L 4 KR 433/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1145/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 433/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren die Feststellung, dass er Mitglied bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist bzw. sein wird.

Der am 1953 geborene Kläger ist pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 30. Juli 2009 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab eine Meldung zur KVdR ab, die bei der Beklagten am 10. September 2009 einging. Der Kläger war erstmals am 2. September 1968 erwerbstätig, heiratete am 15. März 2002, ist aber mittlerweile geschieden. Vom 29. August 1992 bis 3. September 1997 hielt er sich nach eigenen Angaben im Ausland auf und war nicht krankenversichert. Außerdem war er nicht krankenversichert in der Zeit vom 8. bis 12. Dezember 1989, 1. bis 4. März 1990, 4. bis 15. November 1990, am 2. Dezember 1990, vom 1. bis 3. Februar 1991, vom 16. bis 21. Mai 2000, vom 8. bis 14. Mai 2004 und vom 1. Juli bis 2. August 2004. Das Rentenverfahren ist in der Berufung beim Landessozialgericht zu Az. L 7 R 318/12 anhängig.

Mit Bescheid vom 18. November 2009 stellte die Beklagte fest, dass die für die KVdR erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. In der zweiten Hälfte der Zeit zwischen erstmaliger Erwerbstätigkeit und Rentenantragstellung habe nicht zu mindestens 90 % eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden. Der Kläger könne eine freiwillige Mitgliedschaft begründen und erhalte dazu einen Zuschuss des Rentenversicherungsträgers. Der Kläger erhob am 3. Dezember 2009 Widerspruch. Die Beklagte wies daraufhin, dass die erforderliche Vorversicherungszeit aufgrund der Angaben des Klägers, vom 29. August 1992 bis 3. September 1997 nicht krankenversichert gewesen zu sein, beruhe und forderte ihn auf, diese Zeiten ggf. nachzuweisen, falls er doch versichert gewesen sein sollte.

Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2009 zurück. Beim Kläger beginne der Versicherungszeitraum am 2. September 1968 und ende am 30. Juli 2009. Die zweite Hälfte beginne am 17. Februar 1989 und ende am 30. Juli 2009. Notwendig seien in dieser zweiten Hälfte Versicherungszeiten von 18 Jahren, vier Monaten und 18 Tagen. Tatsächlich sei der Kläger aber nur 15 Jahre, zwei Monate und einen Tag gesetzlich versichert gewesen.

Mit seiner am 1. März 2010 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trug er vor, die Vorversicherungszeit für die Weiterversicherung bei der Beklagten sei erfüllt, weil seine künftige Erwerbsminderungsrente nicht den Satz für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erreichen werde. Daher habe er einen Anspruch auf weitere Pflichtversicherung bei der Beklagen (Verweis auf Art. 28 Abs. 1 Gesundheitsstrukturgesetz [GSG] vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266). Im Widerspruchsbescheid seien nicht die Zeiten aufgelistet, in denen er krankenversichert gewesen sei. Das Erfordernis der Vorversicherungszeit sei nach Art. 3 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig (Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. -, in juris). Auch müsse der Zeitraum einer Familienversicherung berücksichtigt werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 17. Januar 2013 wies das SG die Klage ab. Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger für den Fall, dass er Rente wegen Erwerbsminderung erhalten würde, pflichtversichert wäre, sei die Klage unzulässig, denn eine Feststellungklage über ein künftiges Rechtsverhältnis sei nur ausnahmsweise zulässig, hier seien aber wesentliche Tatsachen noch unklar. Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger seit Rentenantragstellung Mitglied in der KVdR sei, sei die Klage unbegründet, weil der Kläger bereits zuvor als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversichert gewesen sei und diese Versicherung gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V einer Versicherung als Rentner oder Rentenantragsteller gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vorgehe. Der Kläger erfülle aber auch die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR nicht, da er die notwendige Vorversicherungszeit nicht vorweisen könne. Die Voraussetzung der Erfüllung der Vorversicherungszeit sei auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Der Rechtsstreit sei nicht zu vertagen gewesen. Dem Kläger sei ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Er habe sich zu den angegebenen Fehlzeiten äußern können und dies für die Zeit von August 1992 bis September 1997 gemacht.

Der Kläger hat gegen das ihm zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zugestellte Urteil vom 17. Januar 2013 am 29. Januar 2013 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung verweist er erneut auf den genannten Beschluss des BVerfG sowie nicht angerechnete Zeiten der Familienversicherung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Januar 2013 und den Bescheid vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er als Rentenantragsteller Mitglied bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ist und bei Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung sein wird.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angegriffenen Widerspruchsbescheid und das Urteil des SG. Der Kläger habe keine weiteren Versicherungszeiten - auch nicht aus dem Ausland - bescheinigt.

Mit Schreiben vom 9. September 2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 SGG zulässige und statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungklage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er ist weder Mitglied in der KVdR bei der Beklagten aufgrund des Rentenantrages vom 30. Juli 2009 noch für den Fall, dass über den Antrag im derzeit vor dem Landessozialgericht anhängigen Berufungsverfahren L 7 R 318/12 zu seinen Gunsten entschieden wird, als Rentner.

Versicherungspflichtig in der KVdR sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren. Die Formalmitgliedschaft als Rentenantragsteller gemäß § 189 SGB V besteht unter denselben Voraussetzungen. Die Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR scheitert gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V daran, dass er in der zweiten Hälfte des Zeitraums seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens neun Zehntel Mitglied der gesetzlichen Krankenversichrung oder nach § 10 SGB V versichert war. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2010 zutreffend dargelegt und wird auch vom Kläger nicht bestritten. Die Vorversicherungszeit ist nicht erfüllt, weil der Kläger in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens, nämlich zwischen dem 17. Februar 1989 und dem 30. Juli 2009, statt der erforderlichen 18 Jahre, vier Monate und 18 Tage tatsächlich nur 15 Jahre, zwei Monate und einen Tag gesetzlich krankenversichert war. Die fehlenden Versicherungszeiten beruhen u.a. darauf, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben mehr als fünf Jahre, vom 29. August 1992 bis 3. September 1997, im Ausland lebte und dort nicht krankenversichert war. Selbst wenn während der übrigen - jeweils nur kurzen Unterbrechungen - eine Familienversicherung bestanden hätte, was der Kläger für die in den von der Beklagten als Fehlzeiten notierten Zeiträumen zwar behauptet, aber nicht dargetan hat, könnten keine neun Zehntel belegt sein.

Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungsgemäß. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477), die entsprechend den Beschlüssen des BVerfG vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. - a.a.O.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2000, S. 1300) letztendlich bis zur Neuregelung ab 1. April 2007 weitergalt und auch im Fall des Klägers Anwendung fand, ist vom BVerfG nicht beanstandet worden. Das BVerfG hat lediglich die Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. des GSG), in dem die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR dahingehend verschärft wurden, dass versicherungspflichtig nur noch waren "Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 (SGB V) versichert waren", womit eine freiwillige Versicherung und Zeiten einer Familienversicherung bei freiwilliger Versicherung des Ehegatten ausgeschlossen waren, für verfassungswidrig erklärt. Die zum 1. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 387) erfolgte Änderung von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit dem die Wörter "auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§ 38 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) oder des Bezugs von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse (§ 143 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) eine freiwillige Versicherung bestanden hat" durch die Wörter "Mitglied oder nach § 10 (SGB V) versichert waren" ersetzt worden sind, änderte die geltende Rechtslage nicht (vgl. hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 915/08 -, in juris, und vom 9. Dezember 2010 - L 4 KR 1993/09 -; nicht veröffentlicht).

Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren weitere Versicherungszeiten nicht belegt.

Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist darüber hinaus nach § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB ausgeschlossen. Danach geht - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - die beim Kläger aufgrund des weiter vorliegenden SGB II-Leistungsbezugs bestehende Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vor. Das gleiche gilt für die Versicherungspflicht als Rentenantragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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