuerung einer noch funktionstechnischen Prothese mit einer technisch weiterentwickelten und qualitativ verbesserten Prothese. Für Fälle dieser Art hat das BSG in der Vergangenheit einen Anspruch auf Zweitversorgung im Hinblick auf das beim unmittelbaren Behinderungsausgleich geltende Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits anerkannt, da dieser Ausgleich die Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts erfordert. Sofern das neuartige Hilfsmittel wesentliche Gebrauchsvorteile im Alltag entfaltet und sich seine Vorteile nicht lediglich auf besseren Komfort im Gebrauch und eine bessere Optik beschränkt, ist der Anspruch auf Zweitversorgung zuzuerkennen (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 20/04 R - und Urteil vom 06.06.2002 - B 3 KR 68/01 R -, jeweils in Juris). Die vom Kläger hier beantragte Zweitversorgung ist gerichtet auf eine identische Unterschenkelprothese, wie sie dem Kläger zuletzt im Jahr 2006 bewilligt worden war. Dies hat der Kläger selbst im Rahmen der Begutachtung durch den MDK am 08.04.2010 angegeben. Die Zweitprothese bietet also im Vergleich zu der vorhandenen Prothese keine wesentlichen Gebrauchsvorteile, so dass unter diesem Gerichtspunkt kein Anspruch auf Mehrfachversorgung gerechtfertigt ist.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 8 der Hilfsmittel-Richtlinie für eine Mehrfachversorgung liegen ebenfalls nicht vor. Es bestehen weder medizinische noch hygienische oder sicherheitstechnische Gründe, die eine Doppelversorgung erforderlich machen.
Der Kläger hat sich zunächst insbesondere auf hygienische Gründe durch witterungs- oder belastungsbedingtes vermehrtes Schwitzen berufen, welches die Lederauskleidung im Oberschaft und im Stumpflager der Prothese feucht werden lasse und zu Verformungen führe. Nach den Feststellungen des Orthopädietechnikermeisters des MDK wurden diese hygienischen Bedenken durchaus bestätigt. Auch wenn sich bei der Untersuchung ein vermehrtes Schwitzen nicht hatte feststellen lassen, bezeichnete es der Fachgutachter als regelhaft, dass sich Leder bei ständigem Hautkontakt nicht nur verfärbe, sondern auch hygienisch bedenklich sei. Hygienedefizite könnten im Umgang mit ledernen Hilfsmitteln generell nachvollzogen werden. Allerdings führt diese Feststellung des Fachgutachters nicht zu einem Anspruch auf Versorgung mit einer Zweitprothese. Denn eine solche erachtet der Gutachter anhand der von ihm aufgezeigten Möglichkeiten, diesen hygienischen Mängeln zu begegnen, als nicht notwendig. Dem schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an. Der Gutachter hat insbesondere festgestellt, dass die Prothese nicht über eine herausnehmbare Stumpfbettung (Softsocket) verfüge, was nach den Feststellungen des Gutachters an sich üblich sei und eine bessere Reinigung erleichtere. Den festgestellten Hygienedefiziten kann bereits durch den vom Gutachter angeregten regelmäßigen - halbjährlichen - Austausch der Lederauskleidung in wirtschaftlich angemessener Weise begegnet werden. Bei der Ausstattungsvariante mit einem herausnehmbaren Softsocket wird dieser Austausch sogar noch erleichtert oder es kann gegebenenfalls auch eine doppelte Ausführung des Softsockets in Betracht kommen, um dem Kläger selbst den Wechsel dieses Lederfutters zu ermöglichen. Auch die vom Fachgutachter empfohlene Vorkehrungsmaßnahme gegen das Durchschwitzen des Lederfutters, das Tragen von Strümpfen auf der Haut, hält der Senat für eine leicht umzusetzende und damit zumutbare Maßnahme, um dem schweißbedingten Verschleiß der Prothese vorzubeugen. Die Umsetzung dieser wesentlich kostengünstigeren Maßnahmen ist dem Kläger zumutbar, so dass die Versorgung mit einer Zweitprothese nicht notwendig ist, um den Hygienebedenken zu begegnen. Darauf, dass der Fachgutachter von der Verwendung anderer Materialen zu Abfütterung der Prothese als Leder geraten hat, die der Kläger aber als hautunverträglich ablehnt, kommt es damit nicht an.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren auf atypische Stumpfverhältnisse aufgrund starker Vernarbung und besonders empfindlicher Haut berufen hat, vermag der Senat darin keine besonderen Umstände zu erkennen, die als solche eine Doppelversorgung notwendig machen. Die starke Vernarbung hat Dr. E. bei der Begutachtung für den MDK am 08.04.2010 bestätigt. Besondere Hautveränderungen, die durch das Tragen der Prothese hervorgerufen worden sein könnten, hat er hingegen nicht festgestellt. Der Senat kann aufgrund dieses Gutachtens feststellen, dass der Kläger damit mit einer gut angepassten und von ihm vertragenen Prothese versorgt ist. Auch der Kläger selbst hat vorgetragen, dass die Lederauskleidung der Prothese von ihm gut vertragen werde, und die damit verbundene Problematik allein auf das Durchschwitzen des Leders beschränkt. Dass die beim Kläger vorhandenen Stumpfverhältnisse eine Doppelversorgung bedingen, ist deshalb nicht nachzuvollziehen.
Der Kläger begründet die aus seiner Sicht bestehende Erforderlichkeit der Mehrfachversorgung schließlich mit der Notwendigkeit, bei reparaturbedingten Ausfällen der Prothese über einen Ersatz verfügen zu können. Auch diese Argumentation begründet nach Überzeugung des Senats keine Erforderlichkeit einer Zweitprothese. Zum einen ist aus der Vergangenheit nur eine ganz geringe Zahl von Reparaturen dokumentiert (12/2008, 06/2004, 04/2002 und 12/2000). Der Kläger selbst hat keine darüber hinaus gehenden Fälle berichtet. Eine besondere Reparaturanfälligkeit der Prothesenversorgung des Klägers vermag der Senat daher nicht festzustellen. Ferner hat der Fachgutachter des MDK auf die Möglichkeit hingewiesen, die Reparaturanfälligkeit der Prothese durch regelmäßige Inspektionen zu verringern. Derartige Inspektionstermine sind planbar und können daher mit den beruflichen und privaten Anforderungen des Klägers abgestimmt werden, so dass ihm der vorhersehbare Ausfall der Prothese zumutbar ist. Die Versorgung mit einer Zweitprothese erweist sich daher in Anbetracht der Kosten in Höhe von 9.435,52 EUR als unwirtschaftlich. Darüber hinaus dürfte für die seltenen Fälle reparaturbedingter Ausfälle auch die zuletzt getragenen Prothese noch als Ersatz zur Verfügung stehen. Zwar hat Dr. E. bestätigt, dass diese zum Zeitpunkt der Begutachtung am 08.04.2010 deutliche Gebrauchsspuren aufgewiesen hat. Dass sie allerdings völlig unbrauchbar und auch für kurzfristige Ersatzzwecke nicht mehr einsetzbar war, ist damit nicht festgestellt. Der Kläger hatte vorgetragen, bis dahin auch jeweils die letzte Prothese als Wechselprothese getragen zu haben. Es dürfte ihm daher zumutbar sein, auch weiterhin bei reparaturbedingten Ausfällen auf die zuletzt getragene Prothese zurückzugreifen.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, beruflich wie privat häufig im Ausland zu sein, ergibt sich daraus keine besondere Beanspruchung der Unterschenkelprothese im Sinne des § 6 Abs. 8 der Hilfsmittel-RL. Weder das Reisen als solches noch die mit einem im Ausland auftretenden Defekt der Prothese verbundenen Schwierigkeiten stellen eine solche besondere Beanspruchung des Hilfsmittels dar. Der Kläger wird vielmehr für solche Fälle Vorsorge zu treffen haben, auch indem er insbesondere durch regelmäßige Wartung der Prothese die Reparaturanfälligkeit gering hält. Die Reiseaktivitäten des Klägers machen eine Mehrfachversorgung aber nicht notwendig.
Soweit der Kläger auch in seiner Klagebegründung vorgetragen hat, er sei ein aktiver Läufer, kann eine damit verbundene besondere Beanspruchung der Prothese die Notwendigkeit einer Mehrfachversorgung schon deshalb nicht begründen, weil es sich insoweit um eine im Bereich des Freizeitsports und nicht bei der Mobilität im Alltag auftretende besondere Beanspruchung handelt. Das BSG hat in seinem Urteil vom 21.03.2013 (- B 3 KR 3/12 R -, a.a.O.) die Gewährung einer Sportprothese als zusätzliche Versorgung neben der normalen Laufprothese und der Badeprothese abgelehnt, weil es einem Versicherten zumutbar sei, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen, und weil nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft ermöglicht werden müsse. Das BSG war im dort zu entscheidenden Fall zu der Einschätzung gelangt, dass die vorhandene Laufprothese Freizeitsport bereits in einem erheblichen Umfang ermögliche und die vom dortigen Kläger gewünschte Sportprothese keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil für den Alltagsgebrauch biete, der von der Versichertengemeinschaft zu tragen sei. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kann der Kläger hier die Notwendigkeit der Zweitprothesenversorgung nicht aus der besonderen Beanspruchung durch seine sportliche Betätigung herleiten, weil die für eine solche Freizeitbetätigung erforderlichen Hilfsmittel, sei es eine Sportprothese oder eine zweite, gleichartige Laufprothese, nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft zur Verfügung gestellt werden müssen.
Soweit sich der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung des Senats auf medizinische Gründe für die Erforderlichkeit der Zweitprothese berufen hat, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen. Dem insoweit von ihm gestellten Hilfsantrag brauchte der Senat nicht zu entsprechen. Die mündlich und im Beweisantrag geltend gemachten medizinischen Beeinträchtigungen in Form von Druckstellen und Rötungen bis hin zu schmerzhaftem Wundscheuern mit Entzündungen sind nicht belegt. Eine ärztliche Bescheinigung, dass der Kläger wegen dieser Beschwerden einen Arzt konsultiert oder sogar in Behandlung gestanden hätte, fehlt. Angaben, wann, wie häufig, in welchem Zusammenhang und mit welcher Intensität die vorgetragenen Krankheitszeichen aufgetreten sind und welcher Arzt dies gegebenenfalls bescheinigen könnte, sind weder vorgetragen worden noch aktenkundig. Dies bereits früher geltend zu machen, hätte sich aber aufgedrängt, nachdem die Beklagte beim MDK das Gutachten von Dr. E. vom 14.04.2010 eingeholt hatte, der bei seiner Untersuchung eine trockene Haut ohne Rötungen, mithin medizinisch einwandfreie Stumpfverhältnisse, vorgefunden hatte. Auch das zuletzt vorgelegte Attest von Dr. B. v. R. vom 02.08.201 gibt insoweit nichts her; es enthält insbesondere keine Befund- oder Behandlungsangaben. Da der Kläger ganz offensichtlich wegen der von ihm geltend gemachten medizinischen Komplikationen nicht in Behandlung war, drängt sich die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen zur näheren Abklärung der bislang nur behaupteten Beschwerden nicht auf.
Es bestehen daher keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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