L 13 AS 5144/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 2340/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5144/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz über verschiedene Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 3 Ziff. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht Reutlingen (SG) hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht der Fall des Abs. 1 des § 86 b SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dient der vorläufigen Einräumung einer bislang noch nicht bestehenden Rechtsposition bzw. der Erweiterung einer bestehenden Rechtsposition. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt hiernach das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Hierzu müssen die dem Anordnungsanspruch und -grund zugrunde liegenden Tatsachen glaubhaft (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung), d.h. überwiegend wahrscheinlich, gemacht sein.

Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz), ist von diesem Grundsatz eine Abweichung nur dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht mehr gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines Verfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, in NVwZ 2005, 927, 928 und in Juris). Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, in NVwZ 2004, 95, 96 und in Juris). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung. Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (Krodel, NZS 2007, 20, 21, m.w.N.).

1.)

Soweit der Antragsteller zuletzt durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13. August 2013 (Bl. 47 der Gerichtsakte) beantragt hat, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, offene Krankenversicherungsbeiträge seit dem 1. Oktober 2011 bis zum 1. Oktober 2012 inklusive der von der Krankenversicherung geforderten Einmalzahlung über 2.157,83 EUR zu übernehmen, fehlt es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund.

Der Senat kann hierbei zunächst offen lassen, ob der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. August 2012, mit dem die Antragsgegnerin die Übernahme eines Prämienzuschlags in Höhe von 2.157,83 EUR abgelehnt hat, mangels form- und fristgerechten Widerspruchs des Antragstellers bestandskräftig geworden ist und ein Anordnungsanspruch bereits aus diesem Grund zu verneinen ist. Selbst wenn man einen aus den Akten nicht ersichtlichen form- und fristgemäßen Widerspruch als gegeben unterstellt, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 108/10 R) ist der Grundsicherungsträger nach dem SGB II verpflichtet, die Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Hälfte des Basistarifes in vollem Umfang zu übernehmen (die andere Hälfte darf der Versicherer nach § 12 Abs. 1 c Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG – von Leistungsempfängern nach dem SGB II nicht verlangen). Dieser Verpflichtung ist die Antragsgegnerin mit den Bescheiden vom 24. Oktober 2012 nachgekommen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Bescheiden vom 24. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2012 bis 31. März 2013 bewilligt. Hierbei hat die Antragsgegnerin einen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 296,44 EUR berücksichtigt. Dies entspricht dem hälftigen monatlich zu zahlenden Basisbeitrag (Bl. 405 Bd. III Verwaltungsakte). Des Weiteren hat die Antragsgegnerin den Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 35,49 EUR gem. § 26 Abs. 2 SGB II berücksichtigt. Das diesbezügliche Vorgehen der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden.

Im Hinblick auf die geltend gemachte Übernahme weiterer Kosten der Krankenkasse durch die Antragsgegnerin hat das SG zutreffend ausgeführt, dass hierfür keine Anspruchsgrundlage besteht. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Übernahme des von der Versicherung des Antragstellers geltend gemachten Prämienzuschlags noch auf Übernahme sonstiger Beitragsrückstände.

In Bezug auf den streitigen Prämienzuschlag ist zunächst anzumerken, dass § 193 Abs. 4 VVG insoweit ausdrücklich die Möglichkeit einer Stundung durch die Krankenkasse vorsieht. Gem. § 193 Abs. 4 S. 5 VVG in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung konnte ein Versicherungsnehmer vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn ihn die sofortige Zahlung ungewöhnlich hart treffen würde und den Interessen des Versicherers durch die Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Mit der zum 1. August 2013 wirksam gewordenen Änderung des § 193 Abs. 4 VVG ist das Erfordernis entfallen, dass den Versicherten die sofortige Zahlung ungewöhnlich hart treffen müsse. Die Voraussetzungen der Stundung sind also noch erleichtert worden. Diese ist auch vorrangig vor der Leistungsgewährung nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen. In einer Situation in der über eine gesetzlich vorgesehene Stundungsmöglichkeit durch die Krankenkasse noch gar nicht entschieden wurde, besteht keine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Grundsicherungsträger.

Hierauf kommt es im Ergebnis allerdings gar nicht mehr an, da nach der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des § 193 Abs. 4 S. 7 und 8 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom Versicherten kein Prämienzuschlag zu entrichten ist, wenn der Vertragsabschluss - wie vorliegend - bis zum 31. Dezember 2013 beantragt wurde. Dies gilt für bis zum 31. Juli 2013 abgeschlossene Verträge für noch ausstehende Prämienzuschläge nach Satz 1 entsprechend. Demgemäß dürfte nach mittlerweile geltender Gesetzlage bereits kein Anspruch der Krankenkasse auf einen Prämienzuschlag gegen den Antragsteller bestehen, so dass der Antragsteller allein schon deswegen auch keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf eine irgendwie geartete Übernahme dieses Prämienzuschlags haben kann.

Beitragsrückstände bei einer Krankenversicherung können auch im Übrigen nicht als unabweisbarer Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II durch die Antragsgegnerin übernommen werden. Nach § 21 Abs. 6 SGB II wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendung Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Im Hinblick auf die geltend gemachten Übernahme des Prämienzuschlags handelt es sich - wie das SG zutreffend dargelegt hat - bereits nicht um einen laufenden Bedarf im Sinne eines regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs (vgl. Düring in Gagel, § 21 SGB II, Rn. 46), sondern um einen einmaligen besonderen Bedarf. Auch sonstige Beitragsrückstände aus der Vergangenheit stellen keinen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs.6 SGB II dar, sondern bilden ebenfalls einen einmaligen Bedarf.

Selbst wenn man demgegenüber § 21 Abs. 6 SGB II so versteht, dass (auch) laufende Bedarfe aus einem in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum erfasst werden (so Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - S 55 AS 1910/11 ER - juris), liegt zumindest kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Leistungsansprüche hilfebedürftiger Personen gegen ihre private Krankenversicherung auch im Fall von Beitragsrückständen nicht ruhen. Bei hilfebedürftigen Versicherten im Sinne des SGB II, zu denen der Antragsteller jedenfalls durch die Bewilligung von Leistungen ab April 2012 wieder gehört, tritt nämlich kein Ruhen des Vertrages ein (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Januar 2012, Az.: L 5 AS 455/11 B ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Mai 2012, Az.: L 25 AS 931/12 B ER - juris). Gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung endet das Ruhen, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird. Diese Regelung wurde mit Wirkung zum 1. August 2013 dahingehend abgeändert, dass ein Ruhen des Vertrages nicht eintritt oder (das Ruhen) endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird. Damit hat der Gesetzgeber die bis dahin in der Rechtsprechung streitige Frage, ob ein Ruhen des Vertrages auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Beitragsrückstände bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit entstehen (vgl. zum Streitstand LSG Niedersachsen - Bremen, Beschluss vom 9. November 2010, Az.: L 8 SO 28/10 B ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Mai 2012, Az.: L 25 AS 931/12 B ER, m.w.N.), eindeutig zu Gunsten der Versicherten geklärt. Tatsächlich ruht daher der Versicherungsvertrag des Antragstellers nicht. Daher kann aber auch kein unabweisbarer Bedarf und im Übrigen auch keine Eilbedürftigkeit angenommen werden. Es ist dem Antragsteller vielmehr zuzumuten gegenüber seiner Krankenkasse geltend zu machen, dass seine Versicherungsleistungen nicht ruhen (ebenso: LSG Nordrhein - Westfalen, Beschluss vom 7. Juni 2013, Az.: L 12 AS 751/13 B ER, Juris).

Im Übrigen scheidet aus diesem Grund auch eine darlehensweise Übernahme der Beitragsrückstände bei der Krankenkasse durch die Antragsgegnerin aus. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erbringt die Antragsgegnerin bei entsprechendem Nachweis einen Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II scheidet vorliegend als Anspruchsgrundlage aus, weil es sich bei den geltend gemachten Beitragsschulden weder um einen vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassten Bedarf (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. August 2011, Az.: L 7 AS 1953/11 ER-B; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Mai 2012, Az.: L 25 AS 931/12 B ER) noch um einen unabweisbaren Bedarf handelt.

Aus den oben genannten Gründen liegt bezüglich der Beitragsrückstände bei der Krankenkasse auch kein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit vor.

2.)

Soweit der Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 9. Oktober 2013 geltend gemacht hat, ihm drohe Ordnungshaft oder ein Bußgeld wegen Beitragsrückständen in der Pflegeversicherung, ist auch dieser Vortrag nicht geeignet, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu begründen. Der Antragsteller hat ein Schreiben des Landratsamtes R. vorgelegt, wonach er sich mit sechs Monatsprämien der Pflegeversicherung für die Zeit vom Februar bis Juli 2013 in Rückstand befindet. Bei dem diesbezüglichen Schreiben vom 2. Oktober 2013 handelt es sich um ein Erinnerungsschreiben, nachdem der Antragsteller auf die vorausgegangene Anhörung offenbar nicht reagiert hatte. Es kann dahinstehen, ob und ggf. wie es trotz laufender Leistungsbewilligung zu einem Beitragsrückstand in der Pflegversicherung kommen konnte, da es auch in diesem Punkt jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt. Eine Kündigung des Pflegeversicherungsvertrags seitens der Versicherungsunternehmen ist gemäß § 110 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) ausgeschlossen (vgl. Beschluss des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 4. Januar 2012, Az: L 5 AS 455/11 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. August 2010, L 16 AS 449/10 B ER, juris). Die vom Antragsteller befürchtete Auferlegung von Bußgeldern bei Nichtentrichtung der Beiträge für die privaten Pflegeversicherungen erachtet der Senat als nicht plausibel. Nach § 121 Abs. 1 Ziffer 6 SGB XI handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pflegeversicherung in Verzug gerät. Vorsatz und Leichtfertigkeit sind subjektive Tatbestandsmerkmale. Vorsatz setzt das Wissen und Wollen einer unterlassenen Beitragszahlung voraus, Leichtfertigkeit liegt vor, wenn insoweit ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind. Ordnungswidrig i.S.v. § 121 SGB XI handelt demnach nicht, wer mangels finanzieller Mittel - und somit ungewollt - die Beitragszahlungen unterlassen hat (vgl. Beschluss des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 4. Januar 2012, Az: L 5 AS 455/11 B ER; Wagner in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XI, K § 121 Rdnr. 12). Letzteres wurde ja vom Antragsteller im Verfahren vor dem SG und auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend gemacht. Es obliegt allein dem Antragsteller diesen Sachverhalt auch gegenüber der Bußgeldbehörde plausibel darzutun.

3.)

Soweit der Antragsteller durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 13. August 2013 (Bl. 47 der Gerichtsakte) beantragt hat, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, "ALG 2-Beträge und Mietkostenzuschüsse" für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 1. Oktober 2012 zu übernehmen, ist zunächst anzumerken, dass Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in der Regel ab Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht, mithin frühestens ab dem 20. August 2012, zuzusprechen sind. Einen finanziellen Nachteil für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens auszugleichen, ist nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens.

Dem Beschwerdebegehren, Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 19. August 2012 zu erhalten, ist daher bereits deswegen der Erfolg zu versagen, da es insoweit an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens, fehlt. Eine Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit kommt nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn die Nichtgewährung in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage bewirkt (Keller in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b, Rn. 35a). Einen derartigen akuten Nachholbedarf hat der Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht.

Insbesondere der zuletzt im Schreiben des Antragstellers vom 2. Januar 2013 und hiernach nicht mehr näher thematisierte Vortrag, er habe Mietschulden und ihm sei die Wohnung durch den Vermieter gekündigt worden, was (möglicherweise) zu einer Räumung führen könnte, begründet in dieser Form zur Überzeugung des Senats weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers ist eine Kündigung des Wohnraums nicht aktenkundig. Selbst wenn man diese jedoch als gegeben unterstellt, ist aktuell eine tatsächlich drohende Wohnungslosigkeit nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsteller hat vielmehr Unterlagen vorgelegt, denen sich entnehmen lässt, dass der Vermieter gerichtlich eine Forderung aus dem Mietverhältnis in Höhe von 3.426,90 EUR gegen den Antragsteller geltend macht (vgl. Bl. 64 - 66 der Akte S 5 AS 2340/12 ER). Ein tatsächlich akut drohender Verlust der Wohnung, etwa wegen einer erhobenen oder zumindest unmittelbar bevorstehende Räumungsklage, ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Trotz expliziter Aufforderung des Senats vom 29. Juli 2013, die Gründe für die jeweils geltend gemachten Leistungen näher darzulegen, hat der Antragsteller sich zum Thema Mietschulden in den darauffolgenden Schreiben vom 13. August 2013 und 9. Oktober 2013 nicht mehr geäußert. Zum jetzigen Zeitpunkt kann daher nicht von einer drohenden Wohnungslosigkeit ausgegangen werden, die einen Anordnungsanspruch nach § 22 Abs. 8 SGB II sowie eine Anordnungsgrund auslösen könnte (vgl. zum Anordnungsgrund: LSG Nordrhein - Westfalen Beschluss vom 7.6.2013, Az.: L 12 AS 751/13 B ER; LSG Nordrhein - Westfalen Beschluss vom 20.03.2012 - L 12 AS 352/12 B ER - m. w. N.). Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragsgegnerin über einen Antrag des Antragstellers auf Übernahme von Mietschulden noch gar nicht entschieden hat, besteht daher jedenfalls nach aktueller Faktenlage kein diesbezüglicher Anordnungsgrund.

Im Hinblick auf die ab Antragstellung beim SG begehrten Leistungen, mithin für die Zeit vom 20. August 2012 bis 1. Oktober 2012, ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit den Bescheiden vom 24. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2012 bis 31. März 2013 bewilligt hat. Bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung des Antrags auf Leistungen für diesen Zeitraum, ist daher davon auszugehen, dass sich der Antragsteller insoweit gegen die in der Bewilligung enthaltene Anrechnung von monatlichem Einkommen wendet und höhere Leistungen begehrt. Die Antragsgegnerin hat in dem Bescheid vom 24. Oktober 2012 bei der Leistungsbewilligung für die Zeit von April 2012 bis August 2012 ein monatliches Einkommen von 360,11 EUR berücksichtigt. Ob diese Anrechnung zu Recht erfolgt ist, wird vom SG im Verfahren Az.: S 5 AS 1241/12 zu klären sein. In Anbetracht der Tatsache, dass jedenfalls ab dem 1. September 2012 keine Anrechnung von Einkommen mehr erfolgt ist, vermag der Senat auch in diesem Punkt keine besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen.

4.)

Gleiches gilt auch für die vom Antragsteller beantragte einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme von Reisekosten in Höhe von 346,00 EUR sowie zur einstweiligen Erbringung von Leistungen für die Zeit bis zum 1. Oktober 2011. Hierbei handelt es sich um Leistungen für die Vergangenheit, die - wie bereits dargelegt - grundsätzlich nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemacht werden können.

5.)

Soweit der zu dieser Zeit noch anwaltlich vertretene Antragsteller mit Schriftsatz vom 13. August 2013 zuletzt beantragt hat, die Versagung ab dem 1. April 2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten auch ab dem 1. Oktober 2012 zu leisten, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 24. Oktober 2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2012 bis 31. März 2013 bewilligt hat und damit diesen Begehren bereits entsprochen hat, so dass für die gestellten Anträge keinerlei Rechtsschutzbedürfnis erkennbar ist.

6.)

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt, da keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO bestand.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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