L 13 AL 3138/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2895/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3138/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 3 Ziff. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht der Fall des Abs. 1 des § 86 b SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz), ist von diesem Grundsatz eine Abweichung nur dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht mehr gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines Verfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, in NVwZ 2005, 927, 928 und in Juris). Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, in NVwZ 2004, 95, 96 und in Juris). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Soweit die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für die Zeit vor Antragstellung beim SG am 26. Juni 2013 begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit einer Eilregelung. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann nur dann bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und der Antragstellerin schwere, schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn sie auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde. Einen finanziellen Ausgleich für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens auszugleichen, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (st. Rspr. des Senats, vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. August 2010 - L 13 AS 3318/10 ER-B und vom 10. Februar 2012 - L 13 AS 68/12 ER-B, zit. jeweils nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Eine entsprechende fortwirkende Notlage hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus besteht auch kein Anordnungsanspruch; die Antragstellerin hat einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld weder rückwirkend ab dem 5. April 2007 noch laufend glaubhaft gemacht.

Ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz der Antragstellung am 21. März 2007 zum 5. April 2007 nach § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjährt wäre oder die Verjährung nach § 45 Abs. 3 SGB I gehemmt ist, da Arbeitslosengeld mit der persönlichen Arbeitslosmeldung gemäß § 323 Abs. 1 Satz 2 SGB III als beantragt gilt, wenn der Arbeitslose keine andere Erklärung abgibt, kann dahinstehen, da die Antragstellerin jedenfalls mangels subjektiver Verfügbarkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Arbeitslosengeld sind die §§ 117 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (a. F.) und die inhaltlich identischen §§ 136 ff SGB III in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (n. F.). Nach § 117 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III a. F. (§ 136 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III n. F.) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a. F. (§ 137 Abs. 1 SGB III n. F.) wiederum Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 SGB III a. F. (§ 138 Abs. 1 SGB III n. F.) ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 119 Abs. 5 SGB III a. F: (§ 138 Abs. 5 SGB III n. F.) zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2), bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3) und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4).

Im Falle der Antragstellerin fehlt es an der Arbeitsbereitschaft und damit an der subjektiven Verfügbarkeit. Nach dem Vortrag der Antragstellerin war sie nicht bereit, sich der Arbeitsvermittlung im Rahmen ihres Leistungsvermögens zur Verfügung zu stellen. Sie gab vielmehr bei allen Vorsprachen an, nicht arbeitsfähig und nicht bereit zu sein, eine Tätigkeit aufzunehmen. Bis zu ihrer Kündigung durch das Universitätsklinikum Freiburg zum 31. März 2009 war die Antragstellerin auch nicht bereit, eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufzunehmen, was sie im Rahmen eines Erörterungstermins in dem Verfahren L 3 AL 2757/10 ausdrücklich betont hat. Der Rentenversicherungsträger hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 9. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage ist durch das SG mit Gerichtsbescheid vom 1. April 2010 abgewiesen, die Berufung hiergegen ist durch den 2. Senat des LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 21. November 2012 zurückgewiesen worden. Nach den - nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III n. F.) auch für die Antragsgegnerin - maßgeblichen Feststellungen des zuständigen Rentenversicherungsträgers bestand bei der Antragstellerin zumindest seit dem 9. Januar 2007 (Bescheid des Rentenversicherungsträgers) durchgängig ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zweifel an dieser Einschätzung sind nicht ersichtlich und werden auch von der Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass die Antragstellerin jedenfalls seit ihrem Antrag bei der Antragsgegnerin am 21. März 2007 für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt objektiv leistungsfähig war. Die subjektive Verfügbarkeit muss auch - unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III n. F.) vorliegen - in jedem Fall gegeben sein und kann durch die Fiktion des § 125 Abs. 1 SGB III nicht ersetzt werden, da sich diese nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ausschließlich auf die gesundheitliche Leistungsfähigkeit und damit einen Teilbereich der objektiven Verfügbarkeit bezieht (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Oktober 2009 - L 1 AL 95/08, bestätigt durch BSG, Beschluss vom 23. August 2010 – B 11 AL 2/10 BH – zitiert jeweils nach Juris).

Die Antragsgegnerin hat daher im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld rückwirkend ab dem 5. April 2007 mit Bescheid vom 22. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2013 abgelehnt.

Auch die Ablehnung des erneuten Antrags auf Arbeitslosengeld vom 25. Mai 2013 mit Bescheid vom 17. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2013 ist nicht zu beanstanden.

Mangels mindestens 12-monatiger Versicherungszeit innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Tag der Antragstellung hat die Antragstellerin die erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt mit der Folge, dass die Voraussetzungen für Arbeitslosengeld auch ab diesem Tag nicht vorliegen (§§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 Abs. 1 Nr. 3, 142 Abs. 1 Satz 1 und 143 Abs. 1 SGB III n. F.). Die Antragstellerin kann - unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für Arbeitslosengeld - auch den im April 2007 möglicherweise bestehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend machen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld kann nach § 147 Abs. 2 SGB III a. F. (§ 161 Abs. 2 SGB III n. F.) nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung mehr als vier Jahre verstrichen sind. Die Regelung enthält damit eine besondere Ausschlussfrist für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, nach deren Ablauf der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Ausschlussfrist soll im Interesse der Versichertengemeinschaft das in der Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko dadurch begrenzen, dass lediglich bei einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall Leistungen zu erbringen sind. Bei der Ausschlussfrist nach § 147 Abs. 2 SGB III a. F. handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft (BSG, Urteil vom 19. Januar 2005 - B 11a/11 AL 11/04 R, Juris, m.w.N.). Unterstellt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld wäre am 5. April 2007 entstanden, hätte die Antragstellerin ihn lediglich bis zum 5. April 2011 geltend machen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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