L 11 KR 4070/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3825/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4070/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die deshalb nicht in einem
eigenen Haushalt leben, weil sie aufgrund ihrer Erkrankungen zu
einer eigenständigen Haushaltsführung nicht mehr in der Lage sind,
können dennoch Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben,
weil die Wohngemeinschaft ein geeigneter Ort iSd § 37 Abs 2 Satz 1
SGB V ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.04.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von Kosten für häusliche Krankenpflege in Höhe von 10.288,03 EUR freizustellen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.288,03 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 geltend.

Die Klägerin ist die Ehefrau und Erbin des am 25.07.1918 geborenen und am 12.02.2009 verstorbenen Versicherten J. N. (nachfolgend Versicherter), welcher bei der Beklagten als Rentner in der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich versichert war. Der Versicherte und die Klägerin erteilten ihrer Tochter mit notarieller Ausfertigung vom 07.02.2002 Vorsorgevollmacht (Bl 11a bis 11e der Verwaltungsakte). Der Versicherte litt an Demenz bei zerebraler Gefäßstörung, einer koronaren Herzerkrankung, einer chronischen venösen Insuffizienz sowie Polyarthrose. Er bewohnte seit dem 18.02.2008 ein Zimmer in einer Wohngruppe in der L.-Straße ... in T ... Bis dahin hatte er mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Nach dem Wohnungsmietvertrag vom 18.02.2008 wurde ein Zimmer von einer Größe von 15,8 qm vermietet. Zudem bestand die Berechtigung zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume (Esszimmer, Wohnzimmer, Leseecke, einer Küche mit Hauswirtschaftsbereich, drei Bädern mit Toilette, einer separaten Toilette sowie Garten und Terrasse). Neben der monatlichen Kaltmiete und der Heizkostenpauschale wurde eine Pauschale von 300 EUR für die Telefonbenutzung, die Nutzung des Treppenliftes, die Bereitstellung von Verbrauchsmaterial im Haushalt, die Bereitstellung von Lebensmitteln für Frühstück, Mittag- und Abendessen und Zwischenmahlzeiten und die Bereitstellung von nichtalkoholischen Getränken vereinbart (Bl 28 - 28d der Verwaltungsakte). Des Weiteren schloss der Versicherte, vertreten durch seine Tochter, am 18.02.2008 einen Pflege- und Betreuungsvertrag über ambulante Kranken- und Altenpflegeleistungen mit dem Pflegedienst K. in T., einem nach den §§ 72 SGB XI, 132, 132a SGB V zugelassenen Leistungserbringer, ab (Bl 32 bis 32 d der Verwaltungsakte). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 2 Art und Umfang der vom Leistungserbringer zu erbringenden Leistungen I. Der Leistungserbringer hält die in Anlage I aufgeführten Leistungen nach den §§ 36 ff. SGB XI sowie nach §§ 37 bis 38 SGB V vor. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, diese Leistungen im Rahmen des vereinbarten Umfanges zu erbringen.

§ 3 Kosten I. Soweit von dem Leistungserbringer Leistungen erbracht werden, die nach dem SGB V, dem SGB XI, dem BSHG oder einem anderen Leistungsgesetz (z.B. Bundesversorgungsgesetz) unmittelbar mit einem Kostenträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich der Leistungserbringer zur Durchführung dieser Abrechnungsweise. Dies gilt nur im Rahmen der entsprechenden Genehmigungen, Kostenübernahmeerklärungen, ärztlichen Verordnungen und Leistungsbescheide. Der Leistungsnehmer seinerseits verpflichtet sich, im Rahmen des gesetzlich Zulässigen etwa notwendig werdende Anträge bei Sozialversicherungsträgern oder Sozialhilfeträgern zu stellen; dies gilt insbesondere für Anträge auf Festsetzung einer höheren Pflegestufe (§ 15 SGB XI). V. Werden Leistungen erbracht, obwohl eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung oder ein Leistungsbescheid des Kostenträgers noch nicht vorliegt, widerrufen ist oder die Leistungen von einer Genehmigung nicht erfasst werden, so trägt der Leistungsnehmer die Kosten, auch wenn er gegen eine Entscheidung seines Kostenträgers Widerspruch eingelegt hat. Im Einzelfall steht es den Vertragspartnern frei, eine Stundungsvereinbarung auszuhandeln.

Das Landratsamt B., Dezernat Heimaufsicht, führte in einem Schreiben vom 13.11.2008 gerichtet an den Pflegedienst K. betreffend den Status der Wohngemeinschaft L.-Straße ... in ... T. wie folgt aus:

Im Ergebnis kommen wir zu der Feststellung, dass es sich bei der von Ihnen initiierten Wohnform nicht um eine Einrichtung handelt, die den Bestimmungen des Landesheimgesetzes unterliegt. Grundlage für diese Feststellung sind die Ausführungen der Landesregierung zum Gesetzentwurf des Landesheimgesetzes, insbesondere die Einzelbegründung zu § 1 lt. Drucksache des Landtages von Baden - Württemberg Nr 14/2535 v.19.03.2008. Von der Konzeption her erfüllt die Wohngemeinschaft in weiten Teilen die Vorstellung, selbstbestimmt und unabhängig von Dritten in einer Gemeinschaft zu leben. Es ist nicht erkennbar, dass, insbesondere von Seiten des ambulanten Pflegedienstes, eine versteckte vollstationäre Pflege organisiert werden soll, um Anforderungen des Landesheimgesetzes zu umgehen oder um zusätzliche finanzielle Leistungen zu erlangen. Um den Vorstellungen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, sind jedoch aus unserer Sicht folgende Veränderungen der derzeitigen Struktur erforderlich: - Es muss ein gemeinsames Gremium ("Auftraggebergremium") aus Bewohnern, Bevollmächtigten und Betreuern gebildet werden, welches die gemeinsamen Interessen nach außen vertritt - Zwischen der Vermietung des Wohnraumes und Inanspruchnahme hauswirtschaftlicher und/oder pflegerischer Leistungen muss eine klare Trennung bestehen. Die Bezahlung und Erbringung entsprechender Leistungen darf deshalb nicht im Mietvertrag geregelt sein, sondern muss direkt zwischen dem Leistungserbringer und dem einzelnen Bewohner bzw. mit der Auftraggebergemeinschaft vereinbart werden. Wir bitten Sie , darauf hinzuwirken, dass diese rechtliche Trennung der einzelnen Angebote vorgenommen wird. Bitte geben Sie uns hiervon Kenntnis. Unabhängig davon behalten wir uns vor, weitere Prüfungen hinsichtlich des Status der Wohngemeinschaft durch Anforderung weiterer Unterlagen oder durch Prüfungen vor Ort vorzunehmen ...

Die Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. R. und Dr. W. verordneten am 19.02.2008 häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.03.2008 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung in Form von Medikamentenverabreichung viermal täglich sieben Tage die Woche. Des Weiteren liegt eine Folgeverordnung vom 04.04.2008 über den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 30.09.2008 über häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung mit der Verabreichung von Medikamenten fünfmal täglich sieben Tage die Woche sowie dem Anlegen von Kompressionsverbänden einmal täglich sieben Tage die Woche vor (vgl Bl. 13 sowie 13 a der Verwaltungsakte). Eine weitere Folgeverordnung vom 30.09.2008 erfasst den Zeitraum vom 01.10. bis zum 31.12.2008 und beinhaltet häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung in Form von Medikamentenverabreichung dreimal täglich sieben Tage die Woche und dem Anlegen von Kompressionsverbänden zweimal täglich sieben Tage die Woche (vgl Bl. 34 bis 34a der Verwaltungsakte).

Die Beklagte lehnte die Genehmigung der beantragten Leistungen mit Schreiben vom 26.02.2008 (Verordnung vom 19.02.2008), vom 13.05.2008 (Verordnung vom 04.04.2008) und vom 07.10.2008 (Verordnung vom 30.09.2008) nach Einholung einer sozialmedizinischen Beratung am 28.05.2008 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ab.

Der Versicherte legte hiergegen, vertreten durch seine Tochter als Bevollmächtigte, jeweils Widerspruch ein, welche die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008 zurückwies. Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass Voraussetzung für die Bewilligung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ein eigener Haushalt sei. Der Versicherte wohne in einer als Wohngemeinschaft deklarierten Einrichtung. Die Struktur der Unterbringung und Versorgung lasse auf einen "versteckten Heimbetrieb" schließen.

Der Versicherte hat hiergegen am 22.12.2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 28.04.2011 stattgeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Klägerin von den Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 18.02.2008 bis 31.12.2008 freizustellen. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege ergebe sich aus § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Es könne offenbleiben, ob das Tatbestandsmerkmal "in seinem/ihrem Haushalt" erfüllt gewesen sei. Der Versicherte habe sich jedenfalls an einem "geeigneten Ort" im Sinne von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V aufgehalten und keine Pflege und Versorgung von dort lebenden Personen erwarten können. Durch die Erweiterung des Haushaltsbegriff mit Wirkung vom 01.04.2007 habe der Gesetzgeber verhindern wollen, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten benachteiligt werden. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde und er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe in einer Richtlinie nach § 92 SGB V festgelegt, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach Abs 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden könnten. Danach sei bestimmt worden, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch an sonstigen geeigneten Orten bestehe, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhalte und an denen die verordnenden Maßnahmen zuverlässig durchgeführt werden könnten und für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorlägen. Die Räumlichkeiten, in denen der Versicherte gelebt habe, hätten diese Anforderungen erfüllt. Es handele sich auch nicht um einen "versteckten Heimbetrieb" wie von der Beklagten unterstellt. So erfülle der Wohnort des Versicherten die in § 1 Abs 2 Satz 2 häusliche Krankenpflegerichtlinie aufgeführten Anforderungen und es habe kein Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch den Wohnungsgeber bestanden.

Gegen das am 16.09.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.09.2011 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte hat zur Berufungsbegründung angeführt, dass die Wohnform, in der der Versicherte in der Einrichtung Haus L. in ... T. gewohnt habe, die auch nach dem 01.04.2007 geforderten Kriterien für einen eigenen Haushalt nicht erfülle. Das Vorhandensein eines eigenen Haushalts mit eigenständiger Haushaltsführung und die Möglichkeit, die im eigenen Haushalt durchzuführenden Verrichtungen und Entscheidungen wie Einkäufe, Kochen, Putzen eigenverantwortlich, selbstbestimmt und eigenständig zu erledigen, sei beim Versicherten nicht gegeben gewesen. Durch die in den ausgestellten Verträgen enthaltene Pauschale für die Bereitstellung von Verbrauchsmaterialien im Haushalt, Lebensmitteln und Getränken sei es dem Versicherten nicht mehr möglich gewesen, unabhängig und eigenverantwortlich zu entscheiden und zu bestimmen. Diese eigenverantwortliche Entscheidung über Einkäufe von Hygiene- und Putzmitteln, Lebensmitteln und Getränken sei ausschlaggebend für die Begrifflichkeit des "eigenen Haushalts" unabhängig davon, in welcher Wohnform sich dieser Haushalt abbilde. Die Bewohner hätten zwar eine Wohnung gemietet, welche auch die Grundstruktur eines eigenen Haushaltes beinhalte, diese Grundstruktur werde jedoch aufgrund der voll pauschalierten Versorgung im Bereich Verpflegung und hauswirtschaftliche Versorgung ad absurdum geführt. Der "eigene Haushalt" bestehe nur auf dem Papier. Die Wohnform des Hauses L. komme sehr nahe an das Leistungsangebot einer vollstationären Pflege eben nur mit dem Unterschied, dass der Mieter einen Mietvertrag über seine Wohnungsbestandteile habe. Zwar deute der Mietvertrag im ersten Augenschein auf eine Seniorenwohngemeinschaft hin. Die Pauschale von 300 EUR für die Mitbenutzung des Telefons, des Treppenliftes, die Bereitstellung von Verbrauchsmaterialien in Haushalt, Hygieneartikeln, Lebensmitteln sowie Getränken seien jedoch auch Bestandteil der Vergütung für Unterkunft und Verpflegung nach § 87 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie über den Pflegesatz nach § 85 SGB IX. Diese stationären Bestandteile würden in der Wohnform des Hauses L. exakt über die zusätzlich zur Miete erhobene Pauschale erfasst. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass nach Ansicht des SG die zuständige Heimaufsicht für den B.-Kreis der Einrichtung bescheinigt habe, dass es sich um keine (stationäre) Einrichtung im Sinne des Landesheimgesetzes handle. In dem Schreiben vom 13.11.2008 werde wörtlich angeführt: " um den Vorstellungen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, sind jedoch aus unserer Sicht folgende Veränderungen der derzeitigen Struktur erforderlich: ... " Mit dieser Formulierung aberkenne die Heimaufsicht dem Haus L. eindeutig zum damaligen Stand die Eigenschaften einer "neuen Wohnform" wie sie seit dem 01.04.2007 in den erweiterten Haushaltsbegriff des § 37 SGB V aufgenommen worden sei. Im Umkehrschluss liege hier ein Wohnangebot vor, das weder der vollstationären Pflege noch den neuen, seit dem 01.04.2007 in § 37 SGB V aufgenommenen Wohnform zugeordnet werden könne. Diese Form der Versorgung befinde sich in einer Grauzone und könne somit nicht als anspruchsbegründend gelten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.04.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin führt zur Berufungserwiderung an, dass das SG zu Recht festgestellt habe, dass die vorliegende Wohnform jedenfalls einen geeigneten Ort nach § 37 Abs 2 SGB V darstelle. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Heimaufsicht mit Schreiben vom 13.11.2008 festgestellt, dass es sich nicht um eine Einrichtung handle, die den Bestimmungen des Landesheimgesetzes unterliege. Selbst wenn man bei der Wohngemeinschaft, was bestritten werde, nicht von einem eigenen Haushalt ausgehen wolle, so liege nach der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 37 SGB V nur dann kein geeigneter Ort vor, wenn Einrichtungen medizinische Behandlungspflege schuldeten. Eine solche Pflicht sei im Mietvertrag, insbesondere in § 3, nicht zu finden. Ziel der Einrichtung sei es vielmehr, die Selbständigkeit der Bewohner in Abhängigkeit ihrer Fähigkeiten weitgehend zu erhalten. Dies ergebe sich auch daraus, dass ein selbständiger Vertrag über Behandlungspflege zwischen dem Pflegedienstkonzept und den jeweiligen Mietern vorliege. Eine Verpflichtung, einen Vertrag über Behandlungspflege mit einem bestimmten Pflegedienst abzuschließen, bestehe nicht. Würde man der Auffassung der Beklagten folgen, käme man zu dem Ergebnis, dass der Versicherte wohnungslos gewesen sein könnte. Habe der Versicherte jedoch tatsächlich, wie die Beklagte vorgetragen, weder in einer stationären Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs 2 SGB XI noch in einem Haushalt oder an einem geeigneten Ort gewohnt, so dürfte sich dennoch ein Leistungsanspruch auf Behandlungspflege gemäß § 37 Abs 2 Satz 6 SGB V ergeben. Danach bestehe ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege in besonderen Lebenslagen. Personen die kein Haushalt mehr hätten, also Wohnungslose, die nicht dauerhaft in einem Pflegeheim oder in einer stationären Einrichtung aufgenommen seien, erhielten auch dann häusliche Krankenpflege, wenn sie nur vorübergehend zum Zweck der Krankenbehandlung in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft aufgenommen worden seien.

Auf Anfrage des Senats, wie die Haushaltsführung in der Wohngemeinschaft im streitgegenständlichen Zeitraum organisiert war und ob die im Schreiben vom 13.11.2008 des Landratsamtes B. für erforderlich gehaltenen Veränderungen umgesetzt wurden, teilte die Klägerin mit, dass viele hauswirtschaftliche Leistungen seitens der Mitglieder der Wohngemeinschaft über den beauftragten Pflegedienst im Rahmen der Pflegeversicherungsleistungen abgerufen worden seien. Ein Einbringen in die alltäglichen Tätigkeiten sei den Mitbewohnern und deren Angehörigen jederzeit möglich gewesen. Die Klägerin bzw andere Familienangehörige hätte Getränke und Lebensmittel teilweise selbst gekauft und sich um organisatorische Belange gekümmert sowie diese mitbestimmt. Bezüglich der Hinweise der Heimaufsicht sei Anfang 2009 ein Hausbeirat gegründet worden, der über größere Anschaffungen entschieden habe. Den Vorsitz habe eine Betreuerin einer Mitbewohnerin übernommen. Auch sei der Mietvertrag durch den Vermieter dahingehend geändert worden, dass die Beschaffung der Getränke und Lebensmittel etc. nicht mehr über diesen erfolge.

Die Klägerin hat Rechnungen des Pflegedienstes K. iHv 11.236,18 Euro über erbrachte Behandlungspflege im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.008 vorgelegt. Die Forderungen wurden vom Pflegedienst gestundet und von der Klägerin noch nicht bezahlt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 53 bis 83 der Berufungsakte verwiesen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akte des Senats, die beigezogene Akte des SG sowie der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Bescheide der Beklagten vom 26.02.2008, 13.05.2008 und 07.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten J. N. von den Kosten abzüglich Zuzahlungen für häusliche Krankenpflege, erbracht im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 durch den Pflegedienst K. T., freizustellen. Der Senat hat im Einverständnis mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Terminsvertreter der Beklagten die Bezeichnung der Klägerin geändert. Nicht die Tochter, sondern die Ehefrau hat als Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit nach dem Tod des Versicherten fortgeführt.

Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung von Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 iHv 10.288,03 Euro. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässig. Der Anspruch der Klägerin ist in zulässiger Weise auf die Freistellung von Kosten für eine selbst beschaffte Leistung gerichtet, weil der Versicherte die Leistung erhalten, aber den in Rechnung gestellten Betrag noch nicht bezahlt hat. Ein solcher Anspruch ist mit der Leistungsklage geltend zu machen. Auch dieser Anspruch ist allerdings zu beziffern, weil die Leistung bereits abgerechnet wurde (vgl BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09, R, BSGE 106, 173). Die zunächst nicht vorgenommene Bezifferung wurde vorliegend während des Berufungsverfahrens nachgeholt. Aus diesem Grund wurde die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Freistellung iHv 10.288,03 EUR verurteilt wird.

Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I, 378). Diese auf die Erstattung vom Versicherten bereits gezahlter Kosten zugeschnittenen Bestimmungen sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen entsprechend anzuwenden, wenn die Verpflichtung bereits entstanden ist, der Versicherte aber noch nicht gezahlt hat (Urteil des Senats vom 26.11.2013, L 11 KR 3362/12; LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3797/11). Statt einer Erstattung kann er dann die Bezahlung seiner Schuld durch den Versicherungsträger verlangen (ständige Rechtsprechung zB BSG 10.02. 2000, B 3 KR 26/99 R, 17.06. 2010, B 3 KR 7/09 R, beide in juris). Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.

Die Beklagte hat die Gewährung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Die hierfür erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenverursachung ("dadurch") ist gegeben. Zwar bedarf die beantragte Leistung nach § 6 Abs 1 der auf der Grundlage des § 37 Abs 6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erlassenen Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflegerichtlinie - HKR) der Genehmigung, doch übernimmt die Krankenkasse nach § 6 Abs 6 HKR die Kosten für die verordneten Leistungen, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung der Verordnung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht allerdings nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (zB BSG, 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R, mwN, alle in juris). Ob daneben auch die Voraussetzungen des § 37 Abs 4 SGB V erfüllt sind, braucht nicht entschieden zu werden. Nach dieser Bestimmung sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen. Diese Regelung betrifft den - hier nicht gegebenen - Fall, in dem häusliche Krankenpflege von nicht zugelassenen Leistungserbringern erbracht wurde.

Der Versicherte hat nach der Überzeugung des Senats im streitgegenständlichen Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 Anspruch auf Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Er war als Rentner gesetzlich krankenversichert. Die medizinischen Voraussetzungen für die Bewilligung häuslicher Krankenpflege sind bezüglich der streitgegenständlichen Verordnungen vom 19.02.2008, vom 04.04.2008 und vom 30.09.2008 unstreitig erfüllt (siehe auch sozialmedizinische Beratung des MDK vom 28.05.2008). Die Medikamentenabgabe ist nach Nr 26 des Leistungsverzeichnisses (Anlage zur HKR) verordnungsfähig, wenn die Leistung notwendig ist, weil beim Versicherten eine starke Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit vorliegt, sodass die Compliance bei der Therapie nicht sichergestellt ist bzw eine starke Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vorliegt. Diese Indikation ist durch die beim Versicherten vorliegende Demenzerkrankung sowie die chronische venöse Insuffizienz erfüllt. Auch die Indikation für das Anlegen von Kompressionsverbänden nach Nr 31 des Leistungsverzeichnisses (Anlage zur HKR) ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, ob der Versicherte sich im Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 in einem Haushalt oder einem sonstigen geeigneten Ort aufgehalten hat. Letzteres ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.

Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V in der Fassung ab dem 01.04.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz GKV-WSG vom 26.03.2007, Bundesgesetzblatt I S 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Pflegebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Nach § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 oder 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen nach Abs 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Nach § 37 Abs 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken nicht in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Gemäß § 37 Abs 6 SGB V legt der GBA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach § 27 Abs 2 Satz 1 SGB V.

Nach § 1 Abs 2 HKR wird häusliche Krankenpflege im Haushalt der oder des Versicherten oder ihrer oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (zB im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Ort im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen und Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.

Haushalt ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R in SozR. 4-2500 § 37 Nr 5) die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung. Dieser wird zum "eigenen Haushalt", wenn der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt. Diesem Punkt kommt in Wohnheimen, Wohnstiften und Altenheimen besondere Bedeutung zu, weil davon die Abgrenzung zur stationären Unterbringung in diesen Einrichtungen abhängt. Entscheidend ist danach, ob dem Betroffenen noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist, er sich also wirtschaftlich selbst versorgen kann. Zur Wirtschaftsführung gehören insbesondere auch die Nahrungszubereitung, dh das Kochen und die Aufbewahrung der dafür erforderlichen Lebensmittel (Landessozialgericht Niedersachsen Bremen 28.06.2006, Az: L 4 KR 92/03, juris). Merkmal für die Eigenständigkeit der Haushaltsführung ist der eigenverantwortliche Einkauf von Lebensmitteln, das Mitspracherecht bei der Entscheidung über weitere Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft oder die Möglichkeit, selbst Nahrung zuzubereiten (Padé in juris - Kommentar § 37 SGB V RdNr 30). Ein eigener Haushalt liegt danach nicht vor, wenn der Versicherte vor allem zur Pflege untergebracht werden soll, weil er nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt selbständig zu führen und seinen Grundbedürfnissen Genüge zu tun (BSG 12.05.1998, B 5/4 RA 6/97 R, SozR 3-2600 § 249 B Nr 2). Eine eigenständige Haushaltsführung des Versicherten, bei der die wesentlichen Verrichtungen von diesem selbstständig erledigt wurden, ist vorliegend nicht ersichtlich. Dem Anspruch auf Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege im streitgegenständlichen Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 steht nach Überzeugung des Senates die gewählte Wohnform dennoch nicht entgegen, da diese einen sonstigen geeigneten Ort gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V darstellt.

Durch die Neufassung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V mit Wirkung zum 01.04.2007 kann häusliche Krankenpflege neben dem Haushalt oder der Familie auch an einem anderen geeigneten Ort insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen in Anspruch genommen werden. Nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 104) hat sich die Beschränkung der Leistung zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung solle, so die weitere Gesetzesbegründung, durch vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffes bewirken, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem werde durch die Änderung Rechnung getragen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch die Erweiterung des Haushaltsbegriffs eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtung verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe.

Die Wohngemeinschaft L.-Straße ... T. erfüllt nach den Feststellungen des Senats die Voraussetzung für einen geeigneten Ort gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Nach dem Wohnungsmietvertrag hat der Versicherte ein Zimmer zur Alleinbenutzung sowie Mitbenutzungsrechte an den Gemeinschaftsräumen (Esszimmer, Wohnzimmer, Leseecke, Küche, Bäder, Toilette, Garten und Terrasse) mit Abschluss des Mietvertrages erworben. Auf die Frage, ob die Pauschale für die Bereitstellung der Haushaltsgegenstände wie Reinigungsmittel, Hygieneartikel, Lebensmittel für die Grund- und Zwischenmahlzeiten sowie alkoholische und nichtalkoholische Getränke der Annahme einer eigenständigen Haushaltsführung entgegen steht, kommt es zur Überzeugung des Senates nicht an, da ein geeigneter Ort nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V gerade nicht das Vorliegen eines Haushalts voraussetzt. Dies wird bereits aus der zitierten Gesetzesbegründung ersichtlich, wonach die Beschränkung auf den Haushalt zu Gunsten neuer Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutem Wohnen erweitert werden sollte. Die gesetzgeberische Intension würde durch das Erfordernis einer selbständigen Haushaltsführung bei der Tatbestandsalternative "geeigneter Ort" konterkariert. Zudem ist bereits der Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem 01.04.2007 zu entnehmen, dass eine möglicherweise fehlende Fähigkeit, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, nicht per se Behandlungspflege ausschließen kann (vgl hierzu BSG 28.05.2003, B 3 KR 32/02 R, SozR 4-2500 § 37 Nr 2; Landessozialgericht Berlin 05.05.2004, L 9 KR 759/01, juris). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Es ist in der Rechtsprechung derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob die Erbringung von häuslicher Krankenpflege in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes zulässig ist (vgl. hierzu Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 23.04.2009, L 8 SO 1/07; LSG Sachsen - Anhalt 26.08.2010, L 8 SO 4/10 B ER, LSG Hamburg, 12.11.2009, L 1 B 202/09 ER KR, alle juris). Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es auch im vorliegenden Fall nicht. Bei der Wohngruppe, in der der Versicherte gewohnt hatte, handelt es sich um eine nicht unter das Heimgesetz für Baden-Württemberg (LHeimG) fallende Form des betreuten Wohnens.

Heime sind gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 LHeimG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder volljährige pflegebedürftige oder psychisch kranke oder behinderte Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Nach § 1 Abs 2 LHeimG ist das Gesetz nicht auf betreutes Wohnen anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich lediglich dazu verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste, die Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen oder Informationen und Beratungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und die darüber hinausgehenden Betreuungs- und Pflegeleistungen von den Bewohnern frei wählbar sind. Betreutes Wohnen im Sinne dieses Gesetzes ist eine Wohnform, bei der Vermieter von abgeschlossenen Wohnungen durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellen, dass den Mietern nebst der Überlassung des Wohnraums allgemeine Betreuungsleistungen angeboten werden. Nach § 1 Abs 7 LHeimG gilt dieses Gesetz nicht für Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige, wenn sie strukturell von Dritten unabhängig sind. Das ist der Fall, wenn die Mitglieder der Wohngemeinschaft alle Angelegenheiten der Wohngemeinschaft in einer Auftraggebergemeinschaft selbst regeln. Die Wahlfreiheit bezüglich der Betreuungsleistungen darf nicht beschränkt werden. Eine Beschränkung liegt insbesondere dann vor, wenn Vermieter und Pflegedienstleister identisch sind oder rechtlich oder faktisch verbunden sind. Nach § 1 Abs 8 LHeimG sind betreute Wohngruppen im Sinne dieses Gesetzes gemeinschaftlich betreute Wohnformen für psychisch Kranke oder Menschen mit Behinderungen, deren Ziel es ist, die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der Bewohner sowie die Eingliederung und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder am Arbeitsleben zu unterstützen. Betreute Wohngruppen fallen nicht unter das Heimgesetz, wenn sie räumlich und organisatorisch abgeschlossene Einheiten mit höchstens acht Plätzen sind. Betreute Wohngruppen, die nicht unter das Heimgesetz fallen, dürfen nur solche Personen aufnehmen, die in der Lage sind, den Zielsetzungen des Satzes 1 zu entsprechen und nicht der dauernden persönlichen Anwesenheit von Betreuungskräften während des gesamten Tages und der gesamten Nacht bedürfen.

Die Wohngemeinschaft in der L.-Straße ... in ... T. unterfällt nicht dem LHeimG. Dies folgt aus den Feststellungen, die das Landratsamt B. als für die Heimaufsicht zuständige Stelle getroffen und in dem Schreiben vom 13.11.2008 wiedergegeben hat. Der Senat folgt dieser Auffassung. Es kommt daher nur darauf an, ob der Versicherte gegenüber dem Träger der Einrichtung einen eigenen gesetzlichen Anspruch auf Behandlungspflege hat. Dies war hier nicht der Fall. Ob auch ein vertraglicher Anspruch auf Behandlungspflege die Wertung der Wohngruppe als geeigneten Ort iSd § 37 SGB V ausschließt, kann offen bleiben; ein solcher Anspruch hat ebenfalls nicht bestanden. Der Senat entnimmt dem Mietvertrag vom 18.02.2008, dass die Erbringung von Behandlungspflege nicht vereinbart wurde. Auch der zeitgleich abgeschlossene Pflege- und Betreuungsvertrag über ambulante Kranken- und Altenpflegeleistungen zwischen dem Versicherten und dem Pflegedienst K. regelt lediglich die Erbringung, nicht jedoch die Kostentragung der Pflegeleistung. Dies geht insbesondere aus § 3 des Pflege- und Betreuungsvertrages hervor, wonach Leistungen nach dem SGB V unmittelbar mit dem zuständigen Kostenträger abgerechnet werden. Des Weiteren ist der Pflege- und Betreuungsvertrag lediglich zeitgleich mit dem Mietvertrag abgeschlossen und mit diesem rechtlich nicht konditional verknüpft. Es besteht somit kein Anspruch auf Kranken- oder Behandlungspflege gegenüber dem Vermieter bzw. Betreiber der Wohngemeinschaft. Dem Anspruch auf Krankenpflege steht auch nicht § 1 Abs 2 Satz 2 HKR entgegen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die häusliche Krankenpflege in den Räumen der Wohnung L.-Straße ... nicht zuverlässig und unter Beachtung der hygienischen und sonstigen Voraussetzungen erbracht werden kann. Der Senat vermag auch nicht den Ausführungen der Beklagten dahingehend zu folgen, dass es sich bei der Wohngemeinschaft L.-Straße ... um eine verdeckte vollstationäre Pflegeeinrichtung handelt. Soweit die Beklagte das Schreiben des Landratsamtes B. als zuständiger Heimaufsicht vom 13.11.2008 zitiert, weist der Senat daraufhin, dass das Landratsamt B. in diesem Schreiben die Feststellung trifft, dass es sich bei der initiierten Wohnform nicht um eine Einrichtung handelt, die den Bestimmungen des Landesheimgesetzes unterliegt. Es sei nicht erkennbar, dass insbesondere von Seiten des ambulanten Pflegedienstes eine versteckte vollstationäre Pflege organisiert werden soll, um Anforderungen des Landesheimgesetzes zu umgehen oder zusätzliche finanzielle Leistungen zu erlangen. Die nach Auffassung des Landratsamtes B.-Kreis erforderlichen Veränderungen stehen daher der getroffenen Feststellung nicht entgegen, sondern werden vielmehr zur Verbesserung der Transparenz für erforderlich gehalten. Soweit die Beklagte zum Schluss kommt, dass es sich um eine Wohnform in einer Grauzone handele, welche nicht anspruchsbegründend sein könne, verkennt sie, dass diese Wohnform vom Gesetzgeber gewollt und ausdrücklich nach der Gesetzesbegründung in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V aufgenommen werden sollte. Dass die Gesetzesfassung diesbezüglich nicht abschließend ist, wird aus dem Wort "insbesondere" in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V deutlich. Der GBA hat auch lediglich die Kompetenz, zusätzliche Orte zu bestimmen. Keinesfalls steht ihm die Befugnis zu, einen abschließenden Katalog festzulegen.

Die Voraussetzungen für die Verordnung über die Erbringung häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sind somit im streitgegenständlichen Zeitraum zur Überzeugung des Senates erfüllt. Die Beklagte hat danach die Klägerin entsprechend dem Urteil des SG von den diesbezüglichen Kosten freizustellen. Die Höhe der Kostenerstattung ergibt sich aus den vorgelegten Rechnungen über den Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 31.12.2008 iHv insgesamt 11.236,18 Euro (Blatt 53 bis 83 der Berufungsakte). Hiervon sind noch die Zuzahlungen gemäß § 61 Satz 3 SGB V von 10 Prozent der Kosten iHv 1123,62 Euro abzuziehen. Nach § 37 Abs 5 SGB V ist der Zuzahlungsbetrag bei häuslicher Krankenpflege auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse beschränkt. Dies umfasst vorliegend den Zeitraum vom 18.02.2008 bis zum 16.03.2008. Nach den Rechnungen des Pflegedienstes vom 29.08.2008 (Blatt 78 und 81 der Berufungsakte) sind in diesem Zeitraum Kosten für Behandlungspflege iHv 948,15 Euro angefallen. Dieser Betrag ist daher als Zuzahlungsbetrag von der Gesamtforderung abzuziehen, so dass im Ergebnis ein Anspruch auf Freistellung iHv 10.288,03 Euro besteht.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1 Satz 1, 52 Abs 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz. Die Klägerin gehört nach § 183 Satz 1 SGG nicht zu den kostenmäßig privilegierten Personen. Da der Versicherte während des erstinstanzlichen Verfahrens gestorben ist, bleibt für diesen Rechtszug die Kostenprivilegierung nach § 183 Satz 2 SGG erhalten. Für das anschließende Berufungsverfahren entfällt jedoch die Kostenprivilegierung, da die Klägerin nicht Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 SGB I ist.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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