Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 957/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1152/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.02.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Die am 1946 geborene Klägerin war ab 1996 beim Verein für Waldorfpädagogik U. e.V. als Erzieherin beschäftigt. Am Freitag, den 02.02.2007, hatte die Klägerin Pausenaufsicht. Gegen 10.00 Uhr näherte sich ihr ein Kind von hinten und brachte eine aufgeblasene Plastikvespertüte im Bereich ihres linken Ohrs zum Platzen, was die Klägerin äußerst erschreckte. Wegen der sogleich aufgetretenen Übelkeit legte sich die Klägerin zunächst auf eine Liege und wurde, nachdem sich Ihr Befinden nach einer Stunde nicht gebessert hatte, nach Hause gebracht. Am Nachmittag stellte sich die Klägerin gegen 16.00 Uhr bei dem HNO-Arzt Dr. B. vor. Ausweislich seines Berichts vom 06.02.2007 (Bl. 3 VerwA) berichtete die Klägerin, nach dem Knall sei ein leichter Schmerz und anschließend Schwindel aufgetreten; eine Schwerhörigkeit habe nicht bestanden. Aktuell werde noch ein leichter Schmerz und ein Druckgefühl im linken Ohr bemerkt. Das Vorliegen von Ohrgeräuschen sei verneint worden. Dr. B. ging von einem Knalltrauma links aus und überwies die Klägerin in die HNO-Klinik des Klinikums am G. in H. , wo sie noch am Abend stationär aufgenommen und bis 06.02.2007 mittels Infusionstherapie behandelt wurde. Im Behandlungsbericht vom 13.02.2007 (vgl. Bl. 12 VerwA) sind anamnestisch Klagen über ein Druckgefühl und Ohrschmerzen links dokumentiert. Ausdrücklich verneint wird ein Tinnitus, ein Schwindel und eine Otorrhö. Unter Therapie sei es zu einer Besserung gekommen. Arbeitsunfähigkeit wurde hiernach noch bis Freitag, den 16.02.2007, bescheinigt (vgl. Vorerkrankungsverzeichnis der S. BKK; Bl. 31a VerwA). Hieran schloss sich eine Ferienwoche an, in der die Mutter der Klägerin verstarb. Am Montag der darauffolgenden Woche, dem 26.02.2007, stellte sich die Klägerin bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. vor, die wegen somatoformer Störung und depressiver Episode Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, die in der Folgezeit bis 30.03.2007 verlängert wurde. Während der sich anschließenden Osterferien teilte die Klägerin der Beklagten anlässlich eines Telefonats am 03.04.2007 mit, wegen eines Erschöpfungszustandes und andauerndem Druck auf dem linken Ohr arbeitsunfähig geschrieben worden zu sein; ob sie nach Ende der Osterferien am 16.04.2007 ihre Arbeit wieder aufnehmen könne, könne sie nicht beurteilen. Um eine Stellungnahme gebeten, führte Dr. M. gegenüber der Beklagten sodann aus, die nach dem Unfall aufgetretene Akutsymptomatik mit Schwindel und Schmerz habe sich zurückgebildet, allerdings bestehe eine veränderte Geräuschwahrnehmung und unter Belastung sei auch wieder Schwindel und Schmerz aufgetreten.
Am 16.04.2007, also nach Ende der Osterferien, nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf. Am 23.04.2007 stellte sie sich bei dem HNO-Arzt Dr. W. vor und beklagte, dass es drei Tage nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit "erneut" zu einem Ohrgeräusch auf dem linken Ohr gekommen sei; eine Hörminderung bestehe nicht. Auf Grund des Eindrucks einer psychischen Überlagerung der Symptomatik habe er - so sein Bericht vom 24.04.2007 (Bl. 27/28 VerwA) - eine neuro-psychiatrische Zusatzbehandlung angesprochen, was die Klägerin jedoch strikt abgelehnt habe. Dr. W. ging von einem Rezidiv-Tinnitus und einer Hyperakusis ab 19.04.2007 aus und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit. In der Folgezeit wurde fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt; ihre berufliche Tätigkeit nahm die Klägerin nicht wieder auf. Zwischenzeitlich bezieht sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Zur Feststellung der Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Priv.-Doz. Dr. H. , Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik im O. S. , der die Klägerin im August 2007 untersuchte und eine Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits (vorwiegend die hohen Frequenzen betreffend), die noch einer Normalhörigkeit entspreche, diagnostizierte. Im Bereich des linken Ohrs sei darüber hinaus bei 6 kHz ein Ohrgeräusch angegeben worden; weiterhin bestehe eine Überempfindlichkeit am linken Ohr. Bei der Untersuchung der Gleichgewichtsorgane habe er einen seitengleichen Normalbefund erhoben. Der von der Klägerin erstmals am 19.04.2007 beklagte Tinnitus könne nicht mit Sicherheit auf das Trauma zurückgeführt werden. Die Überempfindlichkeit am linken Ohr lasse sich hno-ärztlich nicht begründen.
Mit Bescheid vom 07.11.2007 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin aus Anlass des Unfalls vom 02.02.2007 Verletztenrente zu gewähren. Sie anerkannte eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis 06.02.2007 und als Folge des Versicherungsfalls ein "ohne wesentliche Folgen ausgeheiltes Knalltrauma des linken Ohres nach Zerplatzen einer aufgeblasenen Papiertüte". Nicht als Folgen des Versicherungsfalls, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung, anerkannte sie eine leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits, subjektive belastungsabhängige Beschwerden in Form von lärmabhängigen Ohrgeräuschen sowie durch Aufregung bedingte Schwindelgefühle, Übelkeit und Ohrenschmerzen links. Der dagegen eingelegte Widerspruch, mit dem die Klägerin als Unfallfolgen eine Hyperakusis, einen Tinnitus, Schwindelattacken, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bei Drehen des Kopfes nach links sowie ein reaktiv-depressives Erschöpfungssyndrom geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 zurückgewiesen.
Am 26.03.2008 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die dargelegten Beschwerden seien auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückzuführen, zumal keine anderen Ursachen bekannt seien, die ihre Erkrankung ausgelöst haben könnten. Gerade der Zusammenhang zwischen Knalltrauma und Tinnitus sei zweifelsfrei gegeben. Sie hat den Entlassungsbericht der Paracelsus Roswitha Klinik in Bad Gandersheim vorgelegt, wo sie vom 26.03. bis 23.04.2008 unter den Diagnosen chronisch komplexer Tinnitus, dekompensiert, Schweregrad III, mittelgradige depressive Episode, unspezifischer Rückenschmerz und Hypercholersterinämie stationär behandelt worden war.
Das SG hat das Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. R. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom September 2008 eingeholt. Dieser hat eine diskrete Hochtonschwerhörigkeit beiderseits mit normalem Hörvermögen rechts und annähernd normalem Hörvermögen links beschrieben, die nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sei. Der darüber hinaus in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall aufgetretene dekompensierte Tinnitus aurium und die Hyperakusis als psychoakustisches Phänomen seien von neurologisch-psychiatrischer Seite zu beurteilen. Daraufhin hat das SG das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. E. , Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin im Klinikum L. , auf Grund Untersuchung der Klägerin im Februar 2009 eingeholt. Der Sachverständige ist diagnostisch von einer somatoformen Störung, die durch einen Tinnitus, das psychoakustische Phänomen der Hyperakusis, Schwankschwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und sonstiger Körpermissempfindungen geprägt sei, sowie einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen und hat diese Gesundheitsstörungen, ausgehend von einem eindeutigen zeitlichen Zusammenhang zwischen Symptomen und Knalltrauma, mit Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den Unfall vom 02.02.2007 zurückgeführt. Zum Unfallzeitpunkt sei bei der Klägerin von einem altersentsprechenden körperlichen und psychischen Normalbefund auszugehen gewesen, wobei jedoch eine erhöhte psychische Vulnerabilität vorgelegen habe (hohe Beanspruchung im Berufsleben und ausgeprägte emotionale Einbindung, Wunsch nach jahrelanger von hohem Altruismus gekennzeichneter Tätigkeit, wieder mehr auf sich selbst zu schauen, Beginn einer neuen Beziehung), in deren Folge die Klägerin das in organischer Hinsicht folgenlos ausgeheilte Knalltrauma fehlverarbeitet habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat der Sachverständige auf Grund der depressiven Reaktion und der massiven Einbußen des psychosozialen Funktionsniveaus auf zumindest 50 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Auffassung ergänzend geäußert.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.02.2010 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2008 verurteilt, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. ab 16.04.2007 zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Prof. Dr. E. gestützt.
Am 08.03.2010 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ausführlich begründet, weshalb die Einschätzung des Prof. Dr. E. nicht überzeugt. Insbesondere habe der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt, dass die wesentliche Bedingung für das Eintreten und die Entwicklung der bei der Klägerin aufgetretenen Symptome nicht die traumatische Intensität des Ereignisses gewesen sei, die er objektiv als niedrig beurteilt habe, sondern vielmehr die psychische Fehlverarbeitung auf Grund der speziellen psychischen Konstellation der Klägerin. Damit sei die vorbestehende psychische Vulnerabilität rechtlich wesentlich für die später aufgetretenen Störungen, nicht aber das angeschuldigte Ereignis.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. L. , Facharzt für Orthopädie, und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört und sodann das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik im Bezirkskrankenhaus G. , eingeholt, der die Klägerin im März 2013 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und ist davon ausgegangen, dass die noch von Prof. Dr. E. beschriebene depressive Episode zwischenzeitlich abgeklungen ist. Die beklagte Symptomatik (insbesondere Tinnitus, Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit) hat er angesichts der mehrzeitigen Verschlechterungen, der erfolgten Symptomausweitung und des mangelnden eindeutigen zeitlichen Zusammenhangs mit dem Unfall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückgeführt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2008 nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich nicht als rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten. Denn es ist nicht festzustellen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich durch das Zerplatzen einer Plastiktüte im Bereich ihres linken Ohrs hervorgerufen wurden. Der Klägerin steht aus Anlass dieses Ereignisses daher auch Verletztenrente nicht zu.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Gewährung von Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich dabei nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten in Folge eine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Bei dem Ereignis vom 02.02.2007, bei dem ein Schüler während der von der Klägerin ausgeübten Pausenaufsicht an deren linken Ohr eine Tüte zum Platzen brachte, worauf diese zunächst mit Übelkeit reagierte, handelt es sich um einen Arbeitsunfall in diesem Sinn. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beklagte hat dieses Ereignis in dem angefochtenen Bescheid vom 07.11.2007 auch selbst als Versicherungsfall und damit der Sache nach als Arbeitsunfall bezeichnet und als Folge hiervon ein ohne wesentliche Folgen ausgeheiltes Knalltrauma des linken Ohres aufgeführt.
Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens von Dr. R. fest. Nach dem Gutachten von Dr. R. besteht bei der Klägerin eine diskrete Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit normalem Hörvermögen rechts und annähernd normalem Hörvermögen links. Die im ersten Audiogramm vom 02.02.2007 (Dr. B. ) dargestellte Senke bei 6 kHz ist schon in den nachfolgenden Audiogrammen vom 04./05.02.2007 und auch in späteren Audiogrammen - so Dr. R. - nicht mehr zu erkennen. Stattdessen wurde der Hörverlust im Bereich von 6 kHz auf beiden Seiten größer, was - da nur das linke Ohr vom Knall betroffen war - nicht mit dem Unfall in Verbindung stehen kann. Gleiches gilt für die von Dr. R. beschriebene beidseitige abfallende Hörschwellenkurve in den höheren Frequenzen. Im Ergebnis hat Dr. R. somit überzeugend dargelegt, dass die beidseitige Hochtonschwerhörigkeit, die im Übrigen nicht die Annahme einer MdE rechtfertigen würde, nicht auf das in Rede stehende Unfallereignis zurückzuführen ist. In Betracht kommt insoweit allenfalls eine nur wenige Tage anhaltende leichte Hörstörung in Form der beschriebenen Senke bei 6 kHz, die jedoch keine MdE begründet.
Streitig ist zwischen den Beteiligten vor allem, ob bei der Klägerin als Folge dieses Ereignisses weitere Gesundheitsstörungen bestehen - so insbesondere ein Tinnitus, eine Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit und ein Kopfschmerz sowie, ggfs. zeitweise, eine Depression - und hierdurch ihre Erwerbsfähigkeit in einem rentenberechtigendem Ausmaß eingeschränkt ist. Dies verneint der Senat.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen vermag der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die von der Klägerin beklagte Symptomatik, der nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. keine körperliche Ursache zu Grunde liegt und von den Sachverständigen Prof. Dr. E. und Prof. Dr. Dr. W. daher übereinstimmend den somatoformen Störungen (Prof. Dr. E.: somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet, nach F45.9 des ICD-10; Prof. Dr. Dr. W. somatoforme autonomen Funktionsstörung nach F45.3- des ICD-10) zugeordnet worden ist, rechtlich wesentlich auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückzuführen ist. Damit kann der ursächliche Zusammenhang insoweit nicht wahrscheinlich gemacht werden, was nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Der Senat vermag bereits den naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem von der Klägerin erlittenen Knalltrauma und der nachfolgend aufgetretenen Symptomatik (Tinnitus, Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerz, Depression) nicht zu bejahen.
Aus hno-ärztlicher Sicht hat Dr. R. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Knall und dem Tinnitus sowie der Hyperakusis verneint. Dies überzeugt, weil die vorhandene geringe Hochtonschwerhörigkeit beidseits bereits nicht unfallbedingt ist und somit ein organisch denkbarer Ansatz für einen Kausalzusammenhang nicht erkennbar ist.
Dem entsprechend weist Dr. R. die Prüfung eines möglichen Ursachenzusammenhangs dem nervenärztlichen Gebiet zu. Indessen überzeugt den Senat die von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. vertretene Auffassung, wonach das Knalltrauma mit seinen unmittelbaren Folgen (stationäre Aufnahme für mehrere Tage) ursächlich für die weitere Krankheitsentwicklung war, nicht. So ist der Sachverständige vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Traumafolgen aus hno-ärztlicher Sicht bereits wenige Tage nach dem Unfall nicht mehr zu objektivieren waren, vielmehr eine Ausheilung stattfand und damit ein körperlich unkomplizierter Heilungsverlauf vorlag, und der objektiv als niedrig angesehenen traumatischen Intensität des Ereignisses davon ausgegangen, dass bei der Klägerin eine Fehlverarbeitung des Knallereignisses stattgefunden hat. Unter dem Eindruck einer bisher nie erlebten Schreckreaktion und der sich an den Unfall anschließenden stationären Behandlung habe bei der Klägerin eine verstärkte und deutlich emotionalisierte Beschäftigung mit Körpersymptomen mit auffällig sensibilisierter Innenschau stattgefunden. Auf diesem Weg habe dabei eine Abkopplung der subjektiven Symptomwahrnehmung vom eigentlich körperlich unkomplizierten Heilungsverlauf des als plausibel angesehenen Knalltraumas stattgefunden, wobei auf diese Weise auch die Weiterentwicklung der Körpermissempfindungen (bspw. der Schmerzen und des Schwindels) zu verstehen sei. Als "plausibler Verstehensansatz" für die im Februar 2007 bestehende Vulnerabilität zur Entwicklung einer solchen Fehlverarbeitung hat der Sachverständige die seinerzeitige Lebenssituation der Klägerin gesehen, wobei sie sich nach jahrelanger, von hohem Altruismus geprägter beruflicher Tätigkeit mit hoher emotionaler Einbindung in einer Phase befunden habe, in der sie wieder verstärkt auf sich selbst habe schauen wollen und erst kurz zuvor eine neue partnerschaftliche Bindung eingegangen sei. Im Sinne eines unspezifischen Stressors sei diese Konstellation ein geeignetes Substrat für die Fehlverarbeitung des Unfallereignisses gewesen. Denn auch positive Veränderungen größerer Tragweite im Leben (bspw. das Eingehen einer neuen Partnerschaft) könnten Faktoren darstellen, die eine erhöhte Verletzlichkeit gegenüber beeinträchtigenden Ereignissen bedingen.
Mit diesen Ausführungen kommt Prof. Dr. E. indessen über eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht hinaus. Dies zeigt sich vor allem daran, dass er die postulierte erhöhte Vulnerabilität der Klägerin lediglich als "plausiblen Verstehensansatz" darstellt. Ob die Klägerin tatsächlich derart vulnerabel war, ist indessen nicht nachgewiesen. Gegenüber Prof. Dr. Dr. W. hat die Klägerin u.a. angegeben, sie habe sich damals, unmittelbar vor dem Unfallereignis, in Hochform gefühlt; insbesondere angesichts der sich anbahnenden neuen Partnerschaft ist dies nachvollziehbar. Warum hieraus eine erhöhte Vulnerabilität folgen soll, hat Prof. Dr. E. nicht begründen können. Auch wenn es zutreffen sollte, dass nach der von ihm angeführten "Life-Event-Forschung" auch positive Veränderungen im Leben eine erhöhte Verletzlichkeit begründen "können" (so Prof. Dr. E. ), erscheint das Gegenteil (größere Belastbarkeit) ebenso möglich, wie die dritte Alternative, dass keine Auswirkungen stattfinden. Wieso bei der Klägerin eine erhöhte Vulnerabilität anzunehmen sein soll, erschließt sich somit aus den Ausführungen des Sachverständigen nicht. Er räumt im Grunde den spekulativen Charakter seiner Überlegungen ein, wenn er (Bl. 112 SG-Akte) eine psychische Vorerkrankung verneint, dann aber meint, retrospektiv sei "zu vermuten", das eine erhöhte Vulnerabilität vorlag.
Darüber hinaus hat Prof. Dr. E. , worauf Prof. Dr. Dr. W. zutreffend hingewiesen hat, bei seinen Kausalitätserwägungen maßgebend auf den "eindeutigen" zeitlichen Zusammenhang zwischen der die Klägerin belastenden Symptomatik und dem Unfallereignis abgestellt. Indessen, auch dies hat Prof. Dr. Dr. W. zutreffend dargelegt und schon Dr. R. hat hierauf hingewiesen, sind weder der Tinnitus noch die Hyperakusis als die beiden die Klägerin entscheidend beeinträchtigenden Symptome zeitnah zum Unfall dokumentiert. Ein Tinnitus wird vielmehr unmittelbar nach dem Unfall - für einen Zeitraum also, für den Dr. R. allenfalls eine unfallbedingte, wenn auch vorübergehende Hörstörung angenommen hat - sowohl im Bericht von Dr. B. als auch im Bericht des Klinikums am G. ausgeschlossen. Ärztlich dokumentiert wurde der Tinnitus erstmals anlässlich der Vorstellung der Klägerin bei Dr. W. am 23.04.2007. Seinerzeit berichtete die Klägerin über einen drei Tage nach Wiederaufnahme der Tätigkeit aufgetretenen Tinnitus, dessen Beginn Dr. W. dann "ab ca. 19.04.07" dokumentierte. Soweit Dr. W. im Rahmen seines Arztberichts vom 24.04.2007 von einem wieder aufgetretenen Tinnitus ausging und deshalb einen Rezidivtinnitus angab, ist näheres nicht festellbar. Die von Dr. W. in seinem Bericht gestellte Erstdiagnose eines "Tinnitus nach Knalltrauma li." ist jedenfalls unzutreffend. Anlässlich der zuvor erfolgten ärztlichen Konsultationen berichtete die Klägerin nach den vorliegenden Unterlagen nämlich nicht über einen Tinnitus. Entsprechend diagnostizierte Dr. B. im Rahmen seiner Erstdiagnose auch keinen Tinnitus. Anlässlich ihrer Vorstellung am Unfalltag gab die Klägerin diesem gegenüber lediglich einen leichten Schmerz und ein Druckgefühl im linken Ohr an, weshalb Dr. B. in seinem Arztbericht auch das Vorliegen von Ohrgeräuschen ausdrücklich verneinte. Auch die behandelnden Ärzte im Klinikum am G. dokumentierten in ihrem Behandlungsbericht vom 13.02.2007 keinen Tinnitus. Vielmehr ist im Rahmen der anamnestischen Angaben der Klägerin ein Tinnitus ausdrücklich verneint. Auch Dr. M. beschrieb in ihrer der Beklagten erteilten Auskunft vom 26.04.2007 im Hinblick auf die Vorstellungen der Klägerin bis März 2007 keinen Tinnitus. Vielmehr beschrieb sie eine Zurückbildung der Akutsymptomatik mit Schwindel und Schmerz und damit gerade keinen Tinnitus als Erstdiagnose. Schließlich bestätigte auch die Klägerin anlässlich ihrer Untersuchung bei Priv. Doz. Dr. H. im August 2007 selbst, dass einige Tage nach dem Arbeitsversuch "zusätzlich ein Tinnitus" aufgetreten sei. Der Senat geht daher davon aus, dass der gegenüber Dr. W. am 23.04.2007 beklagte, seit ca. 19.04.2007 bestehende Tinnitus erstmals ca. zweieinhalb Monate nach dem angeschuldigten Ereignis nachgewiesen ist. Damit hat der Sachverständige Prof Dr. E. seiner Beurteilung zu Unrecht zu Grunde gelegt, dass der Tinnitus in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis aufgetreten ist. Die von Prof. Dr. E. gezogene Schlussfolgerung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage.
Entsprechendes gilt auch für die von der Klägerin zwischenzeitlich beklagte Hyperakusis. Eine solche findet sich weder im Bericht des Dr. B. noch im Entlassungsbericht des Klinikums am Gesundbrunnen. Auch Dr. M. erwähnte nach Zurückbildung der Akutsymptomatik lediglich eine veränderte Geräuschwahrnehmung, jedoch keine Hyperakusis. Erwähnung findet eine solche vielmehr erstmals im Arztbericht des Dr. W. mit der Angabe der Klägerin, dass diese ca. am 19.04.2007 aufgetreten sei. Damit ist auch das Auftreten dieser Symptomatik nicht in einen engen zeitlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis zu bringen.
Soweit die Hausärztin Dr. M. in ihren Angaben gegenüber dem Senat für den 06.02.2007 - einen Zeitpunkt, zu dem die von Dr. R. allenfalls mit dem Unfall in Verbindung gebrachte Senke bei 6 kHz bereits nicht mehr feststellbar war - Angaben der Klägerin über ein Ohrgeräusch und eine Hyperakusis bestätigt hat, fehlt zum einen eine konkrete Darstellung des zeitlichen Verlaufs und der einzelnen Beschwerdeangaben. Zum anderen steht diese Angabe in Widerspruch zu den zeitnäheren Ausführungen der Ärztin gegenüber der Beklagten, wo gerade kein Tinnitus und - wie oben ausgeführt - keine Hyperakusis aufgeführt wurde. Schließlich könnte ohnhin nicht von einem dauerhaften Beschwerdezustand ausgegangen werden. Denn Dr. W. datierte sowohl den Tinnitus wie die Hyperakusis ausdrücklich auf die Zeit ab "ca. 19.04.07".
Zweifel hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Knallereignis und der weiterhin beklagten Symptomatik ergeben sich schließlich auch angesichts der mehrzeitigen Verschlechterungen. Auch hierauf hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. in seinem vom Senat eingeholten Gutachten zu Recht hingewiesen. So war die Klägerin - wie sie im August 2007 anlässlich der gutachtlichen Untersuchung bei Priv. Doz. Dr. H. angab - nach der Entlassung aus der stationären Behandlung im häuslichen Umfeld weitgehend beschwerdefrei. Dies steht auch in Einklang mit den Ausführungen von Dr. M. gegenüber der Beklagten, die von einer Zurückbildung der Akutsymptomatik (Schwindel und Schmerz) berichtete. Erst nach dem Arbeitsantritt traten dann wieder Schwindel, Übelkeit und Schmerzen im linken Ohr auf und schließlich zusätzlich ein Tinnitus und eine Hyperakusis, wobei der Tinnitus - nach den seinerzeitigen Angaben der Klägerin gegenüber Priv. Doz. Dr. H. - allerdings nur unter Lärm- belastung bestand und nicht zu Ein- und Durchschlafstörungen führte. In der Folgezeit kam es dann zu einer zunehmenden Symptomatik mit massivem Tinnituserleben mit Ein- und Durchschlafstörungen, Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen sowie zahlreichen zusätzlichen Beschwerden, wie den Schilderungen der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts der im März/April 2008 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Paracelsus Roswitha Klinik zu entnehmen ist, was schließlich auch zu der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode führte. Vor dem Hintergrund dieses Verlaufs teilt der Senat die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. geäußerten Bedenken, dass diese Symptomausweitung angesichts des Fehlens körperlich erklärbarer Symptome nur schwerlich dem angeschuldigten Ereignis (Zerplatzen einer Plastiktüte im Bereich des linken Ohrs der Klägerin) zugerechnet werden kann.
Aber selbst wenn ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen den beiden Hauptsymptomen, unter denen die Klägerin leidet (Tinnitus und Hyperakusis), bejaht würde, wäre ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang nicht zu bejahen. Insbesondere soweit Prof. Dr. E. auf Grund der von ihm - wie dargelegt ohne hinreichende Substanz - angenommenen erhöhten Vulnerabilität der Klägerin und ohne weitere Begründung schlussfolgert, dass das Knallereignis als wesentliche Bedingung für die Entwicklung einer psychischen Symptomfehlverarbeitung anzusehen sei, überzeugt dies nicht. Denn bei der im Februar 2007 bestehenden Lebenssituation der Klägerin, die der Sachverständige gerade als Substrat für die erfolgte Fehlverarbeitung gesehen hat, handelt es sich um einen gleichermaßen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt, dem ebenso wie dem Knallereignis selbst Bedeutung für die Entwicklung der in Rede stehenden Symptomatik beizumessen wäre. Damit wäre es aber erforderlich gewesen, auch die Bedeutung dieses unfallunabhängigen Gesichtspunkts zu diskutieren und zu klären, inwieweit diesem im Hinblick auf den Eintritt des Erfolges zumindest wesentliche oder gar überragende Bedeutung beizumessen ist. Schließlich hat der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme im Zusammenhang mit der Diskussion des Schweregrades des Unfalls selbst betont (Bl. 124 SG-Akte), dass wesentliche Bedingung für das Eintreten und die Entwicklung der Symptome nicht die traumatische Intensität des Unfalls ist, die objektiv sicherlich als niedrig zu beurteilen sei, sondern gerade dessen psychische Fehlverarbeitung auf Grund einer speziellen psychischen Konstellation.
Damit hat der Sachverständige aber selbst zum Ausdruck gebracht, dass er gerade der bei der Klägerin im Februar 2007 bestehenden Vulnerabilität wesentliche und damit maßgebliche Bedeutung für die Entwicklung der in Rede stehenden Symptome beimisst. Wenn er gleichzeitig gerade die traumatische Intensität des Unfalls nicht als wesentlich für das Auftreten und die Entwicklung der Symptome ansieht, so stellt sich die Frage, wodurch die im Gutachten von dem Sachverständigen vertretene Auffassung, das Knallereignis sei wesentliche Bedingung für die weitere Krankheitsentwicklung, nunmehr ihre Rechtfertigung findet.
Aufschlussreich erscheinen insoweit die Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen, wonach das Schallereignis als markantes und singuläres Ereignis habe identifiziert werden können, welches unter Berücksichtigung der zeitlichen Abläufe der Symptomentwicklung als auslösend bzw. ursächlich angesehen werden könne. Denn diese Begründung legt die Annahme nahe, dass der Sachverständige schon im Hinblick auf die zeitliche Aufeinanderfolge des Schallereignisses und der danach beklagten Beschwerden sowie der mangelnden Feststellung einer konkurrierenden Ursache für die aufgetretenen Gesundheitsstörungen davon ausgegangen ist, dass die in Rede stehende Symptomatik dann auch wesentlich durch das Knallereignis verursacht wurde. Dabei verkennt der Sachverständige jedoch, dass aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen bei komplexen Gesundheitsstörungen nicht automatisch auf die Wesentlichkeit der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden kann. Hierauf hat die Beklagte im Rahmen ihrer gegen das Gutachten erhobenen Einwendungen zutreffend hingewiesen. Denn Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Versicherten bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die es keine rechtliche Grundlage gibt (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Vor diesem Hintergrund ist von Bedeutung, dass Prof. Dr. Dr. W. über das Unfallereignis hinaus weitere belastende Ereignisse aufgeführt hat, die im Hinblick auf die Krankheitsentwicklung von erheblicher Bedeutung sein könnten, in der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. E. jedoch gänzlich unberücksichtigt geblieben sind. Insoweit ist insbesondere der Tod der Mutter der Klägerin zu nennen, die nach den Darlegungen des Sachverständigen nur zweieinhalb Wochen nach dem Unfallereignis verstarb, und zwar in der Ferienwoche im Anschluss an die bis 16.02.2007 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit und somit in der Woche vor Beginn der ab Montag, den 26.02.2007 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, die von ärztlicher Seite nun wegen somatoformer Störung und depressiver Episode festgestellt wurde. Wenn auch die Klägerin den Tod ihrer Mutter gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. nicht als Belastung dargestellt hat, so vermag der Senat hieraus nicht zu schließen, dass diesem Lebensereignis im Hinblick auf den Ablauf psychodynamischer Vorgänge bei der Klägerin keine Bedeutung beizumessen ist. Denn schon dem Umstand, dass die Klägerin weiterhin an einem somatischen Erklärungsmodell für ihre Beeinträchtigungen - das jeglicher Grundlage entbehrt - festhält, zeigt, dass sie die Komplexität psychischer und gerade auch unbewusster Vorgänge nicht einmal in Betracht zieht. Auffällig für den Sachverständigen ist insoweit auch gewesen, dass die Klägerin das Knallereignis mehrmals so beschrieben hat, dass sie dadurch aus einer aktuellen Lebensplanung herausgerissen worden sei, was sie noch nie erlebt habe. Angesichts der erfolgten Trennung vom Ehemann nach 27 Jahren Ehe hat der Sachverständige dies zu Recht als schwer nachzuvollziehen erachtet. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. W. sind die Schilderungen der Klägerin insoweit deutlich verhalten gewesen und auf nähere Schilderungen habe sie sich nicht eingelassen. Auch die Bedeutung dieses potentiell belastenden Lebensereignisses für die spätere Krankheitsentwicklung bleibt damit offen.
Im Ergebnis vermag der Senat somit keinen rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Knallereignis und der bei der Klägerin diagnostizierten somatoformen Störung festzustellen. Auch soweit Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten unter diversen Annahmen eine vorübergehende Anpassungsstörung (MdE 20 v.H.) für möglich hält, reicht dies für die Begründung eines Rentenanspruches nicht aus. Zum einen genügt auch insoweit die bloße Möglichkeit nicht. Von einer wahrscheinlich unfallbedingten Anpassungsstörung geht auch Prof. Dr. Dr. W. nicht aus, weist er doch zu Recht auf den bereits fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen den Hauptsymptomen (Tinnitus und Hyperakusis) und dem Unfallereignis hin. Im Übrigen wäre nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. eine solche Anpassungsstörung allenfalls für sechs Monate anzunehmen, so dass, selbst eine unfallbedingte Anpassungsstörung unterstellt, keine über die 26. Woche hinausgehende Gesundheitsstörung vorlag.
Damit ist auf die Berufung der Beklagten der Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.
Die am 1946 geborene Klägerin war ab 1996 beim Verein für Waldorfpädagogik U. e.V. als Erzieherin beschäftigt. Am Freitag, den 02.02.2007, hatte die Klägerin Pausenaufsicht. Gegen 10.00 Uhr näherte sich ihr ein Kind von hinten und brachte eine aufgeblasene Plastikvespertüte im Bereich ihres linken Ohrs zum Platzen, was die Klägerin äußerst erschreckte. Wegen der sogleich aufgetretenen Übelkeit legte sich die Klägerin zunächst auf eine Liege und wurde, nachdem sich Ihr Befinden nach einer Stunde nicht gebessert hatte, nach Hause gebracht. Am Nachmittag stellte sich die Klägerin gegen 16.00 Uhr bei dem HNO-Arzt Dr. B. vor. Ausweislich seines Berichts vom 06.02.2007 (Bl. 3 VerwA) berichtete die Klägerin, nach dem Knall sei ein leichter Schmerz und anschließend Schwindel aufgetreten; eine Schwerhörigkeit habe nicht bestanden. Aktuell werde noch ein leichter Schmerz und ein Druckgefühl im linken Ohr bemerkt. Das Vorliegen von Ohrgeräuschen sei verneint worden. Dr. B. ging von einem Knalltrauma links aus und überwies die Klägerin in die HNO-Klinik des Klinikums am G. in H. , wo sie noch am Abend stationär aufgenommen und bis 06.02.2007 mittels Infusionstherapie behandelt wurde. Im Behandlungsbericht vom 13.02.2007 (vgl. Bl. 12 VerwA) sind anamnestisch Klagen über ein Druckgefühl und Ohrschmerzen links dokumentiert. Ausdrücklich verneint wird ein Tinnitus, ein Schwindel und eine Otorrhö. Unter Therapie sei es zu einer Besserung gekommen. Arbeitsunfähigkeit wurde hiernach noch bis Freitag, den 16.02.2007, bescheinigt (vgl. Vorerkrankungsverzeichnis der S. BKK; Bl. 31a VerwA). Hieran schloss sich eine Ferienwoche an, in der die Mutter der Klägerin verstarb. Am Montag der darauffolgenden Woche, dem 26.02.2007, stellte sich die Klägerin bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M. vor, die wegen somatoformer Störung und depressiver Episode Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, die in der Folgezeit bis 30.03.2007 verlängert wurde. Während der sich anschließenden Osterferien teilte die Klägerin der Beklagten anlässlich eines Telefonats am 03.04.2007 mit, wegen eines Erschöpfungszustandes und andauerndem Druck auf dem linken Ohr arbeitsunfähig geschrieben worden zu sein; ob sie nach Ende der Osterferien am 16.04.2007 ihre Arbeit wieder aufnehmen könne, könne sie nicht beurteilen. Um eine Stellungnahme gebeten, führte Dr. M. gegenüber der Beklagten sodann aus, die nach dem Unfall aufgetretene Akutsymptomatik mit Schwindel und Schmerz habe sich zurückgebildet, allerdings bestehe eine veränderte Geräuschwahrnehmung und unter Belastung sei auch wieder Schwindel und Schmerz aufgetreten.
Am 16.04.2007, also nach Ende der Osterferien, nahm die Klägerin ihre Tätigkeit wieder auf. Am 23.04.2007 stellte sie sich bei dem HNO-Arzt Dr. W. vor und beklagte, dass es drei Tage nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit "erneut" zu einem Ohrgeräusch auf dem linken Ohr gekommen sei; eine Hörminderung bestehe nicht. Auf Grund des Eindrucks einer psychischen Überlagerung der Symptomatik habe er - so sein Bericht vom 24.04.2007 (Bl. 27/28 VerwA) - eine neuro-psychiatrische Zusatzbehandlung angesprochen, was die Klägerin jedoch strikt abgelehnt habe. Dr. W. ging von einem Rezidiv-Tinnitus und einer Hyperakusis ab 19.04.2007 aus und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit. In der Folgezeit wurde fortlaufend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt; ihre berufliche Tätigkeit nahm die Klägerin nicht wieder auf. Zwischenzeitlich bezieht sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Zur Feststellung der Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Priv.-Doz. Dr. H. , Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik im O. S. , der die Klägerin im August 2007 untersuchte und eine Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits (vorwiegend die hohen Frequenzen betreffend), die noch einer Normalhörigkeit entspreche, diagnostizierte. Im Bereich des linken Ohrs sei darüber hinaus bei 6 kHz ein Ohrgeräusch angegeben worden; weiterhin bestehe eine Überempfindlichkeit am linken Ohr. Bei der Untersuchung der Gleichgewichtsorgane habe er einen seitengleichen Normalbefund erhoben. Der von der Klägerin erstmals am 19.04.2007 beklagte Tinnitus könne nicht mit Sicherheit auf das Trauma zurückgeführt werden. Die Überempfindlichkeit am linken Ohr lasse sich hno-ärztlich nicht begründen.
Mit Bescheid vom 07.11.2007 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin aus Anlass des Unfalls vom 02.02.2007 Verletztenrente zu gewähren. Sie anerkannte eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis 06.02.2007 und als Folge des Versicherungsfalls ein "ohne wesentliche Folgen ausgeheiltes Knalltrauma des linken Ohres nach Zerplatzen einer aufgeblasenen Papiertüte". Nicht als Folgen des Versicherungsfalls, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung, anerkannte sie eine leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits, subjektive belastungsabhängige Beschwerden in Form von lärmabhängigen Ohrgeräuschen sowie durch Aufregung bedingte Schwindelgefühle, Übelkeit und Ohrenschmerzen links. Der dagegen eingelegte Widerspruch, mit dem die Klägerin als Unfallfolgen eine Hyperakusis, einen Tinnitus, Schwindelattacken, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bei Drehen des Kopfes nach links sowie ein reaktiv-depressives Erschöpfungssyndrom geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 zurückgewiesen.
Am 26.03.2008 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, die dargelegten Beschwerden seien auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückzuführen, zumal keine anderen Ursachen bekannt seien, die ihre Erkrankung ausgelöst haben könnten. Gerade der Zusammenhang zwischen Knalltrauma und Tinnitus sei zweifelsfrei gegeben. Sie hat den Entlassungsbericht der Paracelsus Roswitha Klinik in Bad Gandersheim vorgelegt, wo sie vom 26.03. bis 23.04.2008 unter den Diagnosen chronisch komplexer Tinnitus, dekompensiert, Schweregrad III, mittelgradige depressive Episode, unspezifischer Rückenschmerz und Hypercholersterinämie stationär behandelt worden war.
Das SG hat das Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. R. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom September 2008 eingeholt. Dieser hat eine diskrete Hochtonschwerhörigkeit beiderseits mit normalem Hörvermögen rechts und annähernd normalem Hörvermögen links beschrieben, die nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sei. Der darüber hinaus in zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfall aufgetretene dekompensierte Tinnitus aurium und die Hyperakusis als psychoakustisches Phänomen seien von neurologisch-psychiatrischer Seite zu beurteilen. Daraufhin hat das SG das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. E. , Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin im Klinikum L. , auf Grund Untersuchung der Klägerin im Februar 2009 eingeholt. Der Sachverständige ist diagnostisch von einer somatoformen Störung, die durch einen Tinnitus, das psychoakustische Phänomen der Hyperakusis, Schwankschwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und sonstiger Körpermissempfindungen geprägt sei, sowie einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen und hat diese Gesundheitsstörungen, ausgehend von einem eindeutigen zeitlichen Zusammenhang zwischen Symptomen und Knalltrauma, mit Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den Unfall vom 02.02.2007 zurückgeführt. Zum Unfallzeitpunkt sei bei der Klägerin von einem altersentsprechenden körperlichen und psychischen Normalbefund auszugehen gewesen, wobei jedoch eine erhöhte psychische Vulnerabilität vorgelegen habe (hohe Beanspruchung im Berufsleben und ausgeprägte emotionale Einbindung, Wunsch nach jahrelanger von hohem Altruismus gekennzeichneter Tätigkeit, wieder mehr auf sich selbst zu schauen, Beginn einer neuen Beziehung), in deren Folge die Klägerin das in organischer Hinsicht folgenlos ausgeheilte Knalltrauma fehlverarbeitet habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat der Sachverständige auf Grund der depressiven Reaktion und der massiven Einbußen des psychosozialen Funktionsniveaus auf zumindest 50 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten hat sich der Sachverständige unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Auffassung ergänzend geäußert.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.02.2010 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2008 verurteilt, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. ab 16.04.2007 zu gewähren. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Prof. Dr. E. gestützt.
Am 08.03.2010 hat die Beklagte dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und ausführlich begründet, weshalb die Einschätzung des Prof. Dr. E. nicht überzeugt. Insbesondere habe der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme selbst eingeräumt, dass die wesentliche Bedingung für das Eintreten und die Entwicklung der bei der Klägerin aufgetretenen Symptome nicht die traumatische Intensität des Ereignisses gewesen sei, die er objektiv als niedrig beurteilt habe, sondern vielmehr die psychische Fehlverarbeitung auf Grund der speziellen psychischen Konstellation der Klägerin. Damit sei die vorbestehende psychische Vulnerabilität rechtlich wesentlich für die später aufgetretenen Störungen, nicht aber das angeschuldigte Ereignis.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. L. , Facharzt für Orthopädie, und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört und sodann das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik im Bezirkskrankenhaus G. , eingeholt, der die Klägerin im März 2013 untersucht hat. Der Sachverständige hat eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und ist davon ausgegangen, dass die noch von Prof. Dr. E. beschriebene depressive Episode zwischenzeitlich abgeklungen ist. Die beklagte Symptomatik (insbesondere Tinnitus, Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit) hat er angesichts der mehrzeitigen Verschlechterungen, der erfolgten Symptomausweitung und des mangelnden eindeutigen zeitlichen Zusammenhangs mit dem Unfall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückgeführt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2008 nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich nicht als rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten. Denn es ist nicht festzustellen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich durch das Zerplatzen einer Plastiktüte im Bereich ihres linken Ohrs hervorgerufen wurden. Der Klägerin steht aus Anlass dieses Ereignisses daher auch Verletztenrente nicht zu.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Gewährung von Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich dabei nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten in Folge eine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Bei dem Ereignis vom 02.02.2007, bei dem ein Schüler während der von der Klägerin ausgeübten Pausenaufsicht an deren linken Ohr eine Tüte zum Platzen brachte, worauf diese zunächst mit Übelkeit reagierte, handelt es sich um einen Arbeitsunfall in diesem Sinn. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beklagte hat dieses Ereignis in dem angefochtenen Bescheid vom 07.11.2007 auch selbst als Versicherungsfall und damit der Sache nach als Arbeitsunfall bezeichnet und als Folge hiervon ein ohne wesentliche Folgen ausgeheiltes Knalltrauma des linken Ohres aufgeführt.
Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens von Dr. R. fest. Nach dem Gutachten von Dr. R. besteht bei der Klägerin eine diskrete Hochtonschwerhörigkeit beidseits mit normalem Hörvermögen rechts und annähernd normalem Hörvermögen links. Die im ersten Audiogramm vom 02.02.2007 (Dr. B. ) dargestellte Senke bei 6 kHz ist schon in den nachfolgenden Audiogrammen vom 04./05.02.2007 und auch in späteren Audiogrammen - so Dr. R. - nicht mehr zu erkennen. Stattdessen wurde der Hörverlust im Bereich von 6 kHz auf beiden Seiten größer, was - da nur das linke Ohr vom Knall betroffen war - nicht mit dem Unfall in Verbindung stehen kann. Gleiches gilt für die von Dr. R. beschriebene beidseitige abfallende Hörschwellenkurve in den höheren Frequenzen. Im Ergebnis hat Dr. R. somit überzeugend dargelegt, dass die beidseitige Hochtonschwerhörigkeit, die im Übrigen nicht die Annahme einer MdE rechtfertigen würde, nicht auf das in Rede stehende Unfallereignis zurückzuführen ist. In Betracht kommt insoweit allenfalls eine nur wenige Tage anhaltende leichte Hörstörung in Form der beschriebenen Senke bei 6 kHz, die jedoch keine MdE begründet.
Streitig ist zwischen den Beteiligten vor allem, ob bei der Klägerin als Folge dieses Ereignisses weitere Gesundheitsstörungen bestehen - so insbesondere ein Tinnitus, eine Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit und ein Kopfschmerz sowie, ggfs. zeitweise, eine Depression - und hierdurch ihre Erwerbsfähigkeit in einem rentenberechtigendem Ausmaß eingeschränkt ist. Dies verneint der Senat.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen vermag der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die von der Klägerin beklagte Symptomatik, der nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. keine körperliche Ursache zu Grunde liegt und von den Sachverständigen Prof. Dr. E. und Prof. Dr. Dr. W. daher übereinstimmend den somatoformen Störungen (Prof. Dr. E.: somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet, nach F45.9 des ICD-10; Prof. Dr. Dr. W. somatoforme autonomen Funktionsstörung nach F45.3- des ICD-10) zugeordnet worden ist, rechtlich wesentlich auf das Ereignis vom 02.02.2007 zurückzuführen ist. Damit kann der ursächliche Zusammenhang insoweit nicht wahrscheinlich gemacht werden, was nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht.
Der Senat vermag bereits den naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem von der Klägerin erlittenen Knalltrauma und der nachfolgend aufgetretenen Symptomatik (Tinnitus, Hyperakusis, Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerz, Depression) nicht zu bejahen.
Aus hno-ärztlicher Sicht hat Dr. R. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Knall und dem Tinnitus sowie der Hyperakusis verneint. Dies überzeugt, weil die vorhandene geringe Hochtonschwerhörigkeit beidseits bereits nicht unfallbedingt ist und somit ein organisch denkbarer Ansatz für einen Kausalzusammenhang nicht erkennbar ist.
Dem entsprechend weist Dr. R. die Prüfung eines möglichen Ursachenzusammenhangs dem nervenärztlichen Gebiet zu. Indessen überzeugt den Senat die von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. vertretene Auffassung, wonach das Knalltrauma mit seinen unmittelbaren Folgen (stationäre Aufnahme für mehrere Tage) ursächlich für die weitere Krankheitsentwicklung war, nicht. So ist der Sachverständige vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Traumafolgen aus hno-ärztlicher Sicht bereits wenige Tage nach dem Unfall nicht mehr zu objektivieren waren, vielmehr eine Ausheilung stattfand und damit ein körperlich unkomplizierter Heilungsverlauf vorlag, und der objektiv als niedrig angesehenen traumatischen Intensität des Ereignisses davon ausgegangen, dass bei der Klägerin eine Fehlverarbeitung des Knallereignisses stattgefunden hat. Unter dem Eindruck einer bisher nie erlebten Schreckreaktion und der sich an den Unfall anschließenden stationären Behandlung habe bei der Klägerin eine verstärkte und deutlich emotionalisierte Beschäftigung mit Körpersymptomen mit auffällig sensibilisierter Innenschau stattgefunden. Auf diesem Weg habe dabei eine Abkopplung der subjektiven Symptomwahrnehmung vom eigentlich körperlich unkomplizierten Heilungsverlauf des als plausibel angesehenen Knalltraumas stattgefunden, wobei auf diese Weise auch die Weiterentwicklung der Körpermissempfindungen (bspw. der Schmerzen und des Schwindels) zu verstehen sei. Als "plausibler Verstehensansatz" für die im Februar 2007 bestehende Vulnerabilität zur Entwicklung einer solchen Fehlverarbeitung hat der Sachverständige die seinerzeitige Lebenssituation der Klägerin gesehen, wobei sie sich nach jahrelanger, von hohem Altruismus geprägter beruflicher Tätigkeit mit hoher emotionaler Einbindung in einer Phase befunden habe, in der sie wieder verstärkt auf sich selbst habe schauen wollen und erst kurz zuvor eine neue partnerschaftliche Bindung eingegangen sei. Im Sinne eines unspezifischen Stressors sei diese Konstellation ein geeignetes Substrat für die Fehlverarbeitung des Unfallereignisses gewesen. Denn auch positive Veränderungen größerer Tragweite im Leben (bspw. das Eingehen einer neuen Partnerschaft) könnten Faktoren darstellen, die eine erhöhte Verletzlichkeit gegenüber beeinträchtigenden Ereignissen bedingen.
Mit diesen Ausführungen kommt Prof. Dr. E. indessen über eine Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht hinaus. Dies zeigt sich vor allem daran, dass er die postulierte erhöhte Vulnerabilität der Klägerin lediglich als "plausiblen Verstehensansatz" darstellt. Ob die Klägerin tatsächlich derart vulnerabel war, ist indessen nicht nachgewiesen. Gegenüber Prof. Dr. Dr. W. hat die Klägerin u.a. angegeben, sie habe sich damals, unmittelbar vor dem Unfallereignis, in Hochform gefühlt; insbesondere angesichts der sich anbahnenden neuen Partnerschaft ist dies nachvollziehbar. Warum hieraus eine erhöhte Vulnerabilität folgen soll, hat Prof. Dr. E. nicht begründen können. Auch wenn es zutreffen sollte, dass nach der von ihm angeführten "Life-Event-Forschung" auch positive Veränderungen im Leben eine erhöhte Verletzlichkeit begründen "können" (so Prof. Dr. E. ), erscheint das Gegenteil (größere Belastbarkeit) ebenso möglich, wie die dritte Alternative, dass keine Auswirkungen stattfinden. Wieso bei der Klägerin eine erhöhte Vulnerabilität anzunehmen sein soll, erschließt sich somit aus den Ausführungen des Sachverständigen nicht. Er räumt im Grunde den spekulativen Charakter seiner Überlegungen ein, wenn er (Bl. 112 SG-Akte) eine psychische Vorerkrankung verneint, dann aber meint, retrospektiv sei "zu vermuten", das eine erhöhte Vulnerabilität vorlag.
Darüber hinaus hat Prof. Dr. E. , worauf Prof. Dr. Dr. W. zutreffend hingewiesen hat, bei seinen Kausalitätserwägungen maßgebend auf den "eindeutigen" zeitlichen Zusammenhang zwischen der die Klägerin belastenden Symptomatik und dem Unfallereignis abgestellt. Indessen, auch dies hat Prof. Dr. Dr. W. zutreffend dargelegt und schon Dr. R. hat hierauf hingewiesen, sind weder der Tinnitus noch die Hyperakusis als die beiden die Klägerin entscheidend beeinträchtigenden Symptome zeitnah zum Unfall dokumentiert. Ein Tinnitus wird vielmehr unmittelbar nach dem Unfall - für einen Zeitraum also, für den Dr. R. allenfalls eine unfallbedingte, wenn auch vorübergehende Hörstörung angenommen hat - sowohl im Bericht von Dr. B. als auch im Bericht des Klinikums am G. ausgeschlossen. Ärztlich dokumentiert wurde der Tinnitus erstmals anlässlich der Vorstellung der Klägerin bei Dr. W. am 23.04.2007. Seinerzeit berichtete die Klägerin über einen drei Tage nach Wiederaufnahme der Tätigkeit aufgetretenen Tinnitus, dessen Beginn Dr. W. dann "ab ca. 19.04.07" dokumentierte. Soweit Dr. W. im Rahmen seines Arztberichts vom 24.04.2007 von einem wieder aufgetretenen Tinnitus ausging und deshalb einen Rezidivtinnitus angab, ist näheres nicht festellbar. Die von Dr. W. in seinem Bericht gestellte Erstdiagnose eines "Tinnitus nach Knalltrauma li." ist jedenfalls unzutreffend. Anlässlich der zuvor erfolgten ärztlichen Konsultationen berichtete die Klägerin nach den vorliegenden Unterlagen nämlich nicht über einen Tinnitus. Entsprechend diagnostizierte Dr. B. im Rahmen seiner Erstdiagnose auch keinen Tinnitus. Anlässlich ihrer Vorstellung am Unfalltag gab die Klägerin diesem gegenüber lediglich einen leichten Schmerz und ein Druckgefühl im linken Ohr an, weshalb Dr. B. in seinem Arztbericht auch das Vorliegen von Ohrgeräuschen ausdrücklich verneinte. Auch die behandelnden Ärzte im Klinikum am G. dokumentierten in ihrem Behandlungsbericht vom 13.02.2007 keinen Tinnitus. Vielmehr ist im Rahmen der anamnestischen Angaben der Klägerin ein Tinnitus ausdrücklich verneint. Auch Dr. M. beschrieb in ihrer der Beklagten erteilten Auskunft vom 26.04.2007 im Hinblick auf die Vorstellungen der Klägerin bis März 2007 keinen Tinnitus. Vielmehr beschrieb sie eine Zurückbildung der Akutsymptomatik mit Schwindel und Schmerz und damit gerade keinen Tinnitus als Erstdiagnose. Schließlich bestätigte auch die Klägerin anlässlich ihrer Untersuchung bei Priv. Doz. Dr. H. im August 2007 selbst, dass einige Tage nach dem Arbeitsversuch "zusätzlich ein Tinnitus" aufgetreten sei. Der Senat geht daher davon aus, dass der gegenüber Dr. W. am 23.04.2007 beklagte, seit ca. 19.04.2007 bestehende Tinnitus erstmals ca. zweieinhalb Monate nach dem angeschuldigten Ereignis nachgewiesen ist. Damit hat der Sachverständige Prof Dr. E. seiner Beurteilung zu Unrecht zu Grunde gelegt, dass der Tinnitus in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis aufgetreten ist. Die von Prof. Dr. E. gezogene Schlussfolgerung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage.
Entsprechendes gilt auch für die von der Klägerin zwischenzeitlich beklagte Hyperakusis. Eine solche findet sich weder im Bericht des Dr. B. noch im Entlassungsbericht des Klinikums am Gesundbrunnen. Auch Dr. M. erwähnte nach Zurückbildung der Akutsymptomatik lediglich eine veränderte Geräuschwahrnehmung, jedoch keine Hyperakusis. Erwähnung findet eine solche vielmehr erstmals im Arztbericht des Dr. W. mit der Angabe der Klägerin, dass diese ca. am 19.04.2007 aufgetreten sei. Damit ist auch das Auftreten dieser Symptomatik nicht in einen engen zeitlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis zu bringen.
Soweit die Hausärztin Dr. M. in ihren Angaben gegenüber dem Senat für den 06.02.2007 - einen Zeitpunkt, zu dem die von Dr. R. allenfalls mit dem Unfall in Verbindung gebrachte Senke bei 6 kHz bereits nicht mehr feststellbar war - Angaben der Klägerin über ein Ohrgeräusch und eine Hyperakusis bestätigt hat, fehlt zum einen eine konkrete Darstellung des zeitlichen Verlaufs und der einzelnen Beschwerdeangaben. Zum anderen steht diese Angabe in Widerspruch zu den zeitnäheren Ausführungen der Ärztin gegenüber der Beklagten, wo gerade kein Tinnitus und - wie oben ausgeführt - keine Hyperakusis aufgeführt wurde. Schließlich könnte ohnhin nicht von einem dauerhaften Beschwerdezustand ausgegangen werden. Denn Dr. W. datierte sowohl den Tinnitus wie die Hyperakusis ausdrücklich auf die Zeit ab "ca. 19.04.07".
Zweifel hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Knallereignis und der weiterhin beklagten Symptomatik ergeben sich schließlich auch angesichts der mehrzeitigen Verschlechterungen. Auch hierauf hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. in seinem vom Senat eingeholten Gutachten zu Recht hingewiesen. So war die Klägerin - wie sie im August 2007 anlässlich der gutachtlichen Untersuchung bei Priv. Doz. Dr. H. angab - nach der Entlassung aus der stationären Behandlung im häuslichen Umfeld weitgehend beschwerdefrei. Dies steht auch in Einklang mit den Ausführungen von Dr. M. gegenüber der Beklagten, die von einer Zurückbildung der Akutsymptomatik (Schwindel und Schmerz) berichtete. Erst nach dem Arbeitsantritt traten dann wieder Schwindel, Übelkeit und Schmerzen im linken Ohr auf und schließlich zusätzlich ein Tinnitus und eine Hyperakusis, wobei der Tinnitus - nach den seinerzeitigen Angaben der Klägerin gegenüber Priv. Doz. Dr. H. - allerdings nur unter Lärm- belastung bestand und nicht zu Ein- und Durchschlafstörungen führte. In der Folgezeit kam es dann zu einer zunehmenden Symptomatik mit massivem Tinnituserleben mit Ein- und Durchschlafstörungen, Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen sowie zahlreichen zusätzlichen Beschwerden, wie den Schilderungen der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts der im März/April 2008 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Paracelsus Roswitha Klinik zu entnehmen ist, was schließlich auch zu der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode führte. Vor dem Hintergrund dieses Verlaufs teilt der Senat die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. geäußerten Bedenken, dass diese Symptomausweitung angesichts des Fehlens körperlich erklärbarer Symptome nur schwerlich dem angeschuldigten Ereignis (Zerplatzen einer Plastiktüte im Bereich des linken Ohrs der Klägerin) zugerechnet werden kann.
Aber selbst wenn ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen den beiden Hauptsymptomen, unter denen die Klägerin leidet (Tinnitus und Hyperakusis), bejaht würde, wäre ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang nicht zu bejahen. Insbesondere soweit Prof. Dr. E. auf Grund der von ihm - wie dargelegt ohne hinreichende Substanz - angenommenen erhöhten Vulnerabilität der Klägerin und ohne weitere Begründung schlussfolgert, dass das Knallereignis als wesentliche Bedingung für die Entwicklung einer psychischen Symptomfehlverarbeitung anzusehen sei, überzeugt dies nicht. Denn bei der im Februar 2007 bestehenden Lebenssituation der Klägerin, die der Sachverständige gerade als Substrat für die erfolgte Fehlverarbeitung gesehen hat, handelt es sich um einen gleichermaßen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt, dem ebenso wie dem Knallereignis selbst Bedeutung für die Entwicklung der in Rede stehenden Symptomatik beizumessen wäre. Damit wäre es aber erforderlich gewesen, auch die Bedeutung dieses unfallunabhängigen Gesichtspunkts zu diskutieren und zu klären, inwieweit diesem im Hinblick auf den Eintritt des Erfolges zumindest wesentliche oder gar überragende Bedeutung beizumessen ist. Schließlich hat der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme im Zusammenhang mit der Diskussion des Schweregrades des Unfalls selbst betont (Bl. 124 SG-Akte), dass wesentliche Bedingung für das Eintreten und die Entwicklung der Symptome nicht die traumatische Intensität des Unfalls ist, die objektiv sicherlich als niedrig zu beurteilen sei, sondern gerade dessen psychische Fehlverarbeitung auf Grund einer speziellen psychischen Konstellation.
Damit hat der Sachverständige aber selbst zum Ausdruck gebracht, dass er gerade der bei der Klägerin im Februar 2007 bestehenden Vulnerabilität wesentliche und damit maßgebliche Bedeutung für die Entwicklung der in Rede stehenden Symptome beimisst. Wenn er gleichzeitig gerade die traumatische Intensität des Unfalls nicht als wesentlich für das Auftreten und die Entwicklung der Symptome ansieht, so stellt sich die Frage, wodurch die im Gutachten von dem Sachverständigen vertretene Auffassung, das Knallereignis sei wesentliche Bedingung für die weitere Krankheitsentwicklung, nunmehr ihre Rechtfertigung findet.
Aufschlussreich erscheinen insoweit die Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen, wonach das Schallereignis als markantes und singuläres Ereignis habe identifiziert werden können, welches unter Berücksichtigung der zeitlichen Abläufe der Symptomentwicklung als auslösend bzw. ursächlich angesehen werden könne. Denn diese Begründung legt die Annahme nahe, dass der Sachverständige schon im Hinblick auf die zeitliche Aufeinanderfolge des Schallereignisses und der danach beklagten Beschwerden sowie der mangelnden Feststellung einer konkurrierenden Ursache für die aufgetretenen Gesundheitsstörungen davon ausgegangen ist, dass die in Rede stehende Symptomatik dann auch wesentlich durch das Knallereignis verursacht wurde. Dabei verkennt der Sachverständige jedoch, dass aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen bei komplexen Gesundheitsstörungen nicht automatisch auf die Wesentlichkeit der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden kann. Hierauf hat die Beklagte im Rahmen ihrer gegen das Gutachten erhobenen Einwendungen zutreffend hingewiesen. Denn Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Versicherten bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die es keine rechtliche Grundlage gibt (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Vor diesem Hintergrund ist von Bedeutung, dass Prof. Dr. Dr. W. über das Unfallereignis hinaus weitere belastende Ereignisse aufgeführt hat, die im Hinblick auf die Krankheitsentwicklung von erheblicher Bedeutung sein könnten, in der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. E. jedoch gänzlich unberücksichtigt geblieben sind. Insoweit ist insbesondere der Tod der Mutter der Klägerin zu nennen, die nach den Darlegungen des Sachverständigen nur zweieinhalb Wochen nach dem Unfallereignis verstarb, und zwar in der Ferienwoche im Anschluss an die bis 16.02.2007 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit und somit in der Woche vor Beginn der ab Montag, den 26.02.2007 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, die von ärztlicher Seite nun wegen somatoformer Störung und depressiver Episode festgestellt wurde. Wenn auch die Klägerin den Tod ihrer Mutter gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. nicht als Belastung dargestellt hat, so vermag der Senat hieraus nicht zu schließen, dass diesem Lebensereignis im Hinblick auf den Ablauf psychodynamischer Vorgänge bei der Klägerin keine Bedeutung beizumessen ist. Denn schon dem Umstand, dass die Klägerin weiterhin an einem somatischen Erklärungsmodell für ihre Beeinträchtigungen - das jeglicher Grundlage entbehrt - festhält, zeigt, dass sie die Komplexität psychischer und gerade auch unbewusster Vorgänge nicht einmal in Betracht zieht. Auffällig für den Sachverständigen ist insoweit auch gewesen, dass die Klägerin das Knallereignis mehrmals so beschrieben hat, dass sie dadurch aus einer aktuellen Lebensplanung herausgerissen worden sei, was sie noch nie erlebt habe. Angesichts der erfolgten Trennung vom Ehemann nach 27 Jahren Ehe hat der Sachverständige dies zu Recht als schwer nachzuvollziehen erachtet. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. W. sind die Schilderungen der Klägerin insoweit deutlich verhalten gewesen und auf nähere Schilderungen habe sie sich nicht eingelassen. Auch die Bedeutung dieses potentiell belastenden Lebensereignisses für die spätere Krankheitsentwicklung bleibt damit offen.
Im Ergebnis vermag der Senat somit keinen rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Knallereignis und der bei der Klägerin diagnostizierten somatoformen Störung festzustellen. Auch soweit Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten unter diversen Annahmen eine vorübergehende Anpassungsstörung (MdE 20 v.H.) für möglich hält, reicht dies für die Begründung eines Rentenanspruches nicht aus. Zum einen genügt auch insoweit die bloße Möglichkeit nicht. Von einer wahrscheinlich unfallbedingten Anpassungsstörung geht auch Prof. Dr. Dr. W. nicht aus, weist er doch zu Recht auf den bereits fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen den Hauptsymptomen (Tinnitus und Hyperakusis) und dem Unfallereignis hin. Im Übrigen wäre nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. eine solche Anpassungsstörung allenfalls für sechs Monate anzunehmen, so dass, selbst eine unfallbedingte Anpassungsstörung unterstellt, keine über die 26. Woche hinausgehende Gesundheitsstörung vorlag.
Damit ist auf die Berufung der Beklagten der Gerichtsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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