L 11 R 4929/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2964/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4929/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.11.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen F. D. (im Folgenden: Versicherter).

Die 1953 geborene Klägerin lebte mit dem Versicherten seit 17 Jahren zusammen und ist seit dem 01.12.1993 gemeinsam mit dem Versicherten unter der Adresse 7 ... T., L gemeldet. Die Klägerin und der Versicherte haben einen gemeinsamen Sohn, M., geb 1990. Der Sohn nahm am 05.09.2003 den Namen seines Vaters an. Der Versicherte war gelernter Heizungsmonteur und bis April 2009 selbständig als Landwirt tätig. Nachdem bereits im September 2007 ein Weichteiltumor am rechten Hals diagnostiziert und entfernt worden war, wurde am 27.02.2009 ein Tumor im linken dorsalen Hypopharynx pT2 pN2b cM0 R1 (unterster Bereich des Rachens/Schlund, vgl Psychrembel, Klinisches Wörterbuch 261. Auflage, S 1484 sowie 874) diagnostiziert. Zunächst erfolgte eine Hypopharynxkarzinomresektion am 24.03.2009 in der Hals-Nasen-Ohren-Universitätsklinik in F. Nachdem eine Radikalresektion wegen Lymphknotenbefalls nicht erfolgen konnte, wurde in der Folge ab April 2009 eine Radio-Chemotherapie durchgeführt. Vom 14.07.2009 bis zum 04.08.2009 befand sich der Versicherte in einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Parksanatorium A ... Nach dem Entlassungsbericht vom 05.08.2009 wurde der Versicherte mit einer nach wie vor deutlich erschwerten Nahrungsaufnahme im Mund, Trockenheit, Spannungsgefühl im Kopfhalsbereich bei Lymphödem, deutlich eingeschränkter Beweglichkeit in beiden Schultergelenken sowie einer Belastbarkeit an den Grenzen der Kompensationsfähigkeit entlassen. Die Beklagte gewährte dem Versicherten mit Bescheiden vom 05.08.2009 und 22.12.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im September 2009 trat ein Rezidiv des Hypopharynxkarzinoms auf. Der Versicherte befand sich ab dem 22.09.2009 bis zum 10.10.2009 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum F., Medizinische Universitätsklinik, Abteilung Innere Medizin I, Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie zur Einleitung einer palliativen Chemotherapie. Der Versicherte und die Klägerin heirateten am 23.09.2009. Am 18.10.2009 verstarb der Versicherte.

Am 11.11.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes. Die Klägerin gab in der Anlage zum Antragsformular an, dass die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung und Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegattens erfolgt und die tödlichen Folgen der Erkrankung bei der Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien. Auch hätten sie einen gemeinsamen Sohn, welcher sich noch in Ausbildung befinde.

Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten am 04.03.2010 mit, dass die Namensänderung ihres Sohnes erfolgt sei, da dieser schon etwas älter gewesen sei und den Namen seines Vaters habe tragen wollen. Der Ehemann sei am 10.10.2009 aus der Uniklinik F. entlassen worden und das Aufgebot sei am 10.09.2009 erfolgt. Es schon immer ein großer Wunsch von ihnen gewesen, zu heiraten, da sie ja seit 17 Jahren in ehegleichen Verhältnissen lebten. Es sei jedoch immer etwas dazwischen gekommen. Entweder hätten sie keine Zeit gehabt oder das Geld sei zu knapp geworden. Als Anfang 2009 die Diagnose Krebs gekommen sei, sei eine Welt zusammen gebrochen. Nun hätten sie erkannt, dass sie doch nicht alle Zeit der Welt hätten und hätten dann beschlossen, in der Klinik zu heiraten. Es sei ein Traum gewesen, den sie seit 17 Jahren vor sich her geschoben hätten, den sie sich noch schuldig gewesen seien. Es sei sein letzter Wille gewesen und sie habe ihren Mann geliebt.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.03.2010 ab und führte zur Begründung aus, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nach § 46 Abs 2a SGB VI nicht widerlegt sei.

Im hiergegen fristgerecht eingeleiteten Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin mit, dass sie in keiner Weise auf Versorgungsleistungen des Verstorbenen angewiesen gewesen sei. Der Verstorbene habe die Klägerin und den Sohn je zur Hälfte als Erben des landwirtschaftlichen Anwesens mit Wald und Feld eingesetzt. Es hätten also nicht Versorgungsgesichtspunkte zur Hochzeit geführt, sondern die Partner hätten ganz einfach angesichts des herannahenden Lebensendes verheiratet sein wollen. Die Klägerin legte zudem das gemeinschaftliche Testament, welches am 23.09.2009 errichtet worden war, sowie den Erbschein des Notariats II, V.-S. vom 09.12.2009 vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2010 zurück und führte zur Begründung aus, dass für den Entschluss der Heirat die Diagnose Krebs im Jahr 2009 Ausschlag gebend gewesen sei und nicht der Wunsch den gleichen Nachnamen zu führen. Auch gehe aus dem vorgelegten gemeinsamen Testament vom 23.09.2009 hervor, dass der Wunsch bestanden habe, die finanziellen Verhältnisse zu regeln. Die Vermutung des § 46 Abs 2a SGB IV sei danach nicht widerlegt.

Die Klägerin hat am 09.09.2010 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2011 hat die Klägerin zu den Umständen der Eheschließung vorgetragen, dass ihr Arzt angerufen habe, dass ihr Mann zu unruhig sei und heiraten wolle. Ihre Schwestern hätten es organisiert, sodass die Heirat schnell durchgeführt werden konnte. Ihr Mann habe unbedingt gewollt, dass sie heiraten und dass sie den Namen von ihm habe. Ihr Mann habe auch kirchlich heiraten wollen. Jedoch sei dies wegen der Tatsache, dass sie schon einmal katholisch verheiratet gewesen sei, nur mit einem Dispens möglich gewesen, welchen der katholische Pfarrer immer verweigert habe. Es sei des Weiteren ein handschriftliches Testament des Verstorbenen vom 27.03.2005 vorhanden gewesen, in welchem der gemeinsame Sohn als Alleinerbe eingesetzt worden sei. Sie selbst sei in einer Automatenbedienerei in Vollzeit berufstätig. Ihr verstorbener Ehemann habe auch schon länger eine Lebensversicherung zu ihren Gunsten abgeschlossen. Zudem habe ihr Ehemann ihr von Anfang an Erträge aus einer Photovoltaik-Anlage zugewendet.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.11.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das Festigen der Zusammengehörigkeit durch die Eheschließung über die Partnerschaft hinaus noch keinen besondereren Umstand darstelle, der geeignet wäre, die Rechtsvermutung der Versorgungsehe zu widerlegen. Auch das jahrzehntelange Zusammenleben "ohne Trauschein" belege die feste Verbindung, führe jedoch eher zum Schluss, dass der Versicherte und die Klägerin sich bewusst für eine solche Lebensform und gegen eine Heirat entschieden hätten. Es sei zwar glaubhaft vorgetragen worden, dass sie immer schon hätten heiraten wollen, jedoch immer etwas dazwischen gekommen sei und sich auch eine kirchliche Heirat gewünscht hätten. Dieser Wunsch sei jedoch gerade nicht umgesetzt worden und die Klägerin und der verstorbene Ehemann seien bei ihrer Entscheidung für die Lebensform ohne Eheschließung geblieben. Aus den Regelungen zur finanziellen Besserstellung der Klägerin, die bereits Jahre vor dem Tod getroffen worden wurden, sei ebenfalls an der Verbindlichkeit der Partnerschaft zwischen dem Versicherten und der Klägerin auch vor der Eheschließung herzuleiten. Diese Umstände könnten jedoch nach Überzeugung der Kammer die gesetzliche Vermutung nicht widerlegen. Dies sei mit der Testamentsverfassung am 23.09.2009, dem Tag der Heirat deutlich geworden, in dem die Klägerin mit dem Sohn jeweils zur Hälfte als Erbin eingesetzt worden sei. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei somit der Versorgungsgedanke in den Vordergrund gerückt. Der gemeinsame Sohn sei volljährig und habe bereits 2003 den Namen des Vaters angenommen. Die Änderung der rechtlichen Beziehung zum Sohn sei somit kein vorrangiger Beweggrund für die Heirat gewesen. Unter umfassender Würdigung aller Umstände sei insbesondere im Hinblick auf den sehr späten Zeitpunkt der Eheschließung nach Eintreten der erheblichen Verschlechterung der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt.

Die Klägerin hat fristgerecht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass das SG die Frage der Versorgung der Klägerin überbewertet habe. Die Klägerin sei selbst seit Jahrzehnten berufstätig und ausreichend selbst versorgt durch Anwartschaften, die sie selbst erworben habe bei den gesetzlichen Versorgungsträgern. Zudem sei Hintergrund der unterlassenen Eheschließung die Weigerung des Ortspfarrers, in irgendeiner Weise die Ziviltrauung auch durch eine kirchliche Feierlichkeit auszugestalten, gewesen. Dass es nicht früher zur Eheschließung gekommen sei, sei somit ausschließlich auf die tiefe Gläubigkeit des Ehemannes zurückzuführen und auf die kaum nachvollziehbare unverständliche Weigerung des Ortspfarrers der Verbindung dieser Menschen angemessen gerecht zu werden. Selbst als der Ehemann der Klägerin im Sterben gelegen sei, habe der Pfarrer ihn zwar besucht, sich jedoch geweigert, dem Paar seinen Segen zu geben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.11.2012 sowie den Bescheid vom 10.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2010 aufzuheben und der Klägerin eine Hinterbliebenenrente aus der Rente ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin eine Bescheinigung des Diakon Sembach des Katholischen Pfarramtes St. U. in Sch. im Schwarzwald vom 15.03.2013 vorgelegt, wonach der Pfarrer L. bestätigt habe, dass die Klägerin und ihr Ehemann im Jahr 2005 oder 2006 bereits einmal den Wunsch geäußert hätten, kirchlich zu heiraten. Er habe ihnen jedoch erklärt, dass eine kirchliche Trauung nicht möglich sei.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 12.08.2013 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.09.2013 gegeben und die Niederschrift den Beteiligten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 18.10.2009 verstorbenen Ehemannes.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise im Erörterungstermin vom 12.08.2013 gehört worden.

Nach § 46 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ua dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist Witwe des am 18.10.2009 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren gemäß § 50 Abs 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet.

Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 31.03.2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist, und für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt (vgl § 242a Abs 3 SGB VI), ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige und überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der "besonderen Umstände" gemäß § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Was unter den "besonderen Umständen" des Falles gemäß § 46 Abs 2a SGB VI zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da die Vorschrift des § 46 Abs 2a SGB VI jedoch bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Daher sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs 2a SGB VI anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Maßgebend sind die Beweggründe beider Ehegatten, wobei die Annahme einer sogenannten Versorgungsehe nur dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, SozR 4-2600 § 46 Nr 6). Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw des Zweckes der Heirat darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeiten des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würden. Allerdings sind die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen.

Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erfordert gemäß § 202 SGG iVm § 292 der Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils (vgl BSG 03.09.1986, 9a RV 8/84, SozR 3100 § 38 Nr 5). Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist erst bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris mwN; BSG 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3 mwN). Wenn eine solche erforderliche Überzeugung nicht vorliegt, treffen nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen denjenigen, der aus der Tatsache einen Anspruch begründen will, im vorliegenden Fall die Klägerin, da sie sich auf die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung beruft (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 103 RdNr 6a und § 118 RdNr 6 mwN).

Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 23.09.2009 bis 18.10.2009. Zur Überzeugung des Senats liegen auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI vor.

Der Senat weist auf das Senatsurteil vom 16.10.2012 (Az: L 11 R 392/11, juris) hin, wonach es als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand anzusehen ist, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit gelitten hat. Der Versicherte litt im Zeitpunkt der Eheschließung am 23.09.2009 nach dem Bericht von Dr. L. vom 22.09.2009 der Universitätsklinik F., Abteilung Innere Medizin I, Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie an einem Rezidiv des Hypopharynxkarzinoms mit hochgradigem Verdacht auf mediastinale bihiläre Lymphknotenmetastasen, Lungen- und Lebermetastasen. Die Krebserkrankung des Versicherten hatte daher spätestens mit dem Auftreten des Rezidivs ein unmittelbar lebensbedrohliches Stadium erreicht. Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass das Rezidiv nach der Erstdiagnose im März 2009 früh und mit deutlichem Progress und organübergreifenden Metastasen aufgetreten ist. Insofern war auch im Vergleich zur Erstdiagnose mit dem Tumorstadium pT2 pN2b cM0 R1 (zur TNM - Klassifikation siehe Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 261. Auflage) eine erhebliche Verschlechterung eingetreten, da damals entsprechend der Klassifikation M0 noch keine Evidenz für Fernmetastasen vorlag. Die lebensbedrohliche Situation spiegelt sich auch in dem im Bericht vom 22.09.2009 geschilderten schlechten Zustand des Versicherten wieder, welcher auch bereits im Reha - Entlassungsbericht vom 05.08.2009 beschrieben wurde. Damit steht zweifelsfrei fest, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat an einer unmittelbar lebensbedrohenden Krankheit litt.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem SG bestätigt, dass ihr Ehemann unruhig gewesen sei und unbedingt habe heiraten wollen. Hieraus und aus der Tatsache, dass am Tag der Heirat zugleich ein gemeinschaftliches Testament errichtet wurde, schließt der Senat, dass dem Versicherten und der Klägerin die lebensbedrohliche Situation auch bewusst war. Dass die Klägerin und der Versicherte auf eine Gesundung bzw zumindest noch einige Lebenszeit gehofft haben, ist menschlich nachvollziehbar, vermag aber das offensichtliche Bestehen einer grundsätzlich lebensbedrohlichen Situation nicht zu widerlegen. Sofern die Klägerin im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten angegeben hat, dass die tödlichen Folgen der Erkrankung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien, vermag dies angesichts der medizinischen Befunde nicht zu überzeugen.

Im Fall einer Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB VI in der Regel nicht erfüllt. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 16.10.2012 (Az L 11 R 392/11 aaO) ausgeführt, dass dadurch gleichwohl der Nachweis nicht ausgeschlossen ist, dass dennoch - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderem als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Erkrankung eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt deshalb sogleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher "besonderen Umstände", die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99; BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris).

Die Klägerin hat hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sowie der gemeinsame Sohn und gemeinsam geschaffene Werte stellen gerade keine solchen gewichtigen Umstände dar (vgl hierzu Bayerisches Landessozialgericht 20.02.2013, L 1 R 304/11, juris). Das SG hat daher zutreffend ausgeführt, dass die Tatsache, dass die Klägerin und ihr Ehemann bereits seit langem ein Paar sind und bislang keine Heirat erfolgte, dafür spricht, dass eine Partnerschaft ohne Trauschein von der Klägerin und ihrem Ehemann als ausreichend und zufriedenstellend angesehen wurde. Einem langjährigen Zusammenleben ohne Trauschein liegt die langjährige Grundentscheidung zugrunde eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen. Auch der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichen Zusammenleben mit dem Versicherten den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und der wiederholten Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg 08.04.199, L 3 U 99/97, juris). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (Senatsurteile vom 22.06.2012, L 11 R 1116/08 sowie 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris).

Von einem derartigen bereits vor der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschluss vermag sich der Senat im vorliegenden Fall nicht zu überzeugen. Die Klägerin hat zwar glaubhaft dargelegt, dass ein Heiratswunsch bereits seit langem bestand, jedoch bislang an dem vom katholischen Pfarrer verweigerten Dispens für eine kirchliche Trauung gescheitert ist. Angesichts der tiefen Gläubigkeit ihres Ehemannes sei ihnen eine kirchliche Trauung wichtig gewesen. Dieser Vortrag ist nach Auffassung des Senats glaubhaft und nicht in Frage zu stellen. Er führt indes jedoch nicht zur Annahme eines für die Widerlegung des Versorgungsgedankens besonderen Umstandes. So stellt gerade die Tatsache, dass der Ehemann letztlich durch die Verschlechterung der bereits von Beginn an lebensbedrohlichen Erkrankung auf eine kirchliche Trauung verzichtet hat, ein sehr starkes Indiz für den Versorgungsgedanken dar. Trotz der tiefen Gläubigkeit war im Zeitpunkt der Eheschließung die Absicherung der Klägerin dem Versicherten so wichtig, dass er auch eine lediglich zivile Trauung in Kauf nahm. Diese Schlussfolgerung zieht der Senat insbesondere nach Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände im Zeitpunkt der Eheschließung. So hat die Klägerin gegenüber dem SG angegeben, dass ihr Ehemann sehr unruhig gewesen sei und auf die Heirat gedrängt habe, da er sie nicht als unverheiratete Ehefrau habe zurücklassen wollen. Dass jedoch zeitgleich auch ein neues Testament errichtet wurde, in dem die Klägerin im Unterschied zur bisherigen Testamentsregelung als Miterbin eingesetzt wurde, belegt zur Überzeugung des Senats den vorrangigen Versorgungsgedanken beider Ehegatten. Hieran vermag auch nicht der Vortrag im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12.08.2013 der Klägerin etwas zu ändern, wonach keine erbrechtlichen oder steuerrechtlichen Erwägung für die Eheschließung maßgeblich gewesen seien, da dies bereits vorab geregelt gewesen sei. Dies erklärt nicht, weshalb am 23.09.2009 die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes von den Eheleuten für notwendig gehalten wurde. Zumindest hat der Ehemann die Klägerin als Miterbin eingesetzt und insoweit die Alleinerbenschaft des Sohnes, welche bislang im Testament vom 27.03.2005 verfügt war, zugunsten der Klägerin geändert. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass mit der Alleinerbenschaft des Sohnes verhindert werden sollte, dass dieser bei einem Versterben der Klägerin in eine Erbengemeinschaft mit ihren Kindern aus erster Ehe kommt. Dies erklärt jedoch nicht, warum dann ein weiteres Testaments für erforderlich gehalten wurde, in dem sie zur Miterbin eingesetzt wurde. Die Tatsache, dass zeitgleich zur Eheschließung ein gemeinschaftliches Testament mit testamentarischen Verfügungen beider Ehegatten errichtet wurde, belegt, dass es beiden Ehegatten um die Regelung der finanziellen Verhältnisse ging und insbesondere die testamentarische Absicherung der Klägerin bezweckt wurde. Der Senat kommt daher nach der gebotenen Gesamterwägung aller Umstände zum Ergebnis, dass die Vermutung des § 46 Abs 2a, 2. Halbs SGB VI vorliegend nicht widerlegt ist.

Ein Anspruch auf Witwenrente scheidet daher aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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