Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2366/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1699/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Begriff der Fachschule im Sinne des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.04.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Besuch einer Berufsfachschule im Versicherungsverlauf des Klägers als Anrechnungszeit vorzumerken ist.
Der Kläger ist am 24.01.1982 in Kasachstan geboren und 1993 als Spätaussiedler in die Bundesrepublik gekommen (Bl 51 Verwaltungsakte). Am 19.07.2010 beantragte er bei der Beklagten die Kontenklärung und gab ua an, dass er nach Vollendung des 17. Lebensjahres (24.01.1999) eine Fachschule besucht habe. Der Kläger besuchte vom 14.09.1998 bis 13.07.2000 auf der Gewerblich-Technischen Berufsfachschule B. den Profilbereich Metall (sog "Berufsfachschule Metall"). Er legte ein Zeugnis vom 13.07.2000 vor (Bl 29 Verwaltungsakte). Dort heißt es ua, dass der Kläger die Berufsfachschule Gewerbeschule B. besucht habe, die Abschlussprüfung bestanden und damit die "Fachschulreife" erworben habe. Dieser Abschluss schließe die Berechtigung des Realschulabschlusses ein. Des Weiteren legte der Kläger ein Abschlusszeugnis des Gewerblich-Technischen Berufskollegs vom 09.07.2003 (dreijähriges Berufskolleg, in Teilzeitunterricht besucht) und ein Abschlusszeugnis der Gewerblichen Berufsschule G. vom 23.06.2003 und das Zeugnis der Fachhochschulreife des Gewerblich-Technischen Berufskollegs G. vom 09.07.2003 sowie das Diplomzeugnis Studiengang Maschinenbau der Hochschule K. vom 01.10.2008 vor.
Mit Bescheid vom 31.01.2011 (Bl 63 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf aufgeführten Zeiten bis 31.12.2004 verbindlich fest. Ua wurde die Zeit vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung festgestellt.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2011 Widerspruch. Der Zeitraum vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 müsse als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anerkannt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 (Bl 91 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. An der Gewerbeschule B. würden überwiegend Fachkenntnisse vermittelt, die Schülern auch auf allgemeinbildenden Schulen vermittelt würden (zB Religionslehre, Deutsch, Geschichte, Mathematik, Sport, Physik, Chemie). Entsprechend werde das Abschlusszeugnis dem Realschulabschluss gleichgestellt. Maßgeblich sei der erlangte Abschluss, nicht die Art oder Bezeichnung einer Schule als "Berufsfachschule".
Hiergegen hat der Kläger am 31.05.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Berufsfachschulen seien Fachschulen und nicht allgemeinbildende Schulen. Ausweislich des Zeugnisses der Gewerbeschule B. seien dort nur vier allgemeinbildende Fächer (Deutsch, Englisch, Geschichte, Sport) unterrichtet worden. Die Auswahl an berufsbezogenen Fächern sei demgegenüber deutlich größer (Wirtschaftskunde mit Wirtschaftsgeografie, Physik mit Laborübungen, Chemie mit Werkstoffkunde und Laborübungen, Arbeitsplanung, Computertechnik, Technologie-Praktikum, praktische Grundausbildung). Überdies sei im Zeugnis vermerkt, dass durch den Abschluss der Berufsfachschule die Berufsschulpflicht als erfüllt anzusehen sei. Dies sei wohl nicht möglich, wenn die Art der Ausbildung überwiegend allgemeinbildender Natur gewesen wäre.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Mit Urteil vom 04.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der streitgegenständliche Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 könne lediglich als Schulausbildung vorgemerkt werden. Aus dem vorgelegten Zeugnis gehe hervor, dass aufgrund der bestandenen Abschlussprüfung eine dem Realschulabschluss gleichwertige Fachschulreife zuerkannt werde. Hierdurch würden die Voraussetzungen geschaffen, um den Zugang zu einer Fachschule zu ermöglichen. Hingegen handle es sich bei einer Fachschulausbildung um den Besuch einer Schule, die im Verhältnis zu allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen besondere Merkmale aufweise, die vorliegend nicht gegeben seien.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.04.2012 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 23.04.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen nochmals vertieft. Die Tatsache, dass der Schulbesuch der Gewerbeschule B. die Erlangung des Realschulabschlusses mit einschließe, bedeute nicht, dass dies der Hauptzweck der Schule sei. Die Schulart sei nicht allgemeinbildend, sondern beruflich orientiert gewesen. Der Kläger legte ein Merkblatt der Berufsfachschule B. über die zweijährige Berufsfachschule Elektrotechnik/Metalltechnik vor (Bl 14 Senatsakte), in welchem ua mitgeteilt wird, dass insbesondere Hauptschüler durch den Schulbesuch die Fachschulreife/Mittlere Reife erlangen sollten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.04.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 zu verurteilen, den Zeitraum vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und auf die Ausführungen des SG Bezug. Aus dem vom Kläger vorgelegten Merkblatt der Gewerbeschule B. ergebe sich, dass es sich um eine überwiegend schulische Ausbildung handle, die mit dem Abschluss der "Mittleren Reife" ende. Im Anschluss an den Schulbesuch habe der Kläger das Gewerblich-Technische Berufskolleg besucht, welches mit der Fachhochschulreife geendet habe. Daneben habe er eine dreijährige Berufsausbildung absolviert. Eine Verkürzung der Berufsausbildungszeit sei nicht erfolgt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Zeugenauskunft bei der Schulleitung der Gewerbeschule B. (Bl 25 ff Senatsakte). Ergänzend teilte die Gewerbeschule B. auf Anfrage mit, dass von 32 Wochenstunden Unterricht 19 Wochenstunden auf den allgemeinbildenden Teil sowie 9 Wochenstunden zuzüglich 4 Stunden Theorie auf den berufspraktischen Teil entfallen würden.
Die Ergebnisse der Beweisaufnahme wurden in einem Erörterungstermin am 12.04.2013 mit den Beteiligten besprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 ist, soweit für den Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 bisher eine Anrechnungszeit wegen Schulbildung festgestellt worden ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vormerkung des Zeitraums vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 als Anrechnungszeit wegen einer Fachschulausbildung.
Nach § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (Vormerkungsbescheid). Nach Satz 2 der Vorschrift wird über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden. Zweck dieses Verfahrens und insbesondere des Vormerkungsbescheides ist eine Beweissicherung hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg 29.04.2010, L 10 R 3082/07, juris Rn 15 unter Hinweis auf BSG 24.10.1996, 4 RA 108/95, SozR 3-2600 § 58 Nr 9).
Gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren.
"Schulausbildung" ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen, deren Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird, oder der nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird. Schulausbildung liegt auch vor, wenn ein Schüler, ohne einen Beruf auszuüben, allgemeinbildenden Schulunterricht in Privat- oder Abendkursen mit dem Ziel erhält, eine staatlich anerkannte Abschlussprüfung abzulegen (BSG 25.04.1984, 10 RKg 2/83, SozR 5870 § 2 Nr 32). Darunter ist der Besuch allgemeinbildender oder weiterführender öffentlicher und privater Schulen zu verstehen, an denen der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt oder nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 35 mwN). Der Begriff der Schule umfasst alle Einrichtungen, die von den zur staatlichen Organisation des Schulwesens berufenen Stellen zur Zeit ihres Besuchs als solche definiert wurden und dem Erscheinungsbild einer Schule entsprechen (BSG 11.08.1983, 1 RA 73/82, SozR § 1259 Nr 76, Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 35).
Bei einer "Fachschulausbildung" handelt es sich demgegenüber um den Besuch einer Schule, die im Verhältnis zu allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen besondere Merkmale aufweist. Eine Fachschulausbildung ist die Teilnahme an fachlich-theoretischen Ausbildungsgängen mit überwiegend berufsbildendem Charakter (vgl Reichert in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl 2012, S 391), woran es vorliegend fehlt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist der Begriff der "Fachschulausbildung" so auszulegen, wie er in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1956 herausgegebenen "Fachschulverzeichnis - Die berufsbildenden Schulen in der BR Deutschland" verstanden wurde (BSG 11.08.1983, 1 RA 73/82, SozR 2200 § 1259 Nr 76 mwN). Danach sind Fachschulen solche nicht als Hochschulen anerkannte berufsbildenden Schulen, die der landwirtschaftlichen, bergmännischen, technischen, gewerblichen, handwerklichen, kunsthandwerklichen, kaufmännischen, verkehrswirtschaftlichen, frauenberuflichen, sozialpädagogischen, künstlerischen, sportlichen oder einer verwandten Ausbildung dienen, deren Besuch eine ausreichende praktische Berufsvorbildung oder mindestens berufspraktische Tätigkeit voraussetzt und deren Lehrgang mindestens einen Halbjahreskurs im Ganztagsunterricht oder in der Regel insgesamt 600 Unterrichtsstunden umfasst hat (Reichert in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl 2012, S 391; SG Leipzig 23.06.2009, S 24 R 1032/07, juris Rn 29; Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 41).
Mit Beschluss vom 08.12.1975 hat die Kultusministerkonferenz den Begriff neu gefasst. Danach sind Fachschulen Schulen, die grundsätzlich den Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung oder eine entsprechende praktische Berufstätigkeit voraussetzen; als weitere Voraussetzung wird idR eine zusätzliche Berufsausübung gefordert (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 42). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zu Recht hat die Beklagte nach diesen Maßstäben den streitgegenständlichen Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 als Schulausbildung vorgemerkt. Bereits aus dem vorgelegten Zeugnis des Klägers geht hervor, dass auf Grund der bestandenen Abschlussprüfung eine dem Realschulabschluss gleichwertige "Fachschulreife" zuerkannt wird. Der Schulbesuch hat also erst die Grundlage für einen anschließenden Besuch einer Fachschule geschaffen. Die weitergehenden (Mindest-) Anforderungen einer Fachschulausbildung sind nicht erfüllt.
Der Wortlaut im Zeugnis vom 13.07.2000 und die Ausführungen in der Selbstdarstellung der Gewerbeschule B. selbst sprechen gegen eine Fachschule. Denn durch den Schulbesuch hat der Kläger erst die Fachschulreife erworben. Erkennbar werden hierdurch die Voraussetzungen geschaffen, um den späteren Zugang zu einer Fachschule zu ermöglichen. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Schulbesuch der Berufsfachschule B. keine Berufsvorbildung oder mindestens berufspraktische Tätigkeit erfordert. Denn die zweijährige Berufsfachschule baut alleine auf dem Hauptschulabschluss auf und dient ua der Erweiterung der Allgemeinbildung auf das Niveau der Fachschulreife, wie die Schule selbst in ihrem Merkblatt unter "Bildungsziele" (Bl 14 Senatsakte) und auf ihrer Homepage mitteilt (http://www.gws-b ...r ...b ...schule.de/s./vollzeit/2bfe.htm, abgerufen am 09.01.2014). Der (alleinige) Umstand einer weitergehenden berufspraktischen und berufstheoretischen Grundausbildung ist aber nicht ausreichend, um die Voraussetzung einer Fachschule zu erfüllen.
Auch die Beweisaufnahme durch den Senat hat ergeben, dass überwiegend allgemeinbildender Unterricht stattfand, auch in dem zuletzt vom 14.09.1998 bis 13.07.2000 besuchten Schwerpunktbereich Metall (sog "Berufsfachschule Metall"). Die wöchentliche Stundenzahl im allgemeinen Bereich (vgl Bl 14 Senatsakte: Religion, Deutsch, Englisch, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Sport, Mathematik, Physik, Chemie) überwiegt die wöchentliche Stundenzahl im Profilbereich (Elektro- oder Metalltechnik nebst Berufspraxis) deutlich (vgl Bl 27 Senatsakte, 27 Stunden gegenüber 13 Stunden). Die im Rahmen der Beweiserhebung eingeholte Auskunft der Schule vom 07.11.2012 (Bl 27 Senatsakte) hat den Inhalt der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 27.06.2012 (Bl 18 Senatsakte) nicht bestätigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klage in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Besuch einer Berufsfachschule im Versicherungsverlauf des Klägers als Anrechnungszeit vorzumerken ist.
Der Kläger ist am 24.01.1982 in Kasachstan geboren und 1993 als Spätaussiedler in die Bundesrepublik gekommen (Bl 51 Verwaltungsakte). Am 19.07.2010 beantragte er bei der Beklagten die Kontenklärung und gab ua an, dass er nach Vollendung des 17. Lebensjahres (24.01.1999) eine Fachschule besucht habe. Der Kläger besuchte vom 14.09.1998 bis 13.07.2000 auf der Gewerblich-Technischen Berufsfachschule B. den Profilbereich Metall (sog "Berufsfachschule Metall"). Er legte ein Zeugnis vom 13.07.2000 vor (Bl 29 Verwaltungsakte). Dort heißt es ua, dass der Kläger die Berufsfachschule Gewerbeschule B. besucht habe, die Abschlussprüfung bestanden und damit die "Fachschulreife" erworben habe. Dieser Abschluss schließe die Berechtigung des Realschulabschlusses ein. Des Weiteren legte der Kläger ein Abschlusszeugnis des Gewerblich-Technischen Berufskollegs vom 09.07.2003 (dreijähriges Berufskolleg, in Teilzeitunterricht besucht) und ein Abschlusszeugnis der Gewerblichen Berufsschule G. vom 23.06.2003 und das Zeugnis der Fachhochschulreife des Gewerblich-Technischen Berufskollegs G. vom 09.07.2003 sowie das Diplomzeugnis Studiengang Maschinenbau der Hochschule K. vom 01.10.2008 vor.
Mit Bescheid vom 31.01.2011 (Bl 63 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf aufgeführten Zeiten bis 31.12.2004 verbindlich fest. Ua wurde die Zeit vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung festgestellt.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2011 Widerspruch. Der Zeitraum vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 müsse als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anerkannt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 (Bl 91 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. An der Gewerbeschule B. würden überwiegend Fachkenntnisse vermittelt, die Schülern auch auf allgemeinbildenden Schulen vermittelt würden (zB Religionslehre, Deutsch, Geschichte, Mathematik, Sport, Physik, Chemie). Entsprechend werde das Abschlusszeugnis dem Realschulabschluss gleichgestellt. Maßgeblich sei der erlangte Abschluss, nicht die Art oder Bezeichnung einer Schule als "Berufsfachschule".
Hiergegen hat der Kläger am 31.05.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Berufsfachschulen seien Fachschulen und nicht allgemeinbildende Schulen. Ausweislich des Zeugnisses der Gewerbeschule B. seien dort nur vier allgemeinbildende Fächer (Deutsch, Englisch, Geschichte, Sport) unterrichtet worden. Die Auswahl an berufsbezogenen Fächern sei demgegenüber deutlich größer (Wirtschaftskunde mit Wirtschaftsgeografie, Physik mit Laborübungen, Chemie mit Werkstoffkunde und Laborübungen, Arbeitsplanung, Computertechnik, Technologie-Praktikum, praktische Grundausbildung). Überdies sei im Zeugnis vermerkt, dass durch den Abschluss der Berufsfachschule die Berufsschulpflicht als erfüllt anzusehen sei. Dies sei wohl nicht möglich, wenn die Art der Ausbildung überwiegend allgemeinbildender Natur gewesen wäre.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Mit Urteil vom 04.04.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der streitgegenständliche Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 könne lediglich als Schulausbildung vorgemerkt werden. Aus dem vorgelegten Zeugnis gehe hervor, dass aufgrund der bestandenen Abschlussprüfung eine dem Realschulabschluss gleichwertige Fachschulreife zuerkannt werde. Hierdurch würden die Voraussetzungen geschaffen, um den Zugang zu einer Fachschule zu ermöglichen. Hingegen handle es sich bei einer Fachschulausbildung um den Besuch einer Schule, die im Verhältnis zu allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen besondere Merkmale aufweise, die vorliegend nicht gegeben seien.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.04.2012 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 23.04.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen nochmals vertieft. Die Tatsache, dass der Schulbesuch der Gewerbeschule B. die Erlangung des Realschulabschlusses mit einschließe, bedeute nicht, dass dies der Hauptzweck der Schule sei. Die Schulart sei nicht allgemeinbildend, sondern beruflich orientiert gewesen. Der Kläger legte ein Merkblatt der Berufsfachschule B. über die zweijährige Berufsfachschule Elektrotechnik/Metalltechnik vor (Bl 14 Senatsakte), in welchem ua mitgeteilt wird, dass insbesondere Hauptschüler durch den Schulbesuch die Fachschulreife/Mittlere Reife erlangen sollten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.04.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 zu verurteilen, den Zeitraum vom 24.01.1999 bis 13.07.2000 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und auf die Ausführungen des SG Bezug. Aus dem vom Kläger vorgelegten Merkblatt der Gewerbeschule B. ergebe sich, dass es sich um eine überwiegend schulische Ausbildung handle, die mit dem Abschluss der "Mittleren Reife" ende. Im Anschluss an den Schulbesuch habe der Kläger das Gewerblich-Technische Berufskolleg besucht, welches mit der Fachhochschulreife geendet habe. Daneben habe er eine dreijährige Berufsausbildung absolviert. Eine Verkürzung der Berufsausbildungszeit sei nicht erfolgt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung einer schriftlichen Zeugenauskunft bei der Schulleitung der Gewerbeschule B. (Bl 25 ff Senatsakte). Ergänzend teilte die Gewerbeschule B. auf Anfrage mit, dass von 32 Wochenstunden Unterricht 19 Wochenstunden auf den allgemeinbildenden Teil sowie 9 Wochenstunden zuzüglich 4 Stunden Theorie auf den berufspraktischen Teil entfallen würden.
Die Ergebnisse der Beweisaufnahme wurden in einem Erörterungstermin am 12.04.2013 mit den Beteiligten besprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2011 ist, soweit für den Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 bisher eine Anrechnungszeit wegen Schulbildung festgestellt worden ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vormerkung des Zeitraums vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 als Anrechnungszeit wegen einer Fachschulausbildung.
Nach § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (Vormerkungsbescheid). Nach Satz 2 der Vorschrift wird über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung entschieden. Zweck dieses Verfahrens und insbesondere des Vormerkungsbescheides ist eine Beweissicherung hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg 29.04.2010, L 10 R 3082/07, juris Rn 15 unter Hinweis auf BSG 24.10.1996, 4 RA 108/95, SozR 3-2600 § 58 Nr 9).
Gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren.
"Schulausbildung" ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen, deren Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird, oder der nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird. Schulausbildung liegt auch vor, wenn ein Schüler, ohne einen Beruf auszuüben, allgemeinbildenden Schulunterricht in Privat- oder Abendkursen mit dem Ziel erhält, eine staatlich anerkannte Abschlussprüfung abzulegen (BSG 25.04.1984, 10 RKg 2/83, SozR 5870 § 2 Nr 32). Darunter ist der Besuch allgemeinbildender oder weiterführender öffentlicher und privater Schulen zu verstehen, an denen der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt oder nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 35 mwN). Der Begriff der Schule umfasst alle Einrichtungen, die von den zur staatlichen Organisation des Schulwesens berufenen Stellen zur Zeit ihres Besuchs als solche definiert wurden und dem Erscheinungsbild einer Schule entsprechen (BSG 11.08.1983, 1 RA 73/82, SozR § 1259 Nr 76, Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 35).
Bei einer "Fachschulausbildung" handelt es sich demgegenüber um den Besuch einer Schule, die im Verhältnis zu allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen besondere Merkmale aufweist. Eine Fachschulausbildung ist die Teilnahme an fachlich-theoretischen Ausbildungsgängen mit überwiegend berufsbildendem Charakter (vgl Reichert in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl 2012, S 391), woran es vorliegend fehlt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist der Begriff der "Fachschulausbildung" so auszulegen, wie er in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1956 herausgegebenen "Fachschulverzeichnis - Die berufsbildenden Schulen in der BR Deutschland" verstanden wurde (BSG 11.08.1983, 1 RA 73/82, SozR 2200 § 1259 Nr 76 mwN). Danach sind Fachschulen solche nicht als Hochschulen anerkannte berufsbildenden Schulen, die der landwirtschaftlichen, bergmännischen, technischen, gewerblichen, handwerklichen, kunsthandwerklichen, kaufmännischen, verkehrswirtschaftlichen, frauenberuflichen, sozialpädagogischen, künstlerischen, sportlichen oder einer verwandten Ausbildung dienen, deren Besuch eine ausreichende praktische Berufsvorbildung oder mindestens berufspraktische Tätigkeit voraussetzt und deren Lehrgang mindestens einen Halbjahreskurs im Ganztagsunterricht oder in der Regel insgesamt 600 Unterrichtsstunden umfasst hat (Reichert in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl 2012, S 391; SG Leipzig 23.06.2009, S 24 R 1032/07, juris Rn 29; Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 41).
Mit Beschluss vom 08.12.1975 hat die Kultusministerkonferenz den Begriff neu gefasst. Danach sind Fachschulen Schulen, die grundsätzlich den Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung oder eine entsprechende praktische Berufstätigkeit voraussetzen; als weitere Voraussetzung wird idR eine zusätzliche Berufsausübung gefordert (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum SGB VI, § 58 Rn 42). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zu Recht hat die Beklagte nach diesen Maßstäben den streitgegenständlichen Zeitraum vom 24.01.1999 bis 31.08.2000 als Schulausbildung vorgemerkt. Bereits aus dem vorgelegten Zeugnis des Klägers geht hervor, dass auf Grund der bestandenen Abschlussprüfung eine dem Realschulabschluss gleichwertige "Fachschulreife" zuerkannt wird. Der Schulbesuch hat also erst die Grundlage für einen anschließenden Besuch einer Fachschule geschaffen. Die weitergehenden (Mindest-) Anforderungen einer Fachschulausbildung sind nicht erfüllt.
Der Wortlaut im Zeugnis vom 13.07.2000 und die Ausführungen in der Selbstdarstellung der Gewerbeschule B. selbst sprechen gegen eine Fachschule. Denn durch den Schulbesuch hat der Kläger erst die Fachschulreife erworben. Erkennbar werden hierdurch die Voraussetzungen geschaffen, um den späteren Zugang zu einer Fachschule zu ermöglichen. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Schulbesuch der Berufsfachschule B. keine Berufsvorbildung oder mindestens berufspraktische Tätigkeit erfordert. Denn die zweijährige Berufsfachschule baut alleine auf dem Hauptschulabschluss auf und dient ua der Erweiterung der Allgemeinbildung auf das Niveau der Fachschulreife, wie die Schule selbst in ihrem Merkblatt unter "Bildungsziele" (Bl 14 Senatsakte) und auf ihrer Homepage mitteilt (http://www.gws-b ...r ...b ...schule.de/s./vollzeit/2bfe.htm, abgerufen am 09.01.2014). Der (alleinige) Umstand einer weitergehenden berufspraktischen und berufstheoretischen Grundausbildung ist aber nicht ausreichend, um die Voraussetzung einer Fachschule zu erfüllen.
Auch die Beweisaufnahme durch den Senat hat ergeben, dass überwiegend allgemeinbildender Unterricht stattfand, auch in dem zuletzt vom 14.09.1998 bis 13.07.2000 besuchten Schwerpunktbereich Metall (sog "Berufsfachschule Metall"). Die wöchentliche Stundenzahl im allgemeinen Bereich (vgl Bl 14 Senatsakte: Religion, Deutsch, Englisch, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Sport, Mathematik, Physik, Chemie) überwiegt die wöchentliche Stundenzahl im Profilbereich (Elektro- oder Metalltechnik nebst Berufspraxis) deutlich (vgl Bl 27 Senatsakte, 27 Stunden gegenüber 13 Stunden). Die im Rahmen der Beweiserhebung eingeholte Auskunft der Schule vom 07.11.2012 (Bl 27 Senatsakte) hat den Inhalt der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 27.06.2012 (Bl 18 Senatsakte) nicht bestätigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klage in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
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