Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 KA 691/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5561/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 1 bis 6.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig in Höhe von 1.130.794,21 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen Verordnung des Arzneimittels Cetrotide&61650; in der Zeit von November 2002 bis Februar 2004 in Höhe von insgesamt 1.130.794,21 EUR.
Die bei der klagenden Krankenkasse versicherte M. K. (im Folgenden: Versicherte), geboren 1983 und verstorben 2004, litt an Eierstockkrebs. Bei der Versicherten wurde im Alter von 6 Jahren ein juveniler Granulosazelltumor des rechten Ovars diagnostiziert. Es folgten die Entfernung des rechten Ovars und eine Chemotherapie. Im August 2000 trat ein Rezidiv in Form eines malignen Granulosazelltumors des linken Ovars mit peritonealer Aussaat auf. Nach chirurgischen Eingriffen erhielt die Versicherte vier Zyklen Chemotherapie in Kombination mit Ganzkörperhyperthermie. Im Juli 2001 trat ein weiteres Rezidiv mit peritonealer Aussaat auf. Es wurde daraufhin eine Polychemotherapie mit Taxotere/Cisplatin (1. Zyklus), Taxotere/Doxorubicin (2. und 3. Zyklus) und Bleomycin/Cisplatin/Etoposid (4. Zyklus) durchgeführt. Von November 2001 bis Januar 2002 erfolgte die erste Gabe von Cetrotide&61650; als Monotherapie mit stufenweiser Steigerung der Dosis von 3 mg auf 15 mg (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Der Tumor konnte mit den Behandlungsmaßnahmen nicht kontrolliert werden, wie eine Laparoskopie im Januar 2002 zeigte (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Ein weiteres abdominales Rezidiv wurde operativ entfernt. Es folgte von März bis Mai 2002 eine lokale Thermo-Chemotherapie mit Carboplatin/Ifosfamid und dem Etoposid VP-16. Eine Komplettremission der Erkrankung konnte dadurch nicht erreicht werden (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013).
Das behandelnde Universitätsklinikum, Beigeladener zu 7.), zur ambulanten Behandlung von Versicherten gemäß § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ermächtigt, leitete daraufhin eine Erhaltungstherapie zur Stabilisierung ein (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Ab Juli 2002 erfolgte eine orale Chemotherapie mit Trofosfamid und VP-16 kombiniert mit einer subkutanen Gabe von Cetrotide&61650; mit einer täglichen Dosis von zunächst 6 x 3 mg (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Hierdurch wurde bis September 2002 eine Stabilisierung des Krankheitszustandes der Versicherten erreicht (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Im Oktober 2002 war die Versicherte in einem stabilen Allgemein- und Ernährungszustand, die Lebensqualität war deutlich gesteigert; sie besuchte die Schule (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Sonographisch war ein solider Tumor abdominell nicht nachzuweisen, so dass die Tumoraussaat begrenzt schien (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Cetrotide&61650; wurde daraufhin im Zeitraum von November 2002 bis Februar 2004 weiter durch den Beigeladenen zu 7.) verordnet und der Versicherten unter steigender Dosierung (auf täglich 18 mg bis Oktober 2002, danach 21 mg, zuletzt 24 mg) verabreicht (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Die Therapie erfolgte ambulant und außerhalb eines Studienprotokolls. Am 07.04.2004 verstarb die Versicherte an dem progressiv verlaufenden onkologischen Grundleiden; ihre Lebensqualität wurde von den behandelnden Ärzten als "bis zuletzt sehr gut" bezeichnet (s. Schreiben des Universitätsklinikums vom 15.06.2004).
Cetrotide&61650; ist ein zugelassenes Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach der Fachinformation des Herstellers ist Anwendungsgebiet des Medikaments die Verhinderung des vorzeitigen Eisprungs bei Patientinnen, die sich einer kontrollierten ovariellen Stimulation, gefolgt von einer Eizellentnahme und Techniken der assistierten Reproduktion unterziehen. Die Dosis liegt bei einmalig 3 mg und täglich 0,25 mg. Als mögliche Nebenwirkungen werden allergische Reaktionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ovarielles Hyperstimulationssyndrom und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle angegeben. Bei Überdosierungen kann es zu einer Wirkungsverlängerung kommen, wobei nach den Angaben in der Fachinformation unwahrscheinlich ist, dass die Überdosierung mit akuten toxischen Effekten verbunden ist.
Im Auftrag der Klägerin erstellte der MDK R. unter dem 07.03.2003 ein Gutachten zur Therapie mit Cetrotide&61650;. Dr. N.-H. führte aus, die durchgesehene Literatur zeige, dass es keine Daten zur Wirksamkeit dieses Arzneimittels beim Granulosazelltumors gebe. Eine Studie, die vom Deutschen Krebsregister veröffentlicht worden sei, behandele zwar den Einsatz dieses Medikaments bei Ovarialkarzinomen, allerdings bei epithelialen und nicht bei den in der Biologie andersartigen Granulosazelltumoren. Diese Studie zeige einzelne Tumorrückbildungen auf. Eine Anfrage bei der Firma Z. habe ergeben, dass diese eine amerikanische Ovarialkarzinom-Patientin in der Zeit von 1999 bis 2002 kostenlos mit Cetrotide&61650; versorgt habe. Diese Patientin habe an einem Granulosazelltumor gelitten und teilweise von dem Medikament profitiert. Die Versicherte sei nun die zweite Patientin mit einem solchen Tumor, bei der das Medikament eingesetzt werde. Eine kostenlose Bereitstellung habe die Firma im Fall der Versicherten abgelehnt. Das Konzept werde von der Firma nicht weiterverfolgt, da die hierfür nötige Depotform fehle. Vor dem Hintergrund, dass es nur einen einzigen beschriebenen Fall mit klinischen Erfahrungen gebe, handele es sich um einen experimentellen Ansatz.
Laut Rechtsprechung der Vorjahre habe das Medikament aber bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.03.2002 ausnahmsweise akzeptiert werden können. Die Versicherte habe an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten. Es hätten umfangreiche intensive Chemotherapien stattgefunden. Es sei nur noch der versuchsweise Einsatz anderer denkbarer Therapien der Reserve (für Ovarialkarzinome zugelassen) in Frage gekommen. Einwandfrei geführte Statistiken über die Wirksamkeit von Cetrotide&61650; bei in diesem Stadium besonders seltenem Granulosazelltumor gebe es nicht. Es habe nur den am renommierten MD-Anderson-Institut in Texas registrierten Fall gegeben, der ein gutes Ansprechen gezeigt habe. Die zu erwartenden Nebenwirkungen seien bei freigegebener Dosierung von 3 mg im Vergleich zu einer Chemotherapie gering. Allerdings gebe es so gut wie keine Daten zur Toxizität oberhalb der üblicherweise angesetzten 3 mg. In dem zitierten Einzelfall in den USA sei es bei 10 mg pro Tag zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen gekommen, von denen sich die Patientin nach Absetzen aber wieder vollständig innerhalb kurzer Zeit erholt habe. Aus dem Pflegegutachten der Versicherten von September 2002 sei ersichtlich, dass sie häufig allergisch reagiert habe und dann für den ganzen Tag auf Hilfe angewiesen gewesen sei. Aus medizinischer Sicht erscheine der Einsatz von Cetrotide&61650; unter den damals vorhandenen Umständen unter der Obhut einer in experimentellen Therapien erfahrenen Einrichtung (einer Uniklinik) plausibel. Das Medikament habe auf jeder Dosisstufe zunächst zu einem Abfall von Inhibin, dem Tumormarker zur Früherkennung und Verlaufskontrolle, geführt. Genauso regelmäßig sei der Tumormarkerspiegel dann in den jeweils folgenden Tagen übertroffen worden. Daraus ergebe sich ein Hinweis darauf, dass zwar Cetrotide&61650; dosisabhängig zur Inhibin-Senkung führe, jedoch kurz danach eine gegenläufige Regulation der Tumorzellen einsetze. Die biologische Bedeutung, die nur mittels bildgebender Diagnostik aufzuklären sei, hätte – bis zum Beweis des Gegenteils – eine Tumorstimulation sein können. Eine Dosissteigerung über 9 mg, d.h. nach dreimaliger Erfahrung von überkompensierendem Tumormarkeranstiegs, könne noch gerechtfertigt erscheinen, da bei der Patientin in den USA 10 mg hilfreich gewesen seien, eine weitere Steigerung aber nicht mehr.
Für den Einsatz von Cetrotide&61650; im Zeitraum ab Juni 2002 gelte die Rechtsprechung des BSG vom 19.03.2002. Unter Ansatz der dort genannten Kriterien handele es sich nicht um eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bis zum Einsatz des Medikaments sei eine weitgehende, aber nicht absolute Chemotherapieresistenz festzustellen. Eine Standardtherapie gebe es für den Tumor der Versicherten allerdings nicht. Versuchsweise würden noch möglicherweise wirksame Zytostatika eingesetzt; dazu zählten die später eingesetzten Medikamente Trofosfamid, Etoposid und Topotecan, die für das Ovarialkarzinom allgemein zugelassen seien. Es habe daher noch andere Therapien gegeben. Aufgrund der Kasuistik habe die begründete Aussicht bestanden, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Bei der gegebenen Datenlage sei die Therapie allerdings als hochexperimentell einzustufen. Die Effizienz des Medikamentes sei nicht belegt. Es handele sich um einen relativ seltenen Tumor (2 bis 10 % der malignen Ovarialkarzinome sind Granulosazelltumore, davon ca. 15 % juvenil). Es seien zu wenige Fälle für eine große Studie, da nur ein Teil davon das Stadium der Versicherten erreiche. Vor dem Hintergrund der ersten Cetrotide&61650;-Behandlungsserie mit nachgewiesenem Rezidiv sei nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum es ein zweites Mal eingesetzt worden sei. Eine Kombination mit Chemotherapie mache Sinn, wenn man einen positiven Effekt sehe, den man mit der Chemotherapie verstärken könne. Mit der Chemotherapie, hätte man spekulieren können, werde der Zellstoffwechsel so gebremst, dass der Wiederanstieg des Tumormarkers Tage nach dem Abfall ausbleibe. Das habe die Chemotherapie auch für kurze Zeit geschafft. Sie habe aber den überbordenden Wiederanstieg insgesamt nicht bremsen können. Dieser Ansatz der behandelnden Ärzte sei heikel gewesen, könne medizinisch aber als quasi letzter Versuch, vielleicht doch etwas übersehen zu haben bis zum Inhibin-Anstieg auf Stufe 18 mg Cetrotide&61650; (20.10.2002) noch toleriert werden, nicht mehr darüber hinaus.
Am 04.09.2003, 31.03.2004 und 07.12.2004 beantragte die Klägerin beim Prüfungsausschuss der K. V. N., Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.), die Feststellung eines Arzneimittelregresses wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; durch den Beigeladenen zu 7.) in den Quartalen II/2002 bis I/2004.
Mit Bescheid vom 14.07.2005 lehnte der Prüfungsausschuss den Antrag der Klägerin vom 04.09.2003 (Verordnungen vom 21.06.2002 bis 14.11.2002) ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, den sie in der Folgezeit wieder zurücknahm.
Mit Bescheid vom 27.04.2006 gab der Prüfungsausschuss den Anträgen vom 31.03.2004 und 07.12.2004 statt und setzte gegen den Beigeladenen zu 7.) einen Arzneimittelregress in Höhe von 1.130.794,21 EUR wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; im Zeitraum von November 2002 bis Februar 2004 fest. Im Einzelnen handelt es sich um die Verordnungen am 27.11.2002, 05.12.2002, 31.01.2003, 14.02.2003, 28.02.2003, 04.03.2003, 17.03.2003, 28.03.2003, 09.04.2003, 23.04.2003, 09.05.2003, 21.05.2003, 04.07.2003, 14.07.2003, 22.07.2003, 11.08.2003, 28.08.2003, 11.09.2003, 29.09.2003, 13.10.2003, 27.10.2003, 06.11.2003, 19.11.2003, 28.11.2003, 16.12.2003, 27.12.2003, 30.12.2003, 07.01.2004, 27.01.2004, 12.02.2004 und 20.02.2004. Zur Begründung wurde angegeben, die Versicherte habe zwar an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten und andere Therapiemittel seien wohl nicht vorhanden gewesen. Zum Zeitpunkt der Verordnungen hätten jedoch die nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use erforderlichen Hinweise gefehlt, die den begründeten Schluss auf eine erfolgreiche Therapie zugelassen hätten. Die Kinderärztin der Versicherten, Dr. B., habe in ihrer Stellungnahme vom 09.03.2003 selbst von einer palliativen Therapie gesprochen. Es habe daher auch keine auf Indizien gestützte Aussicht auf Heilung bestanden. Der bereits seit dem Quartal II/2002 durchgeführte Behandlungsversuch habe auf Grund der vorliegenden Daten objektiv zu keiner Verbesserung der Gesamtsituation geführt.
Dagegen erhob der Beigeladene zu 7.) am 30.05.2006 Widerspruch und führte zur Begründung aus, durch die intensive Behandlung der Versicherten sei es unausweichlich gewesen, dass es zu erheblichen Nebenwirkungen und zu einer tubulären Niereninsuffizienz gekommen sei. Für die erforderlich Palliativtherapie sei daher die Einführung therapeutischer Konzepte gefragt gewesen, die versprochen hätten, zum einen nebenwirkungsarm und zum anderen auch wirksam im Sinne einer Hemmung des Tumorwachstums zu sein. Die Kinderärztin der Versicherten habe nach Literaturrecherche und Rücksprache mit internationalen Experten das theoretische Konzept entwickelt, durch Blockade der FSH- und LH-Produktion die hormonelle Stimulation des Tumors zu hemmen. Nach dem gescheiterten Versuch mit einem anderen Wirkstoff sei im November 2001 die Therapie mit Cetrotide&61650; begonnen worden. Die Dokumentation der Kinderärztin zeige eine sehr effektive Inhibition der FSH- und LH-Aktivität und zeige darüber hinaus, dass der Anstieg des Tumormarkers Inhibin B in den ersten drei Monaten einer alleinigen Cetrotide&61650;-Therapie kontrollierbar gewesen sei. In den Augen der damals behandelnden Ärzte habe sich das Medikament daher als sinnvolle Komponente einer multimodalen Palliativtherapie etabliert. Für den behandelnden Krankenhausarzt sei die Einschätzung im weiteren Verlauf nachvollziehbar gewesen, so dass er sie weiter mit getragen habe. Auf dem Gebiet der Tumore des Ovars im Kindesalter spezialisierte Kollegen aus D. hielten die Therapie ebenfalls für sinnvoll. Die daraufhin durchgeführte komplexe palliative Therapie habe der Versicherten unter subjektiv empfundener guter Lebensqualität ein für diese Situation sehr langes Überleben von 29 Monaten ermöglicht. Der Beigeladene zu 7.) habe im Übrigen erstmals am 02.06.2004, also nach dem Tod der Versicherten, von der ablehnenden Haltung des MDK bzw. der Krankenkasse erfahren. Ein Telefonat des behandelnden Arztes mit dem MDK vom 03.05.2003 habe zuvor zum Ergebnis gehabt, dass der MDK das therapeutische Vorgehen unterstützen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2009 hob der beklagte Beschwerdeausschuss den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.04.2007 auf und lehnte die Anträge auf Festsetzung eines Arzneimittelregresses ab. Es sei fraglich, ob die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für einen Off-Label-Use vorlägen. Die Annahme eines solchen dürfte am Fehlen der dritten Voraussetzung scheitern, da bis 2004 keine Erweiterung der Zulassung von Cetrotide&61650; beantragt worden sei und auch keine Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht gewesen seien. Die Entscheidung könne insoweit jedoch dahingestellt bleiben, denn der Einsatz des Arzneimittels sei als ultima ratio nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) gerechtfertigt gewesen sei. Die dort genannten Kriterien für eine grundrechtsorientierte Auslegung des GKV-Leistungsrechts seien erfüllt. Es habe Mitte des Jahres 2002 bei der Versicherten eine lebensbedrohliche schwere Erkrankung mit einer onkologisch völlig aussichtslosen Situation bestanden. Da die durchgeführten Chemotherapien zu schweren Nebenwirkungen und einem absoluten Erschöpfungszustand der Versicherten geführt habe, habe keine weiterführende Therapie zur Verfügung gestanden, bei der mit einer spürbaren positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu rechnen war. Demgegenüber habe eine Phase-II-Studie ergeben, dass es mit dem Medikament Cetrotide&61650; zu positiven Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf bei Granulosazelltumoren komme. Die frühere Behandlung mit Cetrotide&61650; habe eine sehr effektive Inhibition der FSH- und LH-Aktivität ergeben. Auch die kinderonkologischen Ärzte der Universitätsklinik D. hätten die Behandlung vom theoretischen Ansatz her für sinnvoll erachtet und keinen Anhalt dafür gesehen, dass die Therapie der Versicherten schade. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie werde auch durch den vorliegenden Fall bestätigt, in dem es zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebensrate gekommen sei. Dadurch habe sich auch die Einschätzung der D. Ärzte bestätigt, wonach der angenommene Nutzen der Behandlung mit Cetrotide&61650; die möglichen Risiken deutlich überwiege. Danach sei die Verordnung von Cetrotide&61650; letztlich gerechtfertigt.
Am 02.02.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 ergebe sich nichts anderes. Es fehle an Indizien, aufgrund derer eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung angenommen werden könne.
Der Beigeladene zu 6.), ein Krankenkassenverband, dessen Mitglied die Klägerin ist, hat vorgetragen, dass der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen des Off-Label-Uses nicht vorlägen. Eine Verordnung komme auch nicht unter Ansatz der vom BVerfG aufgestellten Kriterien in Betracht. Das BSG habe die Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 14.12.2006 (B 1 KR 12/06 R) konkretisiert. Danach seien an die Voraussetzung einer lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung strengere Anforderungen zu stellen, als im Rahmen des Off-Label-Uses. Zwar habe bei der Versicherten eine schwere Erkrankung vorgelegen, bei der auch ein tödlicher Krankheitsverlauf erwarten werden konnte. Es sei jedoch erforderlich, dass sich der voraussichtlich tödliche Verlauf innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen werde. Dies sei vorliegend nicht hinreichend dargetan.
Der beklagte Beschwerdeausschuss hat erwidert, die Versicherte habe sich im Jahr 2002 in einer onkologisch völlig aussichtslosen Situation befunden. Sollte dies zweifelhaft sein, werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Mit Urteil vom 23.09.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Verordnung von Cetrotide&61650; im Zeitraum vom 27.11.2002 bis 20.02.2004 sei nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Anwendung des Medikamentes zu Lasten der GKV lägen vor. Dies habe der Beklagte ausführlich und zutreffend dargestellt. Auf die Gründe im Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen den Bescheid überzeugten nicht. Eine Verordnung außerhalb der Zulassung komme nicht nur in Betracht, wenn ein kurativer Behandlungserfolg erwartet werden könne. Die Off-Label-Verordnung komme vielmehr auch bei palliativer Behandlung in Betracht. Die Rechtsprechung des BSG lasse bei der Prüfung der dritten Voraussetzung des Off-Label-Uses keine Differenzierung und erst Recht kein Stufenverhältnis zwischen kurativen und palliativen Behandlungserfolgen erkennen. Ebenso gehe der Einwand ins Leere, die vom BVerfG entwickelten Kriterien zur Abmilderung der Anforderungen der dritten Voraussetzung beim Off-Label-Use seien nicht rückwirkend auf den streitgegenständlichen Verordnungszeitraum anwendbar. Die Kriterien habe das BVerfG aus dem seit Inkrafttreten des Grundgesetzes unveränderten Verfassungsrecht abgeleitet. Ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin sei nicht ersichtlich.
Am 19.12.2011 hat die Klägerin gegen das ihr am 09.12.2011 zugestellte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Kriterien für einen zulässigen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Der Beklagte habe gerade nicht festgestellt, dass auch die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use erfüllt sei. Zudem werde übersehen, dass die Kriterien des BVerfG nicht unmittelbar auf die Arzneimittelversorgung anwendbar seien. Erst mit dem Urteil vom 04.04.2006 habe das BSG die Kriterien auf die Arzneimittelversorgung übertragen. Die in dieser Entscheidung genannten Kriterien seien maßgeblich. Danach scheitere ein Anspruch schon daran, dass alternativ für die Behandlung von Ovarialkarzinomen zugelassene Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit werde auf das MDK-Gutachten vom 07.03.2003 verwiesen. Dort werde ausdrücklich ausgeführt, dass andere Therapien zur Verfügung gestanden hätten. Es habe zwar eine weitgehende, aber keine absolute Chemotherapieresistenz bestanden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass nach Analyse und Abwägung der Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen überwogen habe. Für dieses Ergebnis fehlten jegliche Anhaltspunkte. Studien fehlten. Klinische Erfahrungen lägen lediglich in einem einzigen Fall vor. Aufgrund der Datenlage habe keine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestanden. Die Therapie sei deshalb hoch experimentell gewesen. Dabei könne nicht darauf abgestellt werden, dass die Versicherte unter Anwendung der Cetrotide&61650;-Therapie noch weitere 29 Monate unter subjektiv als gut empfundener Lebensqualität gelebt habe. Es sei von einer ex-ante Betrachtung auszugehen. Das SG habe sich mit dem MDK-Gutachten nicht auseinandergesetzt. Schließlich könne nicht unterstellt werden, dass ohne die Therapie mit Cetrotide&61650; der Tod der Versicherten unmittelbar oder zumindest zeitnah eingetreten wäre. Die Voraussetzungen für eine tödlich verlaufende Krankheit seien nicht erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 26.01.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, gegen den Beigeladenen zu 7.) einen Arzneimittelregress wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; in der Zeit von November 2002 bis Februar 2004 in Höhe von insgesamt 1.130.794,21 EUR festzusetzen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 7.) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat zur Begründung im Wesentlichen seine Argumentation aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass die Kriterien des BVerfG, die auch im Rahmen der Arzneimittelversorgung zur Anwendung kämen, zur Abmilderung des dritten Kriteriums für einen Off-Label-Use führe. Danach müssten keine Phase-III-Studien zum Nachweis eines Nutzens des Medikamentes vorliegen. Eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf genüge. Eine solche Aussicht habe vorgelegen. Ein palliativer Behandlungserfolg habe sich schließlich an dem Überleben von 29 Monaten unter subjektiv empfundener guter Lebensqualität gezeigt. Eine Behandlung mit Zytostatika sei gerade nicht erfolgreich gewesen, weshalb die Versicherte nicht auf diese Therapien habe verwiesen werden können. Der Einwand, es hätten keine Studien oder klinischen Erfahrungen vorgelegen, treffe nicht zu. Es liege eine Phase-II-Studie vor. Zudem dürfe nicht gänzlich außer Betracht bleiben, dass die Behandlung in einem Universitätsklinikum stattgefunden habe. Sie sei in enger Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Klinikarzt unter umfassender Dokumentation erfolgt. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht sei nach den Kriterien des BVerfG auch auf die fachliche Einschätzung der behandelnden Ärzte abzustellen, gerade wenn über einen längeren Zeitraum behandelt werde. Der Einwand, es habe kein regelmäßig tödlicher Krankheitsverlauf vorgelegen, sei völlig haltlos.
Der Beigeladene zu 7.) hat vorgetragen, die Voraussetzungen des Off-Label-Use seien erfüllt. Es habe eine am MD-Andersen-Cancer-Institut durchgeführte Phase-II-Studie vorgelegen. Die Therapie mit Cetrotide&61650; sei auch konzeptionell sinnvoll gewesen und von den konsultierten Experten in D. befürwortet worden. Im Übrigen führe jedenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Leistungsrechts zu einem Anspruch der Versicherten. Es habe eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorgelegen. Dies bejahe auch das MDK-Gutachten aus dem Jahr 2003. Die Situation der Versicherten sei onkologisch völlig aussichtlos gewesen. Ohne weitere Behandlung mit dem Medikament Cetrotide&61650; sei in einem sehr kurzen überschaubaren Zeitraum mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Ableben der Versicherten zu rechnen gewesen. Eine andere Therapie sei nicht mehr zur Verfügung gestanden. Es habe eine Chemotherapieresistenz vorgelegen. Dies räume auch das MDK-Gutachten aus dem Jahr 2003 ein. Soweit darin ausgeführt werde, dass keine andere Therapie verfügbar sein müsse, gehe es von einer veralteten Rechtsprechung aus. Nach den neuen Kriterien sei entscheidend, ob eine schulmedizinisch anerkannte Methode zur Verfügung stand. Dies sei nicht der Fall gewesen. Dies habe auch der MDK eingeräumt. Da die Chemotherapie bei der Versicherten zu schweren Nebenwirkungen und einem absoluten Erschöpfungszustand geführt habe, habe diese Therapie nicht fortgeführt werden können. Der MDK räume außerdem ein, dass aufgrund der Kasuistik die begründete Aussicht bestand, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Der Einsatz des Medikamentes sei auch nach Auffassung des MDK plausibel gewesen. Soweit der MDK zwischen den Zeiträumen bis Februar 2002 und danach differenziere, beruhe dies auf einer veralteten Rechtsprechung. Die nach aktueller Rechtsprechung maßgebliche auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bejahe im Kern letztlich auch der MDK. Für eine Aussicht eines entsprechenden Behandlungserfolges spreche schließlich der Umstand, dass die Versicherte noch 29 Monate gelebt habe. Hiermit zeige sich zugleich, dass auch die vom MDK problematisierte Dosierung vertretbar gewesen sei.
Zu Recht führe das SG aus, dass nicht zwischen einem kurativen und einem palliativen Ansatz unterschieden werden dürfe und die Kriterien des BVerfG auch auf vergangene Verordnungszeiträume anwendbar sei. Vor dem Hintergrund der Grundrechte der Versicherten könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es sei vielmehr umgekehrt die Frage zu stellen, ob nicht der Beigeladene zu 7.) nach der Korrespondenz mit dem MDK im Jahr 2003 von einer Kostenübernahme ausgehen durfte. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Behandlung in einem Universitätsklinikum stattgefunden habe. Für Krankenhäuser gelte § 137c SGB V, der die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasse, solange kein Verbot des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Krankenhäuser würden demnach ein höheres Vertrauen genießen, weshalb die Anforderungen nicht überspannt werden dürften. Jedenfalls sei den Krankenhäusern ein großer Beurteilungsspielraum einzuräumen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin ein weiteres MDK-Gutachten vom 23.08.2013 zur Gerichtsakte gereicht. Danach empfiehlt Dr. N.-H. weiter keine Kostenübernahme von Cetrotide&61650; für die Zeit nach Oktober 2002. Zugestanden werde, dass überhaupt ein Therapieversuch mit Cetrotide&61650; zu rechtfertigen gewesen sei, jedoch nicht über den genannten Zeitpunkt hinaus. Zu diesem Zeitpunkt sei die Grenze des Sinnvollen erreicht gewesen. Im ärztlichen Bericht der Klinik vom 06.11.2002 finde sich keinerlei Kommentierung zum Inhibinverlauf unter Cetrotide&61650;. Es sei fraglich, ob die Verläufe von den Ärzten gewürdigt worden seien. Es finde sich keine Darstellung des Therapieerfolgs. Es sei unverständlich, wie eine Therapieführung mit Cetrotide&61650;, einer im Effekt unbekannten Therapie, derart unkritisch seitens der Behandler der Universitätsklinik begleitet worden sei. In einer Situation wie bei der Versicherten hätte eine genaue Überprüfung des Effekts erfolgen müssen. Zudem sei nicht ersichtlich, wie es zu Dosissteigerungen der vorgenommenen Art gekommen sei. Dies scheine allein von der Kinderärztin entschieden worden zu sein. Der Beigeladene zu 7.) hätte zur Sicherheit der Versicherten vorgeben müssen, was gemacht werde. Bei einer derart experimentellen endokrinen Therapie, zu der Onkologen in der Regel keine eigene Expertise hätten, sei eine Rückmeldung/Nachfrage an die empfehlende Abteilung der Gynäkologie sinnvoll gewesen. Der Kontakt scheine nur auf der Ebene zwischen der Kinderärztin und dem behandelnden Klinikarzt erfolgt zu sein. Die fehlende Zurkenntnisnahme der erheblichen Nebenwirkungen bei der Versicherten, die im Pflegegutachten vom September 2002 dokumentiert seien, stelle ein erhebliches Versäumnis dar. Die Sicherheit, die Patienten in Studien hätten, sei außer Acht gelassen worden. Die von dem Beklagten angeführte Phase-II-Studie habe keine Granulosazelltumore betroffen. Auch das vom Beklagten angeführte lange Überleben bei subjektiv empfundener guter Lebensqualität könne nicht herangezogen werden, da es nicht auf die Verabreichung von Cetrotide&61650; zurückgeführt werden könne. Durch die Gabe des Medikaments habe sich die Situation der Versicherten ganz offensichtlich verschlechtert. Zudem habe der Einsatz von Chemotherapie parallel zur Gabe von Cetrotide&61650; augenfällig belegt, dass Alternativen vorhanden gewesen seien, die zumutbar gewesen seien. Chemotherapie sei über Monate hinweg verabreicht worden.
Zum Einwand, der MDK habe damals den Einsatz des Mittels befürwortet, wird ausgeführt, im Kontakt mit der Klinik sei die Kombination von Chemotherapie und Cetrotide&61650; erst einmal für medizinisch vertretbar gehalten worden. Dann aber habe gelernt werden müssen, dass zu diesem Zeitpunkt längst bekannt gewesen sei, dass Cetrotide&61650; als Monotherapie nicht helfe. Eine medizinisch positive Einschätzung lasse sich dadurch rechtfertigen, dass eine Kombinationstherapie bessere Effekte erziele als eine Monotherapie. So habe die Versicherte auch die Chance bekommen, die Kombination als Heilversuch zu erhalten, jedoch aus Sicht des MDK nicht über die Grenze des medizinisch Sinnvollen hinaus. Der MDK mache nie eigene Leistungsentscheidungen, die treffe ausschließlich die Klägerin. Die Möglichkeit einer Empfehlung, wie der MDK sie auch getätigt habe, allerdings nicht im geforderten Umfang, habe die Gutachterin wahrscheinlich geäußert, mit Sicherheit aber hinzugefügt, dass die Entscheidung der Klägerin abgewartet werden müsse und dass diese anders ausfallen könne.
Der Beigeladene zu 7.) hat Einwände gegen dieses Gutachten erhoben. Auf Bl. 69 bis 109 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Klägerin und des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 26.01.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Streitgegenstand nach § 95 SGG ist nach ständiger Rechtsprechung in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses (z.B. BSG Urt. v. 09.03.1994 – 6 RKa 5/92, BSGE 74, 59; BSG Urt. v. 20.10.2004 – B 6 KA 65/03 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 7). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (st. Rspr. z.B. BSG Urt. v. 19.06.1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 35).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 SGB V, hier für die Quartale bis einschließlich IV/2003 i.d.F. des GKV-Gesundheitsreformgesetzes (GRG) 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) und für das Quartal I/2004 in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190). Zutreffend wurde kein Prüfverfahren zur Feststellung eines "sonstigen Schadens" im Sinne von § 48 BMV-Ä durchgeführt, denn im Fall von Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der GKV nicht eingehalten haben, ist ein Arzneimittelregress durchzuführen (vgl. BSG Urt. v. 05.05.2010 – B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 28).
Nach § 106 Abs. 2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V (Satz 1 Nr. 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (Satz 1 Nr. 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Die im streitgegenständlichen Zeitraum gültige Prüfvereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.), der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden, und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 11.06.2002 ermächtigte auch zu Einzelfallprüfungen ("Prüfung in besonderen Fällen" gemäß § 11 der Prüfvereinbarung).
Einzelfallprüfungen sind alle Überprüfungen der Behandlungs- und Verordnungsweise, die nicht an dem allgemeinen Vergleich mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe ansetzen, sondern einen direkten Bezug zu dem tatsächlichen (konkreten) Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des geprüften Arztes haben (BSG Beschl. v. 03.11.2010 – B 6 KA 35/10 B, juris). Solche Prüfungen sind insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl daher rechtmäßig –, wenn wie hier das individuelle Vorgehen eines Arztes (bzw. ambulant tätigen Krankenhauses) in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s. BSG Urt. v. 27.06.2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17; BSG Urt. v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Dem Bescheid des Beklagten ist (noch) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.
Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V i.V.m. § 11 der Prüfvereinbarung sind nicht erfüllt. Die Versicherte hatte vorliegend Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament Cetrotide&61650;. Hat der erkrankte Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel, so darf wegen der Verordnung dieses Medikaments kein Regress gegen den verordnenden Arzt festgesetzt werden.
Nach § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Das verordnete Medikament Cetrotide&61650; ist ein zugelassenes Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Es ist apothekenpflichtig und nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen. Es wurde allerdings außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs verabreicht. Nach der Herstellerinformation ist es zugelassen zur Verhinderung eines vorzeitigen Eisprungs bei Patientinnen, die sich einer kontrollierten ovariellen Stimulation, gefolgt von Eizellentnahme und Techniken der assistierten Reproduktion unterziehen. Das Medikament wurde im Fall der Versicherten zur Behandlung ihrer Tumorerkrankung angewendet. Damit handelt es sich um einen Off-Label-Use.
Ein Off-Label-Use ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wird, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG müssen für einen zulässigen Off-Label-Use (1.) eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (d.h. eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf (2.) keine andere – zugelassene – Therapie verfügbar sein, und (3.) aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (so z.B. BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16; BSG Urt. v. 05.05.2010 – B 6 KA 6/09 R, B 6 KA 20/09 R und B 6 KA 24/09 R, jeweils juris). Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16). Das Erfordernis der Aussicht auf einen Behandlungserfolg umfasst dabei nicht nur die Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels, sondern schließt auch ein, dass mit der Medikation keine unvertretbaren Nebenwirkungen und Risiken verbunden sein dürfen. Gerade die Notwendigkeit der Analyse und Gewichtung eventueller unzuträglicher Nebenwirkungen ist ein zentrales Element des Überprüfungsstandards, auf den die Neugestaltung des AMG vom 24.08.1976 ausgerichtet ist, deren Konzeption ihren Ursprung in den Erfahrungen der 1960er Jahre mit den nicht ausreichend analysierten Nebenwirkungen von Contergan hat (BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30 mit Verweis auf BR-Drucks 552/74 S 43 und BSG Urt. v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Soll die Verordnung eines Arzneimittels ausnahmsweise ohne derartige Gewähr der Arzneimittelsicherheit in Betracht kommen, so müssen für diesen Off-Label-Use anderweitig Qualitätsstandards, die dem Einsatz im Rahmen der Zulassungsindikation vergleichbar sind, gewährleistet und hinreichend belegt sein. Dabei muss auch gesichert sein, dass von der Off-Label-Medikation keine unzuträglichen Nebenwirkungen ausgehen; die Patienten sollen vor unkalkulierbaren Risiken geschützt werden (BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30 m.w.N.).
Vorliegend kann offen bleiben, ob die von der Rechtsprechung aufgestellten "Regel"-Voraussetzungen für einen Off-Label-Use erfüllt sind. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG (weiterentwickelt durch das BSG) der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs. 1 SGB V zulässig ist. Das BVerfG hat in Erkrankungsfällen, die als hoffnungslos erscheinen, aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. der daraus abzuleitenden Schutzpflicht entnommen, dass Therapiemethoden, die nach dem AMG oder dem SGB V an sich nicht angewendet werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen doch zulässig sind (seit 01.01.2012 einfachgesetzlich verankert in § 2 Abs. 1a SGB V). Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (Beschl. v. 06.12.2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, 49). Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (Beschl. v. 30.6.2008 – 1 BvR 1665/07, NJW 2008, 3556; daran anknüpfend BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8; BSG Urt. v. 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R, juris; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103; BSG Urt. v. 16.12.2008 – B 1 KN 3/07 KR R, juris; BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine im vorgenannten Sinne lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl. dazu Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8; Urt. v. 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R, juris; Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus – d.h. sowohl bei Fehlen jeglicher Arzneimittelzulassung als auch bei Einsatz außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs – auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s. hierzu BVerfG Beschl. vom 30.06.2008 – 1 BvR 1665/07, NJW 2008, 3556; ebenso z.B. BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103). Dies bedeutet, verglichen mit den "Regel"-Voraussetzungen für einen Off-Label-Use bzw. für eine gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkennungsbedürftige, aber nicht anerkannte Behandlungsmethode, dass – über eine schwerwiegende Erkrankung hinausgehend – eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegen muss. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Erfordernis ausreichender Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes des Arzneimittels bzw. der Behandlungsmethode dahin abzuschwächen, dass eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht (BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103; BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sind vorliegend erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats litt die Versicherte ganz unzweifelhaft an einer lebensbedrohlichen bzw. in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit. Nachdem bei der Versicherten schon im Alter von sechs Jahren ein juveniler Granulosazelltumor des rechten Ovars diagnostiziert und operativ sowie chemotherapeutisch behandelt worden war, trat im August 2000 das erste Rezidiv in Form eines malignen Granulosazelltumors des linken Ovars mit peritonealer Aussaat auf. Trotz chirurgischer Entfernung und vier Zyklen Chemotherapie in Kombination mit Ganzkörperhyperthermie trat im Juli 2001 ein weiteres Rezidiv mit peritonealer Aussaat auf. Es wurden weitere vier Zyklen Chemotherapie durchgeführt. Trotzdem konnte der Tumor nicht kontrolliert werden. Im Januar 2002 zeigte sich ein weiteres abdominales Rezidiv. Es folgte eine weitere lokale Thermo-Chemotherapie. Im Sommer 2002 leiteten die Krankenhausärzte schließlich die palliative Behandlungsphase ein, d.h. ab diesem Zeitpunkt rechneten die Ärzte damit, dass die Krankheit der Versicherten zum Tod führen würde. Damit hatte die Erkrankung unzweifelhaft das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht. Es handelte sich um eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage im Sinne der Rechtsprechung. Ein Fall, in dem "erst" in einigen Jahren mit dem Tod zu rechnen war (dazu: BVerfG Beschl. v. 06.02.2007 – 1 BvR 3101/06, juris; BVerfG Beschl. v. 06.12.2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; BSG Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8), lag hier ersichtlich nicht vor. Bestätigt wird dies im Übrigen von der MDK-Gutachterin Dr. N.-H. im Gutachten vom 07.03.2003.
Eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung stand nicht zur Verfügung. Auch dies wird von der MDK-Gutachterin im Gutachten vom 07.03.2003 bestätigt. Danach gab es keine Standardtherapie für den Granulosazelltumor im damaligen Krankheitsstadium der Versicherten. Die von der Gutachterin aufgeführten Zytostatika (Trofosfamid, Etoposid und Topotecan) stellten nach ihren eigenen Ausführungen eine "versuchsweise" Therapieoption dar. Im Übrigen kamen diese Substanzen bei der Versicherten zum Einsatz, konnten aber ebenfalls keine Kontrolle über den Tumor herstellen. Die bis Juli 2002 durchgeführte Therapie konnte nach den Angaben der behandelnden Ärzte wegen massiven Nebenwirkungen und psychischer Erschöpfung der Versicherten nicht fortgesetzt werden.
Schließlich lag auch eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vor. Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16). Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden (BSG Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170). Ein kurativer Behandlungserfolg ist nicht erforderlich (vgl. BSG Urt. v. 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30), weder vorausschauend noch rückblickend. Mit der Gabe von Cetrotide&61650; sollte in Kombination mit einer oralen Chemotherapie der Tumor unter Kontrolle gebracht werden, d.h. auf das Fortschreiten der Tumorerkrankung sollte positiv eingewirkt werden. Dabei sollte das Arzneimittel auf die lebensbedrohliche Erkrankung selbst einwirken. Die Gabe von Cetrotide&61650; war nicht (nur) darauf gerichtet, die weiteren Auswirkungen der Erkrankung bzw. ihrer Behandlung abzumildern (dazu: BSG Urt. v. 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Für eine positive Einwirkung der genannten Art lagen hinreichende Indizien vor. Für Indizien, die für eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf sprechen, ist es nicht erforderlich, dass Studienprotokolle vorliegen. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (BSG Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170). Dies war vorliegend der Fall. Entsprechende Indizien ergaben sich zwar nicht aus der vom Deutschen Krebsregister veröffentlichte Studie zum Einsatz von Cetrotide&61650; bei Ovarialkarzinomen, da diese nicht den Einsatz bei Granulosazelltumoren umfasste. Den behandelnden Ärzten der Versicherten lag jedoch ein Erfahrungsbericht des MD-Anderson-Instituts in Texas vor, wonach das Medikament in einem Fall eines Granulosazelltumors zur Anwendung kam und ein gutes Ansprechen zeigte. Vor dem Hintergrund der notstandsähnlichen Krankheitssituation der Versicherten und den zu erwartenden vergleichsweise geringen Nebenwirkungen (allergische Reaktionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ovarielles Hyperstimulationssyndrom und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle; auch bei einer Überdosierung waren akute toxische Effekte unwahrscheinlich) reichte dieser ärztliche Erfahrungsbericht aus.
Bestätigt wird dies im Ergebnis von der Gutachterin des MDK, Dr. N.-H ... Sie befürwortete den vorgenommenen Therapieversuch mit Cetrotide&61650;, auch nochmals zuletzt im Gutachten vom 23.08.2013. Aus medizinischer Sicht erschien auch der Gutachterin der Einsatz von Cetrotide&61650; unter den damals vorhandenen Umständen plausibel. Aufgrund der Kasuistik habe die begründete Aussicht bestanden, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Der Ansatz der behandelnden Ärzte sei heikel gewesen, könne medizinisch aber "als quasi letzter Versuch" noch toleriert werden.
Die Einschränkung des MDK, dass der Einsatz von Cetrotide&61650; nur bis Oktober 2002 gerechtfertigt gewesen sei, überzeugt den Senat nicht. Die Gutachterin macht ihre Einschätzung am bisherigen Verlauf der Therapie und der Dosissteigerung auf über 18 mg fest. Die Argumentation der Gutachterin, bereits die Monotherapie im Zeitraum von November 2001 bis Januar 2002 habe keinen Erfolg gebracht, weshalb die erneute Gabe von Cetrotide&61650; nicht nachvollziehbar sei, hält der Senat vor dem Hintergrund ihrer eigenen Ausführungen, dass eine Kombinationstherapie bessere Effekte erzielen könne, nicht für schlüssig. Dies gilt auch mit Blick auf die von der Gutachterin angeführten Inhibin-Werte. Nach Auffassung der Gutachterin zeige der Anstieg des Tumormarkers, dass das Arzneimittel keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf gehabt habe. Zugleich schreibt sie aber auch, dass die biologische Bedeutung nur mittels bildgebender Diagnostik aufzuklären sei. Nach den Angaben im Arztbrief vom 06.11.2002 hatte die bildgebende Diagnostik zu diesem Zeitpunkt gerade keinen Befund ergeben. Die Inhibin-Werte waren zudem nach Phasen von Chemotherapie und Cetrotide&61650;-Therapie regelmäßig rückläufig, was für ein Ansprechen der Therapie sprach. Der ebenso regelmäßige Anstieg des Tumormarkers wurde von den behandelnden Ärzten auf Chemotherapie-Pausen zurückgeführt, die wegen Komplikationen notwendig waren. Außerdem hatte die Versicherte zu diesem Zeitpunkt eine gesteigerte Lebensqualität im Vergleich zur vorhergehenden Therapie, trotz der noch im September 2002 im Rahmen der Pflegebegutachtung festgestellten zeitweisen Bettlägerigkeit. Sie vertrug die Therapie besser, hatte keine schweren Nebenwirkungen und ging zur Schule. Es gab deshalb aus Sicht der behandelnden Ärzte nachvollziehbar keine Veranlassung, die begonnene Kombinationstherapie aus oraler Chemotherapie und Cetrotide&61650; zu beenden. Vor dem Hintergrund der nach Angabe der Ärzte (auch der Kinderärztin) bis zuletzt guten Lebensqualität der Versicherten bestand trotz weiteren Anstiegs des Tumormarkers, was dem in letzter Konsequenz unaufhaltsamen Fortschreiten des Grundleidens geschuldet sein dürfte, weiterhin die auf den Erfahrungsbericht aus den USA gestützte Aussicht, dass die vorhandene spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf die Kombinationstherapie mit Chemotherapie und Cetrotide&61650; zurückzuführen und deshalb eine Fortsetzung der Therapie gerechtfertigt war. Ob das relativ lange Überleben und die gute Lebensqualität der Versicherten retrospektiv tatsächlich darauf zurückzuführen ist, ist nicht entscheidend.
Soweit die MDK-Gutachterin in ihrem letzten Gutachten vom 23.08.2013 Vorwürfe in Bezug auf eine "unkritische" Therapiebegleitung erhebt, ergibt sich hieraus kein Grund für einen Arzneimittelregress.
Die Klägerin war demnach verpflichtet, ihrer Versicherten die durchgeführte Therapie mit Cetrotide&61650; auch im streitigen Zeitraum zu erbringen. Sie kann deshalb einen Regress gegen den Beigeladenen zu 7.) nicht beanspruchen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.) bis 6.) aufzuerlegen, da diese (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 3 GKG. Die Klägerin begehrt eine bezifferte Regressfestsetzung; deren Wert bestimmt die Höhe des Streitwerts.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 1 bis 6.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig in Höhe von 1.130.794,21 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen Verordnung des Arzneimittels Cetrotide&61650; in der Zeit von November 2002 bis Februar 2004 in Höhe von insgesamt 1.130.794,21 EUR.
Die bei der klagenden Krankenkasse versicherte M. K. (im Folgenden: Versicherte), geboren 1983 und verstorben 2004, litt an Eierstockkrebs. Bei der Versicherten wurde im Alter von 6 Jahren ein juveniler Granulosazelltumor des rechten Ovars diagnostiziert. Es folgten die Entfernung des rechten Ovars und eine Chemotherapie. Im August 2000 trat ein Rezidiv in Form eines malignen Granulosazelltumors des linken Ovars mit peritonealer Aussaat auf. Nach chirurgischen Eingriffen erhielt die Versicherte vier Zyklen Chemotherapie in Kombination mit Ganzkörperhyperthermie. Im Juli 2001 trat ein weiteres Rezidiv mit peritonealer Aussaat auf. Es wurde daraufhin eine Polychemotherapie mit Taxotere/Cisplatin (1. Zyklus), Taxotere/Doxorubicin (2. und 3. Zyklus) und Bleomycin/Cisplatin/Etoposid (4. Zyklus) durchgeführt. Von November 2001 bis Januar 2002 erfolgte die erste Gabe von Cetrotide&61650; als Monotherapie mit stufenweiser Steigerung der Dosis von 3 mg auf 15 mg (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Der Tumor konnte mit den Behandlungsmaßnahmen nicht kontrolliert werden, wie eine Laparoskopie im Januar 2002 zeigte (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Ein weiteres abdominales Rezidiv wurde operativ entfernt. Es folgte von März bis Mai 2002 eine lokale Thermo-Chemotherapie mit Carboplatin/Ifosfamid und dem Etoposid VP-16. Eine Komplettremission der Erkrankung konnte dadurch nicht erreicht werden (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013).
Das behandelnde Universitätsklinikum, Beigeladener zu 7.), zur ambulanten Behandlung von Versicherten gemäß § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ermächtigt, leitete daraufhin eine Erhaltungstherapie zur Stabilisierung ein (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Ab Juli 2002 erfolgte eine orale Chemotherapie mit Trofosfamid und VP-16 kombiniert mit einer subkutanen Gabe von Cetrotide&61650; mit einer täglichen Dosis von zunächst 6 x 3 mg (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Hierdurch wurde bis September 2002 eine Stabilisierung des Krankheitszustandes der Versicherten erreicht (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Im Oktober 2002 war die Versicherte in einem stabilen Allgemein- und Ernährungszustand, die Lebensqualität war deutlich gesteigert; sie besuchte die Schule (s. S. 2 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Sonographisch war ein solider Tumor abdominell nicht nachzuweisen, so dass die Tumoraussaat begrenzt schien (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 07.03.2003). Cetrotide&61650; wurde daraufhin im Zeitraum von November 2002 bis Februar 2004 weiter durch den Beigeladenen zu 7.) verordnet und der Versicherten unter steigender Dosierung (auf täglich 18 mg bis Oktober 2002, danach 21 mg, zuletzt 24 mg) verabreicht (s. S. 3 des MDK-Gutachtens vom 23.08.2013). Die Therapie erfolgte ambulant und außerhalb eines Studienprotokolls. Am 07.04.2004 verstarb die Versicherte an dem progressiv verlaufenden onkologischen Grundleiden; ihre Lebensqualität wurde von den behandelnden Ärzten als "bis zuletzt sehr gut" bezeichnet (s. Schreiben des Universitätsklinikums vom 15.06.2004).
Cetrotide&61650; ist ein zugelassenes Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach der Fachinformation des Herstellers ist Anwendungsgebiet des Medikaments die Verhinderung des vorzeitigen Eisprungs bei Patientinnen, die sich einer kontrollierten ovariellen Stimulation, gefolgt von einer Eizellentnahme und Techniken der assistierten Reproduktion unterziehen. Die Dosis liegt bei einmalig 3 mg und täglich 0,25 mg. Als mögliche Nebenwirkungen werden allergische Reaktionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ovarielles Hyperstimulationssyndrom und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle angegeben. Bei Überdosierungen kann es zu einer Wirkungsverlängerung kommen, wobei nach den Angaben in der Fachinformation unwahrscheinlich ist, dass die Überdosierung mit akuten toxischen Effekten verbunden ist.
Im Auftrag der Klägerin erstellte der MDK R. unter dem 07.03.2003 ein Gutachten zur Therapie mit Cetrotide&61650;. Dr. N.-H. führte aus, die durchgesehene Literatur zeige, dass es keine Daten zur Wirksamkeit dieses Arzneimittels beim Granulosazelltumors gebe. Eine Studie, die vom Deutschen Krebsregister veröffentlicht worden sei, behandele zwar den Einsatz dieses Medikaments bei Ovarialkarzinomen, allerdings bei epithelialen und nicht bei den in der Biologie andersartigen Granulosazelltumoren. Diese Studie zeige einzelne Tumorrückbildungen auf. Eine Anfrage bei der Firma Z. habe ergeben, dass diese eine amerikanische Ovarialkarzinom-Patientin in der Zeit von 1999 bis 2002 kostenlos mit Cetrotide&61650; versorgt habe. Diese Patientin habe an einem Granulosazelltumor gelitten und teilweise von dem Medikament profitiert. Die Versicherte sei nun die zweite Patientin mit einem solchen Tumor, bei der das Medikament eingesetzt werde. Eine kostenlose Bereitstellung habe die Firma im Fall der Versicherten abgelehnt. Das Konzept werde von der Firma nicht weiterverfolgt, da die hierfür nötige Depotform fehle. Vor dem Hintergrund, dass es nur einen einzigen beschriebenen Fall mit klinischen Erfahrungen gebe, handele es sich um einen experimentellen Ansatz.
Laut Rechtsprechung der Vorjahre habe das Medikament aber bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.03.2002 ausnahmsweise akzeptiert werden können. Die Versicherte habe an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten. Es hätten umfangreiche intensive Chemotherapien stattgefunden. Es sei nur noch der versuchsweise Einsatz anderer denkbarer Therapien der Reserve (für Ovarialkarzinome zugelassen) in Frage gekommen. Einwandfrei geführte Statistiken über die Wirksamkeit von Cetrotide&61650; bei in diesem Stadium besonders seltenem Granulosazelltumor gebe es nicht. Es habe nur den am renommierten MD-Anderson-Institut in Texas registrierten Fall gegeben, der ein gutes Ansprechen gezeigt habe. Die zu erwartenden Nebenwirkungen seien bei freigegebener Dosierung von 3 mg im Vergleich zu einer Chemotherapie gering. Allerdings gebe es so gut wie keine Daten zur Toxizität oberhalb der üblicherweise angesetzten 3 mg. In dem zitierten Einzelfall in den USA sei es bei 10 mg pro Tag zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen gekommen, von denen sich die Patientin nach Absetzen aber wieder vollständig innerhalb kurzer Zeit erholt habe. Aus dem Pflegegutachten der Versicherten von September 2002 sei ersichtlich, dass sie häufig allergisch reagiert habe und dann für den ganzen Tag auf Hilfe angewiesen gewesen sei. Aus medizinischer Sicht erscheine der Einsatz von Cetrotide&61650; unter den damals vorhandenen Umständen unter der Obhut einer in experimentellen Therapien erfahrenen Einrichtung (einer Uniklinik) plausibel. Das Medikament habe auf jeder Dosisstufe zunächst zu einem Abfall von Inhibin, dem Tumormarker zur Früherkennung und Verlaufskontrolle, geführt. Genauso regelmäßig sei der Tumormarkerspiegel dann in den jeweils folgenden Tagen übertroffen worden. Daraus ergebe sich ein Hinweis darauf, dass zwar Cetrotide&61650; dosisabhängig zur Inhibin-Senkung führe, jedoch kurz danach eine gegenläufige Regulation der Tumorzellen einsetze. Die biologische Bedeutung, die nur mittels bildgebender Diagnostik aufzuklären sei, hätte – bis zum Beweis des Gegenteils – eine Tumorstimulation sein können. Eine Dosissteigerung über 9 mg, d.h. nach dreimaliger Erfahrung von überkompensierendem Tumormarkeranstiegs, könne noch gerechtfertigt erscheinen, da bei der Patientin in den USA 10 mg hilfreich gewesen seien, eine weitere Steigerung aber nicht mehr.
Für den Einsatz von Cetrotide&61650; im Zeitraum ab Juni 2002 gelte die Rechtsprechung des BSG vom 19.03.2002. Unter Ansatz der dort genannten Kriterien handele es sich nicht um eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bis zum Einsatz des Medikaments sei eine weitgehende, aber nicht absolute Chemotherapieresistenz festzustellen. Eine Standardtherapie gebe es für den Tumor der Versicherten allerdings nicht. Versuchsweise würden noch möglicherweise wirksame Zytostatika eingesetzt; dazu zählten die später eingesetzten Medikamente Trofosfamid, Etoposid und Topotecan, die für das Ovarialkarzinom allgemein zugelassen seien. Es habe daher noch andere Therapien gegeben. Aufgrund der Kasuistik habe die begründete Aussicht bestanden, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Bei der gegebenen Datenlage sei die Therapie allerdings als hochexperimentell einzustufen. Die Effizienz des Medikamentes sei nicht belegt. Es handele sich um einen relativ seltenen Tumor (2 bis 10 % der malignen Ovarialkarzinome sind Granulosazelltumore, davon ca. 15 % juvenil). Es seien zu wenige Fälle für eine große Studie, da nur ein Teil davon das Stadium der Versicherten erreiche. Vor dem Hintergrund der ersten Cetrotide&61650;-Behandlungsserie mit nachgewiesenem Rezidiv sei nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum es ein zweites Mal eingesetzt worden sei. Eine Kombination mit Chemotherapie mache Sinn, wenn man einen positiven Effekt sehe, den man mit der Chemotherapie verstärken könne. Mit der Chemotherapie, hätte man spekulieren können, werde der Zellstoffwechsel so gebremst, dass der Wiederanstieg des Tumormarkers Tage nach dem Abfall ausbleibe. Das habe die Chemotherapie auch für kurze Zeit geschafft. Sie habe aber den überbordenden Wiederanstieg insgesamt nicht bremsen können. Dieser Ansatz der behandelnden Ärzte sei heikel gewesen, könne medizinisch aber als quasi letzter Versuch, vielleicht doch etwas übersehen zu haben bis zum Inhibin-Anstieg auf Stufe 18 mg Cetrotide&61650; (20.10.2002) noch toleriert werden, nicht mehr darüber hinaus.
Am 04.09.2003, 31.03.2004 und 07.12.2004 beantragte die Klägerin beim Prüfungsausschuss der K. V. N., Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.), die Feststellung eines Arzneimittelregresses wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; durch den Beigeladenen zu 7.) in den Quartalen II/2002 bis I/2004.
Mit Bescheid vom 14.07.2005 lehnte der Prüfungsausschuss den Antrag der Klägerin vom 04.09.2003 (Verordnungen vom 21.06.2002 bis 14.11.2002) ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, den sie in der Folgezeit wieder zurücknahm.
Mit Bescheid vom 27.04.2006 gab der Prüfungsausschuss den Anträgen vom 31.03.2004 und 07.12.2004 statt und setzte gegen den Beigeladenen zu 7.) einen Arzneimittelregress in Höhe von 1.130.794,21 EUR wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; im Zeitraum von November 2002 bis Februar 2004 fest. Im Einzelnen handelt es sich um die Verordnungen am 27.11.2002, 05.12.2002, 31.01.2003, 14.02.2003, 28.02.2003, 04.03.2003, 17.03.2003, 28.03.2003, 09.04.2003, 23.04.2003, 09.05.2003, 21.05.2003, 04.07.2003, 14.07.2003, 22.07.2003, 11.08.2003, 28.08.2003, 11.09.2003, 29.09.2003, 13.10.2003, 27.10.2003, 06.11.2003, 19.11.2003, 28.11.2003, 16.12.2003, 27.12.2003, 30.12.2003, 07.01.2004, 27.01.2004, 12.02.2004 und 20.02.2004. Zur Begründung wurde angegeben, die Versicherte habe zwar an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten und andere Therapiemittel seien wohl nicht vorhanden gewesen. Zum Zeitpunkt der Verordnungen hätten jedoch die nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use erforderlichen Hinweise gefehlt, die den begründeten Schluss auf eine erfolgreiche Therapie zugelassen hätten. Die Kinderärztin der Versicherten, Dr. B., habe in ihrer Stellungnahme vom 09.03.2003 selbst von einer palliativen Therapie gesprochen. Es habe daher auch keine auf Indizien gestützte Aussicht auf Heilung bestanden. Der bereits seit dem Quartal II/2002 durchgeführte Behandlungsversuch habe auf Grund der vorliegenden Daten objektiv zu keiner Verbesserung der Gesamtsituation geführt.
Dagegen erhob der Beigeladene zu 7.) am 30.05.2006 Widerspruch und führte zur Begründung aus, durch die intensive Behandlung der Versicherten sei es unausweichlich gewesen, dass es zu erheblichen Nebenwirkungen und zu einer tubulären Niereninsuffizienz gekommen sei. Für die erforderlich Palliativtherapie sei daher die Einführung therapeutischer Konzepte gefragt gewesen, die versprochen hätten, zum einen nebenwirkungsarm und zum anderen auch wirksam im Sinne einer Hemmung des Tumorwachstums zu sein. Die Kinderärztin der Versicherten habe nach Literaturrecherche und Rücksprache mit internationalen Experten das theoretische Konzept entwickelt, durch Blockade der FSH- und LH-Produktion die hormonelle Stimulation des Tumors zu hemmen. Nach dem gescheiterten Versuch mit einem anderen Wirkstoff sei im November 2001 die Therapie mit Cetrotide&61650; begonnen worden. Die Dokumentation der Kinderärztin zeige eine sehr effektive Inhibition der FSH- und LH-Aktivität und zeige darüber hinaus, dass der Anstieg des Tumormarkers Inhibin B in den ersten drei Monaten einer alleinigen Cetrotide&61650;-Therapie kontrollierbar gewesen sei. In den Augen der damals behandelnden Ärzte habe sich das Medikament daher als sinnvolle Komponente einer multimodalen Palliativtherapie etabliert. Für den behandelnden Krankenhausarzt sei die Einschätzung im weiteren Verlauf nachvollziehbar gewesen, so dass er sie weiter mit getragen habe. Auf dem Gebiet der Tumore des Ovars im Kindesalter spezialisierte Kollegen aus D. hielten die Therapie ebenfalls für sinnvoll. Die daraufhin durchgeführte komplexe palliative Therapie habe der Versicherten unter subjektiv empfundener guter Lebensqualität ein für diese Situation sehr langes Überleben von 29 Monaten ermöglicht. Der Beigeladene zu 7.) habe im Übrigen erstmals am 02.06.2004, also nach dem Tod der Versicherten, von der ablehnenden Haltung des MDK bzw. der Krankenkasse erfahren. Ein Telefonat des behandelnden Arztes mit dem MDK vom 03.05.2003 habe zuvor zum Ergebnis gehabt, dass der MDK das therapeutische Vorgehen unterstützen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2009 hob der beklagte Beschwerdeausschuss den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.04.2007 auf und lehnte die Anträge auf Festsetzung eines Arzneimittelregresses ab. Es sei fraglich, ob die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für einen Off-Label-Use vorlägen. Die Annahme eines solchen dürfte am Fehlen der dritten Voraussetzung scheitern, da bis 2004 keine Erweiterung der Zulassung von Cetrotide&61650; beantragt worden sei und auch keine Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht gewesen seien. Die Entscheidung könne insoweit jedoch dahingestellt bleiben, denn der Einsatz des Arzneimittels sei als ultima ratio nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) gerechtfertigt gewesen sei. Die dort genannten Kriterien für eine grundrechtsorientierte Auslegung des GKV-Leistungsrechts seien erfüllt. Es habe Mitte des Jahres 2002 bei der Versicherten eine lebensbedrohliche schwere Erkrankung mit einer onkologisch völlig aussichtslosen Situation bestanden. Da die durchgeführten Chemotherapien zu schweren Nebenwirkungen und einem absoluten Erschöpfungszustand der Versicherten geführt habe, habe keine weiterführende Therapie zur Verfügung gestanden, bei der mit einer spürbaren positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu rechnen war. Demgegenüber habe eine Phase-II-Studie ergeben, dass es mit dem Medikament Cetrotide&61650; zu positiven Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf bei Granulosazelltumoren komme. Die frühere Behandlung mit Cetrotide&61650; habe eine sehr effektive Inhibition der FSH- und LH-Aktivität ergeben. Auch die kinderonkologischen Ärzte der Universitätsklinik D. hätten die Behandlung vom theoretischen Ansatz her für sinnvoll erachtet und keinen Anhalt dafür gesehen, dass die Therapie der Versicherten schade. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie werde auch durch den vorliegenden Fall bestätigt, in dem es zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebensrate gekommen sei. Dadurch habe sich auch die Einschätzung der D. Ärzte bestätigt, wonach der angenommene Nutzen der Behandlung mit Cetrotide&61650; die möglichen Risiken deutlich überwiege. Danach sei die Verordnung von Cetrotide&61650; letztlich gerechtfertigt.
Am 02.02.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 ergebe sich nichts anderes. Es fehle an Indizien, aufgrund derer eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung angenommen werden könne.
Der Beigeladene zu 6.), ein Krankenkassenverband, dessen Mitglied die Klägerin ist, hat vorgetragen, dass der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen des Off-Label-Uses nicht vorlägen. Eine Verordnung komme auch nicht unter Ansatz der vom BVerfG aufgestellten Kriterien in Betracht. Das BSG habe die Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 14.12.2006 (B 1 KR 12/06 R) konkretisiert. Danach seien an die Voraussetzung einer lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung strengere Anforderungen zu stellen, als im Rahmen des Off-Label-Uses. Zwar habe bei der Versicherten eine schwere Erkrankung vorgelegen, bei der auch ein tödlicher Krankheitsverlauf erwarten werden konnte. Es sei jedoch erforderlich, dass sich der voraussichtlich tödliche Verlauf innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen werde. Dies sei vorliegend nicht hinreichend dargetan.
Der beklagte Beschwerdeausschuss hat erwidert, die Versicherte habe sich im Jahr 2002 in einer onkologisch völlig aussichtslosen Situation befunden. Sollte dies zweifelhaft sein, werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Mit Urteil vom 23.09.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Verordnung von Cetrotide&61650; im Zeitraum vom 27.11.2002 bis 20.02.2004 sei nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Anwendung des Medikamentes zu Lasten der GKV lägen vor. Dies habe der Beklagte ausführlich und zutreffend dargestellt. Auf die Gründe im Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen den Bescheid überzeugten nicht. Eine Verordnung außerhalb der Zulassung komme nicht nur in Betracht, wenn ein kurativer Behandlungserfolg erwartet werden könne. Die Off-Label-Verordnung komme vielmehr auch bei palliativer Behandlung in Betracht. Die Rechtsprechung des BSG lasse bei der Prüfung der dritten Voraussetzung des Off-Label-Uses keine Differenzierung und erst Recht kein Stufenverhältnis zwischen kurativen und palliativen Behandlungserfolgen erkennen. Ebenso gehe der Einwand ins Leere, die vom BVerfG entwickelten Kriterien zur Abmilderung der Anforderungen der dritten Voraussetzung beim Off-Label-Use seien nicht rückwirkend auf den streitgegenständlichen Verordnungszeitraum anwendbar. Die Kriterien habe das BVerfG aus dem seit Inkrafttreten des Grundgesetzes unveränderten Verfassungsrecht abgeleitet. Ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin sei nicht ersichtlich.
Am 19.12.2011 hat die Klägerin gegen das ihr am 09.12.2011 zugestellte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Kriterien für einen zulässigen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Der Beklagte habe gerade nicht festgestellt, dass auch die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use erfüllt sei. Zudem werde übersehen, dass die Kriterien des BVerfG nicht unmittelbar auf die Arzneimittelversorgung anwendbar seien. Erst mit dem Urteil vom 04.04.2006 habe das BSG die Kriterien auf die Arzneimittelversorgung übertragen. Die in dieser Entscheidung genannten Kriterien seien maßgeblich. Danach scheitere ein Anspruch schon daran, dass alternativ für die Behandlung von Ovarialkarzinomen zugelassene Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit werde auf das MDK-Gutachten vom 07.03.2003 verwiesen. Dort werde ausdrücklich ausgeführt, dass andere Therapien zur Verfügung gestanden hätten. Es habe zwar eine weitgehende, aber keine absolute Chemotherapieresistenz bestanden. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass nach Analyse und Abwägung der Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen überwogen habe. Für dieses Ergebnis fehlten jegliche Anhaltspunkte. Studien fehlten. Klinische Erfahrungen lägen lediglich in einem einzigen Fall vor. Aufgrund der Datenlage habe keine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestanden. Die Therapie sei deshalb hoch experimentell gewesen. Dabei könne nicht darauf abgestellt werden, dass die Versicherte unter Anwendung der Cetrotide&61650;-Therapie noch weitere 29 Monate unter subjektiv als gut empfundener Lebensqualität gelebt habe. Es sei von einer ex-ante Betrachtung auszugehen. Das SG habe sich mit dem MDK-Gutachten nicht auseinandergesetzt. Schließlich könne nicht unterstellt werden, dass ohne die Therapie mit Cetrotide&61650; der Tod der Versicherten unmittelbar oder zumindest zeitnah eingetreten wäre. Die Voraussetzungen für eine tödlich verlaufende Krankheit seien nicht erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 26.01.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, gegen den Beigeladenen zu 7.) einen Arzneimittelregress wegen der Verordnung von Cetrotide&61650; in der Zeit von November 2002 bis Februar 2004 in Höhe von insgesamt 1.130.794,21 EUR festzusetzen.
Der Beklagte und der Beigeladene zu 7.) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat zur Begründung im Wesentlichen seine Argumentation aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, dass die Kriterien des BVerfG, die auch im Rahmen der Arzneimittelversorgung zur Anwendung kämen, zur Abmilderung des dritten Kriteriums für einen Off-Label-Use führe. Danach müssten keine Phase-III-Studien zum Nachweis eines Nutzens des Medikamentes vorliegen. Eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf genüge. Eine solche Aussicht habe vorgelegen. Ein palliativer Behandlungserfolg habe sich schließlich an dem Überleben von 29 Monaten unter subjektiv empfundener guter Lebensqualität gezeigt. Eine Behandlung mit Zytostatika sei gerade nicht erfolgreich gewesen, weshalb die Versicherte nicht auf diese Therapien habe verwiesen werden können. Der Einwand, es hätten keine Studien oder klinischen Erfahrungen vorgelegen, treffe nicht zu. Es liege eine Phase-II-Studie vor. Zudem dürfe nicht gänzlich außer Betracht bleiben, dass die Behandlung in einem Universitätsklinikum stattgefunden habe. Sie sei in enger Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Klinikarzt unter umfassender Dokumentation erfolgt. Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht sei nach den Kriterien des BVerfG auch auf die fachliche Einschätzung der behandelnden Ärzte abzustellen, gerade wenn über einen längeren Zeitraum behandelt werde. Der Einwand, es habe kein regelmäßig tödlicher Krankheitsverlauf vorgelegen, sei völlig haltlos.
Der Beigeladene zu 7.) hat vorgetragen, die Voraussetzungen des Off-Label-Use seien erfüllt. Es habe eine am MD-Andersen-Cancer-Institut durchgeführte Phase-II-Studie vorgelegen. Die Therapie mit Cetrotide&61650; sei auch konzeptionell sinnvoll gewesen und von den konsultierten Experten in D. befürwortet worden. Im Übrigen führe jedenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Leistungsrechts zu einem Anspruch der Versicherten. Es habe eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorgelegen. Dies bejahe auch das MDK-Gutachten aus dem Jahr 2003. Die Situation der Versicherten sei onkologisch völlig aussichtlos gewesen. Ohne weitere Behandlung mit dem Medikament Cetrotide&61650; sei in einem sehr kurzen überschaubaren Zeitraum mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Ableben der Versicherten zu rechnen gewesen. Eine andere Therapie sei nicht mehr zur Verfügung gestanden. Es habe eine Chemotherapieresistenz vorgelegen. Dies räume auch das MDK-Gutachten aus dem Jahr 2003 ein. Soweit darin ausgeführt werde, dass keine andere Therapie verfügbar sein müsse, gehe es von einer veralteten Rechtsprechung aus. Nach den neuen Kriterien sei entscheidend, ob eine schulmedizinisch anerkannte Methode zur Verfügung stand. Dies sei nicht der Fall gewesen. Dies habe auch der MDK eingeräumt. Da die Chemotherapie bei der Versicherten zu schweren Nebenwirkungen und einem absoluten Erschöpfungszustand geführt habe, habe diese Therapie nicht fortgeführt werden können. Der MDK räume außerdem ein, dass aufgrund der Kasuistik die begründete Aussicht bestand, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Der Einsatz des Medikamentes sei auch nach Auffassung des MDK plausibel gewesen. Soweit der MDK zwischen den Zeiträumen bis Februar 2002 und danach differenziere, beruhe dies auf einer veralteten Rechtsprechung. Die nach aktueller Rechtsprechung maßgebliche auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bejahe im Kern letztlich auch der MDK. Für eine Aussicht eines entsprechenden Behandlungserfolges spreche schließlich der Umstand, dass die Versicherte noch 29 Monate gelebt habe. Hiermit zeige sich zugleich, dass auch die vom MDK problematisierte Dosierung vertretbar gewesen sei.
Zu Recht führe das SG aus, dass nicht zwischen einem kurativen und einem palliativen Ansatz unterschieden werden dürfe und die Kriterien des BVerfG auch auf vergangene Verordnungszeiträume anwendbar sei. Vor dem Hintergrund der Grundrechte der Versicherten könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es sei vielmehr umgekehrt die Frage zu stellen, ob nicht der Beigeladene zu 7.) nach der Korrespondenz mit dem MDK im Jahr 2003 von einer Kostenübernahme ausgehen durfte. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Behandlung in einem Universitätsklinikum stattgefunden habe. Für Krankenhäuser gelte § 137c SGB V, der die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasse, solange kein Verbot des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Krankenhäuser würden demnach ein höheres Vertrauen genießen, weshalb die Anforderungen nicht überspannt werden dürften. Jedenfalls sei den Krankenhäusern ein großer Beurteilungsspielraum einzuräumen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin ein weiteres MDK-Gutachten vom 23.08.2013 zur Gerichtsakte gereicht. Danach empfiehlt Dr. N.-H. weiter keine Kostenübernahme von Cetrotide&61650; für die Zeit nach Oktober 2002. Zugestanden werde, dass überhaupt ein Therapieversuch mit Cetrotide&61650; zu rechtfertigen gewesen sei, jedoch nicht über den genannten Zeitpunkt hinaus. Zu diesem Zeitpunkt sei die Grenze des Sinnvollen erreicht gewesen. Im ärztlichen Bericht der Klinik vom 06.11.2002 finde sich keinerlei Kommentierung zum Inhibinverlauf unter Cetrotide&61650;. Es sei fraglich, ob die Verläufe von den Ärzten gewürdigt worden seien. Es finde sich keine Darstellung des Therapieerfolgs. Es sei unverständlich, wie eine Therapieführung mit Cetrotide&61650;, einer im Effekt unbekannten Therapie, derart unkritisch seitens der Behandler der Universitätsklinik begleitet worden sei. In einer Situation wie bei der Versicherten hätte eine genaue Überprüfung des Effekts erfolgen müssen. Zudem sei nicht ersichtlich, wie es zu Dosissteigerungen der vorgenommenen Art gekommen sei. Dies scheine allein von der Kinderärztin entschieden worden zu sein. Der Beigeladene zu 7.) hätte zur Sicherheit der Versicherten vorgeben müssen, was gemacht werde. Bei einer derart experimentellen endokrinen Therapie, zu der Onkologen in der Regel keine eigene Expertise hätten, sei eine Rückmeldung/Nachfrage an die empfehlende Abteilung der Gynäkologie sinnvoll gewesen. Der Kontakt scheine nur auf der Ebene zwischen der Kinderärztin und dem behandelnden Klinikarzt erfolgt zu sein. Die fehlende Zurkenntnisnahme der erheblichen Nebenwirkungen bei der Versicherten, die im Pflegegutachten vom September 2002 dokumentiert seien, stelle ein erhebliches Versäumnis dar. Die Sicherheit, die Patienten in Studien hätten, sei außer Acht gelassen worden. Die von dem Beklagten angeführte Phase-II-Studie habe keine Granulosazelltumore betroffen. Auch das vom Beklagten angeführte lange Überleben bei subjektiv empfundener guter Lebensqualität könne nicht herangezogen werden, da es nicht auf die Verabreichung von Cetrotide&61650; zurückgeführt werden könne. Durch die Gabe des Medikaments habe sich die Situation der Versicherten ganz offensichtlich verschlechtert. Zudem habe der Einsatz von Chemotherapie parallel zur Gabe von Cetrotide&61650; augenfällig belegt, dass Alternativen vorhanden gewesen seien, die zumutbar gewesen seien. Chemotherapie sei über Monate hinweg verabreicht worden.
Zum Einwand, der MDK habe damals den Einsatz des Mittels befürwortet, wird ausgeführt, im Kontakt mit der Klinik sei die Kombination von Chemotherapie und Cetrotide&61650; erst einmal für medizinisch vertretbar gehalten worden. Dann aber habe gelernt werden müssen, dass zu diesem Zeitpunkt längst bekannt gewesen sei, dass Cetrotide&61650; als Monotherapie nicht helfe. Eine medizinisch positive Einschätzung lasse sich dadurch rechtfertigen, dass eine Kombinationstherapie bessere Effekte erziele als eine Monotherapie. So habe die Versicherte auch die Chance bekommen, die Kombination als Heilversuch zu erhalten, jedoch aus Sicht des MDK nicht über die Grenze des medizinisch Sinnvollen hinaus. Der MDK mache nie eigene Leistungsentscheidungen, die treffe ausschließlich die Klägerin. Die Möglichkeit einer Empfehlung, wie der MDK sie auch getätigt habe, allerdings nicht im geforderten Umfang, habe die Gutachterin wahrscheinlich geäußert, mit Sicherheit aber hinzugefügt, dass die Entscheidung der Klägerin abgewartet werden müsse und dass diese anders ausfallen könne.
Der Beigeladene zu 7.) hat Einwände gegen dieses Gutachten erhoben. Auf Bl. 69 bis 109 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Klägerin und des Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 26.01.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Streitgegenstand nach § 95 SGG ist nach ständiger Rechtsprechung in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses (z.B. BSG Urt. v. 09.03.1994 – 6 RKa 5/92, BSGE 74, 59; BSG Urt. v. 20.10.2004 – B 6 KA 65/03 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 7). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (st. Rspr. z.B. BSG Urt. v. 19.06.1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 35).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 SGB V, hier für die Quartale bis einschließlich IV/2003 i.d.F. des GKV-Gesundheitsreformgesetzes (GRG) 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) und für das Quartal I/2004 in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190). Zutreffend wurde kein Prüfverfahren zur Feststellung eines "sonstigen Schadens" im Sinne von § 48 BMV-Ä durchgeführt, denn im Fall von Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der GKV nicht eingehalten haben, ist ein Arzneimittelregress durchzuführen (vgl. BSG Urt. v. 05.05.2010 – B 6 KA 5/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 28).
Nach § 106 Abs. 2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung der Richtgrößen nach § 84 SGB V (Satz 1 Nr. 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (Satz 1 Nr. 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Die im streitgegenständlichen Zeitraum gültige Prüfvereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.), der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden, und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 11.06.2002 ermächtigte auch zu Einzelfallprüfungen ("Prüfung in besonderen Fällen" gemäß § 11 der Prüfvereinbarung).
Einzelfallprüfungen sind alle Überprüfungen der Behandlungs- und Verordnungsweise, die nicht an dem allgemeinen Vergleich mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe ansetzen, sondern einen direkten Bezug zu dem tatsächlichen (konkreten) Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des geprüften Arztes haben (BSG Beschl. v. 03.11.2010 – B 6 KA 35/10 B, juris). Solche Prüfungen sind insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl daher rechtmäßig –, wenn wie hier das individuelle Vorgehen eines Arztes (bzw. ambulant tätigen Krankenhauses) in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s. BSG Urt. v. 27.06.2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17; BSG Urt. v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Dem Bescheid des Beklagten ist (noch) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.
Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V i.V.m. § 11 der Prüfvereinbarung sind nicht erfüllt. Die Versicherte hatte vorliegend Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament Cetrotide&61650;. Hat der erkrankte Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel, so darf wegen der Verordnung dieses Medikaments kein Regress gegen den verordnenden Arzt festgesetzt werden.
Nach § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Das verordnete Medikament Cetrotide&61650; ist ein zugelassenes Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Es ist apothekenpflichtig und nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen. Es wurde allerdings außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs verabreicht. Nach der Herstellerinformation ist es zugelassen zur Verhinderung eines vorzeitigen Eisprungs bei Patientinnen, die sich einer kontrollierten ovariellen Stimulation, gefolgt von Eizellentnahme und Techniken der assistierten Reproduktion unterziehen. Das Medikament wurde im Fall der Versicherten zur Behandlung ihrer Tumorerkrankung angewendet. Damit handelt es sich um einen Off-Label-Use.
Ein Off-Label-Use ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht das Verfahren nach dem AMG durchlaufen wird, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG müssen für einen zulässigen Off-Label-Use (1.) eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (d.h. eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf (2.) keine andere – zugelassene – Therapie verfügbar sein, und (3.) aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (so z.B. BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16; BSG Urt. v. 05.05.2010 – B 6 KA 6/09 R, B 6 KA 20/09 R und B 6 KA 24/09 R, jeweils juris). Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16). Das Erfordernis der Aussicht auf einen Behandlungserfolg umfasst dabei nicht nur die Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels, sondern schließt auch ein, dass mit der Medikation keine unvertretbaren Nebenwirkungen und Risiken verbunden sein dürfen. Gerade die Notwendigkeit der Analyse und Gewichtung eventueller unzuträglicher Nebenwirkungen ist ein zentrales Element des Überprüfungsstandards, auf den die Neugestaltung des AMG vom 24.08.1976 ausgerichtet ist, deren Konzeption ihren Ursprung in den Erfahrungen der 1960er Jahre mit den nicht ausreichend analysierten Nebenwirkungen von Contergan hat (BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30 mit Verweis auf BR-Drucks 552/74 S 43 und BSG Urt. v. 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21). Soll die Verordnung eines Arzneimittels ausnahmsweise ohne derartige Gewähr der Arzneimittelsicherheit in Betracht kommen, so müssen für diesen Off-Label-Use anderweitig Qualitätsstandards, die dem Einsatz im Rahmen der Zulassungsindikation vergleichbar sind, gewährleistet und hinreichend belegt sein. Dabei muss auch gesichert sein, dass von der Off-Label-Medikation keine unzuträglichen Nebenwirkungen ausgehen; die Patienten sollen vor unkalkulierbaren Risiken geschützt werden (BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30 m.w.N.).
Vorliegend kann offen bleiben, ob die von der Rechtsprechung aufgestellten "Regel"-Voraussetzungen für einen Off-Label-Use erfüllt sind. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen nach der Rechtsprechung des BVerfG (weiterentwickelt durch das BSG) der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das AMG und durch § 135 Abs. 1 SGB V zulässig ist. Das BVerfG hat in Erkrankungsfällen, die als hoffnungslos erscheinen, aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. der daraus abzuleitenden Schutzpflicht entnommen, dass Therapiemethoden, die nach dem AMG oder dem SGB V an sich nicht angewendet werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen doch zulässig sind (seit 01.01.2012 einfachgesetzlich verankert in § 2 Abs. 1a SGB V). Das BVerfG hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet (Beschl. v. 06.12.2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, 49). Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein (Beschl. v. 30.6.2008 – 1 BvR 1665/07, NJW 2008, 3556; daran anknüpfend BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8; BSG Urt. v. 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R, juris; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103; BSG Urt. v. 16.12.2008 – B 1 KN 3/07 KR R, juris; BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Diese Grundsätze haben das BVerfG und das BSG auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine im vorgenannten Sinne lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl. dazu Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8; Urt. v. 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R, juris; Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, erstreckt sich der Versorgungsanspruch des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus – d.h. sowohl bei Fehlen jeglicher Arzneimittelzulassung als auch bei Einsatz außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs – auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s. hierzu BVerfG Beschl. vom 30.06.2008 – 1 BvR 1665/07, NJW 2008, 3556; ebenso z.B. BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103). Dies bedeutet, verglichen mit den "Regel"-Voraussetzungen für einen Off-Label-Use bzw. für eine gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkennungsbedürftige, aber nicht anerkannte Behandlungsmethode, dass – über eine schwerwiegende Erkrankung hinausgehend – eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegen muss. Nur unter dieser Voraussetzung ist das Erfordernis ausreichender Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes des Arzneimittels bzw. der Behandlungsmethode dahin abzuschwächen, dass eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht (BSG Urt. v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170; BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103; BSG Urt. v. 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sind vorliegend erfüllt.
Zur Überzeugung des Senats litt die Versicherte ganz unzweifelhaft an einer lebensbedrohlichen bzw. in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit. Nachdem bei der Versicherten schon im Alter von sechs Jahren ein juveniler Granulosazelltumor des rechten Ovars diagnostiziert und operativ sowie chemotherapeutisch behandelt worden war, trat im August 2000 das erste Rezidiv in Form eines malignen Granulosazelltumors des linken Ovars mit peritonealer Aussaat auf. Trotz chirurgischer Entfernung und vier Zyklen Chemotherapie in Kombination mit Ganzkörperhyperthermie trat im Juli 2001 ein weiteres Rezidiv mit peritonealer Aussaat auf. Es wurden weitere vier Zyklen Chemotherapie durchgeführt. Trotzdem konnte der Tumor nicht kontrolliert werden. Im Januar 2002 zeigte sich ein weiteres abdominales Rezidiv. Es folgte eine weitere lokale Thermo-Chemotherapie. Im Sommer 2002 leiteten die Krankenhausärzte schließlich die palliative Behandlungsphase ein, d.h. ab diesem Zeitpunkt rechneten die Ärzte damit, dass die Krankheit der Versicherten zum Tod führen würde. Damit hatte die Erkrankung unzweifelhaft das Stadium einer akuten Lebensgefahr erreicht. Es handelte sich um eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage im Sinne der Rechtsprechung. Ein Fall, in dem "erst" in einigen Jahren mit dem Tod zu rechnen war (dazu: BVerfG Beschl. v. 06.02.2007 – 1 BvR 3101/06, juris; BVerfG Beschl. v. 06.12.2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; BSG Urt. v. 14.12.2006 – B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8), lag hier ersichtlich nicht vor. Bestätigt wird dies im Übrigen von der MDK-Gutachterin Dr. N.-H. im Gutachten vom 07.03.2003.
Eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung stand nicht zur Verfügung. Auch dies wird von der MDK-Gutachterin im Gutachten vom 07.03.2003 bestätigt. Danach gab es keine Standardtherapie für den Granulosazelltumor im damaligen Krankheitsstadium der Versicherten. Die von der Gutachterin aufgeführten Zytostatika (Trofosfamid, Etoposid und Topotecan) stellten nach ihren eigenen Ausführungen eine "versuchsweise" Therapieoption dar. Im Übrigen kamen diese Substanzen bei der Versicherten zum Einsatz, konnten aber ebenfalls keine Kontrolle über den Tumor herstellen. Die bis Juli 2002 durchgeführte Therapie konnte nach den Angaben der behandelnden Ärzte wegen massiven Nebenwirkungen und psychischer Erschöpfung der Versicherten nicht fortgesetzt werden.
Schließlich lag auch eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vor. Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG Urt. v. 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16). Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden (BSG Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170). Ein kurativer Behandlungserfolg ist nicht erforderlich (vgl. BSG Urt. v. 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30), weder vorausschauend noch rückblickend. Mit der Gabe von Cetrotide&61650; sollte in Kombination mit einer oralen Chemotherapie der Tumor unter Kontrolle gebracht werden, d.h. auf das Fortschreiten der Tumorerkrankung sollte positiv eingewirkt werden. Dabei sollte das Arzneimittel auf die lebensbedrohliche Erkrankung selbst einwirken. Die Gabe von Cetrotide&61650; war nicht (nur) darauf gerichtet, die weiteren Auswirkungen der Erkrankung bzw. ihrer Behandlung abzumildern (dazu: BSG Urt. v. 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Für eine positive Einwirkung der genannten Art lagen hinreichende Indizien vor. Für Indizien, die für eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf sprechen, ist es nicht erforderlich, dass Studienprotokolle vorliegen. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (BSG Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170). Dies war vorliegend der Fall. Entsprechende Indizien ergaben sich zwar nicht aus der vom Deutschen Krebsregister veröffentlichte Studie zum Einsatz von Cetrotide&61650; bei Ovarialkarzinomen, da diese nicht den Einsatz bei Granulosazelltumoren umfasste. Den behandelnden Ärzten der Versicherten lag jedoch ein Erfahrungsbericht des MD-Anderson-Instituts in Texas vor, wonach das Medikament in einem Fall eines Granulosazelltumors zur Anwendung kam und ein gutes Ansprechen zeigte. Vor dem Hintergrund der notstandsähnlichen Krankheitssituation der Versicherten und den zu erwartenden vergleichsweise geringen Nebenwirkungen (allergische Reaktionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ovarielles Hyperstimulationssyndrom und lokale Reaktionen an der Injektionsstelle; auch bei einer Überdosierung waren akute toxische Effekte unwahrscheinlich) reichte dieser ärztliche Erfahrungsbericht aus.
Bestätigt wird dies im Ergebnis von der Gutachterin des MDK, Dr. N.-H ... Sie befürwortete den vorgenommenen Therapieversuch mit Cetrotide&61650;, auch nochmals zuletzt im Gutachten vom 23.08.2013. Aus medizinischer Sicht erschien auch der Gutachterin der Einsatz von Cetrotide&61650; unter den damals vorhandenen Umständen plausibel. Aufgrund der Kasuistik habe die begründete Aussicht bestanden, mit Cetrotide&61650; einen Behandlungserfolg zu erzielen. Der Ansatz der behandelnden Ärzte sei heikel gewesen, könne medizinisch aber "als quasi letzter Versuch" noch toleriert werden.
Die Einschränkung des MDK, dass der Einsatz von Cetrotide&61650; nur bis Oktober 2002 gerechtfertigt gewesen sei, überzeugt den Senat nicht. Die Gutachterin macht ihre Einschätzung am bisherigen Verlauf der Therapie und der Dosissteigerung auf über 18 mg fest. Die Argumentation der Gutachterin, bereits die Monotherapie im Zeitraum von November 2001 bis Januar 2002 habe keinen Erfolg gebracht, weshalb die erneute Gabe von Cetrotide&61650; nicht nachvollziehbar sei, hält der Senat vor dem Hintergrund ihrer eigenen Ausführungen, dass eine Kombinationstherapie bessere Effekte erzielen könne, nicht für schlüssig. Dies gilt auch mit Blick auf die von der Gutachterin angeführten Inhibin-Werte. Nach Auffassung der Gutachterin zeige der Anstieg des Tumormarkers, dass das Arzneimittel keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf gehabt habe. Zugleich schreibt sie aber auch, dass die biologische Bedeutung nur mittels bildgebender Diagnostik aufzuklären sei. Nach den Angaben im Arztbrief vom 06.11.2002 hatte die bildgebende Diagnostik zu diesem Zeitpunkt gerade keinen Befund ergeben. Die Inhibin-Werte waren zudem nach Phasen von Chemotherapie und Cetrotide&61650;-Therapie regelmäßig rückläufig, was für ein Ansprechen der Therapie sprach. Der ebenso regelmäßige Anstieg des Tumormarkers wurde von den behandelnden Ärzten auf Chemotherapie-Pausen zurückgeführt, die wegen Komplikationen notwendig waren. Außerdem hatte die Versicherte zu diesem Zeitpunkt eine gesteigerte Lebensqualität im Vergleich zur vorhergehenden Therapie, trotz der noch im September 2002 im Rahmen der Pflegebegutachtung festgestellten zeitweisen Bettlägerigkeit. Sie vertrug die Therapie besser, hatte keine schweren Nebenwirkungen und ging zur Schule. Es gab deshalb aus Sicht der behandelnden Ärzte nachvollziehbar keine Veranlassung, die begonnene Kombinationstherapie aus oraler Chemotherapie und Cetrotide&61650; zu beenden. Vor dem Hintergrund der nach Angabe der Ärzte (auch der Kinderärztin) bis zuletzt guten Lebensqualität der Versicherten bestand trotz weiteren Anstiegs des Tumormarkers, was dem in letzter Konsequenz unaufhaltsamen Fortschreiten des Grundleidens geschuldet sein dürfte, weiterhin die auf den Erfahrungsbericht aus den USA gestützte Aussicht, dass die vorhandene spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf auf die Kombinationstherapie mit Chemotherapie und Cetrotide&61650; zurückzuführen und deshalb eine Fortsetzung der Therapie gerechtfertigt war. Ob das relativ lange Überleben und die gute Lebensqualität der Versicherten retrospektiv tatsächlich darauf zurückzuführen ist, ist nicht entscheidend.
Soweit die MDK-Gutachterin in ihrem letzten Gutachten vom 23.08.2013 Vorwürfe in Bezug auf eine "unkritische" Therapiebegleitung erhebt, ergibt sich hieraus kein Grund für einen Arzneimittelregress.
Die Klägerin war demnach verpflichtet, ihrer Versicherten die durchgeführte Therapie mit Cetrotide&61650; auch im streitigen Zeitraum zu erbringen. Sie kann deshalb einen Regress gegen den Beigeladenen zu 7.) nicht beanspruchen. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.) bis 6.) aufzuerlegen, da diese (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 3 GKG. Die Klägerin begehrt eine bezifferte Regressfestsetzung; deren Wert bestimmt die Höhe des Streitwerts.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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