L 5 KA 312/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 4150/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 312/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 und der Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 tragen die Kosten in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 bis 6, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird endgültig auf 906.678,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Beendigung ihrer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und der erteilten Anstellungsgenehmigungen für die von ihr beschäftigten Ärzte.

Die Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 20.05.2008 unter der Firma Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) B. GmbH mit Sitz in T. gegründet und in das Handelsregister beim Amtsgericht eingetragen. Alleiniger Gesellschafter war und ist der Apotheker H. B., der mit seiner Ehefrau G. B. u.a. die St. in T. betreibt und zunächst auch der alleinige Geschäftsführer des MVZ war. Frau G. B. wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 25.01.2010 zur weiteren Geschäftsführerin bestellt.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk T. - vom 22.07.2008/Bescheid vom 05.09.2008, zur Post gegeben am 08.12.2008, wurde die Klägerin zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Nervenheilkunde, Innere Medizin (fachärztlich) und Kinderheilkunde im Rahmen eines Medizinischen Versorgungszentrums für die Betriebsstätte in T., B. mit Wirkung vom 01.10.2008 zugelassen. Zugleich wurde ihr mit Wirkung vom 01.10.2008 die Genehmigung erteilt, den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. R. B. (geb. 1944 - ärztlicher Leiter des MVZ), den Facharzt für Innere Medizin Dr. St. A. (geb. 1947) und den Facharzt für Kinderheilkunde Dr. K.-E. M. (geb. 1941) als angestellte Ärzte zu beschäftigen. Nach dem Zulassungsbescheid war die ambulante vertragsärztliche Tätigkeit durch die angestellten Ärzte im MVZ spätestens innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides aufzunehmen. Zugleich wurde das Ende der Zulassungen von Dr. B., Dr. A. und Dr. M. zum 30.09.2008 festgestellt.

Beabsichtigt war der Umzug der von der Klägerin angestellten Fachärzte in ein neu zu errichtendes Ärztehaus mit der Anschrift B., für das eine Baugenehmigung durch die Stadt T. am 22.01.2009 erteilt wurde. Am 29.04.2010 wurde aufgrund eines Änderungsantrags der Geschäftsführerin der Klägerin für diesen Neubau die Hausnummer B. vergeben. Die vormals mit der Anschrift B. gekennzeichnete Backsteinvilla erhielt in diesem Zusammenhang die Hausnummer 16.

Im September 2008 und Mai 2009 zeigte die Klägerin die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ gegenüber der Beigeladenen Ziff. 1 an. Als Anschrift wurde die B. in T. angegeben (Bl. 537 Verw-Akte).

Die angestellten Ärzte der Klägerin, die auf ihre vertragsärztlichen Zulassungen mit Wirkung zum 30.09.2008 verzichtet hatten, führten ihre Tätigkeit zunächst in ihren ursprünglichen Praxisräumen in T. (M., B., St.) fort.

Das MVZ wird seit Mai 2010 in dem neu errichteten Ärztehaus betrieben. Der mit Anstellungsgenehmigung vom 17.02.2010 seit dem 01.03.2010 auf Dr. M. gefolgte Facharzt für Kinderheilkunde Dr. B. (geb. 1968) bezog das Ärztehaus Anfang Mai 2010. Er wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010 zum ärztlichen Leiter (anstelle von Dr. R. B.) bestellt. Zeitgleich bezog der Internist Dr. H., der seit dem 01.05.2009 mit 6 Stunden beim MVZ angestellt war (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28.04.2009), das Ärztehaus. Er ist zwischenzeitlich aus dem MVZ ausgeschieden. Dr. R. B. und Dr. A. bezogen das Ärztehaus am 17.05.2010. Sie sind ebenfalls zwischenzeitlich aus dem MVZ ausgeschieden. Der fachinternistische Vertragsarztsitz ist derzeit mit Dr. F. besetzt, dessen Anstellung vom Zulassungsausschuss zum 01.11.2001 genehmigt worden war. Der Vertragsarztsitz von Dr. R. B. soll mit Dr. H. besetzt werden. Hinsichtlich der hierzu erforderlichen Anstellungsgenehmigung ist gegenwärtig ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg anhängig (S 1 KA 774/12).

Am 28.01.2010 teilte der damalige ärztliche Leiter des MVZ Dr. R. B. dem Zulassungsausschuss für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk T. - mit, dass die vertragsärztliche Versorgung durch die beim MVZ angestellten Ärzte immer noch an ihren bisherigen Praxissitzen erfolge. Zugleich berichtete er über Verwerfungen in der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung des MVZ.

Der Zulassungsausschuss hörte die Klägerin am 12.02.2010 an und wies darauf hin, dass ein MVZ nur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden könne, wenn es sich um eine fachübergreifende Einrichtung an einem Vertragsarztsitz handele.

Mit Schreiben vom 19.02.2010 teilte die Geschäftsführerin der Klägerin mit, Dr. R. B. und Dr. M. seien am Sitz des MVZ in der B. (alt) tätig. Die Telefonnummern ihrer vormaligen Praxen seien beibehalten worden, um die Erreichbarkeit für langjährige Patienten zu gewährleisten. Mit Schreiben vom 08.03.2010 legte die Geschäftsführerin der Klägerin ferner einen Mietvertrag vom 15.09.2008 zwischen ihr und dem MVZ über die Räume in der B. (alt) vor; soweit ein konkreter (Standort-)Verlegungszeitpunkt feststehe, werde ein entsprechender Genehmigungsantrag eingereicht.

Nachdem die Dres. R. B. und A. von der Geschäftsführung der Klägerin mit Schreiben vom 11.03.2010 angewiesen worden waren, die Praxisräume in der B. (alt) sofort wieder zu belegen, wandten sie sich am 16.03.2010 an den Zulassungsausschuss und beanstandeten, dass es im Hinblick auf die berufsrechtlichen Vorgaben für die Patienten unzumutbar und auch gefährdend sei, den Praxisbetrieb in die B. (alt) zu verlagern. Bspw. seien die Böden mit Pressspanplatten ausgelegt und unversiegelt, weswegen unmöglich die hygienischen Kriterien für eine Arztpraxis aufrechterhalten werden könnten.

Am 11.03.2010 wurde das Gebäude B. (alt) von Mitarbeitern des Zulassungsausschusses und des Sicherstellungsausschusses bei der Beigeladenen Nr. 1 in Augenschein genommen. In dem hierüber angefertigten Aktenvermerk ist u.a. festgehalten, es sei in dem Gebäude nur eine Arzthelferin anwesend gewesen, die an einem provisorisch eingerichteten Empfang in einem kleinen Seitenzimmer mit alten, teilweise defekten Fliesen an der Wand gesessen habe. Weder Ärzte noch Patienten habe man angetroffen. An der Praxis des Dr. R. B. sowie des Dr. A., die sich im 1. OG habe befinden sollen, sei zwar ein Schild angebracht gewesen, sie sei aber verschlossen gewesen und habe leer stehend ausgesehen. Fünf Tage später teilte Dr. A. telefonisch mit, Dr. R. B. und er würden von der MVZ-Geschäftsführung bei Androhung fristloser Kündigung gezwungen, ihre Praxistätigkeit ab sofort in der B. (alt) auszuüben und die Sprechstunden dort abzuhalten. In den Räumen ihrer früheren Praxen sollten nur noch die speziellen Untersuchungen erfolgen.

Am 22.03.2010 beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Verlegung des Sitzes des MVZ von der B. (alt) in die B. (alt).

Mit Schreiben vom 26.03.2010 beantragte die Beigeladene Nr. 1 beim Zulassungsausschuss, der Klägerin die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit ihrem MVZ zu entziehen. Zur Begründung führte sie aus, die vertragsärztliche Tätigkeit sei unter der Praxisanschrift B. (alt) nicht aufgenommen worden; auch seien die vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt worden. Zudem gebe es Hinweise auf Missbräuche beim Datenschutz in Bezug auf den Umgang mit der Software des MCS-ISYNET sowie auf Abrechnungsmanipulationen und mangelnde Praxishygiene, weswegen eine entsprechende Ergänzung des Entziehungsantrages vorbehalten bleibe. In allen Genehmigungsbescheiden des Zulassungsausschusses sei als Beschäftigungsort der bei der Klägerin angestellten Ärzte der Vertragsarztsitz des MVZ in der B. (alt) benannt worden. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe jedoch hervor, dass dort seit dem 01.10.2008 eine vertragsärztliche Tätigkeit durch die angestellten Ärzte Dres. R. B., A., M. und H. nicht ausgeübt worden sei.

Unter dem 14.04.2010 forderte die Geschäftsführung der Klägerin Dr. R. B. unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen erneut auf, die vertragsärztliche Tätigkeit im Anwesen B. (alt) aufzunehmen. Da Dr. R. B. dem nicht nachkam, sprach die Klägerin am 23.04.2010 die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses aus; die Kündigung wurde mit Schriftsatz vom 30.04.2010 wieder zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2010 machte die Klägerin geltend, die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ sei am 01.10.2008, wenngleich nicht im Gebäude B. (alt), aber in einem Radius von 450 m um dieses Gebäude - dezentral - aufgenommen worden. Die Dres. R. B. und A. hätten den Umzug in die B. (alt) boykottiert. Mittlerweile sei das MVZ mit allen Fachbereichen in der B. (alt) vertragsärztlich tätig. Die erhobenen Vorwürfe würden bestritten.

In der mündlichen Verhandlung des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010 trug die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, die angegebene Anschrift des MVZ in der B. sei falsch. Ab heute werde jedoch zentral an der angegebenen Hausanschrift gearbeitet. Dezentrale Praxen gebe es nicht mehr. Die Fertigstellung des Neubaus (B. alt) habe sich verzögert; die dortigen Räume stünden ab 31.04.2010 bereit.

Mit Beschluss vom 27.04.2010/Bescheid vom 10.05.2010 gab der Zulassungsausschuss für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk T. - dem Antrag der Beigeladenen Ziff. 1 statt, stellte das Ende der Zulassung der Klägerin mit sofortiger Wirkung fest und stellte zugleich fest, dass die erteilten Anstellungsgenehmigungen zur Beschäftigung der Dres. A., B. und H. mit sofortiger Wirkung endeten. Zur Begründung wurde angeführt, die Klägerin hätte die vertragsärztliche Tätigkeit spätestens am 12.03.2009 an der Betriebsstätte in der B. in T. aufnehmen müssen. Dies sei entgegen der Aufnahmeanzeige der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt, weshalb die Zulassung nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ende. Außerdem könne die Zulassung - unbeschadet dessen, dass sie eigentlich nicht wirksam geworden sei - gem. § 95 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wegen Nichtaufnahme der Tätigkeit entzogen werden. Auf gröbliche Pflichtverletzungen, etwa wegen Abrechnungsbetrugs, komme es nicht mehr an. Mit der Entscheidung über die Entziehung der Zulassung mit sofortiger Wirkung habe zugleich festgestellt werden müssen, dass infolgedessen auch die Anstellungsgenehmigungen mit sofortiger Wirkung beendet werden müssten. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes von der B. (alt) in die B. (alt) ab. Grundsätzlich stünden Gründe der vertragsärztlichen Versorgung einer Verlegung nicht entgegen, da sich die Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft befinden würden und eine adäquate Versorgung durch die Tätigkeit des MVZ in den neuen Praxisräumen gewährleistet werden könne. Aufgrund der Zulassungsentziehung habe aber dem Verlegungsantrag nicht stattgegeben werden können.

Gegen die Entziehung der Zulassung nebst Annexentscheidungen legte die Klägerin am 10.06.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung ließ sie vortragen, sie habe ihre angestellten Ärzte unter einem Dach vereinen wollen. Sie habe jedoch wegen Problemen mit dem im Jahr 2007 beantragten Neubau des Ärztehauses und der Weigerung der Dres. R. B. und A., vorübergehend in die alte Backsteinvilla umzuziehen, die Verpflichtung zur Tätigkeit am Vertragsarztsitz aus dem Blick verloren und es auch versäumt, eine Nebenbetriebsstättengenehmigung zu erwirken. Die Ärzte des MVZ hätten die Tätigkeit zwar nicht am angegebenen Sitz des MVZ (B. alt), aber in einem Radius von 450 m um diesen Sitz ausgeübt. Jedenfalls hätten die Dres. B., H. und der Krankheitsvertreter von Dr. A., Herr Dr. K., am Sitz B. (alt) gearbeitet. Am 17.05.2010 sei auch die neurologisch/psychiatrische Praxis dorthin umgezogen. Eine Zulassungsentziehung sei unverhältnismäßig. Sie sei auch nicht erforderlich, da inzwischen alle angestellten Ärzte rechtmäßig am Vertragsarztsitz arbeiteten. Als milderes Mittel komme eine Disziplinarmaßnahme in Betracht.

Mit Beschluss/Bescheid vom 26.07.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zugleich stellte er fest, dass die Zulassung des MVZ am 11.03.2009, 24:00 Uhr, ende. Das Ende der Genehmigung zur Beschäftigung des angestellten Arztes Dr. A. wurde (ebenfalls) auf den 11.03.2009, 24:00 Uhr, das Ende zur Genehmigung der Beschäftigung des angestellten Arztes Dr. H. auf den 01.05.2009, 24:00 Uhr, und das Ende der Genehmigung der Beschäftigung des angestellten Arztes Dr. B. auf den 01.03.2010, 24:00 Uhr, festgestellt. Der Beschwerdeführer ordnete außerdem die sofortige Vollziehung dieser Feststellungen an. Außerdem entzog er der Klägerin hilfsweise die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zum 26.07.2010 und stellte hilfsweise das Ende der Genehmigung zur Beschäftigung der angestellten Ärzte Dres. A., H. und B. auf den 26.07.2010 fest. Auch insoweit wurde hilfsweise die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin hätte die vertragsärztliche Tätigkeit in der Betriebsstätte B. (alt) spätestens am 11.03.2009 aufnehmen müssen. Hierfür genüge es nicht, dass die bei ihr angestellten Ärzte die vertragsärztliche Tätigkeit im Auftrag der Klägerin an ihren bisherigen Praxissitzen weiter ausgeübt hätten. Eine "Umkreistheorie" gebe es nicht, maßgeblicher Vertragsarztsitz sei vielmehr der durch die Praxisanschrift gekennzeichnete Ort der Praxis. Den Aufschub des Zeitpunkts zur Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit oder das Ruhen der Zulassung habe die Klägerin nicht beantragt, stattdessen den Beginn der Tätigkeit zum 01.10.2008 behauptet. Gem. § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV habe daher das Ende der Zulassung auf den 11.03.2009 festgestellt werden müssen. Dem stehe weder die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs noch das Verbot der reformatio in peius im Widerspruchsverfahren entgegen. Im Hinblick auf eine entsprechende Akzessorietät müsse bei der Beendigung der Zulassung des MVZ auch die Beendigung der Genehmigungen für die Anstellung von Ärzten festgestellt werden. Hilfsweise werde die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zum 26.07.2010 (mündliche Verhandlung des Berufungsausschusses) entzogen, da das MVZ die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufgenommen habe (§§ 95 Abs. 6 Satz 1 1. Alt, 72 Abs. 1 SGB V). Vertragsärztliche Pflichten seien gröblich verletzt worden. Die Geschäftsführung der Klägerin und die bei ihr angestellten Ärzte Dres. R. B., A. und Mai hätten durch wahrheitswidrige Angaben zur Tätigkeit am Sitz des MVZ in der B. (alt) etwa in Praxisaufnahmebögen, Arbeitsverträgen, Genehmigungsanträgen und Abrechnungssammelerklärungen arglistig und absichtlich getäuscht; wenn überhaupt sei allein Dr. B. bis 11.03.2010 in der B. (alt) tätig gewesen. Die Geschäftsführerin G. B. habe noch am 19.02.2010 bewusst wahrheitswidrig behauptet, die Dres. R. B., A. und M. übten die vertragsärztliche Tätigkeit in der B. (alt) aus. Die entsprechenden Pflichtverletzungen seien auch den Dres. R. B. und A. anzulasten. Sie hätten als ärztliche Leiter des MVZ jeweils Abrechnungssammelerklärungen (Quartale 4/08 bis 1/10) für das MVZ unterschrieben, obwohl sie gewusst hätten, dass die Leistungen nicht am Sitz des MVZ, sondern in den Ursprungspraxen der Ärzte erbracht worden seien. Soweit diese Ärzte die Pflichtverletzungen allein bei der Geschäftsführung der Klägerin sehen wollten, sei dies als Schutzbehauptung zu werten. Die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes ohne bzw. vor der Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes stelle nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 02.09.2009, - B 6 KA 35/08 R -) eine erhebliche Pflichtverletzung dar, welche zur Zulassungsentziehung führen könne, wenn der rechtswidrige Zustand nicht glaubhaft abgestellt werde und deshalb der Schluss gerechtfertigt sei, dass die betroffenen Ärzte nicht bereit seien, sich auch dann an die rechtlichen Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung zu halten, wenn sie diese als lästig empfinden würden. Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, weil es dem öffentlichen Interesse widerspreche, wenn die Klägerin die Leistungen, die ihre angestellten Ärzte für das MVZ erbrächten, weiterhin abrechnen könnte.

Am 13.08.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg. Außerdem suchte sie am 30.07.2010 um vorläufigen Rechtsschutz nach. Das Sozialgericht ordnete mit Beschluss vom 19.08.2010 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 an (S 1 KA 3916/10 ER). Die dagegen vom Beklagten eingelegte Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 11.01.2011 zurück (L 5 KA 3990/10 ER-B). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach den strengen Anforderungen des BVerfG an den Sofortvollzug statusbeendender Entscheidungen auch schwerwiegende Verstöße gegen vertragsärztliche Pflichten in der Vergangenheit für sich allein nicht genügten, um die Zulassung des Vertragsarztes (bzw. MVZ) mit sofortiger Wirkung noch während eines anhängigen Hauptsacheverfahrens zu beenden. Maßgeblich sei deshalb nicht auf Rechtsverstöße in der Vergangenheit abzustellen. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob in der Zukunft bei weiterer Teilnahme des MVZ der Klägerin an der vertragsärztlichen Versorgung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zu befürchten seien. Dies könne nicht festgestellt werden. Die im MVZ der Klägerin angestellten Ärzte seien mittlerweile - seit 01.05.2010 - im neuen Ärztehaus tätig und übten dort die vertragsärztliche Tätigkeit aus. Das neue Ärztehaus stehe in unmittelbarer Nachbarschaft der Backsteinvilla, in dem sich der Vertragsarztsitz des MVZ habe befinden und die Ärzte des MVZ ihre vertragsärztliche Tätigkeit (schon seit nahezu 2 Jahren) hätten ausüben sollen. Der derzeitige Zustand entspreche daher der Sache nach im Wesentlichen dem in der Zulassung des MVZ festgelegten Zustand. Dass es bei der jetzigen vertragsärztlichen Tätigkeit der Ärzte des MVZ zu Pflichtverletzungen bei der Leistungserbringung oder (in gravierendem und statusrechtlich relevantem Umfang) bei der Leistungsabrechnung gekommen wäre, sei weder vom Beklagten noch dem Beigeladenen Nr. 1 behauptet worden. Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte dafür, dass gesetzlich Krankenversicherte im Falle eines vorläufigen Fortbestehens der Klägerin deswegen Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt wären.

Zur Begründung ihrer Klage ließ die Klägerin vortragen, seit Ende Februar 2010 hätten Dr. B. und Dr. H. in der Villa gearbeitet. Dr. B. und Dr. A. hätten sich zunächst geweigert, dorthin umzuziehen, seien dann aber zum 01.05.2010 doch in die Räume des neuen Ärztehauses zusammen mit Dr. B. und Dr. H. umgezogen. Die Genehmigung einer Nachfolge für Dr. B. stehe noch aus, die internistische Arztstelle sei seit dem 01.11.2011 von Dr. K. F. besetzt. § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn die Regelung stehe in einem Wertungswiderspruch zu § 95 Abs. 6 und 7 SGB V, wonach bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit die vertragsärztliche Zulassung zu entziehen sei und nicht wie in § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV geregelt, kraft Gesetz ende. Eine Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV auf die Klägerin scheitere auch daran, dass nach § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV lediglich eine entsprechende Anwendbarkeit von § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV bei Medizinischen Versorgungszentren in Betracht komme. Ziel des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sei es, in gesperrten Bereichen Arztsitze möglichst noch nach Ablauf von drei Monaten nach Scheitern der Zulassung für weitere Bewerber freizuhalten (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.06.2007 - L 7 KA 7/04 -). Auch sollten sogenannte Vorratszulassungen vermieden werden. In Bezug auf Medizinische Versorgungszentren gingen die allgemeinen Zielbestimmungen des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ins Leere. Denn die bei dem MVZ angestellten Ärzte hätten auf ihre Zulassung verzichtet. Eine möglichst schnelle Nachbesetzung der Vertragsarztsitze (hier des MVZ) komme bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ nicht in Betracht. Die durch Zulassungsverzicht beendeten Zulassungen der ehemaligen Vertragsärzte, die nunmehr Angestellte des MVZ geworden seien, könnten nicht wieder aufleben. Die Zielbestimmung des Verordnungsgebers, eine möglichst schnelle Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen zu ermöglichen, könne also nicht erreicht werden. Zudem würde den angestellten Ärzten des MVZ aufgrund ihres Zulassungsverzichts und des fehlenden Wiederauflebens ihrer Zulassungen die Arbeitsmöglichkeit geraubt, obwohl sie selbst nicht pflichtwidrig gehandelt hätten. Dies verletze ihr Grundrecht aus Art. 12 GG. Selbst bei Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV wären die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt. Denn die bei dem MVZ angestellten Ärzte hätten seit 01.10.2008 pro Quartal 2.500 bis 3.000 Patienten für das MVZ behandelt. Die Tätigkeit der angestellten Ärzte für das MVZ sei auch nach außen erkennbar gewesen. Eine Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit sei auch dann gegeben, wenn in der Anfangsphase eines MVZ die angestellten Ärzte die vertragsärztliche Tätigkeit für das MVZ an verschiedenen Orten erbringen würden. Schließlich seien die Voraussetzungen für die Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V nicht gegeben, da die Klägerin ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht gröblich verletzt habe. Die Patienten des MVZ seien ordnungsgemäß behandelt worden und Abrechnungsfehler seien nicht ersichtlich. Der einzige Pflichtverstoß bestehe darin, dass die von vorneherein für das MVZ geplanten Praxisräume nicht rechtzeitig hätten fertiggestellt werden können und die Patienten des MVZ an den bisherigen Praxissitzen der angestellten Ärzte für das MVZ behandelt worden seien. Die Annahme einer Zulassungsentziehung bei einem solchen Pflichtverstoß sei nicht verhältnismäßig.

Der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 traten der Klage entgegen. Der Beklagte vertrat die Auffassung, Ziel des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sei es, in gesperrten Bereichen Vertragsarztsitze im Hinblick auf die bestehende Überversorgung einzuziehen, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nach Zulassung nicht innerhalb von drei Monaten aufgenommen werde.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 09.11.2011 ab. Der Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Zulassung der Klägerin zur vertragsärztlichen Versorgung kraft Gesetzes am 11.03.2009, 24:00 Uhr, geendet habe, und zu Recht auch das Ende der Genehmigungen zur Beschäftigung der angestellten Ärzte Dr. A., Dr. H. und Dr. B. festgestellt. Nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ende die Zulassung, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen werde. Nach § 1 Abs. 3 Ziff. 2 Ärzte-ZV gelte die Ärzte-ZV für Medizinische Versorgungszentren und die dort angestellten Ärzte und Psychotherapeuten entsprechend. Der Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV auf Medizinische Versorgungszentren stehe nicht entgegen, dass § 103 Abs. 4 SGB V für den Fall des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV ein Nachbesetzungsverfahren nicht vorsehe. Denn ein solches Nachbesetzungsverfahren sei auch bei Vertragsärzten im Fall des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht vorgesehen. Der Anwendbarkeit von § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV stehe auch nicht entgegen, dass § 95 Abs. 6 SGB V grundsätzlich die Zulassungsentziehung dann vorsehe, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnehme. Denn § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV regele den besonderen Fall, dass die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen werde. Die unterschiedliche Regelung in § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV gegenüber dem in § 95 Abs. 6 SGB V geregelten Fall ergebe sich daraus - worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen habe -, dass der Gesetzgeber in Planungsbereichen, in welchen wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen bestünden, im Interesse eines Abbaus der Überversorgung am endgültigen Wegfall des Vertragsarztsitzes ein besonderes öffentliches Interesse annehme. Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV seien erfüllt. Die Klägerin habe ihre vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen. Nach § 95 Abs. 1 S. 7 SGB V erfolge die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als MVZ (Vertragsarztsitz). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urt. v. 31.05.2006 - B 6 KA 7/05 R -) sei "Ort der Niederlassung" im Sinne des § 95 Abs. 1 S. 7 SGB nicht eine Ortschaft im Sinne einer Verwaltungseinheit bzw. ein Teil einer Ortschaft, sondern der konkrete Ort der Praxis des Vertragsarztes bzw. der Betriebsstätte des MZV, der durch die Praxisanschrift gekennzeichnet sei. Der Vertragsarztsitz werde begründet, wenn der Arzt bzw. das MZV nach Zulassung im Rahmen der berufsrechtlich gebotenen Niederlassung die Bereitschaft zur vertragsärztlichen Versorgung erkennbar anbiete. Bei patientenbezogener Tätigkeit genüge es für die Begründung des Vertragsarztsitzes deshalb nicht, dass lediglich die Verwaltung des MVZ ihre Tätigkeit an der im Zulassungsbescheid genannten Praxisanschrift aufnehme. Für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit genüge daher nicht, dass die bei der Klägerin angestellten Ärzte unter ihren früheren Praxisanschriften Patienten für das MVZ behandelt hätten. Nach Angaben der Klägerin hätten die bei ihr angestellten Ärzte erst ab dem 01.03.2010 am Vertragsarztsitz B. in T. praktiziert. Zu diesem Zeitpunkt sei die vertragsärztliche Zulassung der Klägerin jedoch bereits gemäß § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes beendet gewesen (vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 31, Rz. 2), weil der Zulassungsbescheid ihr durch Aufgabe zur Post am 08.12.2008 zugestellt wurde und bis zum 11.03.2009, 24:00 Uhr, eine vertragsärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz B. in T. unstreitig nicht aufgenommen worden sei. Mit Ende der Zulassung entfalle auch die Grundlage für die der Klägerin erteilten Anstellungsge-nehmigungen, so dass deren Beendigung von dem Beklagten im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt worden sei.

Einen in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts gestellten Antrag des Beklagten auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 26.07 2010 lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 15.12.2011 ab (S 1 KA 5911/11 ER). Die dagegen vom Beklagten erhobene Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 16.02.2012 zurück (L 5 KA 218/12 ER-B).

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 22.12.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.01.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren und lässt ergänzend ausführen, Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV sei es, die Vorratshaltung von Zulassungen "ohne Inhalt" zu verhindern und zwar zur möglichst unverfälschten Abbildung der Versorgungsrealität als Grundlage der Feststellung des Versorgungsgrades im Rahmen der Bedarfsplanung. Es sei hingegen nicht Sinn und Zweck dieser Regelung, die Überversorgung zu mindern. Denn dann wäre die Vorschrift darauf angelegt, dass möglichst die Frist von drei Monaten seit Bekanntgabe des Bescheides versäumt werde, damit die Zulassung ende. Ein solches Ziel wäre verfassungswidrig. Der Wegfall der Zulassung sei vielmehr die Rechtsfolge des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV, die im Falle ihres Eintritts den Abbau der Überversorgung zur Folge habe. Ein automatisches Ende der Zulassung sei ein äußerst schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht durch ein Sonderinteresse des Gesetzgebers zu rechtfertigen. Nach § 95 Abs. 6 SGB V werde als Voraussetzung für eine Zulassungsentziehung ein grober Pflichtverstoß gefordert, der das Vertrauen in die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigung und Leistungserbringer nachhaltig zerstört habe (ultima ratio). Demgegenüber könne § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht so verstanden werden, dass damit auch bloße Formverstöße erfasst würden. Selbst wenn man mit dem Sozialgericht davon ausgehe, dass § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV dem Sonderinteresse des Gesetzgebers in Planungsbereichen mit vorhandener Überversorgung diene, dann bezwecke die Norm zu verhindern, dass länger als drei Monate eine Zulassung existiere, auf deren Grundlage keine Patientenversorgung stattfinde. Im vorliegenden Fall sei durch die ärztliche Tätigkeit aber gerade die Versorgung von GKV-Patienten gesichert gewesen. Es sei deshalb von einer Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit auszugehen, auch wenn sie - was nicht ausdrücklich verlangt werde - nicht am Vertragsarztsitz, sondern in dessen unmittelbarer räumlicher Nähe stattgefunden habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 17.10.2012 (B 6 KA 49/11 R) zwar seine bisherige Rechtsprechung zu den Auswirkungen eines Wohlverhaltens nach Zulassungsentziehung auf den Fortbestand der Zulassung aufgegeben, zugleich aber aus Vertrauensschutzgründen vorgegeben, dass diese Rechtsprechung keine Anwendung auf diejenigen Verfahren finde, in denen die Entscheidungen des Berufungsausschusses vor der Veröffentlichung dieses Urteils ergangen sei. Damit sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass ein regelrechtes Verhalten der Klägerin spätestens seit dem 17.05.2010 festzustellen sei. Insbesondere sei die Klägerin auch nach außen eindeutig in Erscheinung getreten. Dies ergebe sich aus Eintragungen in Überweisungsscheinen und Krankenakten, aus den Praxisschildern, Rechnungen und zahlreicher Korrespondenz der Klägerin. Wenn dieser vorgehalten werde, die Räume in der Backsteinvilla seien bis August 2009 an die Stiftung L. zur Nutzung durch eine Wohngruppe vermietet gewesen, so sei dem entgegenzuhalten, dass diese zu einer Räumung bis Mitte 2008 durchaus bereit gewesen wäre. Hierauf habe der Geschäftsführer der Klägerin jedoch nicht bestanden, da die angestellten Ärzte Dr. R. B. und Dr. A. zunächst nicht in die Räume der alten Villa hätten einziehen wollen. Zudem habe die Stiftung L. nicht das gesamte Gebäude gemietet. Das MVZ habe vielmehr ihren Verwaltungssitz in einem Stockwerk auf einer Fläche von 83 m² gehabt. Der Geschäftsführer der Klägerin habe dies für ausreichend gehalten und es nicht als zwingend notwendig erkannt, ab dem ersten Tag der Leistungserbringung unter einem Dach tätig zu sein. Weder ihm noch seiner Ehefrau sei die Wichtigkeit, unter einem Dach zu arbeiten, bewusst gewesen. Dass dies ohne Weiteres im Gebäude der alten Villa möglich gewesen wäre, zeige sich daran, dass die Vertreter von Dr. B. und Dr. A. in deren Abwesenheit bis zum Umzug in den Neubau immer in den Praxisräumen der alten Villa gearbeitet hätten. Eine Fläche von ca. 300 m² sei für diese Fachgebiete auch ausreichend gewesen. Dr. H. habe als in Teilzeit angestellter Internist endoskopische Leistungen in ausgelagerten Praxisräumen erbracht. Vorgespräche und Untersuchungen seien aber auch von ihm in den Räumen der Backsteinvilla durchgeführt worden.

In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass sie der Klägerin empfohlen habe, die Backsteinvilla im März 2010 für Praxisräume zu verwenden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe keinerlei Nachweise dafür erbracht, dass das MVZ die vertragsärztliche Tätigkeit nach der Zulassung am 01.10.2008 aufgenommen habe. Insbesondere sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass sich zumindest der Verwaltungssitz des MVZ in der Backsteinvilla befunden habe. Die Sachaufklärung durch den Beklagten habe vielmehr erbracht, dass die Stiftung L. diese Liegenschaft für eine Wohngruppe und ein Büro der S. G.-Hilfe, einem ihrer Tochterunternehmen, seit 2001 bis zum 31.08.2009 genutzt habe. Unzutreffend sei ferner die Angabe der Klägerin, alle angestellten Ärzte seien ab dem 01.05.2010 in dem neuen Ärztehaus tätig gewesen. Vielmehr habe die Klägerin selbst im einstweiligen Anordnungsverfahren vorgetragen, Dr. R. B. und Dr. A. seien nach anfänglicher Weigerung zum 17.05.2010 doch in den Neubau umgezogen. Soweit sie vorgetragen habe, die Genehmigung des Nachfolgers von Dr. R. B. stehe noch aus, sei hierzu anzumerken, dass nach Ablehnung der Anstellungsgenehmigung des vorgesehenen Nachfolgers Dr. H. durch den Zulassungsausschuss und den Beklagten ein Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg anhängig sei. Zwischen § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV und § 95 Abs. 6 und 7 bestehe entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Wertungswiderspruch. Die Zulassungsverordnung beruhe auf der Ermächtigungsnorm des § 98 SGB V und regele das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Daraus ergebe sich, dass in § 95 Abs. 5 bis 7 SGB V keine abschließende Regelung über die Zulassungsentziehung getroffen worden sei. Der Gesetzgeber verfolge nach wie vor das Ziel, durch Zulassungsbeschränkungen Überversorgungen zu vermeiden und zu beseitigen. Dies ergebe sich auch aus § 95 Abs. 1a SGB V in der Fassung des GKV-Neustrukturierungsgesetzes, wonach Apotheker seit dem 01.01.2012 keine MVZ mehr gründen dürften. Einem MVZ wie dem der Klägerin stehe zwar Bestandsschutz zu, ihm sei aber die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen würden. Auch sei das Nachbesetzungsverfahren zur Fortführung eines Vertragsarztsitzes erheblich verschärft worden. Wenn letztlich ein Vertragsarztsitz aus dem System der GKV herausfalle, wenn nach Wiederbesetzung die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten aufgenommen werde, könne nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV für ein MVZ nichts anderes gelten. Wenn die Klägerin insoweit geltend mache, mit dem Ende der Zulassung des MVZ nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV würden die angestellten Ärzte ihrer Arbeitsmöglichkeiten unter Verstoß gegen Art. 12 GG beraubt, so sei dem entgegenzuhalten, dass sie seit Fertigstellung des Neubaus ab dem 01.04.2010 jederzeit privatärztliche Leistungen erbringen könnten. Es werde vom Beklagten auch nicht bestritten, dass die angestellten Ärzte Dres. R. B., A. und M. ab dem 01.10.2008 und über den 11.03.2009 hinaus Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt hätten. Sie hätten dies aber nicht am Vertragsarztsitz des MVZ in der B. (alt), der Backsteinvilla getan, sondern an ihren alten Vertragsarztsitzen, so dass die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV erfüllt seien. Letztlich seien aufgrund der vom Beklagten festgestellten arglistigen Täuschungen der Geschäftsführer des MVZ und der angestellten Ärzte gröbliche Verstöße gegen MVZ-Vertragspflichten zu verzeichnen, die eine Entziehung der MVZ-Zulassung rechtfertigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts der Verfahren S 1 KA 3916/10 ER, S 1 KA 4150/10 und S 1 KA 5911/11 ER und die Akten des Senats zum vorliegenden Berufungsverfahren und zu den Verfahren L 5 KA 3990/10 ER-B und L 5 KA 218/12 ER-B Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, da es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens ist (BSG, Urt. v. 27.01.1993, - 6 RKa 40/91 -), ist rechtswidrig. Der Beklagte hat zu Unrecht das Ende der Zulassung des MVZ zum 11.03.2009 festgestellt. Die in der Folge dieser Entscheidung getroffenen Feststellungen des Beklagten über die Beendigung der Anstellungsgenehmigungen der angestellten Ärzte sind damit ebenfalls rechtswidrig. Auch die hilfsweise ausgesprochene Entziehung der MVZ-Zulassung zum 26.07.2010 sowie die damit akzessorische Feststellung des Endes der Anstellungsgenehmigungen zum 26.07.2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

1.) Die Zulassung der Klägerin hat nicht nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit geendet. Diese Vorschrift lautet:

"Wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, endet die Zulassung."

Das MVZ B., das mit der Zulassungsentscheidung vom 05.09.2008 zur vertragsärztlichen Tätigkeit auf den Gebieten der Nervenheilkunde, der Inneren Medizin (fachärztlich) und der Kinderheilkunde zugelassen wurde, befindet sich im Bodenseekreis, und damit in einem für alle drei Fachgebiete von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich. Der Versorgungsgrad liegt in der Arztgruppe der Nervenärzte bei 136,5 %, in der Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten bei 284,2 % und für die Fachgruppe der Kinderärzte bei 186,6 %.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung kann aber die Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb der Dreimonatsfrist nach Zustellung der Zulassungsentscheidung nicht festgestellt werden. Die von der Klägerin zum 01.10.2008 angestellten Fachärzte haben ab dem 01.10.2008 und auch über den 11.03.2009, den der Beklagte als Zeitpunkt des Ablaufs der Dreimonatsfrist zutreffend ermittelt hat, hinaus Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt. Dies bestreitet der Beklagte auch nicht. Diese vertragsärztlichen Leistungen wurden von der Klägerin auch bei der Beigeladenen Ziff. 1 als solche abgerechnet. Damit wurde die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ aufgenommen.

Wenn der Beklagte die Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ darin begründet sieht, dass es an der Aufnahme der Tätigkeit am Vertragsarztsitz fehlt, so liegt dem ein zu eng gefasstes Verständnis der Regelung des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV zugrunde. Zwar ist es zutreffend, dass nach dem Zulassungsbescheid vom 05.09.2008 die Zulassung der Klägerin für den Vertragsarztsitz in T., B. erteilt worden war, und ebenso, dass unter dieser Anschrift weder zum 01.10.2008 noch zum 11.03.2009 eine vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Vielmehr haben die Ärzte Dr. R. B., Dr. A. und Dr. M. weiterhin an ihren 200, 400 und 450 Metern von der B. entfernten bisherigen Vertragsarztsitzen in ihren alten Praxisräumen behandelt. Die dort von ihnen tatsächlich ausgeübte und von der Klägerin abgerechnete ärztliche Tätigkeit steht der Annahme einer Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ aber nicht allein deshalb entgegen, weil sie am falschen Ort, nämlich nicht am Vertragsarztsitz der Klägerin, vorgenommen wurde. Ein entsprechendes Verständnis von § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV widerspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung und führt zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 12 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit, auf das sich auch die Klägerin in ihrer Eigenschaft als MVZ berufen kann (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 18.04.2012 - 1 BvR 791/12 -; BSG, Urteil vom 21.02.2012 - B 6 KA 22/11 R -, jeweils in Juris).

Die in § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV festgesetzte Rechtsfolge des Zulassungsendes dient der Durchsetzung des Gebots, eine erteilte Zulassung durch tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zu realisieren. Unter der Geltung von Zulassungsbeschränkungen sollen hiermit Verwerfungen im Rahmen der Bedarfsprüfung vermieden werden, die entstehen könnten, wenn Zulassungen nur auf dem Papier bestehen, ohne dass der hierdurch begünstigte Arzt praktiziert und damit seinen Versorgungsauftrag erfüllt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 09.02.2005 - L 3 KA 360/03 - in Juris, unter Hinweis auf Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Lsbls. - Std.: Mai 2004 - , Rdnr E 19-3). Verhindert werden soll in den der Bedarfsplanung unterliegenden Regionen, dass Zulassungen "auf Vorrat" in Anspruch genommen werden, ohne dass tatsächlich eine Vertragsarzttätigkeit ausgeübt wird, und so die Feststellung des Versorgungsbedarfs und des Deckungsgrades der vertragsärztlichen Versorgung verfälscht wird. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem Erlöschen tatsächlich nicht genutzter Zulassungen in zulassungsbeschränkten Planungsbereichen eine möglichst unverfälschte Abbildung der Versorgungsrealität als Grundlage der Feststellung des Versorgungsgrades im Rahmen der Bedarfsplanung sichergestellt werden soll. Der Eintritt der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge - der Wegfall der Zulassung - wirkt sich in der Weise aus, dass auch eine Reduzierung der Überversorgung entsteht. Auch wenn der Eintritt dieser Wirkung durchaus der Intention des Gesetzgebers entspricht, rechtfertigt dies indes nicht die vom Beklagten vorgenommene Auslegung. Die Regelung geht vielmehr von der Annahme aus, dass es an der Ausübung jeglicher vertragsärztlicher Tätigkeit fehlt, die Zulassung mithin inhaltsleer geblieben ist. Davon gehen etwa auch die Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 20.06.2007 - L 7 KA 7/04 - in Juris) und des erkennenden Senats (Urteil vom 15.03.2006 - L 5 KA 3995/04 - in Juris) aus. In beiden Fällen wurde eine vertragsärztliche Tätigkeit tatsächlich nicht aufgenommen bzw. der Nachweis der tatsächlichen Aufnahme nicht erbracht. Es fehlte damit erkennbar am Willen des Zulassungsinhabers zur kontinuierlichen Teilnahme an der vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung.

Dem steht die im vorliegenden Sachverhalt erfolgte Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit am "falschen" Ort nicht gleich. Die angestellten Ärzte der Klägerin haben im vorliegenden Fall ihre bisherige Tätigkeit schlicht fortgeführt und in dem Umfang ausgeübt, den sie nach der Zulassungsentscheidung vom 05.09.2008 für das MVZ zu erbringen hatten. Aus dem Umstand, dass diese Tätigkeit als vertragsärztliche Leistung des MVZ von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen Ziff. 1 abgerechnet wurde, folgt auch - wie ausgeführt - , dass es sich um vertragsärztliche Leistungen des MVZ handelt. Auf die konkrete Außendarstellung durch die Art und Weise der Leistungserbringung kommt es nach Auffassung des Senats nicht an. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere Rechnungsbelegen ergibt sich aber jedenfalls, dass das MVZ als Rechtsperson im Rechtsverkehr aufgetreten ist. Dass die ärztliche Tätigkeit nicht an dem genehmigten Vertragsarztsitz der Klägerin ausgeübt wurde und die Mitteilungen der angestellten Ärzte vom 08.09.2008 und vom 20.05.2009 an die Beigeladene Ziff. 1 zumindest den Eindruck erweckten, die Tätigkeit finde dort statt, stellt zwar einen - auch sanktionsbedürftigen - Verstoß gegen vertragsärztliche Melde- und Mitteilungspflichten dar, macht die tatsächlich durchgeführte und abgerechnete Tätigkeit der Dres. R. B., A. und M. aber nicht obsolet oder gegenstandslos. Die zuletzt vertretene Auffassung des Beklagten, diese Tätigkeit sei nicht als vertragsärztliche Tätigkeit der Klägerin zu werten, da sie nicht an deren Vertragsarztsitz durchgeführt worden sei, widerspricht ihrem eigenen Verhalten, denn sie hat die eingereichten Abrechnungen geprüft und für vertragsärztliche Leistungen Honorar gezahlt. Ob die Abrechnungen formal ordnungsgemäß erfolgt sind, ändert nichts an der Durchführung einer vertragsärztlichen Tätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV. Ungeachtet der der Klägerin anzulastenden Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der Errichtung des MVZ sieht der Senat deshalb mit der tatsächlichen Durchführung der ärztlichen Behandlung gesetzlich Krankenversicherter und deren Abrechnung die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach der Zustellung der Zulassung als gegeben an. Ein Ende der Zulassung nach § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb der gesetzlich bestimmten Dreimonatsfrist ist damit nicht eingetreten.

Fehlt es somit schon an der Erfüllung des Tatbestandes des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV, kommt es auf die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgeworfene Frage eines möglichen Wertungswiderspruchs zwischen der Regelung des § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV mit der darin enthaltenen Rechtsfolge des gesetzlichen Endes der Zulassung einerseits und der - differenzierteren - Regelung in § 95 Abs. 6 SGB V über die Zulassungsentziehung bei Nichtaufnahme der ärztlichen Tätigkeit andererseits nicht an. Der Senat kann es deshalb auch dahingestellt sein lassen, ob eine verfassungskonforme Auslegung etwa dahingehend, eine Verlängerung der Frist zur Tätigkeitsaufnahme bei Vorliegen wichtiger Gründe entsprechend der Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV in Anspruch nehmen zu können, geboten ist (vgl. hierzu Schallen, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte - Ärzte-ZV -, 7. Aufl. § 19 RdNr. 22).

Kann die Feststellung des Endes der Zulassung der Klägerin zum 11.03.2009 im streitgegenständlichen Beschluss/Bescheid des Beklagten vom 26.07.2010 damit keinen Bestand haben, ist auch die - rein akzessorisch - vorgenommene Feststellung des Endes der Anstellungsgenehmigungen der Dres. A., H. und B. zu Unrecht erfolgt.

2.) Soweit der Beklagte in dem angegriffenen Beschluss/Bescheid vom 26.07.2010 hilfsweise die Zulassung der Klägerin mit Wirkung zum 26.07.2010 entzogen hat, ist auch diese Entscheidung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für die Zulassungsentziehung ist § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Danach ist die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

a.) Der Beklagte hat seine hilfsweise erfolgte Entscheidung, die Zulassung der Klägerin mit Wirkung zum 26.07.2010 zu entziehen, auf eine gröbliche Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten gestützt. Auf die weiteren Tatbestände in den Sätzen 3 und 4 des § 95 Abs. 6 SGB V, die auch eine Entziehung der Zulassung medizinischer Versorgungszentren erlauben, beruft sich die Beklagte selbst nicht.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 21.03.2012 ausführlich dargestellt, unter welchen Voraussetzungen einem MVZ die Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung zu entziehen ist (- B 6 KA 22/11 R - in Juris). Die Regelung des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V gilt demnach auch für MVZ, wie sich aus der Verweisung des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt. Die auf medizinische Versorgungszentren bezogenen Entziehungstatbestände des § 95 Abs. 6 Sätze 3 und 4 SGB V stellen die Anwendung des Satzes 1 dieser Regelung nicht in Frage, sondern treten lediglich zusätzlich hinzu. Die Bewertung, ob eine gröbliche Pflichtverletzung vorliegt, unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung; ein den Zulassungsgremien vorbehaltener Beurteilungsspielraum besteht nicht (BSG, a.a.O. RdNr. 22 m.w.N.).

Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des BSG vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung des Versicherten und/oder in die Richtigkeit der Leistungsabrechnung so stark zerstört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann. Ist eine Vertrauenszerstörung eingetreten, so wird dies grundsätzlich nicht durch eine spätere gewissenhafte Pflichterfüllung wettgemacht. Eine solche kann grundsätzlich nur die Basis für den Aufbau einer neuen Vertrauensbeziehung bilden und so - im Wege eines neuen Zulassungsantrags und dessen Stattgabe - zur Wiederzulassung führen. Diese Grundsätze zur Zulassungsentziehung, die anhand von Pflichtverstößen von Vertragsärzten und Vertragszahnärzten entwickelt worden waren, können auf ein MVZ nur mit gewissen Modifikationen angewandt werden. Die besondere Struktur des MVZ gebietet eine Differenzierung hinsichtlich der Pflichtenkreise. Denn bei einem MVZ fallen der vertragsärztliche Status und die tatsächliche Durchführung der Behandlungen auseinander; der Status ist dem MVZ zugewiesen, die Behandlungen werden durch die dort tätigen Ärzte durchgeführt. Für die organisatorischen Abläufe, insbesondere den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung, ist deshalb das MVZ selbst verantwortlich, während die Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten in medizinischer Hinsicht in erster Linie dem einzelnen behandelnden Arzt obliegt; dieser muss dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen; zusätzlich unterliegt er der Disziplinargewalt der KÄV (§ 95 Abs. 3 Satz 2 iVm § 81 Abs. 5 SGB V). Die Pflichtenkreise des MVZ und derjenigen der dort tätigen Ärzte sind allerdings auch nicht völlig voneinander getrennt mit der Folge, dass etwa Verstöße der angestellten Ärzte dem MVZ generell nicht zurechenbar wären, sondern stets miteinander verzahnt. Dementsprechend müssen die Anwendungsbereiche der Entziehung der MVZ-Zulassung und vertragsarztrechtlicher Disziplinarmaßnahmen wie auch berufsrechtlicher Sanktionen aufeinander abgestimmt werden. Die Möglichkeit einer Zulassungsentziehung gegenüber einem MVZ muss zielgenau bestimmt werden. Nur wenn klar ist, welche Pflichten spezifisch das MVZ als Träger der Zulassung treffen, lässt sich beurteilen, wann eine Verletzung dieser Pflichten gröblich ist. Der im MVZ tätige Arzt reduziert mit der Entscheidung, seine Tätigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung in einem MVZ auszuüben, seinen Pflichtenkreis im technisch-administrativen Bereich; dem Arzt diese Möglichkeit zu bieten, war eines der Ziele bei der Schaffung des Rechtsinstituts des MVZ (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 7 RdNr 22; siehe auch BT-Drucks 15/1525 S 108). Er behandelt die Patienten und muss dem MVZ gegenüber deutlich machen, welche Leistungen er wann bei welchem Patienten erbracht hat. Die Erstellung und Kontrolle der Abrechnung gegenüber der KÄV ist hingegen Sache des MVZ, was für den dort tätigen Arzt - im Vergleich mit dem in eigener Praxis tätigen Vertragsarzt - den Vorteil hat, sich mit den administrativen Aufgaben nicht befassen zu müssen. Das hat auf der anderen Seite unvermeidlich die Konsequenz, dass dies dem MVZ obliegt: Der Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes korrespondiert die volle Verantwortung des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Mit diesen Zuständigkeiten ist der zentrale Verantwortungsbereich des MVZ beschrieben; die Verantwortung für die organisatorischen Abläufe und für die Leistungsabrechnung kennzeichnen den Kern der Aufgaben des MVZ, sie stehen nicht wie beim Vertragsarzt neben der Aufgabe der Patientenbehandlung. Die korrekte Gestaltung der Leistungserbringung und der Leistungsabrechnung sind die bei weitem wichtigste Aufgabe des MVZ; unterlaufen ihm dabei Versäumnisse, so betrifft dies den Kern seiner vertragsarztrechtlichen Pflichten und nicht nur "bürokratische Nebenaufgaben". Daher ist bei der Entscheidung darüber, ob einem MVZ eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fällt, für die Überlegung, ob ihm auch gesundheitliche Gefährdungen von Patienten anzulasten sind, grundsätzlich kein Raum. Eine Entziehung der MVZ-Zulassung liegt hingegen nahe, wenn Pflichtverstöße in Rede stehen, die den Pflichtenkreis des MVZ als solchen betreffen. Aufgrund der Differenzierung zwischen dem MVZ einerseits und den einzelnen bei ihm tätigen Ärzten andererseits kann ohne Verfassungsverstoß im Rahmen von Entscheidungen nach § 95 Abs. 6 SGB V über die Entziehung einer MVZ-Zulassung die Schwere des Pflichtverstoßes und Prüfung der Verhältnismäßigkeit allein an dessen Pflichtenkreis und an dessen Grundrechtsschutz ausgerichtet werden. Dem MVZ werden weder unterschiedslos alle Pflichtverletzungen der bei ihm tätigen Ärzte einschließlich der fachlich-ärztlichen und höchstpersönlichen (zB Beleidigungen) zugerechnet, noch kann sich das MVZ auf das Interesse der einzelnen Ärzte an der persönlichen Fortführung der genuin ärztlichen Tätigkeit als abwägungsrelevanten Belang im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berufen. Maßgeblich ist vielmehr stets eine Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen, der Reaktion des MVZ darauf und das damit bewirkte Ausmaß der Störung des Vertrauens (vgl. BSG, a.a.O. RdNrn 23-31).

b.) Nach diesen Maßstäben erweist sich der Pflichtverstoß des MVZ zwar als gröblich, in seiner Schwere jedoch nicht als so erheblich, dass die Entziehung der Zulassung als Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG gerechtfertigt wäre.

aa.) In die administrativ-organisatorische Verantwortung des MVZ fiel hier in der Errichtungsphase insbesondere die Klärung der räumlichen Unterbringung der angestellten Ärzte. Hierzu hat die Klägerin nachvollziehbar vorgetragen, dass von vorneherein beabsichtigt war, die im MVZ angestellten Ärzte in dem neu zu errichtenden Ärztehaus, das nunmehr unter der Anschrift B. existiert, unterzubringen. Dieses Vorhaben ließ sich wegen offenbar erheblicher Verzögerungen beim Bau des Ärztehauses, wohl bereits schon in der Genehmigungsphase, nicht in der Weise realisieren, dass die für das MVZ tätigen Ärzte mit dem Zeitpunkt der Zulassung zum 01.10.2008 dort haben einziehen können. Die Gründung des MVZ ist zu einem erheblich verfrühten Zeitpunkt erfolgt, und die Klägerin muss sich insoweit entgegenhalten lassen, über die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ am Vertragsarztsitz getäuscht zu haben. Die bei der Beigeladenen Ziff. 1 am 22.09.2008 bzw. am 28.05.2009 eingereichten Praxisaufnahmebögen erwecken erkennbar den Eindruck, die Tätigkeit werde am Vertragsarztsitz in T., B. (alt), aufgenommen. Unter dieser Anschrift existierten aber zum damaligen Zeitpunkt keine Praxisräume, sondern die an die Stiftung L. vermietete und von ihr für die Wohngruppe der S. G. genutzte Backsteinvilla. Erst zu Beginn des Jahres 2010 wurden vor dem Hintergrund von Unstimmigkeiten innerhalb des MVZ, insbesondere im Verhältnis zwischen Geschäftsführung und den angestellten Ärzten, Bemühungen angestrengt, in der Backsteinvilla pro forma eine tatsächliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu realisieren. Insbesondere nachdem der Zulassungsausschuss davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass am Vertragsarztsitz keine ärztliche Tätigkeit ausgeübt wird, und die Klägerin zu diesem Sachverhalt mit Schreiben vom 12.02.2010 angehört worden ist, haben die Geschäftsführer der Klägerin zu Mitteln gegriffen haben, die den Verstoß gegen ihre Verpflichtung, für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung am Vertragsarztsitz zu sorgen, durchaus als gröblich qualifizieren. So haben sie nicht nur mit Schreiben vom 19.02.2010 wahrheitswidrig angegeben, die Dres. B. und M. seien am Vertragsarztsitz tätig, sondern auch mit massivem Druck auf die angestellten Ärzte eingewirkt, die allenfalls notdürftig und nur zum Schein hergerichteten und der Größe nach kaum geeigneten Räume (83 m² im ersten Stock für Dr. B. und Dr. A. gemeinsam, die in ihren alten Praxen über Flächen von jeweils über 100 m² verfügt haben) in der alten Backsteinvilla zu beziehen und dort ihre Behandlungstätigkeit auszuüben. Der Senat stützt sich bei diesen Feststellungen sowohl auf den Bericht über die Besichtigung der Räume in der Backsteinvilla durch Mitarbeiter des Zulassungsausschusses am 11.03.2010 als auch auf die von der Klägerin im Berufungsverfahren selbst vorgelegten Lichtbilder der Praxisräume. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Dr. B. und Krankheitsvertreter der Dres. B. und A. im Frühjahr 2010 tatsächlich in den Räumen der alten Backsteinvilla praktiziert haben. Die Feststellung des Beklagten, dass die Klägerin bis zum Frühjahr 2010 über die tatsächliche Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit am Vertragsarztsitz getäuscht hat, kann dieser Umstand nicht entkräften. Die Geschäftsführer der Klägerin können sich auch nicht darauf berufen, sie seien davon ausgegangen, dass die Einrichtung des Verwaltungssitzes des MVZ am Vertragsarztsitz ausreichen würde. Diese Behauptung stellt sich schon deshalb als Schutzbehauptung dar, weil sich aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Lichtbildern der Räumlichkeiten in der Backsteinvilla nicht erkennen lässt, wo dort Verwaltungsräume eingerichtet gewesen sein sollen. Vielmehr waren nach ihrem Vortrag sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Stock Praxisräume für Dr. B. sowie Dres. B. und A. untergebracht, auch im Dachgeschoss sollten weitere Praxisräume für einen weiteren Arzt eingerichtet gewesen sein.

Letztlich wurde die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ am Vertragsarztsitz erst ab Mai 2010 nach Fertigstellung des Ärztehauses und dessen Bezug durch die angestellten Ärzte ausgeübt. Dies bestreitet auch der Beklagte nicht.

bb.) Im Hinblick auf diese bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten am 26.07.2010 bestehende Situation hält der Senat die Entziehung der Zulassung allerdings für unverhältnismäßig. Der Senat hat bereits im Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt, dass der seit Mai 2010 bestehende Zustand der Sache nach demjenigen entspricht, der in der Zulassung des MVZ festgelegt war. Dass es darüber hinaus zu weiteren Pflichtverletzungen der Klägerin, etwa bei der Leistungsabrechnung als dem Kernbereich des Pflichtenkreises des MVZ, gekommen wäre, hat der Beklagte weder zum Zeitpunkt seiner Entscheidung festgestellt, noch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zu irgendeinem Zeitpunkt geltend gemacht. Eine noch während des Verwaltungsverfahrens von der Beigeladenen Ziff. 1 durchgeführte Plausibilitätsprüfung führte zu keinen Beanstandungen gegenüber der Klägerin. Der Beklagte beanstandet nach wie vor das vor dem Einzug der angestellten Ärzte in dem neu errichtete Ärztehaus von den Geschäftsführern der Klägerin an den Tag gelegte Verhalten. Dieses betrifft indes allein den Bereich der verspäteten Errichtung des Ärztehauses und des verzögerten Einzugs nach der bereits formell erfolgten Errichtung des MVZ und damit einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt, der sich nach Fertigstellung und Bezug des Ärztehauses so auch nicht wiederholen kann. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Beklagten oder der Beigeladenen vorgetragen worden, dass durch die falschen Angaben der Klägerin zum Ort des MVZ irgendjemandem weitere Schäden oder Nachteile entstanden wären oder die Beigeladenen fehlerhafte Entscheidungen getroffen hätten. Dass die Verlegung des Vertragsarztsitzes in das neue Ärztehaus mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010 abgelehnt worden war und diese Entscheidung bestandskräftig geworden ist, stellt für sich gesehen keinen Verstoß der Klägerin gegen vertragsärztliche Pflichten dar, weil die Ablehnungsentscheidung ausdrücklich in Folge der vom Zulassungsausschuss angenommenen Beendigung der Zulassung der Klägerin getroffen wurde. Aus dem Beschluss ist aber zu entnehmen, dass in der Sache keine Gründe gegen ein Verlegung bestehen würden, da sich der Neubau in unmittelbarer Nähe zum bisherigen Vertragsarztsitz in der Backsteinvilla befinde und eine adäquate Versorgung durch die Tätigkeit des MVZ in den neuen Praxisräumen gewährleistet werden könne.

Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung über die Zulassungsentziehung zu Unrecht außer Betracht gelassen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits dem Zulassungsstatus entsprechende Verhältnisse geschaffen waren. Vor dem Hintergrund des grundrechtlich gewährleisteten Schutzes der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG, den - wie ausgeführt - auch die Klägerin als MVZ für sich beanspruchen kann, erweist sich nach Auffassung des Senats der ungeachtet der Beseitigung der in formeller Hinsicht bestehenden Missstände erfolgte Entzug der Zulassung als unverhältnismäßig. Die Unverhältnismäßigkeit folgt für den erkennenden Senat auch aus dem in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Rechtsgedanken zum Wohlverhalten im laufenden Zulassungsentziehungsverfahren (vgl. Urteil vom 21.03.2012, a.a.O. RdNrn 53 ff.), welches aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Berufsausübungsfreiheit und der Folge des Verlusts der Betätigungsmöglichkeit verlangt, dass eine Angemessenheit der Entziehungsentscheidung auch im Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz noch besteht. Hat sich die Sachlage im Verlaufe des Prozesses durch das Wohlverhalten des Leistungserbringers in einer Weise geändert, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsärztlichen Institutionen wieder aufgebaut werden kann, so ist dies bei der Prüfung der Angemessenheit der Entziehungsentscheidung zu berücksichtigen, mit der Folge, dass sich diese als unverhältnismäßig erweisen kann.

Zwar hat das BSG diese Rechtsprechung zwischenzeitlich mit Urteil vom 17.10.2012 (- B 6 KA 49/11 R -, in Juris) dahingehend geändert, dass ein entsprechendes Wohlverhalten nicht mehr im Verfahren gegen die Zulassungsentziehung zu berücksichtigen ist, sondern erst im Rahmen der Wiedererteilung einer Zulassung. Das BSG hat die Wirkung der Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung aber ausdrücklich erst für diejenigen Verfahren vorgesehen, in denen die Entscheidungen des Berufungsausschusses nach der Veröffentlichung des Urteils vom 17.10.2012 ergehen. Mithin verbleibt es für das vorliegende Verfahren bei der bisherigen, vom BSG vorgegeben Maßgabe, dass eine bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eingetretene Verhaltensänderung des Betroffenen zu berücksichtigen ist. Das BSG hat in diesem Urteil auch nochmals festgehalten, was für die Annahme von Wohlverhalten zu verlangen ist. Wohlverhalten erfordert danach (retrospektiv) eine Verhaltensänderung und (prospektiv) eine "positive" Prognose. Diese gebietet die Aufklärung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die dafür und dagegen angeführt werden können, dass der Arzt sich künftig - anders als in der Vergangenheit - korrekt verhalten wird (BSG, Urteil vom 17.12.2010, a.a.O. RdNr. 59 m.w.N.).

Danach sieht sich der Senat veranlasst festzustellen, dass die Geschäftsführer der Klägerin die vormals bestehenden Missstände hinsichtlich der zunächst pflichtwidrig dezentral durchgeführten vertragsärztlichen Tätigkeit mit dem Bezug des neuen Ärztehauses im Mai 2010 - und damit bereits vor der Entscheidung des Berufungsausschusses endgültig abgestellt haben, dass ihnen weitere Pflichtverletzungen in dem Kernbereich ihrer Tätigkeit, insbesondere im Rahmen der Leistungsabrechnung nicht vorgehalten werden können und dass der Vorwurf weiterer Pflichtverletzungen im weiteren Verfahrensverlauf weder vom Beklagten erhoben wurde noch von der zum Verfahrens beigeladenen KVBW oder einer der ebenfalls am Verfahren beteiligten Krankenkasse. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der MVZ seit dem Bezug des Ärztehauses ordnungsgemäß arbeitet und seine vertragsärztliche Tätigkeit beanstandungsfrei durchführt. Da der begangene Pflichtenverstoß sich auf die lediglich einmalig auftretende Situation der Errichtungsphase des MVZ beschränkt hat, kommt es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht darauf an, dass seit der Tätigkeitsaufnahme des MVZ am zugelassenen Sitz noch kein Zeitraum verstrichen ist, der der vom BSG im Rahmen der Rechtsprechung zum Wohlverhalten angenommenen "Wohlverhaltensfrist" von fünf Jahren entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Folgen des Verstoßes mit dem Bezug des Ärztehauses vollständig beseitigt sind und sich ein derartiger Verstoß - anders als etwa Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung - aufgrund der Situationsgebundenheit nicht mehr wiederholen kann. Allein der formelle Verstoß hinsichtlich des Ortes der Ausübung der ärztlichen Behandlungen im Rahmen der Errichtungsphase des MVZ rechtfertigt nicht die Entziehung der Zulassung, die sich in Anbetracht der fehlenden Schwere des Verstoßes gegen Pflichten des MVZ als nicht angemessen erweist. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Zulassung des MVZ für den Geschäftsführer der Klägerin als Alleingesellschafter aufgrund der Änderung des § 95 Abs. 1a SGB V zum 01.01.2012 nicht mehr möglich ist, da er nicht mehr zum Kreis der gründungsberechtigten Rechtspersonen zählt.

Konnte die Zulassungsentziehung daher keinen Bestand haben, war auch die hierzu als Annexentscheidung ergangene Feststellung des Endes der Anstellungsgenehmigungen der angestellten Ärzte zum 26.07.2010 aufzuheben.

Die Berufung der Klägerin hat damit Erfolg. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, sondern den Beschluss des Beklagten vom 26.07.2010 in vollem Umfang aufheben müssen.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladenen Ziff. 2 bis 6 in beiden Rechtszügen (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit kein Prozessrisiko übernommen haben, entsprach es nicht der Billigkeit, dem Beklagten bzw. der Beigeladenen Ziff. 1 auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Der Streitwert wurde in Anlehnung an den allen Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 14.04.2011 - L 5 KA 3990/10 ER-B - mit 906.678,46 EUR festgesetzt. Hierauf wird Bezug genommen. Dieser Betrag entspricht dem Gegenstandswert, den der Beklagte im Beschluss/Bescheid vom 26.07.2010 selbst errechnet hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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