Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5379/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1519/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Unfall der Klägerin vom 17.05.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die 1973 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt beim Staatstheater S. als Opernsängerin (Solistin) beschäftigt. Am 17.05.2010 gegen 14.40 Uhr stürzte die Klägerin an der Stadtbahnhaltestelle V. Straße beim Herabgehen der Treppe und zog sich dabei eine trimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts zu (vgl. Durchgangsarztbericht von PD Dr. L. Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am M. Stuttgart, vom 31.05.2010). Die Klägerin wurde vom 17.05. bis 27.05.2010 stationär im M. Stuttgart behandelt, wo auch die operative Versorgung vorgenommen wurde. Vom 12.06. bis 14.08.2010 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren im Gesundheitszentrum Saarschleife, aus dem sie als noch arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Kosten für die Behandlungsmaßnahmen trug die Beklagte und gewährte der Klägerin ab 28.06.2010 Verletztengeld. Ab 17.01.2011 war die Klägerin wieder arbeitsfähig und nahm nach ihrem Urlaub vom 18.01. bis 24.01.2011 ihre Arbeit wieder auf.
Der Sicherheitsingenieur der Staatstheater Stuttgart gab am 20.05.2010 (nach Telefonat mit der Klägerin) gegenüber der Beklagten an, die Klägerin habe am 17.05.2010 (ca. 13.00 bis 13.45 Uhr) einen Termin mit der Produktionsleitung der Staatsoper S. gehabt. Auf dem Heimweg über die Autowerkstatt, wo sie das Auto abgestellt habe, sei die Weiterfahrt mit der U-Bahn geplant gewesen, wo der Sturz auf der Treppe erfolgt sei.
Die Klägerin selbst gab am 21.05.2010 an, sie habe am 17.05.2010 um 10.30 Uhr ihre Wohnung verlassen und um 11.00 Uhr mit der Arbeit begonnen. Die Arbeitsstätte habe sie um 14.00 Uhr verlassen, um ein Mittagessen einzunehmen und nebenbei eine Besorgung (Auto zur Werkstatt bringen) zu machen. Das Ende der Arbeitszeit wäre am Unfalltag um 18.00 Uhr gewesen.
In der Unfallmeldung der Staatstheater vom 01.06.2010 führte die Klägerin wörtlich aus: "Um 14.00 Uhr habe ich Mittagspause gemacht, indem ich die Staatsoper verlassen habe und mit dem Auto nach Stuttgart-Möhringen in die V. Straße gefahren bin. Dort habe ich ein Mittagessen zu mir genommen und mein Auto um 14.30 Uhr in die Werkstatt gebracht. Dann bin ich zu Fuß zur Stadtbahn-Station V. Straße gegangen und wollte gegen 14.40 Uhr die Stadtbahn zurück zur Oper nehmen ... Eigentlich wollte ich um 15.00 Uhr wieder in der Staatsoper sein, um bis 18.00 Uhr im Klavierzimmer weiter an verschiedenen Partien zu arbeiten". Weiter gab sie an, der Weg in die Mittagspause habe nicht dem gewöhnlichen Weg "Wohnung - Arbeitsstätte" entsprochen. Sie habe den Weg gewählt, um ein Mittagessen einzunehmen und nebenbei eine Besorgung zu machen. Sie habe ihr Auto in die Werkstatt gebracht.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin unter dem 26.09.2010 mit, sie habe keine geregelten Arbeitszeiten und keine geregelte Mittagspause. Wegen verschiedener Proben- und Spielstätten sowie aus Gewohnheit nehme sie an verschiedenen Orten ihre Mittagsmahlzeiten ein. Am Unfalltag habe sie ihr Mittagessen in der Gaststätte Rosenau, V. Straße 90, 70567 Stuttgart eingenommen. Das Autohaus L. befinde sich in der V. Straße 91, 70567 Stuttgart. Am Unfalltag habe sie geplant, ihr Auto gegen 14.30 Uhr in der Autowerkstatt abzugeben. Ob dies tatsächlich um 14.30 Uhr gewesen sei, könne sie nicht sagen. Nachdem sie das Auto abgegeben habe, sei sie in die Gaststätte gegangen, um ein schnelles Mittagessen einzunehmen. Danach sei sie zur Stadtbahnstelle gegangen, wo der Unfall passiert sei.
Das Staatstheater S. teilte mit Schreiben vom 04.03.2011 mit, das eigenständige Partien-studium der Solisten sei als Arbeitszeit anzusehen. Eine feste Arbeitszeitregelung habe für die Klägerin aufgrund ihres Vertrages nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 01.04.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da die Klägerin zum Unfallzeitpunkt keine nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht. Zur Begründung führte sie aus, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt aus privaten und eigenwirtschaftlichen Gründen unterwegs gewesen und habe keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Zwar stehe es einem Versicherten frei, wo er die Nahrung aufnehme. Dies gelte aber nur unter der Voraussetzung eines mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziels. Wenn der Versicherte aber zum Zwecke des besseren Kennenlernens der großräumigen Umgebung seines Beschäftigungs- und Wohnortes oder um eine private Besorgung zu verrichten (Abgabe des Kfz im Autohaus) entsprechende Gaststätten aufsuche, obwohl ihm für die reine Nahrungsaufnahme in der näheren Umgebung seiner Arbeitsstätte (Staatstheater Stuttgart) gleichartige Möglichkeiten in größerer Anzahl zur Verfügung stünden, liege die Annahme nahe, dass er im Zeitpunkt nicht wesentlich im betrieblichen Interesse, sondern aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterwegs gewesen sei. Danach sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht gesetzlich unfallversichert gewesen, da es in der Nähe der Staatsoper Stuttgart bzw. des Staatstheaters Stuttgart unzählige Möglichkeiten für die Einnahme der Mittagsmahlzeit gebe. Wie die Klägerin selbst angegeben habe, sei sie gerne auf der Suche nach "Neuem" gewesen und habe sich so die Stadt, in der sie momentan aufgrund des bestehenden Engagement gelebt habe, erschließen wollen. Deshalb nehme sie die Mittagsmahlzeit an vielen verschiedenen Orten ein. Für diesen Hintergrund sei der in Zusammenhang mit dem Besuch der Gaststätte Rosenau in Stuttgart-Möhringen zurückgelegte wesentlich weitere Weg als nicht wesentlich für die Einnahme der üblichen Mittagsmahlzeit anzusehen. Der Weg sei vielmehr zurückgelegt worden, um das Stadtgebiet besser kennen zu lernen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer gemischten Tätigkeit bestehe kein Unfallversicherungsschutz. Ein Abgrenzungskriterium dafür, ob eine Tätigkeit auch wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sei, sei, ob der Weg hypothetisch auch dann zurückgelegt worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre. Dies sei nach den durch die objektiven Umstände gestützten Vorstellungen des Verunglückten zu beurteilen. Hier müsse festgestellt werden, dass der Weg von der Staatsoper S. nach Stuttgart-Möhringen am 17.05.2010 nicht zurückgelegt worden wäre, wenn die Klägerin nicht einen Termin in der Autowerkstatt des Autohauses Lutz gehabt hätte. Auf dem Rückweg zur nächstgelegenen Stadtbahnhaltestelle sei die Klägerin an der Gaststätte R. vorbeigekommen. Dort habe sie - im Vorübergehen - nach eigenen Angaben nur ein "schnelles Mittagessen" eingenommen. Da der Weg nicht zurückgelegt worden wäre, wenn es den Termin in der Autowerkstatt nicht gegeben hätte, liege keine versicherte gemischte Tätigkeit vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 21.04.2011 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte selbst habe ihr nach dem Unfall in einem Telefonat, in dem sie ihren Unfalltag geschildert habe, erläutert, dass sie auf ihrem Weg nach dem Mittagessen zur Staatsoper versichert gewesen sei. Die von ihr angegebenen Zeiten seien geschätzte Zeiten. Auch habe sie das Mittagessen nicht im "Vorbeigehen" eingenommen, sondern dabei gesessen. Ebenfalls sei die Aussage, sie habe einen Termin in der Werkstatt gehabt, nicht zutreffend. Es habe keinen ausdrücklichen Termin gegeben, an dem sie in der Werkstatt hätte sein müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie ihr Fahrzeug vor Einnahme ihrer Mittagsmahlzeit beim Autohaus Lutz in der Nähe der Gaststätte Rosenau abgegeben habe, habe der zurückgelegte Weg wesentlich der Essenseinnahme gedient, da nicht vorrangig oder überwiegend eigenwirtschaftliche Interessen im Vordergrund gestanden hätten. Es sei ihr primär um die Einnahme des Mittagessens gegangen. Wie bereits dargelegt suche sie öfters Orte zur Einnahme des Mittagsessens auf, die weiter von ihrem Arbeitsort entfernt seien. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass sie sich bei dem konkreten Unfall bereits auf dem Rückweg und dem direkten Weg zu ihrem Arbeitsort befunden habe und allgemein anerkannt sei, dass nach Rückkehr auf den versicherten Arbeitsweg ein etwaiger Abweg, der aufgrund einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gewählt werde, der Versicherungsschutz wieder auflebe.
Die Beklagte hat erwidert, bei dem Ereignis vom 17.05.2010 habe es sich nicht um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt. Der Weg von der Staatsoper Stuttgart nach Stuttgart-Möhringen wäre nicht zurückgelegt worden, wenn die Klägerin nicht ihr Auto in der Werkstatt in Stuttgart-Möhringen hätte abgeben wollen. Da vorliegend objektiv betrachtet in Bezug auf die Autofahrt nach Stuttgart-Möhringen nichts für eine versicherungsbezogene bzw. berufliche Handlungstendenz spreche, liege auch keine gemischte Tätigkeit vor. Vielmehr sei der Weg nach Stuttgart-Möhringen dem unversicherten privaten Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen. Sei der Hinweg zu einer konkreten Verrichtung unversichert, könne nichts anderes für den Rückweg, auf dem es am 17.05.2010 zum Unfall gekommen sei, gelten. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen.
Mit Urteil vom 21.02.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2011 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin am 17.05.2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den für das SG glaubhaften Angaben der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Klägerin am Unfalltag ihren Arbeitsplatz in der Staatsoper S. gegen 14.00 Uhr mit dem PKW verlassen hat, um in der ihr bekannten Gaststätte zu Mittag zu essen und dabei ihren PKW beim Autohaus L., das nur etwa 200 Meter von der Gaststätte Rosenau entfernt gelegen und bei dem die Klägerin seit Jahren Kundin gewesen sei, zur Durchführung eines Reifenwechsels abzugeben. Das SG gehe davon aus, dass die Klägerin, wie sie mit Schreiben vom 26.09.2010 (abweichend gegenüber ihrer ersten Stellungnahme vom 01.06.2010) und auch im Klageverfahren angegeben habe, zunächst ihren PKW abgegeben, dann die Gaststätte Rosenau zur Einnahme des Mittagsessens aufgesucht und nach Verlassen der Gaststätte auf dem Weg zur U-Bahn den streitgegenständlichen Arbeitsunfall erlitten habe. Dieser Geschehensablauf sei aus Sicht der Kammer auch deshalb als erwiesen anzunehmen, weil das Aushaus L. weiter von der U-Bahn-Haltestelle V. Straße entfernt liege als die Gaststätte R. und insofern unter Berücksichtigung der Parkplatzsituation ein umgekehrter Geschehensablauf nicht lebensnah wäre. Daher stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin auf dem Rückweg von der Essenseinnahme in der Gaststätte Rosenau verunglückt sei. Nach Überzeugung des SG sei der wesentliche Grund für die Fahrt in die V. Straße die Einnahme des Mittagessens und nicht die Abgabe des PKW gewesen. Auch wenn die Klägerin nur ein kurzes Mittagessen eingenommen habe, so sei die zeitliche Inanspruchnahme dafür wesentlich größer gewesen, als das bloße Abgeben des Fahrzeugs im Autohaus L. zwecks Reifenwechsels. Insofern sei die Verbindung zwischen der Fahrt zur Esseneinnahme in der Gaststätte R. mit dem Abgeben des PKW beim Autohaus Lutz, auch weil beide Gebäude lediglich etwa 200 Meter auseinander lägen, nicht dazu geeignet, die Wesentlichkeit der durch die Beschäftigung bedingten Motivation mit dem Ziel der Einnahme eines Mittagessens für das Zurücklegen des Unfallweges zu verneinen. Das SG sehe sich insoweit auch in Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, in dem das BSG entschieden habe, dass das Zurücklegen eines Weges durch ein in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort, der Wohnung der Freundin, das Mittagessen mit dieser gemeinsam einzunehmen, (vor allem) um seine Arbeitskraft zu erhalten, unfallversicherungsgeschützt sei. Dies sei vom BSG angenommen worden, weil selbst bei einer Fahrzeit von 18 Minuten und einer für die Essenseinnahme nur noch zur Verfügung stehenden Zeit von 12 Minuten (bei halbstündiger Pause) nicht zwingend davon auszugehen sei, dass die durch die Beschäftigung bedingte und in sachlichem Zusammenhang begründete Handlungstendenz in den Hintergrund trete. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 13.03.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.04.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass SG werte in seiner Entscheidung die Essenseinnahme in der Gaststätte R. als handlungsbestimmend. Auch wenn man den vom SG angenommenen Sachverhalt zugrunde lege, werte das Gericht den Unfall rechtlich unzutreffend als versicherten Wegeunfall. Vorliegend sei von folgendem Zeitablauf auszugehen: 1. Weg von der Staatsoper zum Autohaus L. 20 Minuten Fahrzeit. 2. Abgabe Kfz beim Autohaus L. (inklusive Abgabe Kfz Schein/Schlüssel) 5 Minuten 3. Weg zur Gaststätte bei Überquerung der stets stark befahrenen V. Straße an der nächstgelegenen Ampel 4 Minuten. 4. Weg von der Gaststätte erneut auf die gegenüberliegende Straßenseite auf die Treppe hinunter zur Stadtbahnhaltestelle 4 Minuten. Hier sei anzumerken, dass auf der Straßenseite der Gaststätte ein direkter Fahrstuhl zum Bahnsteig bestehe. 5. Fahrt zurück mit der Stadtbahn 16 Minuten bis zum Schlossplatz bzw. 17 Minuten bis zum Bahnhof je nach Wegvariante. Hinzu kommen 4 Minuten bis zur Staatsoper. Danach verblieben noch ca. 6 Minuten für das kurze Mittagessen in der Gaststätte. In der hier vorliegenden Fallgestaltung sei das zeitliche Verhältnis zwischen Fahrzeiten (85 bis 90 % und Essenszeiten (10 bis 15 %) nicht annähernd erreicht. Damit habe die nach Angaben der Versicherten nur bei Gelegenheit erfolgte Kfz-Abgabe bei ihrem Stamm-Autohaus auch aufgrund der komplexeren Weggestaltung den Erholungszweck des nur noch kurzen Mittagessens in den Hintergrund gedrängt. Dadurch sei der den Versicherungsschutz begründende sachliche Zusammenhang nicht gegeben, so dass ein versicherter Wegeunfall nicht vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie erwidert, das SG habe zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass sie am 17.05.2010 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Soweit ein vermeintlicher Widerspruch in ihren Angaben festzustellen sei, rühre dies daher, dass der Sachbearbeiter der Beklagten, mit dem sie nach ihrem Unfall telefoniert habe, darauf hingewiesen habe, dass sie nicht vergessen solle, anzugeben, dass sie zum Mittagessen gegangen sei. Aus diesem Grund habe sie in ihren Erstangaben vom 01.06.2010 das Mittagessen an die erste Stelle gestellt, ohne zeitliche Chronologie, um den ihr genannten wichtigen Punkt hervorzuheben. Sie habe nicht behauptet, dass sie das Auto danach in die Werkstatt gebracht habe. In der Folgezeit habe sie immer wieder darauf hingewiesen, dass sie zuerst zur Werkstatt gegangen sei und dann zum Mittagessen. Laut Routenplaner Falk dauere die Fahrtstrecke von der Staatsoper zum Autohaus L. 15 Minuten. Im Übrigen arbeite eine Opernsängerin nicht mit der Stechuhr. Die Zeitangaben seien daher nicht minuziös zu sehen. Es sei daher gut möglich, dass sie bereits um 14.15 Uhr beim Autohaus gewesen, den Schlüssel abgegeben habe, was nicht mehr als 2 bis 3 Minuten in Anspruch nehme, die Straße überquert habe, um zur Gaststätte zu gelangen, um dort ein kurzes schnelles Mittagessen einzunehmen. Sie habe auch nicht angegeben, dass sie um 15.00 Uhr in der Staatsoper habe sein müssen, sondern dass sie im Klavierzimmer an verschiedenen Partien habe arbeiten wollen. Hätte das Essen länger gedauert, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, eine spätere Stadtbahn zu nehmen. Nach alledem sei dem Urteil des SG zu folgen, das in Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 27.10.2010 stehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist jedoch nicht zu beanstanden, da die Klägerin Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Feststellung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin auf dem Rückweg von der Essenseinnahme in der Gaststätte Rosenau einen versicherten Wegeunfall erlitten hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass es für den Versicherungsschutz der Klägerin unschädlich ist, dass sie während der Mittagspause nicht nur gegessen, sondern auch noch ihr Auto zwecks Reifenwechsel in der Werkstatt, die sich in der Nähe der Gaststätte befindet, in der die Klägerin gegessen hat, abgegeben hat. Zwar ist das Aufsuchen der Werkstatt eigenwirtschaftlich. Dies schließt den Versicherungsschutz für den Weg von der Arbeitsstätte zu dieser eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und von hier zurück zur Arbeitsstätte nur dann aus, wenn diese der wesentliche Zweck des Weges ist. Das ist jedoch im Allgemeinen bei Wegen, die ein Versicherter in der Mittagspause zurücklegt, um das Mittagessen einzunehmen, nicht der Fall (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 66). Der Zweck des Weges der Klägerin vom Opernhaus zur Gaststätte Rosenau und zurück zum Opernhaus diente damit nicht in erster Linie eigenwirtschaftlichen Zwecken, sondern betrieblichen Zwecken, da die Klägerin nach dem Mittagessen ihre versicherte Tätigkeit, das Arbeiten an verschiedenen Partien im Klavierzimmer, wieder aufnehmen wollte. Der Umstand, dass sie in der nahe zur Gaststätte Rosenau gelegenen Kfz-Werkstatt ihr Auto zum Reifenwechsel abgegeben hat, führt nicht dazu, darin den wesentlichen Zweck des Weges zu sehen, da die Abgabe eines Autos innerhalb weniger Minuten von Statten geht und üblicherweise wesentlich weniger Zeit in Anspruch nimmt, als die Einnahme eines Mittagessens. Da die Klägerin auch keine festgelegten Pausenzeiten hatte und ihre Arbeitszeit frei einteilen konnte, belegt der Umstand, dass sie ihr Mittagessen – nach ihren Angaben – innerhalb kurzer Zeit angenommen hat, nicht, dass dieses nicht der wesentliche Zweck der Fahrt nach Stuttgart-Möhringen zur Gaststätte R. gewesen ist. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin gegebenenfalls eine andere Gaststätte ausgewählt hätte, wenn sie nicht die Absicht gehabt hätte, ihr Auto in der ihr bekannten Werkstatt abzugeben. Denn die Klägerin war nicht gezwungen, in der Nähe der Staatsoper ihr Mittagessen einzunehmen, um ihren Versicherungsschutz nicht zu verlieren, wie sich auch aus dem Urteil des BSG vom 27.04.2010 – B 2 U 23/29 – in Juris ergibt. Der Umstand, dass die Klägerin eine Fahrzeit von 15 oder 20 Minuten in Kauf genommen hat, um ein "kurzes" Mittagessen einzunehmen, führt nicht dazu, die durch die Beschäftigung bedingte und den sachlichen Zusammenhang begründende Handlungstendenz in den Hintergrund zu rücken, zumal die Klägerin in ihrer Zeiteinteilung frei war und das Mittagessen auch hätte ausdehnen können. Die Tatsache, dass sie zügig an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollte, führt nicht dazu, den grundsätzlich bestehenden Unfallversicherungsschutz in Wegfall zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Unfall der Klägerin vom 17.05.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die 1973 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt beim Staatstheater S. als Opernsängerin (Solistin) beschäftigt. Am 17.05.2010 gegen 14.40 Uhr stürzte die Klägerin an der Stadtbahnhaltestelle V. Straße beim Herabgehen der Treppe und zog sich dabei eine trimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts zu (vgl. Durchgangsarztbericht von PD Dr. L. Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am M. Stuttgart, vom 31.05.2010). Die Klägerin wurde vom 17.05. bis 27.05.2010 stationär im M. Stuttgart behandelt, wo auch die operative Versorgung vorgenommen wurde. Vom 12.06. bis 14.08.2010 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren im Gesundheitszentrum Saarschleife, aus dem sie als noch arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Kosten für die Behandlungsmaßnahmen trug die Beklagte und gewährte der Klägerin ab 28.06.2010 Verletztengeld. Ab 17.01.2011 war die Klägerin wieder arbeitsfähig und nahm nach ihrem Urlaub vom 18.01. bis 24.01.2011 ihre Arbeit wieder auf.
Der Sicherheitsingenieur der Staatstheater Stuttgart gab am 20.05.2010 (nach Telefonat mit der Klägerin) gegenüber der Beklagten an, die Klägerin habe am 17.05.2010 (ca. 13.00 bis 13.45 Uhr) einen Termin mit der Produktionsleitung der Staatsoper S. gehabt. Auf dem Heimweg über die Autowerkstatt, wo sie das Auto abgestellt habe, sei die Weiterfahrt mit der U-Bahn geplant gewesen, wo der Sturz auf der Treppe erfolgt sei.
Die Klägerin selbst gab am 21.05.2010 an, sie habe am 17.05.2010 um 10.30 Uhr ihre Wohnung verlassen und um 11.00 Uhr mit der Arbeit begonnen. Die Arbeitsstätte habe sie um 14.00 Uhr verlassen, um ein Mittagessen einzunehmen und nebenbei eine Besorgung (Auto zur Werkstatt bringen) zu machen. Das Ende der Arbeitszeit wäre am Unfalltag um 18.00 Uhr gewesen.
In der Unfallmeldung der Staatstheater vom 01.06.2010 führte die Klägerin wörtlich aus: "Um 14.00 Uhr habe ich Mittagspause gemacht, indem ich die Staatsoper verlassen habe und mit dem Auto nach Stuttgart-Möhringen in die V. Straße gefahren bin. Dort habe ich ein Mittagessen zu mir genommen und mein Auto um 14.30 Uhr in die Werkstatt gebracht. Dann bin ich zu Fuß zur Stadtbahn-Station V. Straße gegangen und wollte gegen 14.40 Uhr die Stadtbahn zurück zur Oper nehmen ... Eigentlich wollte ich um 15.00 Uhr wieder in der Staatsoper sein, um bis 18.00 Uhr im Klavierzimmer weiter an verschiedenen Partien zu arbeiten". Weiter gab sie an, der Weg in die Mittagspause habe nicht dem gewöhnlichen Weg "Wohnung - Arbeitsstätte" entsprochen. Sie habe den Weg gewählt, um ein Mittagessen einzunehmen und nebenbei eine Besorgung zu machen. Sie habe ihr Auto in die Werkstatt gebracht.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin unter dem 26.09.2010 mit, sie habe keine geregelten Arbeitszeiten und keine geregelte Mittagspause. Wegen verschiedener Proben- und Spielstätten sowie aus Gewohnheit nehme sie an verschiedenen Orten ihre Mittagsmahlzeiten ein. Am Unfalltag habe sie ihr Mittagessen in der Gaststätte Rosenau, V. Straße 90, 70567 Stuttgart eingenommen. Das Autohaus L. befinde sich in der V. Straße 91, 70567 Stuttgart. Am Unfalltag habe sie geplant, ihr Auto gegen 14.30 Uhr in der Autowerkstatt abzugeben. Ob dies tatsächlich um 14.30 Uhr gewesen sei, könne sie nicht sagen. Nachdem sie das Auto abgegeben habe, sei sie in die Gaststätte gegangen, um ein schnelles Mittagessen einzunehmen. Danach sei sie zur Stadtbahnstelle gegangen, wo der Unfall passiert sei.
Das Staatstheater S. teilte mit Schreiben vom 04.03.2011 mit, das eigenständige Partien-studium der Solisten sei als Arbeitszeit anzusehen. Eine feste Arbeitszeitregelung habe für die Klägerin aufgrund ihres Vertrages nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 01.04.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da die Klägerin zum Unfallzeitpunkt keine nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht. Zur Begründung führte sie aus, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt aus privaten und eigenwirtschaftlichen Gründen unterwegs gewesen und habe keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Zwar stehe es einem Versicherten frei, wo er die Nahrung aufnehme. Dies gelte aber nur unter der Voraussetzung eines mittelbar betriebsbezogenen Handlungsziels. Wenn der Versicherte aber zum Zwecke des besseren Kennenlernens der großräumigen Umgebung seines Beschäftigungs- und Wohnortes oder um eine private Besorgung zu verrichten (Abgabe des Kfz im Autohaus) entsprechende Gaststätten aufsuche, obwohl ihm für die reine Nahrungsaufnahme in der näheren Umgebung seiner Arbeitsstätte (Staatstheater Stuttgart) gleichartige Möglichkeiten in größerer Anzahl zur Verfügung stünden, liege die Annahme nahe, dass er im Zeitpunkt nicht wesentlich im betrieblichen Interesse, sondern aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterwegs gewesen sei. Danach sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht gesetzlich unfallversichert gewesen, da es in der Nähe der Staatsoper Stuttgart bzw. des Staatstheaters Stuttgart unzählige Möglichkeiten für die Einnahme der Mittagsmahlzeit gebe. Wie die Klägerin selbst angegeben habe, sei sie gerne auf der Suche nach "Neuem" gewesen und habe sich so die Stadt, in der sie momentan aufgrund des bestehenden Engagement gelebt habe, erschließen wollen. Deshalb nehme sie die Mittagsmahlzeit an vielen verschiedenen Orten ein. Für diesen Hintergrund sei der in Zusammenhang mit dem Besuch der Gaststätte Rosenau in Stuttgart-Möhringen zurückgelegte wesentlich weitere Weg als nicht wesentlich für die Einnahme der üblichen Mittagsmahlzeit anzusehen. Der Weg sei vielmehr zurückgelegt worden, um das Stadtgebiet besser kennen zu lernen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer gemischten Tätigkeit bestehe kein Unfallversicherungsschutz. Ein Abgrenzungskriterium dafür, ob eine Tätigkeit auch wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sei, sei, ob der Weg hypothetisch auch dann zurückgelegt worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre. Dies sei nach den durch die objektiven Umstände gestützten Vorstellungen des Verunglückten zu beurteilen. Hier müsse festgestellt werden, dass der Weg von der Staatsoper S. nach Stuttgart-Möhringen am 17.05.2010 nicht zurückgelegt worden wäre, wenn die Klägerin nicht einen Termin in der Autowerkstatt des Autohauses Lutz gehabt hätte. Auf dem Rückweg zur nächstgelegenen Stadtbahnhaltestelle sei die Klägerin an der Gaststätte R. vorbeigekommen. Dort habe sie - im Vorübergehen - nach eigenen Angaben nur ein "schnelles Mittagessen" eingenommen. Da der Weg nicht zurückgelegt worden wäre, wenn es den Termin in der Autowerkstatt nicht gegeben hätte, liege keine versicherte gemischte Tätigkeit vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 21.04.2011 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte selbst habe ihr nach dem Unfall in einem Telefonat, in dem sie ihren Unfalltag geschildert habe, erläutert, dass sie auf ihrem Weg nach dem Mittagessen zur Staatsoper versichert gewesen sei. Die von ihr angegebenen Zeiten seien geschätzte Zeiten. Auch habe sie das Mittagessen nicht im "Vorbeigehen" eingenommen, sondern dabei gesessen. Ebenfalls sei die Aussage, sie habe einen Termin in der Werkstatt gehabt, nicht zutreffend. Es habe keinen ausdrücklichen Termin gegeben, an dem sie in der Werkstatt hätte sein müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 14.09.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie die Anerkennung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie ihr Fahrzeug vor Einnahme ihrer Mittagsmahlzeit beim Autohaus Lutz in der Nähe der Gaststätte Rosenau abgegeben habe, habe der zurückgelegte Weg wesentlich der Essenseinnahme gedient, da nicht vorrangig oder überwiegend eigenwirtschaftliche Interessen im Vordergrund gestanden hätten. Es sei ihr primär um die Einnahme des Mittagessens gegangen. Wie bereits dargelegt suche sie öfters Orte zur Einnahme des Mittagsessens auf, die weiter von ihrem Arbeitsort entfernt seien. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass sie sich bei dem konkreten Unfall bereits auf dem Rückweg und dem direkten Weg zu ihrem Arbeitsort befunden habe und allgemein anerkannt sei, dass nach Rückkehr auf den versicherten Arbeitsweg ein etwaiger Abweg, der aufgrund einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gewählt werde, der Versicherungsschutz wieder auflebe.
Die Beklagte hat erwidert, bei dem Ereignis vom 17.05.2010 habe es sich nicht um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt. Der Weg von der Staatsoper Stuttgart nach Stuttgart-Möhringen wäre nicht zurückgelegt worden, wenn die Klägerin nicht ihr Auto in der Werkstatt in Stuttgart-Möhringen hätte abgeben wollen. Da vorliegend objektiv betrachtet in Bezug auf die Autofahrt nach Stuttgart-Möhringen nichts für eine versicherungsbezogene bzw. berufliche Handlungstendenz spreche, liege auch keine gemischte Tätigkeit vor. Vielmehr sei der Weg nach Stuttgart-Möhringen dem unversicherten privaten Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen. Sei der Hinweg zu einer konkreten Verrichtung unversichert, könne nichts anderes für den Rückweg, auf dem es am 17.05.2010 zum Unfall gekommen sei, gelten. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen.
Mit Urteil vom 21.02.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2011 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin am 17.05.2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den für das SG glaubhaften Angaben der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Klägerin am Unfalltag ihren Arbeitsplatz in der Staatsoper S. gegen 14.00 Uhr mit dem PKW verlassen hat, um in der ihr bekannten Gaststätte zu Mittag zu essen und dabei ihren PKW beim Autohaus L., das nur etwa 200 Meter von der Gaststätte Rosenau entfernt gelegen und bei dem die Klägerin seit Jahren Kundin gewesen sei, zur Durchführung eines Reifenwechsels abzugeben. Das SG gehe davon aus, dass die Klägerin, wie sie mit Schreiben vom 26.09.2010 (abweichend gegenüber ihrer ersten Stellungnahme vom 01.06.2010) und auch im Klageverfahren angegeben habe, zunächst ihren PKW abgegeben, dann die Gaststätte Rosenau zur Einnahme des Mittagsessens aufgesucht und nach Verlassen der Gaststätte auf dem Weg zur U-Bahn den streitgegenständlichen Arbeitsunfall erlitten habe. Dieser Geschehensablauf sei aus Sicht der Kammer auch deshalb als erwiesen anzunehmen, weil das Aushaus L. weiter von der U-Bahn-Haltestelle V. Straße entfernt liege als die Gaststätte R. und insofern unter Berücksichtigung der Parkplatzsituation ein umgekehrter Geschehensablauf nicht lebensnah wäre. Daher stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin auf dem Rückweg von der Essenseinnahme in der Gaststätte Rosenau verunglückt sei. Nach Überzeugung des SG sei der wesentliche Grund für die Fahrt in die V. Straße die Einnahme des Mittagessens und nicht die Abgabe des PKW gewesen. Auch wenn die Klägerin nur ein kurzes Mittagessen eingenommen habe, so sei die zeitliche Inanspruchnahme dafür wesentlich größer gewesen, als das bloße Abgeben des Fahrzeugs im Autohaus L. zwecks Reifenwechsels. Insofern sei die Verbindung zwischen der Fahrt zur Esseneinnahme in der Gaststätte R. mit dem Abgeben des PKW beim Autohaus Lutz, auch weil beide Gebäude lediglich etwa 200 Meter auseinander lägen, nicht dazu geeignet, die Wesentlichkeit der durch die Beschäftigung bedingten Motivation mit dem Ziel der Einnahme eines Mittagessens für das Zurücklegen des Unfallweges zu verneinen. Das SG sehe sich insoweit auch in Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, in dem das BSG entschieden habe, dass das Zurücklegen eines Weges durch ein in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort, der Wohnung der Freundin, das Mittagessen mit dieser gemeinsam einzunehmen, (vor allem) um seine Arbeitskraft zu erhalten, unfallversicherungsgeschützt sei. Dies sei vom BSG angenommen worden, weil selbst bei einer Fahrzeit von 18 Minuten und einer für die Essenseinnahme nur noch zur Verfügung stehenden Zeit von 12 Minuten (bei halbstündiger Pause) nicht zwingend davon auszugehen sei, dass die durch die Beschäftigung bedingte und in sachlichem Zusammenhang begründete Handlungstendenz in den Hintergrund trete. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 13.03.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.04.2013 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass SG werte in seiner Entscheidung die Essenseinnahme in der Gaststätte R. als handlungsbestimmend. Auch wenn man den vom SG angenommenen Sachverhalt zugrunde lege, werte das Gericht den Unfall rechtlich unzutreffend als versicherten Wegeunfall. Vorliegend sei von folgendem Zeitablauf auszugehen: 1. Weg von der Staatsoper zum Autohaus L. 20 Minuten Fahrzeit. 2. Abgabe Kfz beim Autohaus L. (inklusive Abgabe Kfz Schein/Schlüssel) 5 Minuten 3. Weg zur Gaststätte bei Überquerung der stets stark befahrenen V. Straße an der nächstgelegenen Ampel 4 Minuten. 4. Weg von der Gaststätte erneut auf die gegenüberliegende Straßenseite auf die Treppe hinunter zur Stadtbahnhaltestelle 4 Minuten. Hier sei anzumerken, dass auf der Straßenseite der Gaststätte ein direkter Fahrstuhl zum Bahnsteig bestehe. 5. Fahrt zurück mit der Stadtbahn 16 Minuten bis zum Schlossplatz bzw. 17 Minuten bis zum Bahnhof je nach Wegvariante. Hinzu kommen 4 Minuten bis zur Staatsoper. Danach verblieben noch ca. 6 Minuten für das kurze Mittagessen in der Gaststätte. In der hier vorliegenden Fallgestaltung sei das zeitliche Verhältnis zwischen Fahrzeiten (85 bis 90 % und Essenszeiten (10 bis 15 %) nicht annähernd erreicht. Damit habe die nach Angaben der Versicherten nur bei Gelegenheit erfolgte Kfz-Abgabe bei ihrem Stamm-Autohaus auch aufgrund der komplexeren Weggestaltung den Erholungszweck des nur noch kurzen Mittagessens in den Hintergrund gedrängt. Dadurch sei der den Versicherungsschutz begründende sachliche Zusammenhang nicht gegeben, so dass ein versicherter Wegeunfall nicht vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie erwidert, das SG habe zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass sie am 17.05.2010 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Soweit ein vermeintlicher Widerspruch in ihren Angaben festzustellen sei, rühre dies daher, dass der Sachbearbeiter der Beklagten, mit dem sie nach ihrem Unfall telefoniert habe, darauf hingewiesen habe, dass sie nicht vergessen solle, anzugeben, dass sie zum Mittagessen gegangen sei. Aus diesem Grund habe sie in ihren Erstangaben vom 01.06.2010 das Mittagessen an die erste Stelle gestellt, ohne zeitliche Chronologie, um den ihr genannten wichtigen Punkt hervorzuheben. Sie habe nicht behauptet, dass sie das Auto danach in die Werkstatt gebracht habe. In der Folgezeit habe sie immer wieder darauf hingewiesen, dass sie zuerst zur Werkstatt gegangen sei und dann zum Mittagessen. Laut Routenplaner Falk dauere die Fahrtstrecke von der Staatsoper zum Autohaus L. 15 Minuten. Im Übrigen arbeite eine Opernsängerin nicht mit der Stechuhr. Die Zeitangaben seien daher nicht minuziös zu sehen. Es sei daher gut möglich, dass sie bereits um 14.15 Uhr beim Autohaus gewesen, den Schlüssel abgegeben habe, was nicht mehr als 2 bis 3 Minuten in Anspruch nehme, die Straße überquert habe, um zur Gaststätte zu gelangen, um dort ein kurzes schnelles Mittagessen einzunehmen. Sie habe auch nicht angegeben, dass sie um 15.00 Uhr in der Staatsoper habe sein müssen, sondern dass sie im Klavierzimmer an verschiedenen Partien habe arbeiten wollen. Hätte das Essen länger gedauert, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, eine spätere Stadtbahn zu nehmen. Nach alledem sei dem Urteil des SG zu folgen, das in Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 27.10.2010 stehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist jedoch nicht zu beanstanden, da die Klägerin Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Feststellung des Ereignisses vom 17.05.2010 als Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin auf dem Rückweg von der Essenseinnahme in der Gaststätte Rosenau einen versicherten Wegeunfall erlitten hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass es für den Versicherungsschutz der Klägerin unschädlich ist, dass sie während der Mittagspause nicht nur gegessen, sondern auch noch ihr Auto zwecks Reifenwechsel in der Werkstatt, die sich in der Nähe der Gaststätte befindet, in der die Klägerin gegessen hat, abgegeben hat. Zwar ist das Aufsuchen der Werkstatt eigenwirtschaftlich. Dies schließt den Versicherungsschutz für den Weg von der Arbeitsstätte zu dieser eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und von hier zurück zur Arbeitsstätte nur dann aus, wenn diese der wesentliche Zweck des Weges ist. Das ist jedoch im Allgemeinen bei Wegen, die ein Versicherter in der Mittagspause zurücklegt, um das Mittagessen einzunehmen, nicht der Fall (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 66). Der Zweck des Weges der Klägerin vom Opernhaus zur Gaststätte Rosenau und zurück zum Opernhaus diente damit nicht in erster Linie eigenwirtschaftlichen Zwecken, sondern betrieblichen Zwecken, da die Klägerin nach dem Mittagessen ihre versicherte Tätigkeit, das Arbeiten an verschiedenen Partien im Klavierzimmer, wieder aufnehmen wollte. Der Umstand, dass sie in der nahe zur Gaststätte Rosenau gelegenen Kfz-Werkstatt ihr Auto zum Reifenwechsel abgegeben hat, führt nicht dazu, darin den wesentlichen Zweck des Weges zu sehen, da die Abgabe eines Autos innerhalb weniger Minuten von Statten geht und üblicherweise wesentlich weniger Zeit in Anspruch nimmt, als die Einnahme eines Mittagessens. Da die Klägerin auch keine festgelegten Pausenzeiten hatte und ihre Arbeitszeit frei einteilen konnte, belegt der Umstand, dass sie ihr Mittagessen – nach ihren Angaben – innerhalb kurzer Zeit angenommen hat, nicht, dass dieses nicht der wesentliche Zweck der Fahrt nach Stuttgart-Möhringen zur Gaststätte R. gewesen ist. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin gegebenenfalls eine andere Gaststätte ausgewählt hätte, wenn sie nicht die Absicht gehabt hätte, ihr Auto in der ihr bekannten Werkstatt abzugeben. Denn die Klägerin war nicht gezwungen, in der Nähe der Staatsoper ihr Mittagessen einzunehmen, um ihren Versicherungsschutz nicht zu verlieren, wie sich auch aus dem Urteil des BSG vom 27.04.2010 – B 2 U 23/29 – in Juris ergibt. Der Umstand, dass die Klägerin eine Fahrzeit von 15 oder 20 Minuten in Kauf genommen hat, um ein "kurzes" Mittagessen einzunehmen, führt nicht dazu, die durch die Beschäftigung bedingte und den sachlichen Zusammenhang begründende Handlungstendenz in den Hintergrund zu rücken, zumal die Klägerin in ihrer Zeiteinteilung frei war und das Mittagessen auch hätte ausdehnen können. Die Tatsache, dass sie zügig an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollte, führt nicht dazu, den grundsätzlich bestehenden Unfallversicherungsschutz in Wegfall zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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