L 10 R 4214/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3136/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4214/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.08.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit.

Der am 1959 geborene Kläger absolvierte von August 1975 bis August 1978 eine Ausbildung zum Zimmermann und arbeitete in diesem Beruf bis Ende Februar 2010. Nach einem ersten Arbeitsunfall im Juli 2008, bei dem sich der Kläger eine Schultereckgelenksverletzung links zuzog, stürzte er bei einem weiteren Arbeitsunfall im Februar 2010 wiederum auf die linke Schulter und zog sich dabei eine Schulterprellung zu. Der Kläger ist seitdem bei fortdauerndem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Einen Wiedereingliederungsversuch brach der Kläger wegen aufgetretener Schmerzverstärkung im Bereich der linken Schulter ab. Die dem Kläger von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft aufgrund des Arbeitsunfalls vom Juli 2008 gewährte vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. wurde ihm mit Ablauf des Juni 2011 entzogen.

Der Kläger durchlief im März 2011 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Beklagten in der Reha-Klinik H. , B ... Im Entlassungsbericht vom 31.03.2011 wurden bei dem Kläger Restbeschwerden und Funktionseinschränkungen mit Instabilität der linken Schulter nach Schultereckgelenksverletzung 2008, eine Rotatorenmanschettenläsion links, eine Retropatellararthrose links, eine rezidivierende depressive Störung sowie eine Adipositas Grad I diagnostiziert. Der Kläger könne noch sechs Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, überwiegend im Stehen, im Gehen und im Sitzen an fünf Tagen die Woche erbringen. Zu vermeiden seien Überkopfarbeiten links, regelmäßiges Anheben, Tragen und Bewegen mittelschwerer und schwerer Lasten ohne technische Hilfsmittel und Tätigkeiten mit Anspruch an die volle Funktionsfähigkeit und das volle Kraftvermögen der linken Schulter. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Zimmermannes könne der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich ausüben.

Der Kläger beantragte am 07.04.2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und trug zur Begründung vor, die linke Schulter sei seit 2008 versteift, er leide an einem Schmerzsyndrom sowie einer Gonalgie im linken Knie. Mit Bescheid vom 21.04.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 lehnte die Beklagte, unter anderem gestützt auf den Reha-Entlassungsbericht der Rehaklinik H. , den Antrag des Klägers ab, weil er die medizinischen Voraussetzungen nicht erfülle. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Zwar könne er in seinem bisherigen Beruf als Zimmermann nicht mehr sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Er könne jedoch als Registrator oder Poststellenmitarbeiter in diesem Umfang arbeiten. Dies sei ihm aufgrund seines beruflichen Werdeganges auch zumutbar.

Hiergegen hat der Kläger am 21.09.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und zur Begründung vorgetragen, er könne seinen bisherigen Beruf als Zimmermann nicht mehr ausüben. Die Tätigkeiten eines Registrators oder Poststellenmitarbeiters seien zum einen aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar und zum anderen verfüge er auch nicht über die für diese Tätigkeiten erforderlichen Vorkenntnisse, die es ihm ermöglichen würden, die Tätigkeiten innerhalb von drei Monaten konkurrenzfähig auszuüben. Auch ergebe sich durch die genannten Tätigkeiten ein für den Kläger unzumutbarer finanzieller Abstieg. Das Sozialgericht hat die behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin B. schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. Diese hat mitgeteilt, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich unter Vermeidung von Heben und Tragen von schweren Lasten und Überkopfarbeiten entsprechend dem Reha-Entlassbericht vom März 2011 verrichten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 17.08.2012 hat der Kläger ausweislich der Niederschrift mitgeteilt, er sei Anfang diesen Jahres letztmalig beim Arzt gewesen; zuvor sei er im August 2011 beim Arzt gewesen. Er nehme derzeit jeden zweiten bis dritten Tag eine Schmerztablette und versuche im Übrigen, den linken Arm zu schonen. Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zwar kann sich der Kläger als Zimmermann auf Berufsschutz als Facharbeiter berufen, er müsse sich aber vorliegend auf eine Tätigkeit als Registrator verweisen lassen. Der Kläger könne die Tätigkeit eines Registrators mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen auch ausüben. Dies gehe aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik H. hervor.

Gegen das ihm am 20.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.10.2012 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er auf das Vorbringen in erster Instanz verwiesen hat. Er gehe nach wie vor davon aus, dass die Verweisungstätigkeit des Registrators oder Poststellenmitarbeiters weder subjektiv noch objektiv zumutbar sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.08.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.04.2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Der Kläger ist zunächst nicht gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) teilweise (oder gar, was er selbst nicht behauptet, voll) erwerbsgemindert, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der ärztlichen Bekundungen im Reha-Entlassungsbericht der Klinik H. vom 31.03.2012 sowie der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Hausärztin B. und ist im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die - unter anderem - vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist danach der bisherige Beruf (hierzu und zum Nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 13 RJ 34/03 R, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 1; Urteil vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R in SozR 4-2600 § 43 Nr. 4). Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d. h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist. Nach diesen Grundsätzen ist auf die Tätigkeit eines Zimmermannns abzustellen. Denn der Kläger absolvierte nach seinen eigenen Angaben wie auch der Stellungnahme seines früheren Arbeitgebers, der Firma Müllerblaustein Holzbau GmbH (Bl. 21 der Verwaltungsakte), eine Ausbildung als Zimmermann und war bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen in diesem Beruf tätig.

Diesen Beruf kann der Kläger nicht mehr ausüben. Auch dies entnimmt der Senat den ärztlichen Bekundungen im Reha-Entlassungsbericht der Klinik H. vom 31.03.2012. Die dort genannten qualitativen Einschränkungen, insbesondere die Vermeidung von Überkopfarbeiten links und von Tätigkeiten mit Anspruch an die volle Funktionsfähigkeit und das volle Kraftvermögen der linken Schulter sind mit dem Berufsbild des Zimmermanns nicht zu vereinbaren. Hiermit ist er aber noch nicht berufsunfähig. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn es auch keine andere Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.09.1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

Der Kläger war zuletzt als Zimmerman tätig. Auch wenn der Kläger seinen zuletzt ausgeübten und der genannten dritten Stufe nach dem Mehrstufenschema zuzuordnenden Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er nicht berufsunfähig. Denn er kann sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle verwiesen werden, die - wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen M. eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme und der Entlohnung einer solchen Tätigkeit, so der Sachverständige, nach der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) entschieden hat - eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit darstellt. Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen M. ; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, L 13 R 4924/09 - juris - auf der Grundlage umfangreicher Auskünfte von Arbeitgebern im Bereich des öffentlichen Dienstes, von gesetzlichen Krankenkassen, von privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen).

Nach dem BAT wird der Mitarbeiter in der Poststelle in Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - eingestuft. Bei der Vergütungsgruppe VIII BAT handelt es sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), des Bundes (TV-Bund) und für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber (TV-VKA) zunächst nichts geändert, weil eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung zunächst nicht vereinbart worden ist. Dies gilt für die Beschäftigen des Bundes und der Kommunen auch derzeit. Für die Beschäftigten der Länder ist am 01.01.2012 die Entgeltordnung der Länder (Anlage A zum TV-L) in Kraft getreten. Zwar gilt damit für Beschäftigte des Landes die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT nicht mehr. Indessen ist hierdurch für die Frage der Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle keine Änderung eingetreten. Die Vergütungsgruppe VIII BAT (Tätigkeiten schwierigerer Art) entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Entgeltgruppe (EG) 3 der neuen Entgeltordnung der Länder, sodass die bisher nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnten Beschäftigten - und damit auch der Mitarbeiter in der Poststelle - nach EG 3 entlohnt werden. Dies haben die Ermittlungen des 13. Senats im genannten Verfahren L 13 R 4924/09 bestätigt, s. Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.

Ebenso wie Tätigkeiten, die nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt werden, sind Tätigkeiten nach EG 3 der Entgeltordnung der Länder einem Facharbeiter sozial zumutbar (Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 1162/09; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.). Nach Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" dieser Entgeltordnung erfasst die EG 3 Tätigkeiten, die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erfordern, die über eine Einarbeitung i.S. der EG 2 (= einfache Tätigkeiten) hinausgeht. Wie bei Vergütungsgruppe VIII BAT (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1991, 5 RJ 34/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) ist damit eine längere Anlernzeit erforderlich. Demgegenüber gilt die EG 4 für schwierige Tätigkeiten (Nr. 1) und erfasst (EG 4 Nr. 2) auch Tätigkeiten der EG 3, die mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordern; insoweit handelt es sich um früher in BAT VIII Nr. 1b aufgeführte, einen Bewährungsaufstieg nach BAT VII ermöglichende Tätigkeiten. Dies zeigt, dass die Vergütungsgruppe BAT VIII im Wesentlichen der EG 3 entspricht. Entsprechend sehen die Tarifverträge zur Überleitung der Beschäftigten (TVÜ-Länder, TVÜ-Bund, TVÜ-VKA) eine Entlohnung der in Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppierten Beschäftigten nach EG 3 bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung vor. Auch die EG 3 der neuen Entgeltordnung der Länder enthält, da sie inhaltlich, also hinsichtlich der qualitativen Anforderungen der Vergütungsgruppe BAT VIII entspricht, somit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass in anderen Bereichen der Entgeltordnung für die Länder die Einstufung nach EG 4 einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf erfordert. So betrifft die EG 4 nach Teil III "Beschäftigte mit körperlich / handwerklich geprägten Tätigkeiten" und dort Nr. 1 "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale" Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als drei Jahren und damit gerade auch Facharbeiter i.S. des oben dargestellten Mehrstufenschemas (mehr als zwei Jahre Ausbildungszeit). Entsprechend sind von der nächst niedrigen tariflichen Entgeltgruppe erfasste Tätigkeiten einem Facharbeiter zumutbar (BSG, Urteil vom 07.10.1987, 4a RJ 91/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 149), hier also jene der EG 3. Auf den konkreten Einkommensverlust kommt es nicht an.

Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle umfasst (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen M. ; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.04.2011, L 5 R 331/09 - juris -; zusammenfassend Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.) die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen M. ). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).

Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht diesem Anforderungsprofil.

Nach dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik H. kann der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, diese überwiegend im Gehen, Stehen, oder Sitzen, ausüben. Unzumutbar sind dagegen Überkopfarbeiten links, das regelmäßige Heben/Tragen/Bewegen mittelschwerer und schwerer Lasten ohne technische Hilfsmittel sowie Tätigkeiten mit Anspruch an die volle Funktionsfähigkeit bzw. Kraft der linken Schulter. Definitionsgemäß umfasst der Begriff leichte bis mittelschwere Arbeit einen Anteil mittelschwerer Arbeit von höchstens 50 %. Dabei umfasst leichte Arbeit das Tragen von weniger als 10 kg, mittelschwere Arbeit das Heben und Tragen mittelschwerer Lasten in der Ebene von 10 bis 15 kg. Somit steht das nur gelegentliche Anheben von Lasten über 10 kg der objektiven Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter nicht entgegen. Daher hat der Senat an der - für die objektive Zumutbarkeit ausreichenden - prinzipiellen Eignung des Klägers für eine solche Tätigkeit und der Gewissheit, dass geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind, keine Zweifel.

Der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist der Kläger auch nach seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen. Zwar ist der bisher ausgeübte Beruf eines Zimmermanns im handwerklichen Bereich angesiedelt. Allerdings hindert dies eine Verweisung auf eine nicht artverwandte Tätigkeit dann nicht, wenn der Versicherte nach seinen durch Ausbildung, beruflichen Werdegang und sonstige Betätigung erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen zur vollwertigen Ausübung einer solchen Tätigkeit - nach einer zumutbaren betrieblichen Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten - in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 5 RJ 96/76 in SozR 2200 § 1246 Nr. 23; BSG, Urteil vom 08.09.1982, 5 b RJ 36/82). Für die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist eine längere Einarbeitung als drei Monate in der Regel nicht notwendig (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen M. ; ebenso das Ergebnis der Ermittlungen des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger die Anforderungen an die Tätigkeit in einer Poststelle innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind (Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O). Der Kläger war als gelernter Zimmermann in einem Kleinbetrieb mit etwa 16 Mitarbeitern tätig und führte dabei die unterschiedlichsten Auftragsarbeiten durch, wie beispielsweise Fertighaus-, Terrassen-, Türen-, Fenster-, Treppenbau-, Isolierungs-, Dach-, Fassaden- und Bodenbelagsarbeiten (vgl. Reha-Entlassungsbericht, Bl. 2-7). Der Kläger war dabei im Rahmen einer Arbeitskolonne mit zwei bis fünf Mitarbeitern tätig; es gab keine besondere Spezialisierung, vielmehr musste auf den Baustellen jeder Mitarbeiter jede Tätigkeit verrichten. Angesichts der solcher Art im bisherigen Berufsleben bewiesenen Flexibilität und der erfolgreich absolvierten Ausbildung zum Facharbeiter verbieten sich Zweifel daran, ob der Kläger im Stande ist, die Anforderungen an die Verweisungstätigkeit zu erfüllen, mag der Kläger auch - was im Reha-Entlassungsbericht deutlich seinen Ausdruck findet - noch so sehr auf eine Fortsetzung seines Berufs als Zimmermann fixiert sein. Dies gilt auch, soweit der Kläger vorträgt, er sei nicht mit Personalcomputern vertraut. Für die Tätigkeit in der Poststelle genügen einfache, grundlegende PC-Kenntnisse (Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O), die auch ohne Vorkenntnisse bzw. ohne Übung in der Bedienung einer Tastatur innerhalb einer Einarbeitungsphase von drei Monaten erworben werden können (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 08.02.2012, L 1 R 1005/09 in juris m.w.N.). Unter Berücksichtigung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit kann auch vom Kläger erwartet werden, die Grundkompetenz zum Einsatz des Personalcomputers jedenfalls innerhalb des genannten Zeitraums zu erwerben, selbst wenn er insoweit - was für einen Angehörigen seiner Altersgruppe allerdings ungewöhnlich wäre - keinerlei Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen sollte.

Unerheblich ist, ob dem Kläger überhaupt ein freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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