L 3 SB 230/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 4912/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 230/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Bei dem am 22.09.1951 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Freiburg mit Bescheid vom 02.08.2000 zuletzt einen GdB von 40 ab dem 04.05.2000 fest (Widerspruchsbescheid vom 06.09.2000). Es berücksichtigte hierbei die Funktionsbeeinträchtigungen "Durchblutungsstörungen des Herzens, abgelaufener Herzinfarkt und Stentimplantation" mit einem Einzel-GdB von 30 und einen "Funktionsverlust des rechten Auges nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Metallfremdkörper im Augeninneren", entsprechend einem Bescheid der Tiefbauberufsgenossenschaft vom 10.12.1976, mit dem eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v. H. festgestellt wurde, gleichfalls mit einem Einzel-GdB von 30.

Am 30.06.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide der Vergangenheit, am 24.12.2009 die Erhöhung des GdB.

Das Landratsamt A. (LRA) zog daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin, Dr. B., nebst an ihn gerichtete Arztbriefe bei und führte diese einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Der Versorgungsarzt Brummer gab in seiner Stellungnahme vom 08.03.2010 neben den bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen auch eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule" an, für die er einen Einzel-GdB von 10 annahm. Der GdB belaufe sich auf 40. Mit Bescheid vom 12.03.2010 lehnte das LRA den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab. Es führte aus, dass im Bescheid des Versorgungsamtes Freiburg vom 02.08.2000 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Entsprechend der vorliegenden kardialen Leistungsfähigkeit sei ein GdB von insgesamt 40 festzustellen gewesen. Diese Leistungsfähigkeit habe ausweislich des vorliegenden Facharztbefundes auch im Jahr 2003 vorgelegen.

Mit Bescheid vom 15.03.2010 lehnte das LRA auch den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab. Begründend führte es aus, dass eine wesentliche Verschlimmerung im Gesundheitszustand und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht eingetreten sei.

Gegen die Bescheide vom 12. und vom 15.03.2010 erhob der Kläger am 03.04.2010 jeweils Widerspruch, zu deren Begründung er vorbrachte, dass die Herz- Kreislauf- Situation und die vollständige Erblindung des rechten Auges im Rahmen einer Gesamtschau einen GdB von 50 bedingten. Ein solcher sei seit dem 04.05.2000 anzuerkennen. Zur weiteren Begründung legte der Kläger den Entlassungsbericht der Reha-Klinik C vom 08.04.2010 über die dort vom 18.03. bis 08.04.2010 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme vor.

Nach versorgungsärztlicher Überprüfung durch den Versorgungsarzt D. vom 02.06.2010, der empfahl, dem Widerspruch nicht abzuhelfen, wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid des LRA vom 15.03.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010 zurück. Begründend führte der Beklagte aus, dass aufgrund der Anfechtung des Erstfeststellungsbescheides vom 02.08.2000 auch eine Überprüfung nach § 44 SGB X durchgeführt worden sei. Der angefochtene Bescheid vom 15.03.2010 enthalte insofern auch eine stillschweigende Ablehnung einer Überprüfung. Im Gesundheitszustand des Klägers hätten sich jedoch keine Änderungen ergeben, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigten. Auch sei das Recht nicht unrichtig angewandt worden.

Am 24.09.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, mit der er sich im Verfahren S 5 SB 4913/10 gegen den Bescheid vom 12.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2010 wandte und (zunächst) beantragt hat, einen GdB von 50 bereits ab dem 02.08.2000 anzuerkennen. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, ihm gegenüber seien zwei Bescheide bekannt gegeben worden, gegen die zwei Widersprüche erhoben worden seien. Die Vorgehensweise des Beklagten, die Widerspruchsbescheide zusammen zu führen sei nicht zweckdienlich. Vor dem Hintergrund der Augenerkrankung und der Herz-Kreislauf- Situation - er habe einen Vorderwandinfarkt erlitten - sei bereits ab dem 04.05.2000 ein GdB von 50 angemessen.

Ferner hat er am 24.09.2010 Klage gegen den Bescheid vom 15.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2010 erhoben (S 5 SB 4912/10). Dort hat er beantragt, den GdB des Klägers mit wenigstens 60 zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzuerkennen. Begründend hat er vorgetragen, der Gesundheitszustand des Klägers auf kardialem Fachgebiet habe sich verschlechtert. Bei ihm bestünden leichte bis mittelschwere linksventrikuläre Schäden, weswegen ein Gesamt-GdB von 40 nicht nachvollziehbar sei. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu gering bewertet.

Mit Beschluss vom 02.03.2011 hat das SG die Verfahren S 5 SB 4913/10 und S 5 SB 4912/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Beklagte ist den Klagen entgegen getreten und hat hierzu ausgeführt, der Kläger sei anlässlich eines Belastungs-EKG bis zu 100 Watt belastbar gewesen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG den behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. B., schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 02.03.2011 mitgeteilt, dass beim Kläger über die bereits berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen hinaus ein exacerbiertes Facettengelenkssyndrom bestehe.

Das SG hat sodann Dr. E., Facharzt für Innere Medizin, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 08.02.2012 hat Dr. E. mitgeteilt, dass der Kläger anlässlich einer Belastungs-EKG-Untersuchung bis zu 75 Watt belastet werden konnte, ohne das ST-Streckenveränderungen oder typische Angina-pectoris Zeichen aufgetreten seien. Der Abbruch sei wegen subjektiver Luftnot erfolgt. Der Kläger habe im März 2000 einen ausgedehnten Vorderwandinfarkt, der eine PTCA und einen Stent des RIA erforderlich gemacht habe, erlitten. Als Folge habe anfangs eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit einer Ejektionsfraktion (EF) von 25 % bestanden. Diese habe sich im Rahmen der anschließenden Rehamaßnahme auf bis zu 40 bis 45 % verbessert. In Ansehung der vorliegenden Befunde habe im Jahr 2000 ein grenzwertiger Befund vorgelegen, indes sei die Leistungsfähigkeit nicht derart eingeschränkt gewesen, dass ein Einzel-GdB von 40 erreicht worden wäre. Im Jahr 2009 habe sich nach der Instentstenose und dem zusätzlichen Stent die Herzinsuffizienz verschlechtert. Nach dem Rehabericht bestehe eine mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit einer EF von 35 %, eine Vergrößerung des rechten Herzens und eine Mitralinsuffizienz leichten Grades. Diese sei mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Den GdB schätzte Dr. E. insgesamt ab November 2009 mit 50 ein.

Der Beklagte hat, nach Übersendung des Gutachtens, unter dem 12.04.2012 ein Vergleichsangebot des Inhalts abgegeben, den GdB des Klägers ab dem 12.11.2009 mit 50 festzustellen. Hierzu hat Dr. Simon in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2012 ausgeführt, dass sich das Herzleiden des Klägers durch die fortschreitende KHK ab 2009 nachweislich verschlechtert habe. Ein GdB von 40 für das Herzleiden sei vertretbar.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2012 hat der Kläger das Vergleichsangebot als Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen beantragt, den GdB ab dem 12.11.2009 mit 60 festzustellen.

Das SG hat daraufhin, nachdem der Kläger berichtet hatte, er nehme wegen seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden täglich Schmerzmittel ein, Dr. Kohlberg, Facharzt für Orthopädie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 02.10.2012 hat Dr. Kohlberg beim Kläger ein chronisches Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C3/C4 und C4/C5 diagnostiziert und mitgeteilt, dass die Halswirbelsäule lediglich endgradig in der Dimension Reklination eingeschränkt, im Übrigen jedoch frei beweglich sei. Es bestünde kein Anzeichen für eine Wurzelreizsymptomatik. Ferner finde sich eine Minderbelastbarkeit der Rumpfwirbelsäule bei Z.n. Morbus Scheuermann sowie Osteochondrose L1/L2 und TH 12/L1. Die Entfaltbarkeit der Rumpfwirbelsäule sei nach dem Schober`schen Maß von 10/13 nur mässiggradig eingeschränkt. Die Seitneigung sei beidseitig bis zu 30° sowie die Rotation im Sitzen bis zu 40° möglich. Zeichen einer Wurzelreizsymptomatik ausgehend von der LWS seien nicht nachweisbar. Es finde sich insgesamt nur eine geringe Funktionseinschränkung im Bereich der Rumpfwirbelsäule. Insgesamt sei für das Wirbelsäulenleiden maximal ein Einzel-GdB von 10 möglich.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.01.2013 hat das SG sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass mit dem zuletzt allein noch verfolgten Antrag auf Erhöhung des GdB auf 60 seit 2009 die Klage unbegründet sei. Dr. E. habe schlüssig dargelegt, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Herzens mit 40 zu bewerten seien. Es bestehe noch eine mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit einer EF von 35% neben einer Vergrößerung des Herzens und einer Mitralinsuffizienz. Das Wirbelsäulenleiden sei mit einem Einzel-GdB von 10 in Anschluss an das Gutachten von Dr. Kohlberg zu bewerten. Die Halswirbelsäule sei weitgehend frei beweglich und die Rumpfwirbelsäule sei nur mäßiggradig in ihrer Entfaltbarkeit eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 31.01.2013 hat das LRA den GdB des Klägers ab dem 12.11.2009 in Ausführung des Teilanerkenntnisses mit 50 festgestellt.

Gegen den am 12.01.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.01.2013 Berufung eingelegt. Diese wurde trotz Erinnerung des Senats (Schreiben vom 19.03. und 21.05.2013) und zuletzt unter Präklusionsandrohung mit Schreiben vom 21.06.2013 erst mit Schriftsatz vom 12.11.2013 dahingehend begründet, dass der Kläger wegen der Wirbelsäulenerkrankung ungeachtet von Funktionsbeeinträchtigungen laufend ein Schmerzpräparat einnehmen müsse. Im Rahmen eines Verfahrens gegen den Unfallversicherungsträger vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 2534/13 - sei Prof. Dr. F.-G. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Dieser werde, so der Bevollmächtigte des Klägers, entsprechende Feststellungen zur MdE- Bewertung der Wirbelsäule machen. Er, der Bevollmächtigte, bedauere, dass dies (die Mitteilung hierüber) so kurzfristig möglich sei, er habe jedoch die Sache und nicht die Geschwindigkeit der Erledigung im Auge, so dass es sinnvoll sei, das (hiesige) Verfahren ruhen zu lassen.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Januar 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung des Klägers unter Abänderung des Bescheides vom 15. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. September 2010 ab dem 12. November 2009 mit 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 wurden sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch für den Kläger nicht zum Erfolg. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, entscheiden, obschon weder er persönlich noch sein Bevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung am 13.11.2013 erschienen sind. In der Ladung vom 01.10.2013 wurde darauf hingewiesen, dass auch in Abwesenheit des Klägers Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

Der Termin zur mündlichen Verhandlung war auch nicht, wie klägerseits zuletzt beantragt, aufzuheben. Eine Terminsaufhebung erfolgt nach § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur, wenn erhebliche Gründe vorliegen. Solche hat der Klägerbevollmächtigte jedoch bereits nicht vorgetragen.

Auch war das Ruhen des Verfahrens (§ 202 SGG i.V.m. § 251 ZPO) nicht anzuordnen, da der Beklagte einem Ruhen des Verfahrens ausdrücklich entgegen getreten ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, Vor § 114, Rn. 4). Überdies ist nicht ersichtlich, dass ein Ruhen des Verfahrens zweckmäßig ist; die hierzu angeführten potentiellen Ergebnisse einer Begutachtung des Klägers in einem unfallversicherungsrechtlichen Verfahren lassen, jedenfalls dann, wenn bereits nicht vorgetragen wird, zu welchem Beweisthema das dortige Gutachten in Auftrag gegeben wurde, keine Rückschlüsse auf potentielle Implikationen für das hiesige Verfahren zu.

Gegenstand des Verfahrens ist nach dem zuletzt vom Kläger formulierten Antrag nur noch die Höhe des beim Kläger ab November 2009 festzustellenden GdB. Die rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 bereits ab dem Jahr 2000 wurde nicht mehr geltend gemacht, weswegen bereits das SG hierüber zutreffenderweise nicht mehr entschieden hat.

Der Bescheid vom 31.01.2013, mit dem das LRA nach seinen eigenen Ausführungen im Bescheid den Gerichtsbescheid des SG ausgeführt hat, ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da er lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung dem erstinstanzlichen Gerichtsbescheid bzw. dem angenommenen Teilanerkenntnis Rechnung trägt und insofern keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) trifft (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts [BSG] vom 06.01.2003 - B 9 V 77/01 B; Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - jeweils veröffentlicht in juris). Der Bescheid wird hinfällig wenn der Gerichtsbescheid, auf dem er beruht, aufgehoben wird (BSG, Beschluss vom 21.02.1959 - 11 RV 724/58 - veröffentlicht in juris). Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen ab November 2009 mit einem höheren GdB als 50 festzustellen sind.

Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB des Klägers ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind die als Teil B der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die Seitenangabe ist jeweils nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien, die den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) zu entnehmen waren, erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.

In Anlegung dieser Maßstäbe sind die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend mit einem GdB von 50 festgestellt. Die beim Kläger bestehende Herzerkrankung, nach dem Gutachten von Dr. E. eine mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, eine Vergrößerung des rechten Herzes und eine Mitralklappeninsuffizienz kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 40 bewertet werden. Nach Ziffer 9.1.1 der VG ist eine höhergradige Bewertung nur bei Leistungsbeeinträchtigungen bereits bei alltäglicher leichter Belastung und bei Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 50 Watt möglich. Da der Kläger anlässlich der Belastungs-EKG-Untersuchung durch Dr. E. indes bis zu 75 Watt belastet werden konnte, ohne das Ischämiezeichen aufgetreten wären, kann eine Leistungsbeeinträchtigung bei leichter Belastung nicht angenommen werden. Vielmehr ist die Gesundheitsstörung, wie vom SG unternommen, als solche mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung einzustufen, für die ein Einzel-GdB von maximal 40 möglich ist.

Die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 berücksichtigt werden, da sowohl im Halswirbelsäulen- wie im Lendenwirbelsäulenbereich lediglich leichtgradige funktionelle Auswirkungen bestehen. Dr. Kohlberg hat hierzu in seinem Gutachten vom 02.10.2012 von einer weitgehend freien Beweglichkeit der HWS und von einer leichtgradigen Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der LWS berichtet. Über das gesamte Achsenorgan bestanden keine Wurzelreizsymptomatiken und keine Instabilitäten, so dass insgesamt lediglich von einer geringgradigen funktionellen Einschränkung auszugehen ist. Diese ist mit einem Einzel-GdB von 10 einzustellen.

Soweit klägerseits zuletzt mit Schriftsatz vom 12.11.2013 geltend gemacht worden ist, die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seien entgegen der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Kohlberg wegen der tatsächlich bestehenden Wurzelreizsymptomatik mit einem höheren Einzel-GdB zu berücksichtigen, vermag dies keine andere Beurteilung zu bedingen. Dies gründet bereits darin, dass die Einwände gegen die Einschätzung des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. Kohlberg gemäß § 106a Abs. 3 SGG zurückgewiesen werden. Gemäß § 106a Abs. 3 SGG, der gemäß § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren gilt, kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumnis belehrt worden ist. Der Kläger wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 21.06.2013 unter Fristsetzung zum 17.07.2013 aufgefordert, darzulegen, aufgrund welcher berücksichtigten oder nicht berücksichtigten Tatsachen sich der Kläger beschwert fühlt (§ 106a Abs. 2 Nr.1 SGG). Er wurde ferner darauf hingewiesen, dass Erklärungen, die nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückgewiesen werden können. Die Erklärung vom 12.11.2013 erfolgte außerhalb der dem Kläger gesetzten Frist. Da der Rechtsstreit terminiert und entscheidungsreif ist, würde eine Berücksichtigung des Vorbringens die Entscheidung des Rechtsstreits verzögern. Die nicht fristgerechte Vorbringen wurde vom Kläger nicht genügend entschuldigt. Das "außerordentliche Bedauern" des Klägerbevollmächtigten reicht insofern nicht. Der Vortrag, geltend gemachter Druck "seitens einiger Stellen in Deutschland", der zu einem "Arbeitsaufwand in fremdbestimmter Richtung" führe, so dass "manchmal leider nicht anders agiert werden" könne, enthält keinen fallbezogenen, die Fristversäumnis entschuldigenden Inhalt i.S.d. § 106a Abs. 3 Nr. Satz 1 Nr.2 SGG. Vor dem Hintergrund des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 12.07.2013, der auf die Präklusionsandrohung des Senats - ohne eine Fristverlängerung zu beantragen - der Gestalt reagiert hat, dass er die angeforderte Erklärung "in den nächsten Tagen, noch vor dem Urlaub ab dem 08.08.2013 nachreichen" werde, verfestigt sich vielmehr durch das Schreiben vom 12.11.2013 der Eindruck, dass der Klägerbevollmächtigte der irrigen Auffassung zu sein scheint, er könne ihm gesetzte Fristen nach eigenem Belieben ignorieren bzw. verlängern. Wenn der Bevollmächtigte sodann anführt, "einige Stellen in Deutschland" würden "Druck" erzeugen und hätten nur die Geschwindigkeit der Erledigung im Auge, ihm jedoch sei an der Sache gelegen, verkennt er vollständig, dass dem Gericht die Förderung des Prozesses auch in zeitlicher Hinsicht obliegt und auch für ihn, trotz des einzig für sich reklamierten Interesses an der "Sache", die prozessualen Regelungen Anwendung finden.

Der Senat übt das ihm in § 106a Abs. 3 SGG eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass der jetzige Vortrag zurückgewiesen wird. Gründe, die für eine Zulassung sprechen sind dem Senat nicht ersichtlich. Dies gilt insb. vor dem Hintergrund, dass der jetzige Vortrag ohne Weiteres bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, namentlich nachdem das Gutachten dem Kläger übersandt worden war, möglich gewesen wäre. Auch berücksichtigt der Senat, dass der Vortrag offensichtlich zu keiner abweichenden Beurteilung führen kann. Der Anregung, von Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten über die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers einzuholen, ist nicht nachzugehen, weil die vorliegenden Befunde die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung ermöglichen.

Zudem ist im Hinblick auf das klägerische Vorbringen auszuführen, dass die geltend gemachte Notwendigkeit, wegen der Wirbelsäulenerkrankung Schmerzmittel einzunehmen, nur dann zu einer weitergehenden GdB-Bewertung führen könnte, wenn deswegen schmerztherapeutische Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. hierzu Teil A 2. Buchst. i der VG), da in den GdB-Werten der VG die üblicherweise auftretenden Schmerzen berücksichtigt sind (vgl. hierzu Teil A 2. Buchst. i der VG). Da sich der Klägerbevollmächtigte hierzu indes nicht geäußert hat, kann selbst dann, wenn der Vortrag zu berücksichtigen wäre, ein höherer GdB-Wert für die Wirbelsäulenerkrankung nicht angenommen werden.

Der Verlust des Auges des Klägers ist nach dem Bescheid der Tiefbau-BG vom 10.12.1976 - unverändert - mit einem Einzel- GdB von 30 (gerundet nach der MdE von 25) zu berücksichtigen (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).

In Zusammenschau der beim Kläger vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen ist ein GdB von 50 angemessen, aber auch ausreichend.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 10.01.2013 ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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