L 3 AS 2491/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 926/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2491/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

( I )

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung streitig.

Der am 18.10.1972 geborene Kläger zog im Dezember 2007 in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten und bezog ab dem 27.12.2007 von diesem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zuletzt bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 14.02.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04. - 30.09.2013 i.H.v. insg. 692,- EUR monatlich. Die - meist elektronischen - Eingaben des Klägers während des fortlaufenden Leistungsbezuges, die, soweit sie Anknüpfungspunkte zum Leistungsbezug aufweisen, vornehmlich die Erstattung von Bewerbungskosten und die Form, in der Bewerbungsbemühungen nachzuweisen sind, zum Inhalt hatten, die zu einem Aktenumfang von mehr als 5.500 Seiten (Stand Juni 2013) geführt haben und die den Beklagten dazu veranlasst haben, den Kläger mehrfach dazu aufzufordern, selbige auf das notwendige Maß zu reduzieren, haben z.T. die Grenzen des Akzeptablen mehrfach massiv überschritten (vgl. bspw. die e-Mails vom 05.06., vom 21.08, vom 26.09. und vom 01.10.2012).

Der Kläger wurde vom Beklagten unter dem 07.03.2013 aufgefordert, sich am 12.03.2013, 8.00 Uhr im Jobcenter Karlsruhe Stadt, Brauerstr. 10, 76135 Karlsruhe, Zimmer 264 einzufinden. Hr. Hoffmann wolle, so der Beklagte, mit ihm, dem Kläger, die aktuelle berufliche Situation besprechen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 als unbegründet zurück.

Den Meldetermin am 12.03.2013 nahm der Kläger nicht wahr.

Am 12.03.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Die Meldeaufforderung sei rechtswidrig, da der Meldetermin bereits auf 08.00 Uhr gelegt worden sei. Seine Fahrkarte sei erst ab 09.00 Uhr gültig. Da er mittellos sei, könne er sich keine gültige Fahrkarte leisten und werde daher vom Beklagten gezwungen, die öffentlichen Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein zu nutzen; er sei daher genötigt eine Straftat zu begehen.

Der Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen getreten.

Mit Urteil vom 06.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass sich die Meldeaufforderung durch Zeitablauf erledigt habe und das Begehren des Klägers dahingehend auszulegen sei, dass er im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung geltend mache. I.d.S. sei die Klage zumindest unbegründet. Die Meldeaufforderung sei rechtmäßig. Nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) hätten sich Arbeitslose während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldeaufforderung habe den gesetzlichen Vorgaben entsprochen, sie sei insbesondere zu einem zulässigen Zweck, einem Gespräch mit dem Kläger über dessen berufliche Situation, und damit zur Vermittlung des Klägers, erfolgt. Der Kläger habe gemäß § 309 Abs. 4 SGB III einen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Reisekosten zum Meldetermin, sodass die Meldeaufforderung auch nicht deshalb rechtswidrig sei, weil der Kläger nicht im Besitz eines Fahrausweises für öffentliche Verkehrsmittel vor 09.00 Uhr gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung wiederholt der Kläger sein Vorbringen, er sei mittellos und habe sich eine Fahrkarte zur Wahrnehmung des Termins um 8.00 Uhr nicht leisten können. Er wäre daher gezwungen gewesen, eine Straftat - die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrausweis - zu begehen. Am 24.06.2013 hat der Kläger dem Senat einen Bescheid des Beklagten vom 17.06.2013, mit dem der Beklagte seinen Bescheid vom 27.03.2013, mit dem Reisekosten für ein Vorstellungsgespräch i.H.v. 167,- EUR bewilligt wurden, widerrufen hat, vorgelegt und sinngemäß dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Kläger beantragt - zweckdienlich gefasst -,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06. Mai 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Meldeaufforderung des Beklagten vom 07. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2013 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Der Beklagte hat der Einbeziehung des Bescheides vom 17.06.2013 widersprochen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 08.07.2013 darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 02.08.2013 zu äußern.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführten Leistungsakten verwiesen.

( II )

Die statthafte (§ 143 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) zulässige Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

Der Bescheid vom 17.06.2013 ist, da der Beklagte eine Einwilligung nicht erteilt und eine Klageänderung auch nicht sachdienlich ist - der Bescheid steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den angefochtenen Bescheiden - nicht im Wege eine Klageänderung Inhalt des Berufungsverfahrens geworden (vgl. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG).

Soweit sich der Kläger gegen die Meldeaufforderung des Beklagten vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2013 wendet, nach der er am 12.03.2013 beim Beklagten vorsprechen sollte, ist die Berufung unbegründet. Die Meldeaufforderung stellt nach richtiger Ansicht einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - veröffentlicht in juris; Birk in LPK-SGB II, 4. Aufl., 2011, § 59 Rn 2). Durch das fruchtlose Verstreichenlassen des Termins am 12.03.2013 haben sich die Rechtswirkungen der Meldeaufforderung jedoch erschöpft; der Regelungsinhalt der Einladung vom 07.03.2013 hat sich darauf beschränkt, dass der Kläger am 12.03.2013 zu einer Vorsprache wegen seiner beruflichen Situation in den Räumlichkeiten der Beklagten erscheinen soll. Weitere unmittelbare Wirkungen, wie § 31 Satz 1 SGB X sie für einen Verwaltungsakt erfordert, kommen der Meldeaufforderung der Beklagten nicht mehr zu; der Verwaltungsakt hat sich erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.01.2013 - L 6 AS 1792/12 - veröffentlicht in juris).

Eine Aufhebung der Meldeaufforderung vom 07.03.2013 kann im Wege der Anfechtungsklage nicht mehr erreicht werden, weswegen das Rechtsschutzbegehren des Klägers als Antrag auf Feststellung, dass der Bescheid des Beklagten vom 07.03.2013 rechtswidrig gewesen ist, d.h. als Fortsetzungsfeststellungsklage auszulegen ist (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 12.11.2012 - L 3 AL 3928/11 - n.v.). Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht. Die Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn bereits der vorliegende Akteninhalt zeigt, dass es der Beklagte wiederholt unternommen hat, den Kläger zu Meldeterminen einzuladen. Es besteht daher eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass auch in der nachfolgenden Zeit weitere Einladungen zu erwarten sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R - veröffentlicht in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, § 131 Rn. 10 ff).

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2013 war rechtmäßig. Gemäß § 59 SGB II sind im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, § 309 SGB III, entsprechend anzuwenden. Nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben sich Arbeitslose während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen (§ 309 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Die Aufforderung zur Meldung kann nach § 309 Abs. 2 u.a. zum Zwecke der Berufsberatung (Nr.1) oder zur Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit (Nr.2) erfolgen. Die Meldeaufforderung zum 12.03.2013 hat diesen gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Sie ist insbesondere zu einem zulässigen Zweck, einem Gespräch mit dem Kläger über dessen berufliche Situation, und damit zur Vermittlung des Klägers erfolgt (§ 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB III) und hat den Ort und die Zeit der Meldung konkret und unmissverständlich benannt. Auch hat die Aufforderung, obschon dies keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist, eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelbelehrung beinhaltet.

Soweit der Kläger hiergegen vorbringt, infolge der Terminsbestimmung auf 8.00 Uhr könne er seinen Fahrausweis für den öffentlichen Personennahverkehr, der erst ab 9.00 Uhr gelte, nicht nutzen und wäre daher, weil er mittellos sei, gezwungen, eine Straftat zu begehen, führt dies nicht dazu, dass sich die Aufforderung vom 07.03.2013 als rechtswidrig erweist. Ungeachtet dessen, dass, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, die notwendigen Reisekosten, die aus Anlass der Meldung entstehen, vom Beklagten erstattet werden können (§ 309 Abs. 4 SGB III), ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger nicht über die Mittel verfügt hat, um die Kosten der Anreise von seinem Wohnort zum Sitz des Beklagten von 2,30 EUR pro Fahrt (Fahrplanauskunft der EFA-BW, abrufbar im Internet unter www.efa-bw.de) finanziell nicht tragen zu können, da die dem Kläger bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Regelbedarf auch einen Bedarf für die Mobilität vorsehen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 06.05.2013 ist hiernach zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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