L 10 U 303/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 3463/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 303/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16.12.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich die beim Kläger anerkannte Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - im Folgenden: BK 2101) verschlimmert hat und dem Kläger deshalb höhere Verletztenrente zusteht.

Der am 1943 geborene Kläger war langjährig als Fliesenleger beschäftigt. Durch das Urteil des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 05.11.1997 (S 8 U 1675/96) sind beim Kläger eine BK 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) und als Folge dieser BK ein "Abriss des Innenmeniskushinterhorns links, Beseitigung durch die Operation vom 29.09.1993, Verschlimmerung eines degenerativen Vorschadens im linken Knie im Sinne von verstärkter subjektiver Schmerzhaftigkeit, Reiben im linken Knie und subjektive Schmerzen in der Hocke" festgestellt. Grundlage dessen war das Gutachten des Prof. Dr. S. vom 02.06.1997, der im Hinblick auf den anlässlich der Operation am 29.09.1993 erhobenen Befund (erhebliche degenerative Veränderungen hinter der Kniescheibe und am inneren Gelenkspalt mit Knorpelaufbrüchen, außerdem ein tangentialer Abriss des Innenmeniskushinterhorns) die Auffassung vertrat, dass der Abriss des Innenmeniskushinterhorns berufsbedingt sei, nicht aber die degenerativen Veränderungen im linken Knie, da auch das rechte Knie entsprechende degenerative Veränderungen - wenn auch ohne Zeichen einer Meniskusschädigung - erkennen lasse. Nach Entfernung des abgerissenen Hinterhorns sei der Vorzustand wieder erreicht und die dann noch bestehenden Beschwerden seien auf den hiervon unabhängigen degenerativen Vorschaden zurückzuführen. Eine weitere Verschlechterung des Zustandes sei mit hoher Wahrscheinlichkeit dem degenerativen Schaden, der sich auch rechtseitig nachweisen lasse, zuzurechnen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Folgen der BK bewertete er mit 10 vom Hundert (v.H.). Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte im Hinblick auf eine darüber hinaus als BK anerkannte Lärmschwerhörigkeit wegen des bestehenden Stützrententatbestandes ab Februar 1996 Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. (Bescheid vom 16.01.2008).

Nachdem im Februar 2000 und im Januar 2003 gestellte Verschlimmerungsanträge des Klägers erfolglos geblieben waren, machte der Kläger im November 2004 erneut eine Verschlimmerung der Folgen der anerkannten BK geltend. In dem sich an die ablehnende Entscheidung der Beklagten anschließenden Klageverfahren S 6 U 310/07 holte das SG das Gutachten des Dr. B. vom 26.01.2008 ein, der auf der Grundlage der seines Erachtens "auf sehr wackeligen Beinen" stehenden Anerkennung einer BK 2102 die Auffassung vertrat, dass Ursache des beim Kläger aktuell bestehenden Beschwerdebildes die medial und retropatellar betonte Gonarthrose sei. Hierfür spreche das Fehlen typischer klinischer Meniskuszeichen und meniskusbedingter funktioneller Beeinträchtigungen sowie ferner der weitgehend seitengleich ausgeprägte objektivierbare Befund. Auch entspreche die Entwicklung des Beschwerdebildes dem zu erwartenden Verlauf der Gelenkerkrankung, wobei der linksseitige Meniskusschaden hierauf keinen Einfluss genommen habe. Eine höhere als die nur mit äußerstem Wohlwollen bereits zuerkannte MdE um 10 v.H. sei keinesfalls gerechtfertigt. Gestützt auf dieses Gutachten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2008 ab. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der weitere Verschlimmerungsantrag des Klägers vom Juni 2009, den die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.2009 ablehnte. Zur Begründung verwies sie auf das Gutachten des Dr. B ... Der Befund hinsichtlich der Meniskuserkrankung sei seit 1993 völlig unverändert. Bei einem stabilen orthopädischen Befund über einen derart langen Zeitraum komme eine Verschlimmerung der Folgen BK nicht mehr in Betracht, zumal der Kläger seit mehreren Jahren keine berufliche Tätigkeit mehr ausübe und er somit keinen beruflichen Einwirkungen mehr ausgesetzt sei. Die Verschlimmerung der Kniebeschwerden sei den bk-unabhängigen degenerativen Veränderungen an beiden Kniegelenken zuzurechnen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.11.2009).

Am 16.12.2009 hat der Kläger dagegen beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, die Schlussfolgerungen des Dr. B. in seinem Gutachten vom 26.01.2008 beruhten im Wesentlichen darauf, dass er die Richtigkeit der Anerkennung einer BK 2102 in Zweifel ziehe. Er hat Befunde über Magnetresonanztomographien (MRT) des rechten und linken Knies vom 09. und 21.04.2009 sowie das an ihn gerichtete Schreiben des Facharztes für Orthopädie B. vorgelegt, wonach die aktuellen MRT-Befunde zeigten, dass sich der Befund im Vergleich zu den Vorbegutachtungen "offensichtlich verschlechtert" habe.

Das SG hat das Gutachten des Prof. Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers im April 2011 eingeholt. Dieser hat bezüglich der Folgen der anerkannten BK 2102 im Vergleich zu den Befunden im Gutachten vom 16.01.2008 keine wesentliche Änderung gesehen. Allerdings hätten sich die degenerativen Veränderungen in beiden Kniegelenken, die nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der BK 2102 stünden, altersentsprechend fortentwickelt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2011 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. S. abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Verschlimmerung der anerkannten Folgen der BK 2102 sei nicht feststellbar. Die insoweit aufgetretenen Schäden seien durch die Operation im Jahr 1992 korrigiert. Hinweise auf eine sichere Ruptur des Meniskusgewebes hätten sich durch die nun gefertigten MRT nicht finden lassen. Die Schmerzhaftigkeit am linken Knie sei der degenerativen Kniegelenkserkrankung zuzuordnen.

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 28.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.01.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und wiederum geltend gemacht, der Zustand des linken Kniegelenks habe sich wesentlich verschlimmert. Dieser rechtfertige nunmehr die Bemessung mit einer MdE um zumindest 20 v.H. In seiner Auffassung sieht sich der Kläger durch die vorgelegten Arztbriefe des behandelnden Arztes Dr. K. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Radiologische Diagnostik/Neuroradiologie, vom 18.07.2012 und 11.01.2013 sowie 13.08.2013 bestätigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16.12.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2009 zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 16.01.2008 wegen der Folgen der BK 2102 Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat wegen der Folgen der anerkannten BK 2102 keinen Anspruch auf höhere Verletztenrente. Denn eine wesentliche Verschlimmerung der Folgen dieser BK, die die Bemessung mit einer höheren MdE rechtfertigen könnte, ist nicht eingetreten.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Gewährung der vom Kläger geltend gemachten höheren Verletztenrente nach einer MdE um zumindest 20 v.H. käme danach nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich der Folgen der anerkannten BK 2102, wie sie der Rentenbewilligung zu Grund gelegen haben, eine Verschlimmerung eingetreten wäre und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen nunmehr die Bemessung mit einer höheren MdE rechtfertigen würden.

Eine derartige Verschlimmerung des als BK anerkannten Meniskusschadens links vermag der Senat nicht festzustellen. Nachdem schon Dr. B. in seinem Gutachten vom 26.01.2008 hinsichtlich der als BK anerkannten Meniskuserkrankung einen seit 1993 unveränderten Befund beschrieb, hat anknüpfend hieran nun auch der vom SG hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. S. - die weitere Entwicklung betrachtend - insoweit eine relevante Befundveränderung verneint. Wie zuvor schon Dr. B. für den Zeitraum bis zu seiner Begutachtung, hat auch Prof. Dr. S. die sich zweifellos fortentwickelnde Beschwerdesituation, die beide Knie betrifft, den - bk-unabhängigen - degenerativen Veränderungen in beiden Kniegelenken zugeordnet, die bereits 1993 objektiviert wurden und sich seither - so Dr. B. und Prof. Dr. S. übereinstimmend - altersentsprechend weiterentwickelt haben. Gerade der Umstand, dass sich rechtsseitig im Vergleich zum linken Knie ein im Wesentlichen identisches Beschwerdebild findet, weist darauf hin, dass sich gerade die bk-unabhängigen beidseits vorhandenen degenerativen Veränderungen weiterentwickelt haben, nicht aber der lediglich linksseitige, als BK anerkannte Meniskusschaden. Denn in diesem Fall wäre linksseitig ein deutlich vorauseilender Befund zu erwarten, nicht jedoch ein solcher, wie er von Dr. K. zuletzt beschrieben worden ist (vgl. Bericht vom 11.01.2013: in beiden Kniegelenken Arthrose mit Einengung des Gelenkspaltes auf 2,6 mm im linken bzw. 2,5 mm im rechten Knie).

Eine Verschlimmerung der Meniskuserkrankung haben auch die behandelnden Ärzte des Klägers, auf deren Einschätzung sich der Kläger stützt, nicht beschrieben. Der Orthopäde B. hat in seinem an den Kläger gerichteten und im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schreiben vom 27.04.2009 zwar die Entwicklung und die Auswirkungen der beim Kläger bestehenden Kniegelenksarthrose beschrieben und deutlich gemacht hat, dass sich der Befund im Vergleich zu den Vorbegutachtungen "offensichtlich verschlechtert" habe, eine Verschlimmerung der vorliegend allein relevanten Meniskuserkrankung des Klägers damit aber gerade nicht bestätigt. Vielmehr hat diese Erkrankung in seinen Ausführungen nicht einmal Erwähnung gefunden, so dass dieses Schreiben die Auffassung des Klägers, die Folgen der anerkannten BK hätten sich verschlimmert, gerade nicht stützt. Demgegenüber sind die Ausführungen des Orthopäden B. in Einklang zu bringen mit den Gutachten des Dr. B. und des Prof. Dr. S. , die ebenfalls von einer Verschlechterung der degenerativen Gelenkserkrankung im Bereich des linken Kniegelenks - wie im Übrigen auch rechtsseitig - ausgehen. Insoweit verkennt der Kläger, dass die zweifellos fortschreitende Funktionseinschränkung im Bereich des linken Kniegelenks - die sich im Übrigen auch rechtsseitig zeigt - nicht Ausdruck einer Verschlimmerung der anerkannten BK ist, sondern gerade der medial und retropatellar betonten Gonarthrose, die nicht in einem Zusammenhang mit der Meniskuserkrankung steht und unabhängig von der anerkannten BK aufgetreten ist. Dies legten Prof. Dr. S. und Dr. B. in ihren Gutachten überzeugend dar und dies entspricht der von Prof. Dr. S. bereits im Gutachten von 1997 angestellten prognostischen Einschätzung.

In diesem Sinne hat auch Dr. K. in seinem vom Kläger vorgelegten Arztbrief vom 18.07.2012 ein beidseits mittelgradig ausgeprägtes Schmerzsyndrom beider Kniegelenke bei medial betont deutlich ausgeprägter Gonarthrose mit in den letzten fünf Jahren sich verschlechternder Funktion auf zuletzt bei der Streckung/Beugung linksseitig 5-0-70 Grad und rechtsseitig 10-0-70 Grad - so Dr. K. in seinem Arztbrief vom 11.01.2013 - beschrieben. Damit hat aber auch Dr. K. die Zunahme der Funktionseinschränkung nicht auf eine Verschlechterung der anerkannten BK zurückgeführt.

Soweit der Kläger meint, Dr. K. bestätige in seinen Ausführungen die von ihm vertretene Auffassung, wonach sich die anerkannte BK verschlechtert habe, so trifft - wie dem vorgelegten Schreiben vom 11.01.2013 zu entnehmen ist - zwar zu, dass Dr. K. die dargelegte Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen in einen Zusammenhang mit der von der Beklagten anerkannten BK gebracht hat. Jedoch unterliegt Dr. K. , was die von der Beklagten als BK anerkannte Erkrankung anbelangt, offenbar einem Irrtum. Denn soweit er in dem genannten Schreiben dargelegt hat, "seit etwa 20 Jahren ist von Seiten der Berufsgenossenschaft eine 10%ige Berufserkrankung (Gelenkverschleiß bei Beruf als Fliesenleger) anerkannt", trifft dies gerade nicht zu. Denn beim Kläger ist gerade keine Gelenkerkrankung im Sinne einer Gonarthrose, sondern vielmehr eine Meniskusschädigung als BK anerkannt. Wenn Dr. K. daher in der fehlerhaften Annahme, als BK sei eine Gelenkerkrankung anerkannt, von eine Verschlechterung gerade dieser Gelenkerkrankung ausgeht, so bestätigt er gerade die auch von der Beklagten und ihr folgend dem SG vertretene Auffassung, dass die zwischenzeitlich vorliegenden Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Knies Folge der sich fortentwickelnden degenerativen Gelenksveränderungen sind.

Soweit Dr. K. in seinem letzten Schreiben vom 13.08.2013 eine erneute Verschlechterung der Beschwerdesituation des Klägers im Bereich des linken Kniegelenks beschreibt, vermag dies an der bisherigen Beurteilung nichts zu ändern. Denn maßgebend für die hier allein maßgebende Frage der Verschlechterung der anerkannten BK und Bemessung der MdE ist - wie dargelegt - nicht das Ausmaß der bestehenden funktionellen Einschränkungen, sondern die Frage, ob sich insoweit gerade die Folgen der anerkannten BK verschlechtert haben. Dies lässt sich auch aus den Ausführungen von Dr. K. im Schreiben vom 13.08.2013 nicht entnehmen. Vielmehr verweist Dr. K. auch in diesem Schreiben auf die "schwere degenerative Gelenkerkrankung", so dass seine Ausführungen auch hier durch den dargelegten Irrtum geprägt sind.

Trotz Verschlechterung des Beschwerde- und Funktionszustandes am linken Knie besteht somit kein Anspruch auf höhere Verletztenrente. Denn diese Verschlechterung ist - wie dargelegt - nicht auf die anerkannte BK, sondern auf bk-unabhängige degenerative Veränderungen des Kniegelenkes i.S. einer Gonarthrose zurückzuführen. Damit kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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