L 8 SB 4085/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 275/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4085/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. September 2012 wird zurückgewiesen. A

ußergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGBIX) streitig.

Die 1986 geborene Klägerin stellte erstmals am 17.09.2010 einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht beim Landratsamt W. (LRA). Sie machte eine "Taubheit im Gesicht rechts 2006, Taubheit im Gesicht links 2008" und eine "Multiple Sklerose 2010" geltend. Dem Antrag war der Arztbericht des Universitätsklinikums F. - Neurologie - vom 16.08.2010 sowie der des Kreiskrankenhauses L. - Klinik für Innere Medizin, Abteilung Neurologie - vom 31.08.2010 beigefügt. Diese Arztberichte wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2010 ausgewertet.

Mit Bescheid des LRA vom 02.11.2010 wurde der GdB mit 30 seit 17.09.2010 festgestellt. Als Funktionsbeeinträchtigung wurde ein organisches Nervenleiden aufgeführt.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, am 15.10.2010 habe sie einen erneuten Schub der Multiplen Sklerose mit Taubheit beider Hände, Beine mit Gehstörung erlitten. Hierzu fügte sie die Bescheinigung der Ärztin Dr. G.-E. G. vom 15.11.2010 bei.

Anschließend holte das LRA mit dem Einverständnis der Klägerin die Auskunft der Neurologischen Klinik des Klinikums der A.-L.-U. vom 16.12.2010 ein, dem der Arztbrief des Prof. Dr. R. vom Universitätsklinikum F. - Neurologie - vom 25.11.2010 beigefügt war. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.01.2011 wurden die Arztbefunde ausgewertet und vorgeschlagen, das organische Nervenleiden nunmehr mit einem GdB von 40 zu bewerten.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 07.02.2011 stellte das LRA den GdB mit 40 seit 22.11.2010 fest.

Die Klägerin erklärte am 11.02.2011, dass sie mit dem Teilabhilfebescheid vom 07.02.2011 einverstanden sei und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.11.2010 damit als erledigt betrachte.

Am 26.05.2011 stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag und legte hierzu verschiedene, bereits aktenkundige Arztberichte vor. Zur Begründung machte sie geltend, der bisher festgelegte GdB von 40 entspreche nicht mehr der Realität. Das Krankheitsbild erfahre eine negative Entwicklung, sodass bei diesen Funktionsbeeinträchtigungen der GdB mit mindestens 70 zu beziffern sei.

Das LRA holte mit dem Einverständnis der Klägerin Befundscheine vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 10.06.2011 und der Ärztin Dr. G.-E. G. vom 14.06.2011 ein; letzterem waren verschiedene Arztberichte, u.a. der Reha-Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik K. vom 04.05.2011 beigefügt.

Die Arztunterlagen wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.07.2011 ausgewertet. Danach seien die Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 weiterhin angemessen und ausreichend berücksichtigt. Nach dem Reha-Entlassungsbericht bestünden nur noch leichte Sensibilitätsstörungen an den Händen und es liege ein nahezu unauffälliges Gangbild vor. Eine Facialisparese werde in keinem der vorliegenden Befunde beschrieben.

Mit Bescheid vom 09.08.2011 lehnte das LRA den Verschlimmerungsantrag der Klägerin ab. Die Multiple Sklerose liege weiterhin vor, die von der Klägerin geltend gemachte Gesundheitsstörung "Gesichtsnervenlähmung beidseitig (Facialisparese)" habe nicht nachgewiesen werden können.

Der dagegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 16.01.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren, den GdB mit 70 festzustellen. Zur Begründung führt sie aus, das Krankheitsbild nehme weiterhin eine negative Entwicklung; ihr Beschäftigungsverhältnis sei zum 31.01.2012 beendet worden und ab 01.02.2012 sei sie arbeitslos.

Die Beklagte trat der Klage mit dem Antrag auf Klagabweisung entgegen und führte zur Begründung aus, die im Ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik K. vom 04.05.2011 beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem GdB von 40 weiterhin angemessen und ausreichend berücksichtigt. Die Gleichgewichtsprobleme hätten sich gebessert und bei der Abschlussuntersuchung habe sich ein regelrechtes sicheres Gangbild gezeigt.

Das SG holte von Amts wegen das neurologische Gutachten des Prof. Dr. W. von der B.-K. E. - Klinik für Neurologische Rehabilitation - vom 26.04.2012 ein, wozu die Klägerin am 20.03.2012 ambulant untersucht worden ist. Prof. Dr. W. kam zu dem Ergebnis, die bei der Klägerin vorliegende Sensibilitätsstörung an beiden Händen bedinge einen GdB von 30, die Koordinationsstörung an beiden Armen und an der linken Hand rufe einen Teil-GdB von 20, die Resthalbseitenlähmung einen Teil-GdB von unter 10 und die Visusminderung ebenfalls von unter 10 hervor. Für die bestehenden Funktionsstörungen werde ein Gesamt-GdB von 40 für angemessen gehalten. Für das erste Jahr nach dem letzten Schub (November 2011) werde wegen der zusätzlichen psychischen Belastung wegen Angst vor einem erneuten Schub ein GdB von 50 vorgeschlagen. Abweichungen gegenüber den bisherigen Beurteilungen ergäben sich insofern, als dass eine psychische Belastung durch den kürzlich erlittenen Schub einbezogen worden sei.

Hierzu führte der Beklagte mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2012 aus, den Ausführungen des Prof. Dr. W. werde grundsätzlich zugestimmt, nicht jedoch, soweit er in diesem Gutachten ausgeführt habe, dass für das erste Jahr nach dem letzten Schub im November 2011 wegen der zusätzlichen psychischen Belastung bei Angst vor einem erneuten Schub ein GdB von 50 vorgeschlagen werde. Dem könne man sich nicht anschließen. In früheren Jahren, - so zuletzt noch im Zeitpunkt der damaligen Anhaltspunkte 1996 - sei bei gesicherter Diagnose und im akuten Stadium einer Multiplen Sklerose für zwei Jahre danach in jedem Fall im Sinne einer Heilungsbewährung ein GdB von mindestens 50 anzunehmen gewesen, was aber mit Beiratsprotokoll vom November 2003 abgeändert worden sei, sodass sich dann gemäß den im weiteren Verlauf herausgegebenen Anhaltspunkten 2004 sowie auch den heute gültigen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) der GdB bei Multipler Sklerose vor allem nach den cerebralen und spinalen Ausfallserscheinungen richte, die Berücksichtigung einer Heilungsbewährungszeit nach einem akuten Schub sei nicht mehr vorgesehen. Der im jetzigen Gutachten angegebene GdB von 50 entspräche aber im Prinzip der Berücksichtigung einer solchen Heilungsbewährungszeit. Eine eigenständige psychische Funktionsbeeinträchtigung, welche unabhängig von den bestehenden organischen Funktionseinschränkungen auf den Gesamt-GdB von Einfluss sein könnte, könne aus dem jetzigen Gutachten aber nicht nachweislich abgeleitet werden.

Mit Schriftsatz vom 07.08.2012 beantragte die Klägerin, den GdB mit mindestens 50 anzusetzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2012 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des der Klägerin am 07.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.

Dagegen hat die Klägerin am 28.09.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, mit der Entscheidung des SG sei sie nicht einverstanden, denn mit einer Ausheilung der Erkrankung könne keineswegs gerechnet werden. Die Multiple Sklerose verlaufe bei einem Drittel der Kranken schubförmig und bei einem Fünftel primär chronisch-progredient. Mittlerweile habe sie mehrmals die sich aus der Erkrankung ergebenden Schübe erhalten, sodass eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. September 2012 sowie den Bescheid vom 9. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB zwischen 50 und 70 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat Dr. H. B. - Arzt für Neurologie und Psychiatrie - als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat mit Schreiben vom 27.11.2012 mitgeteilt, die Klägerin stehe seit 22.12.2010 in seiner Behandlung. Die Klägerin habe unter bisher vier Schüben einer ausgeprägten Encephalomyelitis disseminata zu leiden gehabt, wobei ein erster Schub im Dezember 2010, ein zweiter im Mai 2011, ein dritter im September 2011 und ein vierter im November 2011 erfolgt sei.

Außer Dr. B. hat die Klägerin keine weiteren Ärzte benannt, bei denen sie in Behandlung stehe.

Der Berichterstatter hat einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts für den 10.05.2013 anberaumt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.04.2013 mitgeteilt, sie könne aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen. Hierzu hat sie die ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 18.04.2013 vorgelegt, in der ausgeführt ist, bei der Klägerin sei es nach einer Vorladung im April 2012 zu einem Schub mit Taubheit beider Beine und vermindertem Sehvermögen des linken Auges gekommen. Solch eine Terminswahrnehmung stelle neben der schon insgesamt starken psychischen Belastung einen massiven Stressfaktor für die Klägerin dar, wobei es dann erneut die Gefahr eines akuten Schubes mit nicht absehbaren Folgen für die Patientin geben könne. Aus diesem Grunde sei aus ärztlicher Sicht von einer persönlichen Anhörung der Klägerin Abstand zu nehmen. Der Erörterungstermin vom 10.05.2013 ist daraufhin vom Berichterstatter wieder aufgehoben worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Freiburg mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 03.09.2012 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2011, mit dem festgestellt worden ist, dass gegenüber dem letzten maßgeblichen Bescheid vom 02.11.2010 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 07.02.2011, mit dem der GdB für die Zeit seit 22.11.2010 mit 40 festgestellt worden ist, keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung bei der Klägerin eingetreten ist, ist rechtmäßig. Auch nach Auffassung des Senats beträgt der GdB weiterhin 40.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 – B 9 SB 3/08 R – Rn. 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.4.2009, aaO, Rn. 30).

Nach diesen Kriterien beträgt der GdB bei der Klägerin weiterhin 40. Die Klägerin leidet seit 2010 an einer Multiplen Sklerose, die zu verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen geführt hat und die mit Teil-Abhilfebescheid vom 07.02.2011 mit einem Gesamt-GdB von 40 seit 22.11.2010 festgestellt worden ist. Gegenüber dieser letzten maßgeblichen Feststellung ist keine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung eingetreten. Dies ergibt sich nach Überzeugung des Senats aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. W. vom 26.04.2012. Bei der Klägerin liegen Sensibilitätsstörungen an beiden Händen, Koordinationsstörungen beider Hände und des linken Beines, Resthemiparese links, geringe Visusminderung links nach Retrobulbärneuritis vor. Zwar sind nach der letzten Feststellung vom Februar 2011 verschiedene Schübe der Erkrankung bei der Klägerin erfolgt, zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass sich die Hemiparese in Behandlung weitgehend zurückgebildet hat, ebenso die Sehstörungen. Der seit Stellung des Verschlimmerungsantrages vorliegende Gesamtzustand führt nicht zu einem höheren Gesamt-GdB von 40. Der GdB bei Multipler Sklerose richtet sich vor allem nach den cerebralen und spinalen Ausfallerscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen (vgl. Nr. B 3.10 der VG). Die Sensibilitätsstörung an beiden Händen ist vom gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. mit einem Einzel-GdB von 30, die Koordinationsstörung an beiden Armen und am linken Bein mit 20, die Resthalbseitenlähmung mit unter 10 und die Visusminderung ebenfalls mit unter 10 bewertet worden. Daraus ergibt sich nach wie vor ein Gesamt-GdB von 40. Zu diesem Ergebnis ist auch der gerichtliche Sachverständige gelangt.

Soweit Prof. Dr. W. vorgeschlagen hat, für das erste Jahr nach dem letzten Schub (November 2011) wegen der zusätzlichen psychischen Belastung wegen Angst vor einem erneuten Schub einen GdB von 50 festzustellen, vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Befürchtungen der Klägerin, dass es in Zukunft möglicherweise zu Verschlechterungen der Multiplen Sklerose kommen wird, können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden, wie dies das SG zutreffend entschieden hat. Sollten diese Befürchtungen psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert auslösen, so könnten diese - nach entsprechend durchgeführter nervenärztlicher bzw. psychiatrischer Behandlung - berücksichtigt werden. Nach Angaben der Klägerin steht sie allerdings nicht in psychiatrischer Behandlung, sondern lediglich in neurologischer Behandlung. Dies findet seine Bestätigung in der sachverständigen Zeugenaussage des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 27.11.2012, der auf die entsprechende Beweisfrage des Gerichts keine psychiatrische Diagnosen mitgeteilt hat, insbesondere nicht die von der Klägerin behaupteten Angststörungen. Die von der Klägerin zuletzt angegebene Stressanfälligkeit mit der Folge, dass weitere Schübe ausgelöst werden, ist für den Senat nicht hinreichend überzeugend dargetan. Ein solcher Stress auslösender Termin im April 2012 hat im vorliegenden Verfahren nicht stattgefunden. Ein Schub im April 2012 ist ärztlich auch nicht dokumentiert. Dr. B., den die Klägerin eigenen Angaben zufolge in der Erklärung zur Schweigepflichtentbindung bis zu diesem Zeitpunkt zuletzt am 05.11.2012 aufgesucht hatte, hat einen Schub im November 2011 als letzten Schub in seiner Aussage vom 27.11.2012 angegeben. Damit ist ein eigenständiges psychisches Leiden nicht erwiesen, weshalb Funktionsbeeinträchtigungen auf nervenfachärztlichem bzw. psychiatrischem Fachgebiet nicht ersichtlich sind und daher auch nicht berücksichtigt werden können. Darüber hinaus wäre die Berücksichtigung der behaupteten Stressanfälligkeit auch nicht geeignet, einen höheren GdB zu begründen. Sowohl das Auftreten vereinzelter Schübe wie auch die zeitweise auftretende Verschlechterung des Sehvermögens und der Sensibilitätsstörung sind in der GdB-Bewertung 40 berücksichtigt.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben, weshalb sie mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen war.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved