L 10 U 2923/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3307/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2923/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Berufskrankheiten (BKen) nach Nr. 2108 (im Folgenden BK 2108) und Nr. 2109 (im Folgenden BK 2109) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Gewährung von Leistungen streitig.

Der 1949 geborene Kläger ist gelernter Maurer (Bl. 11 VerwA) und seit 1973 als Bauarbeiter beschäftigt. Nach eigenen Angaben musste er bei dieser Tätigkeit u.a. Zementsäcke und schwere Lasten von 40 kg bis (gelegentlich) maximal 50 kg heben und tragen (Bl. 18 f. VerwA). Auch sein Arbeitgeber bestätigte das Heben und Tragen schwerer Lasten - u.a. das Heben und Tragen von Säcken mit einem Gewicht von 40 kg - sowie regelmäßige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Bl. 59 f. VerwA). Die Berechnung der Belastungsdosis des Klägers nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) durch den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) hat eine Gesamtbelastungsdosis von 49,3 MNh ergeben.

Anlässlich einer (erneuten) Arbeitsunfähigkeit wegen Radikulopathie zeigte die I. B. und H. der Beklagten im Juni 2009 das Vorliegen einer BK an (Bl. 1 VerwA). Das von der Beklagten beigezogene und den Zeitraum ab 1996 abdeckende Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse dokumentiert seit 2002 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Wirbelsäulenbeschwerden im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (Bl. 21 VerwA).

Auf der Grundlage u.a. eines MRT vom Mai 2009 gingen beratungsärztliche Stellungnahmen der Beklagten durch Dr. F. (Bl. 83 f. VerwA) und durch den Chirurgen Dr. T. (Bl. 92 f. VerwA) von einem Bandscheibenschaden bei altersuntypischer Verlagerung von Bandscheibengewebe in den Bereichen L 4/5 und L 5/S 1 (Grad I bis Grad II) aus. Dr. F. stellte eine Fallkonstellation B5 nach den so genannten Konsensempfehlungen (dazu später) fest, während Dr. T. eine Konstellation B 3 annahm. Nach beiden Konstellationen sei jedoch kein Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Bandscheibenerkrankung wahrscheinlich.

Auf dieser Grundlage stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.01.2010 fest, beim Kläger bestünden weder BKen der BK 2108 und BK 2109 noch Ansprüche auf Leistungen (Bl. 97 Verw¬A). Die Bandscheibenerkrankung der Halswirbelsäule sei schon deshalb nicht beruflich verursacht, da der Kläger keinen ausreichenden Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Die Bandscheibenveränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule (L 4 bis S 1) seien wegen des vorliegenden Schadensbildes nicht beruflich verursacht. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2010 zurück (Bl. 118 VerwA).

Das Sozialgericht Karlsruhe hat die am 06.08.2010 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2011 abgewiesen. Die Klage auf Gewährung von Leistungen sei bereits unzulässig, weil die Beklagte über konkrete Leistungen nicht entschieden habe. Mit Blick auf die BK 2109 seien bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt, bezüglich der BK 2108 bestehe beim vorliegenden Schadensbild kein wissenschaftlicher Konsens für einen wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Berufstätigkeit und der Bandscheibenerkrankung.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2011 hat der Kläger am 13.07.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt (Bl. 21 LSG-Akte),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 20.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2010 abzuändern, beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 2108 und Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und hieraus Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. von S. veranlasst (Bl. 44 ff. LSG-Akte). Diesem gegenüber hat der Kläger im Rahmen der Untersuchung im August 2013 u.a. angegeben, Betonsäcke und Lasten vorwiegend vor der Brust und nur in Ausnahmefällen und selten auf der Schulter getragen zu haben (Bl. 50 LSG-Akte). Der Sachverständige Dr. von S. hat im Bereich der Wirbelsäule ein degeneratives HWS-Syndrom mit intermittierenden Muskelverspannungen der paravertebralen Muskulatur und belastungsabhängigen Schmerzen bei röntgenologisch nachvollziehbaren Verschleißerscheinungen der Bewegungssegmente C 5/6 und C 6/7 sowie einer generalisierten Spondylarthrose der gesamten Halswirbelsäule diagnostiziert, ein degeneratives BWS-Syndrom bei anlagebedingter rechts-links-konvexer Skoliose der oberen Brustwirbelsäule mit bandscheibendegenerativen Veränderungen vorwiegend im hauptbelasteten Kyphosescheitel der Brustwirbelsäule sowie ein degeneratives LWS-Syndrom mit bandscheibendegenerativ bedingten Involutionsvorgängen L 4/5 und L 5/S 1, kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenprotru¬sionen und einem anlagebedingt engen lumbalen Spinalkanal L 4/5 und L 5/S 1, der durch degenerative Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke mit intermittierenden Nervenwurzelreiz- und -kompressionserscheinungen L 5 und S 1 links noch zusätzlich akzentuiert werde (Bl. 70 f. LSG-Akte). Mit Blick auf die BK 2108 hat der Sachverständige festgestellt, für deren Anerkennung fehle - bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen - das belastungskonforme Schadensbild. Denn die Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule seien röntgenoptisch sowie kernspintomographisch altersentsprechend eher unterdurchschnittlich ausgeprägt (Bl. 68 f. LSG-Akte). Mit Blick auf die BK 2109 hat Dr. von S. erläutert, die Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule seien - schon wegen fehlender arbeitstechnischer Voraussetzungen - anlagebedingt schicksalsmäßigen Veränderungen zuzuordnen und nicht durch die schädigenden Einwirkungen des Erwerbslebens bedingt (Bl. 69 f. LSG-Akte).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Blick auf die Anerkennung der BKen 2108 und 2109 zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2011 abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Erkrankungen des Klägers sind nicht als BK 2109 und BK 2108 anzuerkennen. Soweit der Kläger darüber hinaus die Gewährung von Leistungen beantragt, ist die Klage bereits unzulässig. Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.

Die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der streitigen BKen ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der Anerkennung der die BKen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte anstelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu unter anderem BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles und damit auf eine BK übertragbar BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i. V. m. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung einer BK müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Hals- (BK 2109) und Lendenwirbelsäule (BK 2108) - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2109 sind hier nicht erfüllt, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) nicht vorliegen.

Mit dem in Rechtsprechung und Literatur bei verschiedenen BKen verwendeten Begriff der arbeitstechnischen Voraussetzungen sind die für die Anerkennung einer Krankheit als BK erforderlichen besonderen Einwirkungen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gemeint (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, dort zur BK 2110). Es geht darum, welche Einwirkungen vorgelegen haben und wie sie beschaffen gewesen sein müssen, um von einer beruflichen Ursache der eingetretenen Erkrankung ausgehen zu können. Dabei ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, die im Text der BKV nur unbestimmt beschriebenen Einwirkungen zu präzisieren. Dazu kann die Festlegung gehören, welches Maß an von der BK erfassten Einwirkungen im Verlauf der versicherten Berufstätigkeit mindestens erreicht worden sein muss, damit überhaupt ein Kausalzusammenhang mit der Erkrankung in Betracht kommt. Vielfach verzichtet der Verordnungsgeber bei der Formulierung der BK-Tatbestände bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte und verwendet stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe (bei der hier streitigen BK "langjährig", "schwer"), um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen. In solchen Fällen kann aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen im Wortlaut der BK nicht gefolgert werden, dass die in Rede stehenden Einwirkungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Erkrankungen zu verursachen, sofern sie nur entsprechend dem verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff - im vom BSG entschiedenen Fall der BK 2110 "langjährig" - einwirken.

Aus dem Wortlaut der hier streitigen BK 2109 ergibt sich weder eine zeitliche Mindestanforderung für die Ausübung der gefährdenden Tätigkeit noch eine Konkretisierung des Begriffs der schweren Last. Bei einer solch unbestimmten Fassung der BK sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 6/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 5 zur BK 2301 - Lärmschwerhörigkeit -), den Inhalt der BK über deren Wortlaut hinaus nach den allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck) zu bestimmen, auch vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber die BKen zum Teil bewusst offen formuliert, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss. Dem entsprechend fließt auch medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachverstand nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand in die Beurteilung ein (BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, insbesondere die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums herangezogen werden (BSG, a.a.O.).

In der Amtlichen Begründung zum Gesetz gewordenen Entwurf zur Einführung der BK 2109 (BRDrs. 773/92) wird für Verschleißschäden an der Halswirbelsäule und für Halswirbelsäulensyndrome durch langjähriges Tragen von Lasten auf Fleischträger in Schlachthäusern als typischer Berufsgruppe mit entsprechender Gefährdung hingewiesen, die Lasten auf der Schulter oder über Kopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren. Ähnliche Belastungen treten - so die Amtliche Begründung weiter - beim Tragen von schweren Säcken auf der Schulter (z.B. Lastenträgern) auf. Eine nähere Erläuterung ergibt sich aus dem Merkblatt zur BK 2109 (BArbBl. 3/1993, S. 53). Danach steht unter den beruflichen Faktoren, die bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule verursachen oder verschlimmern können, fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter im Vordergrund, einhergehend mit einer statischen Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der Halswirbelsäule, wie dies z.B. bei Fleischträgern beobachtet wurde, die Tierhälften oder -viertel auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Die nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führen zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule. Damit wird - so das Merkblatt - eine langjährige (zehn Berufsjahre, bei sehr intensiver Belastung auch kürzer) Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr in einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten für erforderlich gehalten. Dies entspricht der - damaligen - tatsächlichen Belastung von Fleisch- und Kohleträgern (s. hierzu Schäfer u.a., Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter in Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008, 20 ff.). So wogen Schweinehälften früher 50 bis zu 60 kg, Rinderviertel etwa 70 bis 80 kg, Kohlesäcke etwas über 50 kg.

Im Hinblick auf die als typisch gefährdet anzusehenden und Anlass für die BK 2109 gebenden Fleischträger ist der Referenzwert somit für ein Objekt in Größe und Form einer Schweinehälfte oder eines Rinderviertels (zur Art des Tragens siehe die Bilddokumentation bei Schäfer u.a., a.a.O.) in Übereinstimmung mit dem Merkblatt sowie Literatur und Rechtsprechung mit etwa 50 kg anzunehmen (so bereits der Senat im Urteil vom 22.05.2003, L 10 U 4524/01; ebenso LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97 und Urteil vom 25.03.2003, L 2 U 104/01; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2000, L 6 U 13/97; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999, L 3 U 202/97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98 und Urteil vom 17.12.1997, L 10 U 1591/97; Schur/Koch, a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.); soweit das Gewicht der Schweinehälften in der Literatur mit 40 kg angesetzt wird (so Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 1 zu BK 2109) beruht dies auf den heutigen Gewichten der Schweinehälften, was aber im Hinblick auf die vom Verordnungsgeber in Betracht gezogenen Arbeitsbedingungen früherer Zeit gerade nicht zutrifft (s. hierzu ebenfalls Schäfer, a.a.O.).

Hinzu kommen muss eine gewisse Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit des gefährdenden Vorgangs in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten (so das Merkblatt). Bei dieser Frage nach der Dauer der gefährdenden Belastung ist zwar zu beachten, dass bei den typischerweise gefährdeten Fleischträgern dieses Tragen einen der Kernpunkte der Tätigkeit ausmacht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.01.1997, L 15 U 231/95). Allein hieraus und über Anteile schädigender Tätigkeiten anderer Berufsgruppen bei der BK 2108 (so LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97: Schwesternhelferinnen eine Stunde täglich) kann jedoch keine zeitliche Mindestbelastung hergeleitet werden. Maßgebend sind vielmehr auch hier die damaligen tatsächlichen Arbeitsumstände. Die reine Tragezeit der Fleisch- und Kohleträger betrug eine halbe bis zu eineinviertel Stunden arbeitstäglich (Schäfer, a.a.O.). Dem entsprechend ist eine Mindestdauer von wenigstens einer halben Stunde reiner Tragetätigkeit die Grenze der zeitlichen Mindestbelastung, bezogen auf mehr als die Hälfte der Arbeitsschichten.

Der Häufigkeit des Tragevorgangs und damit der Anzahl der Hübe vermag der Senat indessen keine Bedeutung zumessen (a.A. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98). Anders als bei der BK 2108 spielt das Heben von Lasten bereits nach dem Wortlaut der BK 2109 keine Rolle und das Heben selbst führt auch nicht zu der geforderten, weil gefährdenden Zwangshaltung der Halswirbelsäule.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2109 im Falle des Klägers nicht erfüllt. Mit seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. v. S. im August 2013, Betonsäcke und Lasten vorwiegend vor der Brust und nur in seltenen Ausnahmefällen auf der Schulter getragen zu haben (Bl. 50 LSG-Akte), steht fest, dass der Kläger gerade nicht regelmäßig - und wenigstens eine halbe Stunde in mehr als der Hälfte der Arbeitsschichten - Lasten von 50 kg auf der Schulter trug. Soweit der Kläger im Mai 2013 (Bl. 39 f. LSG-Akte) angegeben hat, von 1973 bis 1999 täglich mindestens fünf Stunden und von 1999 bis 2012 täglich bis zu drei Stunden im Sinne der BK 2109 schwere Lasten von zumindest 50 kg auf der Schulter getragen zu haben, hat er hieran somit nicht festgehalten. Seine Angaben gegenüber Dr. v. S. stimmen auch mit seinen Angaben im Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Beschreibung seiner Tätigkeit überein, wonach Heben und Tragen schwerer Lasten (Zementsäcke) von häufig 40 kg und gelegentlich (maximal) 50 kg anfielen. In Anbetracht dessen lag keine schädigende Einwirkung der BK 2109 vor.

Die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule erfüllen vorliegend auch nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108. Für die Anerkennung und Entschädigung einer BK 2108 müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (so genannte arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.

Mit der vom TAD ermittelten (Bl. 29 ff. LSG-Akte) Gesamtbelastungsdosis von 49,3 MNh überschreitet der Kläger den Richtwert des MDD um fast das Doppelte, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 erfüllt sind. Das so genannte und hier von der Beklagten der Beurteilung zu Grunde gelegte MDD ist ein Verfahren zur Bewertung der beim Einzelnen auftretenden tatsächlichen Belastung im Hinblick auf die in der BK 2108 aufgeführten Kriterien (langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung), also zur Beurteilung, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen. Bei der Beurteilung der Belastung der genannten Berufsgruppen geht das MDD von einer erforderlichen Mindestexposition i. S. einer kritischen Dosis je Schicht für Frauen von 3500 Newton-Stunden (= 3,5 Kilo-Newton-Stunden - kNh -) und für Männer von 5500 Nh (= 5,5 kNh) bzw. für das gesamte Berufsleben von 17 Mega-Newton-Stunden (MNh; s. im Einzelnen: BK-Report Wirbelsäulenerkrankungen 2/03, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften) für Frauen bzw. 25 MNh für Männer aus. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 13/02 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 1) dient das MDD letztendlich der Konkretisierung der in der BK 2108 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe. Es ist als Zusammenfassung wissenschaftlicher Erfahrungstatsachen ein geeignetes Modell, die kritische Belastungsdosis eines Versicherten zu ermitteln und in Beziehung zu seinem Erkrankungsrisiko zu setzen.

Im Sinne der BK 2108 leidet der Kläger nach Überzeugung des Senats auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks 773/92 S. 8 zur Zweiten Änderungsverordnung, durch welche die BK 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und zu Funktionseinschränkungen führt, die eine Fortsetzung der Tätigkeit unmöglich macht (BSG, a.a.O.).

Klinisch waren beim Kläger an der Lendenwirbelsäule Beschwerden in Form eines chronisch rezidivierenden Lumbalsyndroms wiederholt manifest geworden. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule liegt - auch angesichts der durch den Sachverständigen Dr. v. S. festgestellten Bandscheibendegenerationen und -protrusionen (Bl. 71 LSG-Akte) - vor. Davon geht auch die Beklagte aus.

Indessen kann der Senat die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers und den dargelegten beruflichen Expositionen in Form des Hebens und Tragens schwerer Lasten bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nicht bejahen. Die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung ist nicht mit Wahrscheinlichkeit durch berufliche Einwirkungen verursacht.

Angesichts der multifaktoriellen Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen, der Dauer der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines eindeutig abgrenzbaren Krankheitsbildes, das für Belastungen durch Heben und Tragen oder Arbeit in Rumpfbeugehaltung typisch ist, stellt sich letztlich entscheidend nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der LWS-Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 13/05 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9 m.w.N.). Aus diesen Gründen ist auch § 9 Abs. 3 SGB VII, unabhängig von seinem Inkrafttreten erst am 01.01.1997, bei der BK Nr. 2108 nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht anwendbar (BSG, a.a.O.).

In Übereinstimmung mit den Standardwerken von Mehrtens/Perlebach (Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Anm. 7), Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Be-rufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 477 ff.) und den Konsensempfehlungen von Bolm-Audorff u.a. (Trauma und Berufskrankheit 2005, 211, 216 ff., 228 ff.) sind folgende Kriterien zu Grunde zu legen (BSG, a.a.O.): Die belastenden Einwirkungen, das Krankheitsbild, insbesondere ob ein altersuntypischer Befund und ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, eine zeitliche Korrelation zwischen den Einwirkungen und dem Erkrankungsverlauf, das Vorliegen von konkurrierenden Ursachen wie z.B. Schadensanlagen.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme in medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG, a.a.O. m.w.N.). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktischer Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Hierbei stellen die Konsensempfehlungen (Bolm-Audorff u.a., a.a.O., 211 ff.) für den Senat eine für die Beurteilung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule relevante Grundlage dar, indem sie den derzeit aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet wiedergeben.

Vorliegend fehlt es - bei Zugrundelegung dieser Konsensempfehlungen und im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. v. S. (Bl. 68 ff. LSG-Akte) - bereits an einer Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges. Denn es liegt keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule vor, deren bildgebend darstellbarer Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch ist (Bolm-Audorff u.a., a.a.O., S. 216 mittlere Spalte). Maßgebend ist insoweit (Bolm-Audorff, a.a.O., S. 214 f.) - über bildgebende Befunde zu klären - das Vorliegen einer Höhenminderung der Bandscheibe (Chondrose), eine vermehrte Sklerosierung der Wirbelkörperabschlussplatten (Sklerose), eine Randzackenbildung an den Wirbelkörpern (Spondylose bzw. Retrospondylose), eine Arthrose der Wirbelgelenke (Spondylarthrose), eine Signalminderung der Bandscheibe und die Verlagerung von Bandscheibengewebe.

Im Falle des Klägers sind die durch den Sachverständigen Dr. v. S. - bildgebend sowohl im Wege von Röntgenaufnahmen (Bl. 62 LSG-Akte) als auch kernspintomographisch (Bl. 57 f. LSG-Akte) - nachgewiesenen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule - so der Sachverständige - altersentsprechend deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt. Damit liegt kein belastungskonformes Schadensbild vor. So haben sich im Kernspintomo¬gramm der Lendenwirbelsäule vom Oktober 2011 normal weite Bandscheiben in allen dargestellten Etagen Th 11 bis S 1 gezeigt. Im Bereich der Etage L 4/5 und L 5/S 1 ist ein leichter Wasserverlust im Sinne degenerative Involutionsvorgänge zu erkennen gewesen. In der Etage L 4/5 hat eine breitbasige leichte Bandscheibenprotrusion, in der Höhe L /S 1 eine leicht verstärkte bestanden. Auf den axialen Schichten ist eine sichere Nervenwurzelkompression nicht auszumachen gewesen, allenfalls eine leichte Forameneinengung (Bl. 57 LSG-Akte). Auf den vom Sachverständigen vorgenommenen Röntgenaufnahmen haben sich die Bandscheibensegmente in altersentsprechend normaler Weite ohne Sinterungsvorgänge oder wesentliche körpereigene Abstützreaktionen im Sinne der Spondylosis deformans projiziert. Erkennbar war - so der Sachverständige - eine angeborene Verkürzung der Bogenwurzeln L 4/5 und L 5/S 1 im Sinne eines anlagebedingt engen lumbalen Spinalkanals (Bl. 62 LSG-Akte).

Hinzu kommt, dass im direkten Vergleich - so der Sachverständige Dr. v. S. - die Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule stärker ausgeprägt sind als die der Lendenwirbelsäule (Bl. 67 LSG-Akte). Auch diese Erkenntnis spricht eher gegen einen Ursachenzusammenhang der beruflichen Belastung mit den Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule (Bolm-Audorff u.a., a.a.O., S. 216 rechte Spalte, S. 217 f.), insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine BK 2109 - wie vorstehend dargestellt - angesichts fehlender arbeitstechnischer Voraussetzungen gerade nicht besteht. Eine Übersichtsaufnahme der Halswirbelsäule vom Juni 2012 hat - so Dr. v. S. - die Bandscheibensegmente C 5/6 und C 6/7 gesintert gezeigt; sie haben ventrale, jedoch auch dorsale spondylophytäre Randausziehungen als Zeichen degenerativer Abstützreaktionen aufgewiesen. Die kleinen Wirbelgelenke praktisch aller HWS-Segmente haben eine deutlich vermehrte Sklerosierung und zum Teil unregelmäßige Begrenzung im Sinne einer generalisierten Spondylarthrose gezeigt (Bl. 58 f. LSG-Akte). Auch die aktuellen Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule haben - nach Auswertung durch den Sachverständigen - spondylarthrotische Veränderungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule mit Verschmälerung des Gelenkspaltes in den kleinen Wirbelgelenken sowie deutlich vermehrter Sklerosierung aufgewiesen (Bl. 61 LSG-Akte).

Anders als Dr. F. und Dr. T. (Grad I bzw. Grad II, s. hierzu Bolm-Audorff, a.a.O. S. 215, Übersicht 8) hat der gerichtliche Sachverständige in Auswertung mehrerer Kernspintomografien somit der Verlagerung von Bandscheibengewebe in den Segmenten L 4/5 und L 5/S1 keine altersuntypische Qualität beigemessen. Dies entspricht den Konsensempfehlungen. Denn die von Dr. v. S. beschriebenen Protrusionen stellen nur bei Versicherten bis 40 Jahre einen altersuntypischen Befund dar (Bolm-Audorff, a.a.O.).

Aber selbst wenn insoweit, also in Bezug auf die Verlagerung von Bandscheibengewebe in den Segmenten L 4/5 und L 5/S1, mit Dr. F. und Dr. T. von einem altersuntypischen Befund ausgegangen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Beide Ärzte qualifizierten die jeweilige Verlagerung von Bandscheibengewebe mit Grad I bzw. Grad II, was nach den Konsensempfehlungen (Bolm-Audorff, a.a.O.) einen Grenzbefund darstellt und das für die Bejahung der Konstellation B 2 (Bolm-Audorff, a.a.O., S. 217: keine konkurrierenden Ursachen, keine Begleitspondylose) erforderliche, hier allein in Betracht kommende Zusatzkriterium "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" nach übereinstimmender Einschätzung von Dr. v. S. und Dr. T. nicht erfüllt. Legt man dies zu Grunde, besteht eine Konstellation B 3 (so auch Dr. v. Stockert, Bl. 72 f. und Dr. Thal, Bl. 93 VerwA), bei der für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs kein Konsens bestand (Bolm-Audorff, a.a.O.). Nimmt man dagegen an, dass die Verlagerung von Bandscheibengewebe mit Grad I bzw. Grad II das genannte Zusatzkriterium erfüllt, besteht eine Konstellation B 5 (so Dr. F. , Bl. 84 VerwA), weil zwar die Voraussetzungen der Konstellation B 2 vorliegen, der Bandscheibenschaden an der HWS, wie auch von Dr. v. S. so beurteilt, stärker ausgeprägt ist als an der LWS. Auch für diese Konstellation gehen die Konsensempfehlungen von keinem ursächlichen Zusammenhang aus (Bolm-Audorff, a.a.O., S. 217 f.).

Damit ist ein Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Belastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies geht nach den dargelegten Grundsätzen zu Lasten des Klägers. An diesem Ergebnis ändert auch die vorgelegte Stellungnahme des Internisten Dr. Seraphim vom Oktober 2013 nichts. Dessen Einwand, die Schmerzzustände des Klägers führten dazu, dass der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit arbeite (Bl. 83 LSG-Akte), kann die vorstehenden Erwägungen zur Kausalität nicht in Frage stellen.

Nachdem der Kläger unverändert in seinem ausgeübten Beruf als Bauarbeiter tätig ist (Bl. 48, 73 LSG-Akte), fehlt im Übrigen auch die für die Anerkennung sowohl der BK 2108 als auch der BK 2109 erforderliche tatsächliche Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit. Schon aus diesem Grunde kann die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Berufung bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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