Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 3821/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4148/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 15.225,84 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich erneut gegen den Disziplinarbescheid vom 09.11.2001, der bereits Gegenstand mehrerer Klageverfahren war, und begehrt die Erläuterung der Entscheidung des Disziplinarausschusses durch rechtsbehelfsfähigen Bescheid der Beklagten.
Der 1944 geborene Kläger, seit 01.01.1980 als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in M. zugelassen, war vom 14.06.2000, 12.00 Uhr, bis 15.06.2000, 8.00 Uhr, zum ärztlichen Notfalldienst eingeteilt. Am 14.06.2000, gegen 20.15 Uhr, wurde er von der Pflegedienstleiterin eines Pflegeheims zu einer 90-jährigen, zeitlich, örtlich und zur Person desorientierten, an fiebriger Pneumonie erkrankten, Pflegepatientin gerufen; deren Zustand habe sich seit dem Vortag erheblich verschlimmert, es gehe ihr schlechter, sie erbreche grün und gelb, der Atem gehe brodelnd und sie erhalte Sauerstoff. Der Kläger lehnte einen Besuch als nicht notwendig ab. Gegen 22.30 Uhr rief die Pflegedienstleiterin den Kläger erneut an; die Pflegepatientin sei bewusstlos, dem Ersticken nahe und werde wahrscheinlich sterben. Der Kläger lehnte einen Besuch wiederum ab; sinnvolle medizinische Hilfe sei nicht mehr möglich und man möge ihn informieren, wenn der Tod eingetreten sei. Nachdem die Pflegepatientin um 23.00 Uhr verstorben war, suchte der Kläger das Pflegeheim zur Feststellung des Todes auf.
Wegen dieses Sachverhalts verhängte der Disziplinarausschuss der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Kassenärztlichen Vereinigung S., mit Beschluss vom 10.10.2001/Bescheid vom 09.11.2001 gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 20.000,00 DM (10.225,84 EUR). Zur Begründung führte er aus, der Kläger hätte die Pflegepatientin aufsuchen müssen, da er nicht habe wissen können, ob nicht doch noch ärztliche Hilfe möglich gewesen wäre; außerdem hätte er deren (Sterbe-)Beschwerden möglicherweise lindern und ihr insoweit Beistand leisten können. Darüber hätte er sich Gewissheit verschaffen müssen. Die dagegen erhobene Klage des Klägers wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen mit Urteil vom 01.12.2004 (S 1 KA 233/02) ab. Die dagegen eingelegte Berufung wies der Senat mit Urteil vom 27.04.2005 (L 5 KA 465/04) zurück. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 09.09.2005 und vom 11.12.2005 wandte sich der Kläger erneut gegen den Disziplinarbescheid; das Verfahren möge wieder aufgenommen werden. Die unterschiedlichen Notfallbegriffe (allgemeiner, subjektiver, objektiver Notfall) seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ein Notfall habe seinerzeit weder objektiv noch subjektiv vorgelegen. Sterbebegleitung sei nicht Sache des zum Notfalldienst eingeteilten Arztes; die Pflegeheimpatientin habe das Sterben nicht mehr bewusst erlebt. Es sei nur eine scheinbare subjektive Notlage der überforderten Pflegedienstleiterin nicht erkannt worden.
Mit Bescheid/Beschluss vom 15.03.2006 lehnte der Disziplinarausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (S.) den (Wiederaufnahme-)Antrag ab. Gem. § 16 Abs. 1 der Disziplinarordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (DiszO) könne die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens beantragt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, die der Arzt in dem früheren Verfahren nicht gekannt habe oder ohne Verschulden nicht habe geltend machen können und die allein oder in Verbindung mit der früher getroffenen Feststellung geeignet seien, den Freispruch oder eine mildere Disziplinarmaßnahme zu begründen. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel seien in dem Antrag anzugeben. Tatsachen oder Beweismittel dieser Art habe der Kläger nicht benannt. Sein (im Übrigen auch nicht neues) Vorbringen, der Sachverhalt sei im vorausgegangenen Verfahren im Hinblick auf unterschiedliche Notfallbegriffe unzutreffend bewertet worden, stelle einen Wiederaufnahmegrund nicht dar.
Die dagegen am 28.03.2006 erhobene Klage wies das SG Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2007 (S 5 KA 2127/06) zurück. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig. Berufung hatte der Kläger nicht eingelegt. Eine Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des SGs vom 29.06.2007 (S 5 KA 2128/06 W-A), mit der er sich (erneut) gegen die Disziplinarmaßnahme wandte, wies der Senat mit Beschluss vom 17.09.2007 (L 5 KA 3777/07 W-B) zurück. Die Gegenvorstellung des Klägers gegen diesen Beschluss wurde mit Senatsbeschluss vom 18.01.2008 (L 5 KA 4923/07 W-B) zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Senatsbeschlüsse vom 17.09.2007 und 18.01.2008 und gegen den Beschluss des SGs vom 29.06.2008 (jeweils a.a.O.) wies das BSG mit Beschluss vom 27.08.2008 (B 6 KA 3/08 S) zurück.
Am 04.05.2009 erhob der Kläger erneut Klage beim SG Stuttgart (S 10 KA 3031/09). Er wandte sich (wiederum) gegen den Beschluss/Bescheid des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg vom 10.10.2001/09.11.2001, wonach es – so der Kläger - eine disziplinarisch mit der höchstmöglichen Geldbuße zu ahndende Pflichtverletzung darstellen solle, wenn sich der Vertragsarzt entschließe, bei einem von geschultem Fachpersonal ausreichend betreuten moribunden Pflegeheimpatienten nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen und den Tod abzuwarten und einen (auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot) weder notwendigen noch zweckmäßigen Besuch abzulehnen. Sinn und Zweck seiner (im Sinne der Streitwertfestsetzung) wertfreien Klage sei es, vom SG die noch ausstehende, juristisch fundierte schriftliche Bestätigung des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung zu erhalten; aufgrund dieser Erklärung seien der (in Rede stehende) Beschluss des Disziplinarausschusses aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung der Geldbuße zu verurteilen. Der Streitgegenstand des Verfahrens sei nicht das "Disziplinarverfahren", sondern der gegen ihn erhobene Vorwurf, er habe gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen und strafbares Fehlverhalten im Notfall- oder Bereitschaftsdienst begangen, mit der Bitte um Überprüfung und juristisch fundierte, schriftliche Erläuterung der Pro- oder Contra-Entscheidung durch das SG (Schriftsatz vom 15.10.2009). Mit seiner Klage fordere er von der Beklagten erneut eine juristisch fundierte, plausible schriftliche Erläuterung der für ihn nach wie vor nicht einsichtigen, unverständlichen und juristisch unhaltbaren Beschlussfassung des Disziplinarausschusses (Schriftsatz vom 11.05.2011). Streitgegenstand sei in beiden Klageverfahren die Weigerung der Beklagten, den ihm vorgeworfenen schweren Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten und das mit der Höchst-Geldsumme bestrafte vermeintliche Fehlverhalten zu überprüfen (Schriftsatz vom 11.11.2009 im Verfahren der Streitwertfestsetzung).
Mit Urteil vom 23.8.2011 wies das SG diese Klage mit der Begründung ab, die Klage sei unzulässig, da hinsichtlich des Streitgegenstandes bereits rechtskräftige Gerichtsentscheidungen vorlägen. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 5 KA 4387/11) wies der Senat mit Beschluss vom 29.12.2011 zurück.
Am 10.07.2012 hat der Kläger erneut zum SG Stuttgart Klage erhoben "wegen des Vorwurfs einer schweren kassenärztlichen Pflichtverletzung und der Verweigerung einer mehrfach erbetenen, rechtsmittelfähigen Beantwortung der Frage: Gegen welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote verstößt ein Arzt im Notfall- oder Bereitschaftsdienst, wenn er sich bei einem von geschulten Fachkräften betreuten, medizinisch versorgten, multimorbiden, schwerstpflegebedürftigen, moribunden Heimbewohner in der langsamen Agonie dazu entschließt nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen, den Tod abzuwarten und deshalb einen objektiv unnötig dringlich bestellten Hausbesuch sowie eine von der Pflegedienstleitung geforderte notfallmedizinische Behandlung mit dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abzulehnen?" Es müsse entschieden werden, ob der Vorwurf eines strafbaren schweren vertragsärztlichen Fehlverhaltens rechtmäßig weiter bestehen bleibe oder revidiert werden müsse (Schriftsatz vom 01.08.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Das Gericht teile die Auffassung, dass die vorliegende "Anfrage" bzw. Frage an das Gericht denselben Streitgegenstand betreffe, wie die vorangegangenen, rechtskräftig entschiedenen Verfahren. Auf die diesbezüglichen Entscheidungen werde Bezug genommen. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung könne bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch nicht im "Gewand" einer Anfrage bzw. Frage an das Gericht durchbrochen werden, sofern diese wie hier ersichtlich denselben Streitgegenstand habe wie das rechtskräftig entschiedene Verfahren. Abgesehen davon sei das Gericht nicht dafür zuständig, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage lägen ebenfalls nicht vor.
Am 01.10.2012 hat der Kläger gegen den ihm am 20.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, als ordentliches Mitglied der Beklagten habe er einen Rechtsanspruch darauf, eine rechtsmittelfähige Antwort auf seine Frage zu erhalten. Die von ihm allgemein formulierte Frage sei nicht bereits im Rahmen der Verfahren gegen den Bescheid des Disziplinarausschusses geklärt worden. Er fordere eine plausible, juristisch fundierte Stellungnahme zum "Vorwurf der schweren vertragsärztlichen Pflichtverletzung eines Arztes und seines angeblichen Fehlverhaltens im Wiederholungsfall" und eine Antwort auf die Frage, welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote von einem Arzt aufgrund seiner ausführlich erläuterten Entscheidung und konsequenten Verhaltensweise schwer verletzt werden. Die Beklagte weigere sich seit 12 Jahren, diese Frage zu beantworten. Das Gericht müsse sie hierzu verpflichten. Außerdem gehe es ihm um die Revision des Beschlusses des Disziplinarausschusses, die Definition des Begriffs "Notfall", die Erläuterung der Ansicht "Sterben im Notfalldienst ist ein Notfall, Sterbebegleitung zusätzliche Aufgabe eines Arztes im Notfalldienst" und einen Kommentar zu folgenden Passagen: (a) "Überforderte Pflegekräfte bedürfen des Beistandes eines Arztes", (b) "Gefährdung des Ansehens der Ärzteschaft" und (c) "Verhängung einer Geldbuße auf den Höchstbetrag ist wegen Uneinsichtigkeit und überdurchschnittlicher Einkommensverhältnisse erforderlich" (Schriftsatz vom 13.10.2013).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2012 aufzuheben und 1. die Beklagte zu verurteilen, folgende Frage mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid zu beantworten: "Gegen welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote verstößt ein Arzt im Notfall- oder Bereitschaftsdienst, wenn er sich bei einem von geschulten Fachkräften betreuten, medizinisch versorgten, multimorbiden, schwerstpflegebedürftigen, moribunden Heimbewohner in der langsamen Agonie dazu entschließt nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen, den Tod abzuwarten und deshalb einen objektiv unnötig dringlich bestellten Hausbesuch sowie eine von der Pflegedienstleitung geforderte notfallmedizinische Behandlung mit dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abzulehnen?" 2. den Beschluss/Bescheid des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung S. vom 10.10.2001/09.11.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Senat nimmt gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtbescheids Bezug und sieht von einer eigenen Begründung ab. Ergänzend sei (nochmals) betont, dass eine erneute gerichtliche Überprüfung oder Bewertung des Disziplinarbescheids vom 09.11.2001 (Beschluss vom 10.10.2001) und des diesem zugrundeliegenden Sachverhalts bzw. des damaligen Verhaltens des Klägers rechtlich nicht möglich ist (s. Senatsbeschluss vom 29.12.2011 – L 5 KA 4387/11). Das Verfahren ist mit dem rechtskräftigen Senatsurteil vom 27.04.2005 (L 5 KA 465/04) abgeschlossen. Weitere Gerichtsverfahren über den Streitgegenstand dieses Urteils sind nicht zulässig und können nicht stattfinden. Dies gilt auch, soweit in diesem Zusammenhang die Beantwortung einer an die Beklagte gerichteten Frage und die Erläuterung von Begriffen und Passagen des Disziplinarbescheids vom 09.11.2001 (Beschluss vom 10.10.2001) begehrt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG von 5.000,00 EUR zzgl. des Betrags der verhängten Geldbuße von 10.225,84 EUR (20.000,00 DM)).
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 15.225,84 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich erneut gegen den Disziplinarbescheid vom 09.11.2001, der bereits Gegenstand mehrerer Klageverfahren war, und begehrt die Erläuterung der Entscheidung des Disziplinarausschusses durch rechtsbehelfsfähigen Bescheid der Beklagten.
Der 1944 geborene Kläger, seit 01.01.1980 als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in M. zugelassen, war vom 14.06.2000, 12.00 Uhr, bis 15.06.2000, 8.00 Uhr, zum ärztlichen Notfalldienst eingeteilt. Am 14.06.2000, gegen 20.15 Uhr, wurde er von der Pflegedienstleiterin eines Pflegeheims zu einer 90-jährigen, zeitlich, örtlich und zur Person desorientierten, an fiebriger Pneumonie erkrankten, Pflegepatientin gerufen; deren Zustand habe sich seit dem Vortag erheblich verschlimmert, es gehe ihr schlechter, sie erbreche grün und gelb, der Atem gehe brodelnd und sie erhalte Sauerstoff. Der Kläger lehnte einen Besuch als nicht notwendig ab. Gegen 22.30 Uhr rief die Pflegedienstleiterin den Kläger erneut an; die Pflegepatientin sei bewusstlos, dem Ersticken nahe und werde wahrscheinlich sterben. Der Kläger lehnte einen Besuch wiederum ab; sinnvolle medizinische Hilfe sei nicht mehr möglich und man möge ihn informieren, wenn der Tod eingetreten sei. Nachdem die Pflegepatientin um 23.00 Uhr verstorben war, suchte der Kläger das Pflegeheim zur Feststellung des Todes auf.
Wegen dieses Sachverhalts verhängte der Disziplinarausschuss der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Kassenärztlichen Vereinigung S., mit Beschluss vom 10.10.2001/Bescheid vom 09.11.2001 gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 20.000,00 DM (10.225,84 EUR). Zur Begründung führte er aus, der Kläger hätte die Pflegepatientin aufsuchen müssen, da er nicht habe wissen können, ob nicht doch noch ärztliche Hilfe möglich gewesen wäre; außerdem hätte er deren (Sterbe-)Beschwerden möglicherweise lindern und ihr insoweit Beistand leisten können. Darüber hätte er sich Gewissheit verschaffen müssen. Die dagegen erhobene Klage des Klägers wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen mit Urteil vom 01.12.2004 (S 1 KA 233/02) ab. Die dagegen eingelegte Berufung wies der Senat mit Urteil vom 27.04.2005 (L 5 KA 465/04) zurück. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 09.09.2005 und vom 11.12.2005 wandte sich der Kläger erneut gegen den Disziplinarbescheid; das Verfahren möge wieder aufgenommen werden. Die unterschiedlichen Notfallbegriffe (allgemeiner, subjektiver, objektiver Notfall) seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Ein Notfall habe seinerzeit weder objektiv noch subjektiv vorgelegen. Sterbebegleitung sei nicht Sache des zum Notfalldienst eingeteilten Arztes; die Pflegeheimpatientin habe das Sterben nicht mehr bewusst erlebt. Es sei nur eine scheinbare subjektive Notlage der überforderten Pflegedienstleiterin nicht erkannt worden.
Mit Bescheid/Beschluss vom 15.03.2006 lehnte der Disziplinarausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (S.) den (Wiederaufnahme-)Antrag ab. Gem. § 16 Abs. 1 der Disziplinarordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (DiszO) könne die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens beantragt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, die der Arzt in dem früheren Verfahren nicht gekannt habe oder ohne Verschulden nicht habe geltend machen können und die allein oder in Verbindung mit der früher getroffenen Feststellung geeignet seien, den Freispruch oder eine mildere Disziplinarmaßnahme zu begründen. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel seien in dem Antrag anzugeben. Tatsachen oder Beweismittel dieser Art habe der Kläger nicht benannt. Sein (im Übrigen auch nicht neues) Vorbringen, der Sachverhalt sei im vorausgegangenen Verfahren im Hinblick auf unterschiedliche Notfallbegriffe unzutreffend bewertet worden, stelle einen Wiederaufnahmegrund nicht dar.
Die dagegen am 28.03.2006 erhobene Klage wies das SG Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2007 (S 5 KA 2127/06) zurück. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig. Berufung hatte der Kläger nicht eingelegt. Eine Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des SGs vom 29.06.2007 (S 5 KA 2128/06 W-A), mit der er sich (erneut) gegen die Disziplinarmaßnahme wandte, wies der Senat mit Beschluss vom 17.09.2007 (L 5 KA 3777/07 W-B) zurück. Die Gegenvorstellung des Klägers gegen diesen Beschluss wurde mit Senatsbeschluss vom 18.01.2008 (L 5 KA 4923/07 W-B) zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen die Senatsbeschlüsse vom 17.09.2007 und 18.01.2008 und gegen den Beschluss des SGs vom 29.06.2008 (jeweils a.a.O.) wies das BSG mit Beschluss vom 27.08.2008 (B 6 KA 3/08 S) zurück.
Am 04.05.2009 erhob der Kläger erneut Klage beim SG Stuttgart (S 10 KA 3031/09). Er wandte sich (wiederum) gegen den Beschluss/Bescheid des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Südwürttemberg vom 10.10.2001/09.11.2001, wonach es – so der Kläger - eine disziplinarisch mit der höchstmöglichen Geldbuße zu ahndende Pflichtverletzung darstellen solle, wenn sich der Vertragsarzt entschließe, bei einem von geschultem Fachpersonal ausreichend betreuten moribunden Pflegeheimpatienten nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen und den Tod abzuwarten und einen (auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot) weder notwendigen noch zweckmäßigen Besuch abzulehnen. Sinn und Zweck seiner (im Sinne der Streitwertfestsetzung) wertfreien Klage sei es, vom SG die noch ausstehende, juristisch fundierte schriftliche Bestätigung des Nichtvorliegens einer Pflichtverletzung zu erhalten; aufgrund dieser Erklärung seien der (in Rede stehende) Beschluss des Disziplinarausschusses aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung der Geldbuße zu verurteilen. Der Streitgegenstand des Verfahrens sei nicht das "Disziplinarverfahren", sondern der gegen ihn erhobene Vorwurf, er habe gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen und strafbares Fehlverhalten im Notfall- oder Bereitschaftsdienst begangen, mit der Bitte um Überprüfung und juristisch fundierte, schriftliche Erläuterung der Pro- oder Contra-Entscheidung durch das SG (Schriftsatz vom 15.10.2009). Mit seiner Klage fordere er von der Beklagten erneut eine juristisch fundierte, plausible schriftliche Erläuterung der für ihn nach wie vor nicht einsichtigen, unverständlichen und juristisch unhaltbaren Beschlussfassung des Disziplinarausschusses (Schriftsatz vom 11.05.2011). Streitgegenstand sei in beiden Klageverfahren die Weigerung der Beklagten, den ihm vorgeworfenen schweren Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten und das mit der Höchst-Geldsumme bestrafte vermeintliche Fehlverhalten zu überprüfen (Schriftsatz vom 11.11.2009 im Verfahren der Streitwertfestsetzung).
Mit Urteil vom 23.8.2011 wies das SG diese Klage mit der Begründung ab, die Klage sei unzulässig, da hinsichtlich des Streitgegenstandes bereits rechtskräftige Gerichtsentscheidungen vorlägen. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 5 KA 4387/11) wies der Senat mit Beschluss vom 29.12.2011 zurück.
Am 10.07.2012 hat der Kläger erneut zum SG Stuttgart Klage erhoben "wegen des Vorwurfs einer schweren kassenärztlichen Pflichtverletzung und der Verweigerung einer mehrfach erbetenen, rechtsmittelfähigen Beantwortung der Frage: Gegen welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote verstößt ein Arzt im Notfall- oder Bereitschaftsdienst, wenn er sich bei einem von geschulten Fachkräften betreuten, medizinisch versorgten, multimorbiden, schwerstpflegebedürftigen, moribunden Heimbewohner in der langsamen Agonie dazu entschließt nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen, den Tod abzuwarten und deshalb einen objektiv unnötig dringlich bestellten Hausbesuch sowie eine von der Pflegedienstleitung geforderte notfallmedizinische Behandlung mit dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abzulehnen?" Es müsse entschieden werden, ob der Vorwurf eines strafbaren schweren vertragsärztlichen Fehlverhaltens rechtmäßig weiter bestehen bleibe oder revidiert werden müsse (Schriftsatz vom 01.08.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Das Gericht teile die Auffassung, dass die vorliegende "Anfrage" bzw. Frage an das Gericht denselben Streitgegenstand betreffe, wie die vorangegangenen, rechtskräftig entschiedenen Verfahren. Auf die diesbezüglichen Entscheidungen werde Bezug genommen. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung könne bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch nicht im "Gewand" einer Anfrage bzw. Frage an das Gericht durchbrochen werden, sofern diese wie hier ersichtlich denselben Streitgegenstand habe wie das rechtskräftig entschiedene Verfahren. Abgesehen davon sei das Gericht nicht dafür zuständig, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage lägen ebenfalls nicht vor.
Am 01.10.2012 hat der Kläger gegen den ihm am 20.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, als ordentliches Mitglied der Beklagten habe er einen Rechtsanspruch darauf, eine rechtsmittelfähige Antwort auf seine Frage zu erhalten. Die von ihm allgemein formulierte Frage sei nicht bereits im Rahmen der Verfahren gegen den Bescheid des Disziplinarausschusses geklärt worden. Er fordere eine plausible, juristisch fundierte Stellungnahme zum "Vorwurf der schweren vertragsärztlichen Pflichtverletzung eines Arztes und seines angeblichen Fehlverhaltens im Wiederholungsfall" und eine Antwort auf die Frage, welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote von einem Arzt aufgrund seiner ausführlich erläuterten Entscheidung und konsequenten Verhaltensweise schwer verletzt werden. Die Beklagte weigere sich seit 12 Jahren, diese Frage zu beantworten. Das Gericht müsse sie hierzu verpflichten. Außerdem gehe es ihm um die Revision des Beschlusses des Disziplinarausschusses, die Definition des Begriffs "Notfall", die Erläuterung der Ansicht "Sterben im Notfalldienst ist ein Notfall, Sterbebegleitung zusätzliche Aufgabe eines Arztes im Notfalldienst" und einen Kommentar zu folgenden Passagen: (a) "Überforderte Pflegekräfte bedürfen des Beistandes eines Arztes", (b) "Gefährdung des Ansehens der Ärzteschaft" und (c) "Verhängung einer Geldbuße auf den Höchstbetrag ist wegen Uneinsichtigkeit und überdurchschnittlicher Einkommensverhältnisse erforderlich" (Schriftsatz vom 13.10.2013).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2012 aufzuheben und 1. die Beklagte zu verurteilen, folgende Frage mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid zu beantworten: "Gegen welche vertragsärztlichen Pflichten, Gebote und Verbote verstößt ein Arzt im Notfall- oder Bereitschaftsdienst, wenn er sich bei einem von geschulten Fachkräften betreuten, medizinisch versorgten, multimorbiden, schwerstpflegebedürftigen, moribunden Heimbewohner in der langsamen Agonie dazu entschließt nichts mehr zu tun, das Sterben zuzulassen, den Tod abzuwarten und deshalb einen objektiv unnötig dringlich bestellten Hausbesuch sowie eine von der Pflegedienstleitung geforderte notfallmedizinische Behandlung mit dem Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot abzulehnen?" 2. den Beschluss/Bescheid des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung S. vom 10.10.2001/09.11.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Senat nimmt gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtbescheids Bezug und sieht von einer eigenen Begründung ab. Ergänzend sei (nochmals) betont, dass eine erneute gerichtliche Überprüfung oder Bewertung des Disziplinarbescheids vom 09.11.2001 (Beschluss vom 10.10.2001) und des diesem zugrundeliegenden Sachverhalts bzw. des damaligen Verhaltens des Klägers rechtlich nicht möglich ist (s. Senatsbeschluss vom 29.12.2011 – L 5 KA 4387/11). Das Verfahren ist mit dem rechtskräftigen Senatsurteil vom 27.04.2005 (L 5 KA 465/04) abgeschlossen. Weitere Gerichtsverfahren über den Streitgegenstand dieses Urteils sind nicht zulässig und können nicht stattfinden. Dies gilt auch, soweit in diesem Zusammenhang die Beantwortung einer an die Beklagte gerichteten Frage und die Erläuterung von Begriffen und Passagen des Disziplinarbescheids vom 09.11.2001 (Beschluss vom 10.10.2001) begehrt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG (Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG von 5.000,00 EUR zzgl. des Betrags der verhängten Geldbuße von 10.225,84 EUR (20.000,00 DM)).
Rechtskraft
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