L 8 SB 4690/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 5287/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4690/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Bei dem 1964 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt S. zuletzt mit Bescheid vom 28.11.1997 wegen des Verlustes der rechten Niere (Teil-GdB 30), Tendomyopathien der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie einem Hautleiden (Teil-GdB 10) den GdB mit 30 sowie (das zwischenzeitlich zuständige) Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - (VA) mit Bescheid vom 17.12.2009 eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest. Anträge auf Neufeststellung eines höheren GdB des Klägers blieben mit Bescheiden vom 14.10.2003 und 17.12.2009 (unter zusätzlicher Berücksichtigung von Herzrhythmusstörungen mit einem Teil-GdB von 10) ohne Erfolg.

Am 29.04.2011 stellte der Kläger beim VA einen weiteren Antrag auf Erhöhung des GdB. Der Kläger machte Herzstörungen, eine Psychosomatik sowie eine Depression geltend.

Das VA zog medizinische Unterlagen bei (Entlassungsbericht der R.-Klinik Bad D. an die Deutsche Rentenversicherung vom 27.05.2011, Diagnosen: Angst- und depressive Störung gemischt, paroxysmales Vorhofflimmern mit leicht reduzierter LVF, Zustand nach Nephrektomie rechts nach Unfall vor ca. 15 Jahren); Entlassungsbericht Klinikum S. vom 07.11.2010, Diagnosen: paroxysmales Vorhofflimmern bei leichtgradig reduzierter LVF, Aortenektasie). Das VA veranlasste die gutachtliche Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. La. , vom 01.07.2011 der wegen des Verlustes der rechten Niere (Teil-GdB 30), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), einer Hauterkrankung (Teil-GdB 10), Herzrhythmusstörungen (Teil-GdB 10) sowie einer depressiven Verstimmung und funktionellen Organbeschwerden (Teil-GdB 10) weiterhin den GdB mit 30 vorschlug.

Mit Bescheid vom 13.07.2011 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Neufeststellung eines höheren GdB ab.

Gegen den Bescheid vom 13.07.2011 legte der Kläger (durch seine Prozessbevollmächtigte) am 20.07.2011 Widerspruch ein, mit dem er die Feststellung des Gesamt-GdB von wenigstens 90 geltend machte. Die neuen Funktionsbeeinträchtigungen Hauterkrankung, Herzrhythmusstörungen, depressive Verstimmung und funktionelle Organbeschwerden erführen im angefochtenen Bescheid keine eigenständige Würdigung, was aufgrund der Schwere und Intensität nicht nachvollziehbar sei.

Gestützt auf die weitere gutachtliche Stellungnahme des Dr. La. vom 18.08.2011 wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2011 zurückgewiesen. Nach den vorliegenden Befundunterlagen lasse sich eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige, nicht feststellen.

Hiergegen erhob der Kläger am 09.09.2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er wiederholte zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und machte weiterhin einen Gesamt-GdB von wenigstens 90 geltend.

Das SG hörte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Si. , die Fachärztin für Allgemeinmedizin B. und den Orthopäden Dr. Schu. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Si. teilte in seiner Stellungnahme vom 10.10.2011 mit, der Kläger habe sich zweimal, zuletzt am 23.10.2010, in seiner Behandlung befunden, weshalb er die gestellten Beweisfragen nicht beantworten könne. Die Ärztin B. teilte in ihrer Stellungnahme vom 13.10.2011, unter Vorlage von Befundberichten, den Behandlungsverlauf sowie die dauerhaften Gesundheitsstörungen des Klägers (Vorhofflimmern, Angst und depressive Störung, Aortenklappeninsuffizienz, Pulmonalklappeninsuffizienz, Bradykardie, arterielle Hypertonie, Aneurysma der Aorta Descendens) mit. Eine Verschlimmerung sei eingetreten. Beim Kläger träten Insuffizienzerscheinungen mit Dyspnoe, ausgenommen bei alltäglicher leichter Belastung, auf. Dr. Schu. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.01.2012 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Die Gesundheitsstörungen bestünden vorübergehend und seien leicht. Er schätzte die Wirbelsäulenerkrankung als gering ein und stimmte der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten zu.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 20.03.2012 weiter entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten keinen höheren GdB als der festgestellte von 30. Die Zuerkennung des GdB von 30 für den Verlust der Niere sei angemessen. Eine Erhöhung des GdB für die Wirbelsäulenerkrankung komme nicht in Betracht. Nach einer Lipomexstirpation und Warzenexzision sei eine weitere Behandlung nicht belegt, weshalb sich eine zu berücksichtigende dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung hieraus nicht ableiten lasse. Hinsichtlich der Herzerkrankung könne eine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung, die einen GdB von mehr als 10 rechtfertige, nicht angenommen werden. Eine Erhöhung des GdB für die Herzerkrankung durch Rhythmusstörungen komme nicht in Betracht. Die Angaben der Ärztin B. überzeugten nicht. Auch die Erhöhung des GdB für die depressive Verstimmung komme nicht in Betracht. Die Teil-GdB-Werte für die Wirbelsäule, Hauterkrankung, Herzerkrankung sowie depressive Verstimmung von jeweils 10 führten nicht zu einer Erhöhung des durch den Verlust der Niere bedingten Gesamt-GdB von 30.

Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.10.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 09.11.2012 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung unter Bezug auf sein bisheriges Vorbringen vorgetragen, er werde durch die fehlerhafte angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass hinsichtlich der Herzerkrankung eine deutliche Verschlimmerung gegenüber dem Stand im Jahr 2007 eingetreten sei, wie die Ärztin B. dokumentiert habe. Es erscheine deshalb rechtlich unvertretbar, dass das SG nicht von einer deutlichen Erhöhung der Gesamtbewertung ausgegangen sei.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von wenigstens 90 seit dem 29.04.2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, aus den objektiven Befunddaten ergäben sich keine Hinweise für eine Verschlimmerung der beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen, die geeignet wären, sein Berufungsbegehren zu stützen.

Der Senat hat Dr. Ca. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. Ca. hat unter Vorlage von Befundberichten in seiner Stellungnahme vom 31.01.2013 den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mitgeteilt. Aktuell bestehe ein mäßiges Aneurysma der Aorta ascendens, ein paroxysmales Vorhofflimmern sowie eine marginale Aortenklappeninsuffizienz. Der Kläger befinde sich kardiologisch in einem stabilen Zustand. Dr. Ca. schätzte den GdB auf mindestens 20 ein.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 28.02.2013 der Berufung weiter entgegen getreten.

In der mündlichen Verhandlung am 20.09.2013 hat der Kläger vorgetragen, sein psychischer Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Er befinde sich seit drei Monaten bei der Psychotherapeutin L. , Bad C. , in Behandlung. Bis jetzt hätten vier Behandlungstermine stattgefunden. Die Behandlung sei noch nicht abgeschlossen. Bei der Krankenkasse sei ein Antrag auf die Genehmigung für 25 weitere Behandlungstermine gestellt worden. Er nehme jetzt Medikamente ein.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 13.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2011 rechtsfehlerfrei entschieden, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung, die die Neufeststellung eines höheren GdB als 30 rechtfertigt, nicht vorliegt. Der streitgegenständliche Bescheid verletzt den Kläger, entgegen seiner Ansicht, nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96-, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr. 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr. 30).

Nach diesen Kriterien steht dem Kläger nach wie vor kein GdB von mehr als 30 zu. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung ist beim Kläger im Vergleich zu dem im Bescheid vom 28.11.1997 berücksichtigten Gesundheitszustand nicht eingetreten. Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB von wenigstens 90, wie er begehrt, lässt sich schon gar nicht begründen.

Zwar ist beim Kläger im Vergleich zu dem im Bescheid vom 28.11.1997 berücksichtigten Gesundheitszustand das Auftreten von Herzrhythmusstörungen (paroxysmales Vorhofflimmern) sowie eine Aortenklappeninsuffizienz neu hinzugetreten. Diese neuen Gesundheitsstörungen des Klägers stellen jedoch keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X dar, die eine Bewertung des GdB von über 30 rechtfertigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat, dem sich der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Die davon abweichende Ansicht des Klägers, worauf er seine Berufung maßgeblich stützt, trifft nicht zu.

Nach den VG Teil B 9.1.6 richtet sich die Beurteilung des GdB bei Rhythmusstörungen (z. B. paroxysmale Tachykardien) vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens. Dabei sind anfallsweise auftretende hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen, wie sie beim Kläger vorliegen, je nach Häufigkeit, Dauer und subjektiver Beeinträchtigung bei fehlender andauernder Leistungsbeeinträchtigung des Herzens mit einem GdB von 10 bis 30 zu bewerten. Anlass, diesen nach den VG vorgegebene Bewertungsrahmen nach oben auszuschöpfen, besteht beim Kläger nach den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen sowie den Angaben des im Berufungsverfahren gehörten sachverständigen Zeugen Dr. Ca. nicht. Vielmehr erachtet auch der Senat mit dem SG und den Beklagten wegen der Rhythmusstörungen des Klägers einen GdB von 10 für ausreichend und angemessen. Der abweichenden Ansicht von Dr. Ca. , der in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 31.01.2013 von einem GdB von wenigstens 20 ausgeht, kann nicht gefolgt werden. Seine Bewertung wird den rechtlichen Vorgaben der VG nicht gerecht.

Zwar musste der Kläger nach den Entlassungsberichten des Toraxzentrums E.-S. vom 28.08.2009 und des Klinikums S. vom 07.11.2010 wegen einer Tachyarrhythmia absoluta bzw. einer akuten Arrhythmie bei Vorhofflimmern jeweils vom 26.08.2009 bis 28.08.2009 und vom 06.10.2010 bis 08.10.2010 stationär behandelt werden. Unter medikamentöser Behandlung kam es nach den Entlassungsberichten jedoch (rasch) zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik mit Sinusrhythmus. Nach den schriftlichen sachverständigen Zeugenangaben des Dr. Ca. vom 31.01.2013 sowie seinen zu den Akten gelangten Befundberichten besteht beim Kläger seitdem auf kardiologischem Gebiet ein stabiler Zustand ohne Befundverschlechterung. Insbesondere nennt Dr. Ca. in seinen Befundberichten vom 29.10.2010, 17.03.2011, 09.12.2011 und 15.06.2012 eine Beschwerdefreiheit des Klägers - nach dessen eigenen Angaben -. Relevante pathologische Befunde, die nach den VG bei der Bildung des Teil-GdB auf kardiologischem Gebiet zusätzlich zu berücksichtigen sind, beschreibt Dr. Ca. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 31.01.2013 nicht und lassen sich auch den zu den Akten gelangten Befundberichten nicht entnehmen. Die beim Kläger außerdem bestehende Aortenklappeninsuffizienz wird von Dr. Ca. als marginal beschrieben (Befundbericht vom 17.03.2011). Eine relevante Herzleistungsminderung des Klägers ist damit nicht verbunden. So erbrachten nach den genannten Befundberichten des Dr. Ca. EKG-Untersuchungen des Klägers in Ruhe einen Sinusrhythmus ohne relevante Erregungsrückbildungsstörungen. Weiter war der Kläger nach dem Befundbericht des Dr. Ca. vom 09.12.2011 bei einem Belastungs-EKG bis 75 Watt, ohne thorakale Beschwerden, relevante ST-T-Endstreckenveränderungen oder Rhythmusstörungen, belastbar. Ein Abbruch der Belastung erfolgte lediglich wegen peripherer Erschöpfung. Das Auftreten von hämodynamisch relevanten Rhythmusstörungen ist damit seit dem vorliegend streitigen Neufeststellungsantrag des Klägers vom 29.04.2011 nicht (mehr) dokumentiert. Damit bestehen beim Kläger auf kardialem Gebiet dauerhaft allenfalls geringgradige Beeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mehr als 10 zur Überzeugung des Senats nicht rechtfertigen. Hiervon geht auch Dr. H. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.02.2013 überzeugend aus, dem sich der Senat anschließt.

Entsprechendes gilt für das neu aufgetretene Aneurysma der Aorta ascendens. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Ca. vom 31.01.2013 liegt lediglich ein mäßiges Aneurysma vor. Eine lokale Funktionsstörung oder eine Einschränkung der Belastbarkeit durch das Aneurysma beschreibt Dr. Ca. nicht und ist auch nach den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht ersichtlich. Hierauf weist Dr. H. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.02.2013 zutreffend hin, dem sich der Senat anschließt. Danach ist nach den rechtlichen Vorgaben der VG Teil B 9.2.2 von einem Teil-GdB von maximal 10 auszugehen.

Weiter ist beim Kläger auf psychiatrischem Gebiet keine Gesundheitsstörung neu hinzugetreten, die die Feststellung eines höheren GdB als 30 rechtfertigt, wie das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend begründet hat, dem sich der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine mit einem Teil-GdB von 10 vom Beklagten berücksichtigte depressive Verstimmung mit funktionellen Organbeschwerden erachtet der Senat für ausreichend und angemessen. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 27.05.2011 befindet sich der Kläger weder in einer regelmäßigen psychiatrischen noch in einer psychotherapeutischen Behandlung/Betreuung. Es erfolgte lediglich am 12.08.2010 und 23.09.2010 eine Behandlung beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Si. , wie sich aus seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 10.10.2011 ergibt. Danach erfolgte nur noch eine psychotherapeutische Behandlung im Rahmen einer stationären Maßnahme vom 30.03.2011 bis 26.04.2011 in der R.-Klinik, wie sich aus dem Entlassungsbericht vom 27.05.2011 ergibt. Diese erbrachte nach dem Entlassungsbericht vom 27.05.2011 hinsichtlich Ängste und depressiven Verstimmungszuständen einen stabilen und stimmungsmäßig ausgeglichenen Befund ohne wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Eine zwischenzeitlich eingetretene relevante Verschlimmerung, die eine dem Kläger günstigere Bewertung rechtfertigt, liegt nicht vor. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2013 (erstmals) vorgetragen hat, sich nunmehr in psychotherapeutischer Behandlung begeben zu haben und Medikamente einzunehmen, rechtfertigt dies keine höhere Bewertung des Teil-GdB auf psychiatrischem Gebiet. Eine Verschlimmerung der psychischen Erkrankung sowie die Art hat der Kläger nicht belegt. Unabhängig davon steht der Kläger nach seinem Vorbringen erst seit drei Monaten in psychotherapeutischer Behandlung, die noch nicht abgeschlossen ist. Von einer dauerhaften (sechs Monate andauernde) Verschlimmerung der psychischen Erkrankung des Klägers, die erst Grundlage der Bewertung des GdB sein kann, kann daher - noch - nicht ausgegangen werden. Der Kläger ist vielmehr darauf zu verweisen, den weiteren Verlauf der Behandlung abzuwarten und daran anschließend - ggf. - einen Verschlimmerungsantrag beim Beklagten zu stellen. Es besteht deshalb auch kein Anlass, zum Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Dass hinsichtlich des im Bescheid vom 28.11.1997 berücksichtigten Verlustes der rechten Niere, der Funktionsbehinderung der (Lenden-)Wirbelsäule sowie der Hauterkrankung eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Diese Gesundheitsstörungen sind vielmehr unverändert mit einem Teil-GdB von 30 (Verlust der Niere) bzw. nicht Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid weiter zutreffend begründet hat. Auch hierauf nimmt der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Hiergegen hat der Kläger im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben.

Eine wesentliche Änderung, die die Neufeststellung eines höheren GdB als 30 rechtfertigt, liegt damit zur Überzeugung des Senats beim Kläger nicht vor. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und die VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A Nr. 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).

Nach diesen Kriterien ist beim Kläger ein höherer Gesamt GdB als 30 nach wie vor nicht gerechtfertigt. Es liegt unverändert ein Einzel-GdB von 30 für den Verlust der rechten Niere vor. Dieser GdB-Wert wird durch die neu hinzugetretenen Behinderungen des Klägers, die mit einem GdB von jeweils 10 zu bewerten sind, nicht erhöht. Eine besondere gegenseitige Beeinflussung ist nicht erkennbar. Eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X ist damit nicht eingetreten.

Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt für aufgeklärt. Neu Gesichtspunkte, die einen greifbaren Hinweis auf eine nunmehr eingetretene relevante wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers geben, liegen nicht vor. Dies gilt nach dem oben Ausgeführten insbesondere auch für die psychische Gesundheitsstörung des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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