Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4804/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3825/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beigeladenen zu 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Beigeladene zu 2) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1).
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitgegenstand im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) war die Rentenversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 2), der Berufungsklägerin, ab dem 1. März 2010.
Auf Antrag des Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte - ohne Zustimmung der Klägerin - mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 fest, dieser unterliege ab dem 1. März 2010 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und dem Recht der Arbeitsförderung. Das SG hob nach Beiladung der Beigeladenen zu 1) und 2) mit Urteil vom 13. Juni 2012, den Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) am 6. Juli 2012 zugestellt, den Bescheid hinsichtlich der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung auf, stellte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) ab 1. März 2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege und verurteilte die Beklagte, ab 1. März 2010 noch nicht eingezogene Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) einzuziehen.
Am 31. August 2012 fragte eine Mitarbeiterin der Kanzlei der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) beim SG nach, weshalb auf die mit Schreiben vom 30. Juli 2012 eingelegte Berufung vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) noch keine Antwort eingegangen sei. Auf die Antwort der Mitarbeiterin des SG, eine Berufungsschrift sei nicht eingegangen, übermittelten die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) dem SG am 31. August 2012 mit Fax eine nicht unterschriebene Kopie der Berufungsschrift vom 30. Juli 2012, die das SG an das LSG weiterleitete. Mit einem von der Bevollmächtigten unterschriebenen Schreiben an das SG vom 4. September 2012 hat die Beigeladene zu 2) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "für die nochmals mit Schriftsatz vom 31.8.12 eingelegte Berufung" beantragt und mit einem an das LSG gerichteten, unterschriebenen Schreiben vom selben Tage, eingegangen am 6. September 2012, um Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch gebeten. Zur Begründung hat sie eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin P. H. (im Folgenden: P. H.) vom 4. September 2012 vorgelegt, wonach diese die Berufung am 30. Juli 2012 gefertigt und am Abend persönlich zum Briefkasten gebracht habe. Da sie am 31. August 2012 noch keine Eingangsbestätigung und keine Mitteilung eines Aktenzeichens erhalten habe, habe sie beim SG angerufen, wo ihr mitgeteilt worden sei, die Berufung sei nicht eingegangen. Eine weitere Mehrfertigung des Berufungsschriftsatzes vom 30. Juli 2012, die einen Beglaubigungsvermerk der Bevollmächtigten trägt, hat sie mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2012, beim LSG am 2. November 2012 eingegangen, übersandt.
Die Beigeladene zu 2) trägt - unter Beifügung des Fristenkalenders vom 6. August 2012, einer weiteren eidesstattlichen Versicherung der P. H., des Nachweises einer an sie gesandten E-Mail der Bevollmächtigten und der Urteilsabschrift mit Absendevermerk - vor, bei ihren Bevollmächtigten werde keine Liste über den Postausgang geführt, sondern der Schriftsatz in der Akte gehe am selben Tag per E-Mail an den Mandanten und die Absendung an das Gericht werde auf dem Urteil vermerkt. Sobald der Schriftsatz gefertigt sei, werde er unterschrieben und von der Mitarbeiterin der Bevollmächtigten zur Mitnahme per S-Mail oder zum Einwerfen in den Briefkasten, der sich ca. eine Minute von der Kanzlei entfernt befinde, bereit gelegt und im Fristenkalender gestrichen. Der Schriftsatz vom 4. September 2012, mit dem innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Wiedereinsetzung beantragt worden und die Berufung nachgeholt worden sei, sei unterschrieben gewesen. Dessen Eingang sei vom LSG bestätigt worden. Aus den dem LSG innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorliegenden Unterlagen sei klar ersichtlich gewesen, dass die Unterzeichnerin des Schriftsatzes die Einlegung der Berufung habe nachholen wollen, da sie auf die bereits zum SG gesandte Berufungsschrift, die eigenhändig unterzeichnet gewesen sei, Bezug genommen habe. Das dem Schriftsatz vom 4. September 2012 beigefügte Exemplar sei die Kopie aus den Akten gewesen, die nicht unterzeichnet werde. Nach der Rechtsprechung genüge die Unterschrift unter dem Anschreiben. Die Unterschrift solle dem Nachweis dienen, dass der Schriftsatz von der als Urheber genannten Person stamme, die Berufung auf dem Briefbogen eines Rechtsanwalts sei damit eindeutig zuzuordnen. Vorsorglich beantrage sie wegen der eventuellen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ebenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und lege nochmals Berufung ein (Schriftsatz vom 26. Juni 2013). Schließlich sei erst nach mehr als neun Monaten mitgeteilt worden, dass Zweifel an der wirksamen Einlegung der nicht unterschriebenen Berufung bestünden.
In der Sache ist sie der Auffassung, der Beigeladene zu 1) sei selbstständig tätig und sozialversicherungsfrei, da er das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester R. H. (im Folgenden: R. H.) von seinem Vater übernommen habe. Der Bescheid vom 14. Oktober 2010 sei rechtmäßig gewesen. Zwar sei der Beigeladene zu 1) nur zu 45 %, R. H. zu 49 % an der Beigeladenen zu 2) beteiligt, führe die Geschäfte aber vollkommen weisungsfrei und gemeinschaftlich mit R. H. als gleichberechtigter Partnerin, die selbst mit Zustimmung der Klägerin sozialversicherungsfrei sei.
Die Beigeladene zu 2) beantragt sinngemäß,
ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, hilfsweise ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin und die Beklagte beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13. Juni 2013 darauf hingewiesen, dass Zweifel bestünden, ob die versäumte Handlung - Einlegung der Berufung - formgerecht, nämlich unterschrieben und innerhalb der Frist des § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), nachgeholt worden sei. Mit Schreiben vom 4. Juli 2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten verwiesen.
II.
Nach § 158 SGG ist die Berufung, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist, als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Vorliegend begann die einmonatige Berufungsfrist gegen das den Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 2) am 6. Juli 2012 zugestellte, mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil vom 13. Juni 2012 am 7. Juli 2012 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am 6. August 2012 (§ 64 Abs. 2 SGG). Bis dahin war eine Berufung der Beigeladenen zu 2) weder beim SG noch beim L SG eingegangen. Eine Berufung ist erst am 31. August 2012 beim SG eingegangen.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beigeladenen zu 2) nicht zu gewähren. Zwar hat die Beigeladene zu 2) die gesetzliche Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt. Sie hat jedoch die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Antragsfrist des § 67 Abs. 2 SGG nachgeholt. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß §§ 153 Abs. 1, 67 Abs. 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen nach Satz 2 der Norm glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Satz 4).
a) Zwar hat die Beigeladene zu 2) die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden versäumt. Verschulden setzt voraus, dass der Beteiligte nicht diejenige Sorgfalt aufgewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 -; in juris). Durch das Einwerfen der am 30. Juli 2012 gefertigten Berufung in einen Postbriefkasten am Abend desselben Tages konnte sie damit rechnen, dass diese nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei der Post bei regelmäßigem Betriebsablauf vor Fristablauf am 6. August 2012 beim SG eingehen würde.
b) Die Beigeladene zu 2) hat die versäumte Rechtshandlung, die Berufungseinlegung, aber nicht innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt.
aa) Der am 31. August 2012 per Fax an das SG übermittelte Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2012 trägt keinerlei Unterschrift. Damit ist die Berufung nicht in der Form des § 151 SGG, nämlich schriftlich erfolgt, denn es fehlte die Unterschrift. Das Erfordernis der schriftlichen Form wird in aller Regel typischer Weise durch eine eigenhändige Unterschrift erfüllt (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Komm., 10. Aufl., § 151 Rn. 3a) m.w.N.). Anders als bei der Klage wird bei der Berufungsschrift die Unterschrift als erforderlich angesehen, um den Aussteller zweifelsfrei identifizieren zu können. Entscheidend für die Auslegung des Begriffs "schriftlich" i.S.d. § 151 SGG ist, dass mit dem Schriftformerfordernis gewährleistet werden soll, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Leitherer a.a.O: m.w.N. Rn 3a). Auch die Faxvorlage muss grundsätzlich unterschrieben, die Unterschrift auf dem bei Gericht eingegangenen Ausdruck wiedergegeben sein (Leitherer a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 28. Juni 1985 - 7 BAr 36/85 -; in juris). Das Schriftformerfordernis kann danach auch dann erfüllt sein, wenn die Unterschrift fehlt, sich aber aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (Leitherer a.a.O.). Ein solcher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Ausnahmefalles kann die Unterschrift auf Anlagen, z.B. auf einem Anschreiben, sein oder eine Zweitschrift oder handschriftlich beglaubigte Abschrift (Leitherer a.a.O. Rn 5a). Auch dies ist jedenfalls bis zum Eingang des Schriftsatzes vom 29. Oktober 2012 am 2. November 2012 beim SG nicht der Fall.
bb) Der an das SG gerichtete Schriftsatz vom 4. September 2012 und der an das LSG gerichtete Schriftsatz vom 6. September 2012, dem der Schriftsatz vom 4. September 2012 als Anlage beigefügt war, enthalten zwar jeweils die Unterschrift der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2), aber keine Berufungseinlegung. Der Schriftsatz an das SG vom 4. September 2012 nimmt lediglich Bezug auf die "nochmals mit Schriftsatz vom 31.8.12 eingelegte Berufung ", verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Begründung, es sei "rechtzeitig am 30.7.2012 mit dem nochmals jetzt am 31.8.2012 übersandten Schriftsatz Berufung" eingelegt worden. Die Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Rechtsmitteleinlegung kann nicht als Einlegung des Rechtsmittels angesehen werden. Somit hat die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 4. September 2012 nicht wirksam Berufung eingelegt.
cc) Im Schriftsatz vom 29. Oktober 2012 ist die Berufungseinlegung durch erneute Übersendung des Berufungsschriftsatzes eindeutig erklärt. Er enthält zwar keine Unterschrift, aber einen Beglaubigungsvermerk. Auch wenn man annimmt, damit sei die Schriftform gewahrt, ist jedenfalls die versäumte Rechtshandlung (hier: Einlegung der Berufung) innerhalb der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses gemäß § 67 Abs. 2 SGG nicht gewahrt. Hindernis für die noch rechtzeitige Berufungseinlegung war die Unkenntnis der Tatsache, dass die Berufungsschrift vom 30. Juli 2012 nicht beim SG eingegangen war. Dieses Hindernis war am 31. August 2012 durch Nachfrage beim SG beseitigt worden. Die Monatsfrist läuft ab dem Wegfall des Hindernisses, d.h. von dem Zeitpunkt ab, ab dem Verschulden vorliegt, etwa weil der Betroffene bzw. der verantwortliche Rechtsanwalt bei Anwendung der zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis und damit den Irrtum hätte erkennen können (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 1 zu § 67 m.w.N.). Nach § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat (§ 64 Abs. 2 Satz 3 SGG). Da die Bevollmächtigte am 31. August 2012 Kenntnis davon hatte, dass eine Berufungsschrift nicht beim SG eingegangen war, endete die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung am 30. September 2012. Die Einlegung der Berufung mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2012 war verspätet.
dd) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist war nicht zu gewähren. Dies hat die Beigeladene zu 2) über ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27. Juni 2013 beantragt. Wiedereinsetzung ist auch bei der Frist des § 67 Abs. 2 SGG möglich (Keller, a.a.O., Rn. 2a zu § 67 m.w.N.). Die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beigeladene zu 2) war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Berufung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist formgerecht einzulegen. Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten steht gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ihrem eigenen Verschulden gleich. Die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) unterlag dem Rechtsirrtum, die Übersendung der in ihrer Akten befindlichen Kopie des Berufungsschriftsatzes vom 30. Juli 2012 genüge für eine erfolgreiche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. der Unkenntnis der Tatsache, dass die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Bei einem solchen Rechtsirrtum trifft den Beteiligten nur dann kein Verschulden, wenn er den Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden konnte. Ein Rechtsirrtum eines Prozessbevollmächtigten reicht grundsätzlich nicht aus, denn er muss das Prozessrecht kennen und bei zweifelhafter Rechtslage den sichersten Weg wählen (Keller, a.a.O., Rn. 8a zu § 67 m.w.N.).
c) Aus den von der Beigeladenen zu 2) genannten Entscheidungen des BSG (Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 293/03 - und Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 63/11 B -, beide in juris) kann die Beigeladene zu 2) im Hinblick auf den Anspruch auf ein faires Verfahren einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ableiten. Das genannte Urteil des BSG betrifft die Frage, inwieweit ein Beteiligter ausreichend glaubhaft gemacht hat, die Berufungsschrift sei auf dem Postweg verloren gegangen. Dies stellt der Senat vorliegend nicht infrage. Vielmehr geht er wie dargelegt davon aus, dass dies aufgrund der Angaben der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) der Fall und dies somit ausreichend glaubhaft gemacht ist. Der dem genannten Beschluss des BSG zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem des vorliegenden Verfahrens. Anders als in jenem Verfahren hat der Senat bis zu dem entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin vom 13. Juni 2013 nicht zu erkennen gegeben, die Berufung sei formgerecht, oder Handlungen vorgenommen, aus denen die Beigeladene zu 2) dies hätte schließen können. Insbesondere enthält die der Beigeladenen zu 2) zugegangene Bestätigung des Eingangs der Berufung vom 10. September 2012 keine Angaben, die Berufung sei form- und/oder fristgerecht eingelegt, sondern die bloße Mitteilung, die Berufung vom 30. Juli 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 - Az. S 9 KR 4804/10 - sei am 6. September 2012 eingegangen, das Verfahren werde unter dem angegebenen Aktenzeichen geführt und die Aufforderung, das Aktenzeichen künftig anzugeben sowie Schriftsätze in ausreichender Anzahl einzureichen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG. Da über die Versicherungspflicht, nicht über eine Beitragsnachforderung in bestimmter Höhe gestritten wird, wird der Auffangstreitwert zugrunde gelegt.
Die Beigeladene zu 2) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1).
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitgegenstand im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) war die Rentenversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 2), der Berufungsklägerin, ab dem 1. März 2010.
Auf Antrag des Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte - ohne Zustimmung der Klägerin - mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 fest, dieser unterliege ab dem 1. März 2010 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und dem Recht der Arbeitsförderung. Das SG hob nach Beiladung der Beigeladenen zu 1) und 2) mit Urteil vom 13. Juni 2012, den Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) am 6. Juli 2012 zugestellt, den Bescheid hinsichtlich der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung auf, stellte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) ab 1. März 2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege und verurteilte die Beklagte, ab 1. März 2010 noch nicht eingezogene Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) einzuziehen.
Am 31. August 2012 fragte eine Mitarbeiterin der Kanzlei der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) beim SG nach, weshalb auf die mit Schreiben vom 30. Juli 2012 eingelegte Berufung vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) noch keine Antwort eingegangen sei. Auf die Antwort der Mitarbeiterin des SG, eine Berufungsschrift sei nicht eingegangen, übermittelten die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) dem SG am 31. August 2012 mit Fax eine nicht unterschriebene Kopie der Berufungsschrift vom 30. Juli 2012, die das SG an das LSG weiterleitete. Mit einem von der Bevollmächtigten unterschriebenen Schreiben an das SG vom 4. September 2012 hat die Beigeladene zu 2) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "für die nochmals mit Schriftsatz vom 31.8.12 eingelegte Berufung" beantragt und mit einem an das LSG gerichteten, unterschriebenen Schreiben vom selben Tage, eingegangen am 6. September 2012, um Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch gebeten. Zur Begründung hat sie eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin P. H. (im Folgenden: P. H.) vom 4. September 2012 vorgelegt, wonach diese die Berufung am 30. Juli 2012 gefertigt und am Abend persönlich zum Briefkasten gebracht habe. Da sie am 31. August 2012 noch keine Eingangsbestätigung und keine Mitteilung eines Aktenzeichens erhalten habe, habe sie beim SG angerufen, wo ihr mitgeteilt worden sei, die Berufung sei nicht eingegangen. Eine weitere Mehrfertigung des Berufungsschriftsatzes vom 30. Juli 2012, die einen Beglaubigungsvermerk der Bevollmächtigten trägt, hat sie mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2012, beim LSG am 2. November 2012 eingegangen, übersandt.
Die Beigeladene zu 2) trägt - unter Beifügung des Fristenkalenders vom 6. August 2012, einer weiteren eidesstattlichen Versicherung der P. H., des Nachweises einer an sie gesandten E-Mail der Bevollmächtigten und der Urteilsabschrift mit Absendevermerk - vor, bei ihren Bevollmächtigten werde keine Liste über den Postausgang geführt, sondern der Schriftsatz in der Akte gehe am selben Tag per E-Mail an den Mandanten und die Absendung an das Gericht werde auf dem Urteil vermerkt. Sobald der Schriftsatz gefertigt sei, werde er unterschrieben und von der Mitarbeiterin der Bevollmächtigten zur Mitnahme per S-Mail oder zum Einwerfen in den Briefkasten, der sich ca. eine Minute von der Kanzlei entfernt befinde, bereit gelegt und im Fristenkalender gestrichen. Der Schriftsatz vom 4. September 2012, mit dem innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Wiedereinsetzung beantragt worden und die Berufung nachgeholt worden sei, sei unterschrieben gewesen. Dessen Eingang sei vom LSG bestätigt worden. Aus den dem LSG innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorliegenden Unterlagen sei klar ersichtlich gewesen, dass die Unterzeichnerin des Schriftsatzes die Einlegung der Berufung habe nachholen wollen, da sie auf die bereits zum SG gesandte Berufungsschrift, die eigenhändig unterzeichnet gewesen sei, Bezug genommen habe. Das dem Schriftsatz vom 4. September 2012 beigefügte Exemplar sei die Kopie aus den Akten gewesen, die nicht unterzeichnet werde. Nach der Rechtsprechung genüge die Unterschrift unter dem Anschreiben. Die Unterschrift solle dem Nachweis dienen, dass der Schriftsatz von der als Urheber genannten Person stamme, die Berufung auf dem Briefbogen eines Rechtsanwalts sei damit eindeutig zuzuordnen. Vorsorglich beantrage sie wegen der eventuellen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ebenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und lege nochmals Berufung ein (Schriftsatz vom 26. Juni 2013). Schließlich sei erst nach mehr als neun Monaten mitgeteilt worden, dass Zweifel an der wirksamen Einlegung der nicht unterschriebenen Berufung bestünden.
In der Sache ist sie der Auffassung, der Beigeladene zu 1) sei selbstständig tätig und sozialversicherungsfrei, da er das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester R. H. (im Folgenden: R. H.) von seinem Vater übernommen habe. Der Bescheid vom 14. Oktober 2010 sei rechtmäßig gewesen. Zwar sei der Beigeladene zu 1) nur zu 45 %, R. H. zu 49 % an der Beigeladenen zu 2) beteiligt, führe die Geschäfte aber vollkommen weisungsfrei und gemeinschaftlich mit R. H. als gleichberechtigter Partnerin, die selbst mit Zustimmung der Klägerin sozialversicherungsfrei sei.
Die Beigeladene zu 2) beantragt sinngemäß,
ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, hilfsweise ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin und die Beklagte beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13. Juni 2013 darauf hingewiesen, dass Zweifel bestünden, ob die versäumte Handlung - Einlegung der Berufung - formgerecht, nämlich unterschrieben und innerhalb der Frist des § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), nachgeholt worden sei. Mit Schreiben vom 4. Juli 2013 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten verwiesen.
II.
Nach § 158 SGG ist die Berufung, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist, als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Vorliegend begann die einmonatige Berufungsfrist gegen das den Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 2) am 6. Juli 2012 zugestellte, mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil vom 13. Juni 2012 am 7. Juli 2012 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am 6. August 2012 (§ 64 Abs. 2 SGG). Bis dahin war eine Berufung der Beigeladenen zu 2) weder beim SG noch beim L SG eingegangen. Eine Berufung ist erst am 31. August 2012 beim SG eingegangen.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beigeladenen zu 2) nicht zu gewähren. Zwar hat die Beigeladene zu 2) die gesetzliche Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt. Sie hat jedoch die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb der Antragsfrist des § 67 Abs. 2 SGG nachgeholt. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß §§ 153 Abs. 1, 67 Abs. 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen nach Satz 2 der Norm glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Satz 4).
a) Zwar hat die Beigeladene zu 2) die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden versäumt. Verschulden setzt voraus, dass der Beteiligte nicht diejenige Sorgfalt aufgewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 9/92 -; in juris). Durch das Einwerfen der am 30. Juli 2012 gefertigten Berufung in einen Postbriefkasten am Abend desselben Tages konnte sie damit rechnen, dass diese nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei der Post bei regelmäßigem Betriebsablauf vor Fristablauf am 6. August 2012 beim SG eingehen würde.
b) Die Beigeladene zu 2) hat die versäumte Rechtshandlung, die Berufungseinlegung, aber nicht innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt.
aa) Der am 31. August 2012 per Fax an das SG übermittelte Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2012 trägt keinerlei Unterschrift. Damit ist die Berufung nicht in der Form des § 151 SGG, nämlich schriftlich erfolgt, denn es fehlte die Unterschrift. Das Erfordernis der schriftlichen Form wird in aller Regel typischer Weise durch eine eigenhändige Unterschrift erfüllt (Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Komm., 10. Aufl., § 151 Rn. 3a) m.w.N.). Anders als bei der Klage wird bei der Berufungsschrift die Unterschrift als erforderlich angesehen, um den Aussteller zweifelsfrei identifizieren zu können. Entscheidend für die Auslegung des Begriffs "schriftlich" i.S.d. § 151 SGG ist, dass mit dem Schriftformerfordernis gewährleistet werden soll, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Leitherer a.a.O: m.w.N. Rn 3a). Auch die Faxvorlage muss grundsätzlich unterschrieben, die Unterschrift auf dem bei Gericht eingegangenen Ausdruck wiedergegeben sein (Leitherer a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 28. Juni 1985 - 7 BAr 36/85 -; in juris). Das Schriftformerfordernis kann danach auch dann erfüllt sein, wenn die Unterschrift fehlt, sich aber aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (Leitherer a.a.O.). Ein solcher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Ausnahmefalles kann die Unterschrift auf Anlagen, z.B. auf einem Anschreiben, sein oder eine Zweitschrift oder handschriftlich beglaubigte Abschrift (Leitherer a.a.O. Rn 5a). Auch dies ist jedenfalls bis zum Eingang des Schriftsatzes vom 29. Oktober 2012 am 2. November 2012 beim SG nicht der Fall.
bb) Der an das SG gerichtete Schriftsatz vom 4. September 2012 und der an das LSG gerichtete Schriftsatz vom 6. September 2012, dem der Schriftsatz vom 4. September 2012 als Anlage beigefügt war, enthalten zwar jeweils die Unterschrift der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2), aber keine Berufungseinlegung. Der Schriftsatz an das SG vom 4. September 2012 nimmt lediglich Bezug auf die "nochmals mit Schriftsatz vom 31.8.12 eingelegte Berufung ", verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Begründung, es sei "rechtzeitig am 30.7.2012 mit dem nochmals jetzt am 31.8.2012 übersandten Schriftsatz Berufung" eingelegt worden. Die Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Rechtsmitteleinlegung kann nicht als Einlegung des Rechtsmittels angesehen werden. Somit hat die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 4. September 2012 nicht wirksam Berufung eingelegt.
cc) Im Schriftsatz vom 29. Oktober 2012 ist die Berufungseinlegung durch erneute Übersendung des Berufungsschriftsatzes eindeutig erklärt. Er enthält zwar keine Unterschrift, aber einen Beglaubigungsvermerk. Auch wenn man annimmt, damit sei die Schriftform gewahrt, ist jedenfalls die versäumte Rechtshandlung (hier: Einlegung der Berufung) innerhalb der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses gemäß § 67 Abs. 2 SGG nicht gewahrt. Hindernis für die noch rechtzeitige Berufungseinlegung war die Unkenntnis der Tatsache, dass die Berufungsschrift vom 30. Juli 2012 nicht beim SG eingegangen war. Dieses Hindernis war am 31. August 2012 durch Nachfrage beim SG beseitigt worden. Die Monatsfrist läuft ab dem Wegfall des Hindernisses, d.h. von dem Zeitpunkt ab, ab dem Verschulden vorliegt, etwa weil der Betroffene bzw. der verantwortliche Rechtsanwalt bei Anwendung der zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis und damit den Irrtum hätte erkennen können (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 1 zu § 67 m.w.N.). Nach § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat (§ 64 Abs. 2 Satz 3 SGG). Da die Bevollmächtigte am 31. August 2012 Kenntnis davon hatte, dass eine Berufungsschrift nicht beim SG eingegangen war, endete die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung am 30. September 2012. Die Einlegung der Berufung mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2012 war verspätet.
dd) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist war nicht zu gewähren. Dies hat die Beigeladene zu 2) über ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27. Juni 2013 beantragt. Wiedereinsetzung ist auch bei der Frist des § 67 Abs. 2 SGG möglich (Keller, a.a.O., Rn. 2a zu § 67 m.w.N.). Die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die Beigeladene zu 2) war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Berufung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist formgerecht einzulegen. Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten steht gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ihrem eigenen Verschulden gleich. Die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) unterlag dem Rechtsirrtum, die Übersendung der in ihrer Akten befindlichen Kopie des Berufungsschriftsatzes vom 30. Juli 2012 genüge für eine erfolgreiche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. der Unkenntnis der Tatsache, dass die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Bei einem solchen Rechtsirrtum trifft den Beteiligten nur dann kein Verschulden, wenn er den Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden konnte. Ein Rechtsirrtum eines Prozessbevollmächtigten reicht grundsätzlich nicht aus, denn er muss das Prozessrecht kennen und bei zweifelhafter Rechtslage den sichersten Weg wählen (Keller, a.a.O., Rn. 8a zu § 67 m.w.N.).
c) Aus den von der Beigeladenen zu 2) genannten Entscheidungen des BSG (Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 293/03 - und Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 63/11 B -, beide in juris) kann die Beigeladene zu 2) im Hinblick auf den Anspruch auf ein faires Verfahren einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ableiten. Das genannte Urteil des BSG betrifft die Frage, inwieweit ein Beteiligter ausreichend glaubhaft gemacht hat, die Berufungsschrift sei auf dem Postweg verloren gegangen. Dies stellt der Senat vorliegend nicht infrage. Vielmehr geht er wie dargelegt davon aus, dass dies aufgrund der Angaben der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) der Fall und dies somit ausreichend glaubhaft gemacht ist. Der dem genannten Beschluss des BSG zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem des vorliegenden Verfahrens. Anders als in jenem Verfahren hat der Senat bis zu dem entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin vom 13. Juni 2013 nicht zu erkennen gegeben, die Berufung sei formgerecht, oder Handlungen vorgenommen, aus denen die Beigeladene zu 2) dies hätte schließen können. Insbesondere enthält die der Beigeladenen zu 2) zugegangene Bestätigung des Eingangs der Berufung vom 10. September 2012 keine Angaben, die Berufung sei form- und/oder fristgerecht eingelegt, sondern die bloße Mitteilung, die Berufung vom 30. Juli 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 - Az. S 9 KR 4804/10 - sei am 6. September 2012 eingegangen, das Verfahren werde unter dem angegebenen Aktenzeichen geführt und die Aufforderung, das Aktenzeichen künftig anzugeben sowie Schriftsätze in ausreichender Anzahl einzureichen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG. Da über die Versicherungspflicht, nicht über eine Beitragsnachforderung in bestimmter Höhe gestritten wird, wird der Auffangstreitwert zugrunde gelegt.
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