L 13 R 305/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 4088/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 305/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über den 30. Juni 2011 hinaus.

Der 1956 geborene Kläger hat bis 1986 in seinem erlernten Beruf als Mechaniker gearbeitet und war danach bis September 2009 als LKW-Fahrer und Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er (weiterhin) arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Vom 1. Februar 2010 bis 30. Juni 2011 bezog er aufgrund des am 18. Januar 2010 gestellten Antrags Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom März 2009 (Bescheid vom 21. Juni 2010). Wegen der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Gesamtkontospiegel vom 10. Mai 2011 verwiesen.

Grundlage der Gewährung der Rente waren u.a. ein Gutachten des Dr. W., Neurochirurg, Neurologe und Nervenarzt, vom 14. Juni 2010 (Diagnosen [D]: Polyneuropathie [PNP] mit sensiblen Ausfällen an den distalen unteren Extremitäten mit trophischen Störungen rechts, Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie, Kniearthrose rechts, Z.n. nach Knie-TEP 9/2009, Teilarthrodese rechtes Handgelenk mit Bewegungseinschränkung, Adipositas, schädlicher Gebrauch von Tabak und von Alkohol; in Anbetracht des trophischen Ulcus am rechten Fuß, das noch nicht abgeheilt sei, bestehe weiter Arbeitsunfähigkeit, nach Abheilung desselben sei aus neurologischer Sicht eine berufliche Tätigkeit im Sitzen vollschichtig möglich, bei Feststellung einer Zeitrente sei eine Kontrolluntersuchung nach einem Jahr zu empfehlen; eine Tätigkeit als LKW-Fahrer sei nicht mehr leidensgerecht) und eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. Girbig vom 17. Juni 2010 (Leistungsvermögen unter drei Stunden seit März 2009, Besserung nicht unwahrscheinlich, Rentenkontrolle im Juni 2011 erforderlich).

Den Antrag des Klägers vom 1. März 2011 auf Weitergewährung der Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 2011 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2011 zurück, da der Kläger ihm unter Berücksichtigung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerarbeiter zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ab 1. Juli 2011 wieder mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Grundlage dieser Entscheidungen war - neben Berichten behandelnder Ärzte - ein Gutachten des Dr. W. vom 27. April 2011 (D: PNP mit sensiblen Reiz- und Ausfallerscheinungen an den unteren Extremitäten, Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie, Adipositas, Handgelenksteilarthrodese rechts; leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ohne ständiges kräftiges Zupacken mit beiden Händen und ohne ständiges Stehen oder Gehen - seien vollschichtig möglich). Weiter lagen der Entscheidung Gutachten des Chirurgen Dr. R. vom 20. Juli 2011 (D: Knie-TEP rechts, diskrete Instabilität, keine Reizzeichen und gute Funktion, Funktionseinschränkung rechtes Handgelenk mit verminderter Kraft bei nicht durchbauter Teilarthrodese nach Naviculare-Pseudarthrose, Senk-Spreizfuß; leichte Wechseltätigkeiten oder Tätigkeiten im Sitzen ohne dauerhafte starke Belastung der rechten Hand seien sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig möglich) und der Internistin Dr. H.-Z. vom 20. Juli 2011 (D ihres Fachgebietes: Therapieresistentes Vorhofflimmern seit 2002 bei Linksherzvergrößerung mit ordentlicher Funktion, behandlungsbedürftiger Bluthochdruck, aktuell gut eingestellter tablettenpflichtiger Diabetes mellitus IIb mit relevanter PNP sowie langjähriger Nikotinabusus ohne Einschränkung der Lungenfunktion; leichte Wechseltätigkeiten bzw. solche überwiegend im Sitzen ohne dauerhafte starke Belastung der rechten Hand und ohne besondere Verletzungsgefahr seien noch sechs Stunden und mehr möglich) zu Grunde.

Deswegen hat der Kläger am 15. November 2011 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Wegen der Haupterkrankung, der PNP, könne er nicht länger stehen und sitzen. Die mögliche Gehstrecke habe sich zwischenzeitlich auf 50 bis 100 m verschlechtert. Er sehe auch nicht ein, weswegen er als ungelernter Arbeiter eingestuft werde. Er habe seine Touren als LKW-Fahrer selbst koordinieren und planen müssen. Gebrauchte Leitern seien wieder hergestellt worden. Dabei seien Tätigkeiten wie Feilen, Bohren, Hämmern, Flexen, Kleben usw. nötig gewesen. Die allgemeinen Arbeiten eines Mechanikers seien quasi unerlässlich gewesen. Auch Messestände hätten sie selbst auf- und abgebaut.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor, dem Kläger sei es möglich gewesen, zu den Untersuchungen allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Im Übrigen sei er im Besitz einer Fahrerlaubnis und eines PKW.

Das SG hat den Entlassungsbericht über ein (ganztägiges ambulantes) Heilverfahren im Rehazentrum M. H. vom 19. Dezember 2011 bis 17. Januar 2012 (aus orthopädischer Sicht leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr möglich) beigezogen. Ferner hat es die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Über die von ihnen erhobenen Befunde sowie erfolgte Behandlungen haben die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. am 31. Januar 2012, die Orthopädin Dr. F. am 27. Februar 2012 sowie der Handchirurg Dr. L. am 23. April 2012 berichtet.

Ferner hat das SG eine Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers, der Firma xxxx-Leitern GmbH eingeholt. Nach dieser war er von 1992 bis 2009 als Lagerarbeiter beschäftigt. Seine Aufgaben seien Warenannahme, Warenausgang, Wareneinlagern, Warenausfahren, Messeauf- und -abbau (einfache Stellwände aufstellen und Teppichboden auslegen), wobei Gabelstapler und Hubwagen zur Verfügung gestanden hätten, gewesen. Für die Tätigkeiten sei keine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich gewesen außer einer Fahrerlaubnis. Ohne Vorbildung wäre eine Anlernzeit von vier bis sechs Wochen ausreichend gewesen.

Des Weiteren hat das SG Sachverständigengutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Th. vom 31. Oktober 2012 und des Arztes für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 2. November 2012 eingeholt. Dr. Th. ist zum Ergebnis gelangt, beim Kläger sei im Jahr 2009 eine Knieendoprothese rechts implantiert worden. Im Jahr 2011 seien ein Inlaywechsel am rechten Kniegelenk mit verbliebener endgradiger Funktionseinschränkung und eine Teilarthrodese des rechten Handgelenks, die knöchern nicht durchbaut sei, nach Os Naviculare Pseudarthrose erfolgt. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer und Lagerarbeiter sei nur noch unter drei Stunden zumutbar. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes leichter Art in wechselnder Körperhaltung - ohne Zwangshaltungen, ständiges Bücken oder Knien, Tragen oder Heben von Lasten über zehn kg ohne technische Hilfsmittel, besondere Beanspruchung der Feinmotorik der Hände, permanente Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder ständiges Gehen, Stehen oder Treppensteigen sowie permanente Arbeiten im Freien, ständige Exposition gegenüber Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie Nachtschicht - seien sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. In Betracht komme eine Tätigkeit als Lagerverwalter ohne schwere und mittelschwere Arbeiten. Der Kläger sei aus orthopädischer Sicht nicht außerstande, viermal täglich eine Fußstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche und private Verkehrsmittel zum Aufsuchen des Arbeitsplatzes zweimal täglich zu benutzen. Dr. Sch. hat darüber hinaus distal eine bein- und sensibel betonte PNP, am ehesten diabetesbedingt, einen schädlichen Gebrauch von Nikotin und Alkohol, ein metabolisches Syndrom mit einem Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie, einer Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung sowie einer Hyperurikämie und eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern mit oraler Antikoagulation diagnostiziert. Ferner hat er den Verdacht eines obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms geäußert. In letzter Zeit sei es zu einem Progress der PNP gekommen. Der Kläger sei arbeitstäglich mindestens sechs Stunden für leichte körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen einsetzbar. Zu vermeiden seien aus neurologisch-psychiatrischer bzw. internistischer Sicht unfallträchtige Arbeiten, Tätigkeiten, die eine uneingeschränkte Stand- und Gangsicherheit voraussetzten, oder Tätigkeiten verbunden mit Erschütterung oder Vibrationen. Möglich seien z.B. Aufsichts- und Prüfarbeiten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer und Lagerarbeiter sei nicht leidensgerecht. Der Kläger könne viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m zurücklegen und auch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen. Allerdings sei in Zusammenschau mit den orthopädischen Befunden die Wegefähigkeit in der Hinsicht eingeschränkt, dass der Kläger zu Fuß 500 m nicht in weniger als 20 Minuten zurücklegen könne. Führend sei aber die PNP. Dies könne nicht regelgerecht objektiviert werden. Er sehe aber die PNP derart ausgeprägt, dass hier eine Minderung der Gehgeschwindigkeit vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, seien nicht erfüllt. Der Kläger sei auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit, für die eine Anlernzeit von vier bis sechs Wochen ausreichend gewesen sei, auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Unter Berücksichtigung der Erkrankungen, deren Schwerpunkt auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liege, insbesondere einer PNP, und auch der orthopädischen Erkrankungen und sonstigen Leiden könne der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten. Ein Rentenanspruch sei auch nicht wegen einer Einschränkung der Wegefähigkeit feststellbar. Der Kläger könne eine Arbeitsstelle des allgemeinen Arbeitsmarktes aus eigener Kraft aufsuchen. Ob er 500 m in 20 Minuten zurücklegen könne oder nicht, wie von Dr. Sch. ausgeführt, könne dahinstehen. Dem Kläger sei die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar, was auch durch das Aufsuchen der Gutachter belegt sei, und darüber hinaus sei er in der Lage, sein Kraftfahrzeug zu benutzen. Dieses gebrauche er auch noch zum wöchentlichen Einkauf. Anhaltspunkte dafür, dass er zu dessen Nutzung auf Grund gesundheitlicher Beschwerden nicht mehr in der Lage sei, ergäben sich aus den Unterlagen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 22. Dezember 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Januar 2013 Berufung eingelegt.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Über die von ihnen erhobenen weiteren Befunde und erfolgten Behandlungen haben Dr. K. am 16. April 2013 und der Internist Dr. K. am 10. Juni 2013 berichtet.

Der Senat hat außerdem ein nervenärztliches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Prof. Dr. G. vom 16. September 2013 eingeholt. Dieser ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, beim Kläger, der angab, seit drei Monaten auf 400-Euro-Basis im xxxx Brote einzuräumen, bestünden auf nervenärztlichem Gebiet eine sensomotorische beinbetonte PNP sowie ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom (KTS). Aus nervenärztlicher Sicht seien Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn kg abverlangbar. Nicht möglich seien Arbeiten mit ständigem Gehen oder Stehen, ständigem Treppensteigen, besonderer Beanspruchung an die Feinmotorik sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Entsprechende Tätigkeiten seien ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit mindestens acht Stunden täglich möglich. Besondere unerlässliche Arbeitsbedingungen oder Beschränkungen des Arbeitsweges bestünden nicht. Insbesondere ergäben sich aus nervenärztlicher Sicht keine konsistenten Hinweise, dass auf dem täglichen Arbeitsweg keine Wegstrecken von viermal 500 m zurückgelegt werden könnten und diese nicht in 15 bis unter 20 Minuten zu bewältigen wären. Der Zustand habe sich seit 1. Juli 2011 nicht signifikant verändert. Der Beurteilung von Dr. W. vom 28. Juli 2011 stimme er zu. Von Dr. Sch. weiche er insofern ab, als der Kläger eine Wegstrecke von 500 m zu Fuß in weniger als 20 Minuten zurücklegen könne. Dem geltend gemachten eingeschränkten Gehvermögen liege nämlich erhebliches Aggravations- bzw. Simulationsverhalten zu Grunde, wofür die - näher dargelegten - inkonsistenten Befunde zur Motorik in Vorbefunden sowie die Inkonsistenz zwischen subjektiv geklagten Schmerzen und nicht beobachtbare Schmerz- und Entlastungsverhalten in der Untersuchungssituation sprächen. Dr. K. nenne eine distal betonte sensible PNP der Beine; dem sei zuzustimmen. Der Beurteilung der Geh- und Stehfähigkeit durch Dr. K. stimme er nicht zu; allenfalls sei von leichter Gangunsicherheit auszugehen.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Bewertung seiner Gesundheitsstörungen durch die Gutachter sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen sei auch seine Wegefähigkeit eingeschränkt. Seine behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychiatrie und der behandelnde Chirurg stützten sein Begehren. Die PNP verschlimmere sich ständig. Mittlerweile seien auch die Hände erheblich betroffen. Er habe ständig ein Kribbeln in den Handinnenflächen. Auf Grund der PNP habe er Schmerzen, die vorwiegend nach einer gewissen Zeit der Inanspruchnahme aufträten. Dabei könne er auch nicht länger stehen oder sitzen. Selbst bei kleinster Belastung sei die rechte Hand nicht mehr zu gebrauchen. Außerdem bestehe ein diabetisches Fußsyndrom. Zu der Beurteilung von Prof. Dr. G. hat er ausgeführt, er könne nicht, wie im Gutachten dargelegt, mindestens acht Stunden arbeiten, denn er merke bereits an vier Tagen in der Woche, wie es ihm nach zwei bis drei Stunden Brot Einräumen im Kaufland gehe. Diese Arbeiten seien jedes Mal eine Quälerei. Er sei auch nicht fröhlich und vergnügt bei der Untersuchung gewesen. Es sei wieder dasselbe Problem wie bei allen anderen Gutachten vorher. Die Gutachter würden ihn nicht kennen und die Beschwerden träten erst nach drei Stunden richtig auf. Dass er keine Gefühlsstörungen angegeben hätte, sei eine glatte Lüge. Die Angaben, er habe die Gehstütze einmal links und einmal rechts getragen, was er nun auch gelesen habe, seien falsch. Er könne rechts gar keine Gehstütze tragen. Prof. Dr. G. sehe auch als einziger keine Verschlechterung seiner Erkrankung seit Juli 2011. Das Gutachten sei nicht das Papier wert, auf das es gedruckt sei. Zu den früheren Gutachten und dem Urteil habe Dr. K. bereits Stellung genommen. Hierzu hat er einen "ärztlichen Befundbericht" der Dr. K. vom 6. März 2013 vorgelegt. Ferner hat der Kläger einen Arztbrief des Dr. K., Radiologe, vom 18. Dezember 2012 (unauffälliges Myocardszintigramm, keine Einschränkung der Koronarreserven) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2011 zu verurteilen, ihm über den 30. Juni 2011 hinaus Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger könne zumutbare Tätigkeiten verrichten. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege ebenfalls nicht vor. Hierzu hat sie eine Stellungnahme des Dr. B. vom 3. Juli 2013 vorgelegt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet, denn der Kläger hat ab 1. Juli 2011 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - sowie die Rechtsprechung, auch zur erforderlichen Wegefähigkeit, dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen einer solchen Rente nicht erfüllt, weil er auf Grund seines bisherigen Berufs und der hierbei von ihm verrichteten Tätigkeiten, für deren Ausübung eine Anlernzeit von vier bis sechs Wochen genügte, auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist und auch in der Lage ist, ab 1. Juli 2011 leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten, eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung nicht vorliegt und auch bei zumutbarer Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie seines privaten PKW einen Arbeitsplatz erreichen kann. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers, der Aussagen der Dr. K. sowie des Dr. K. und des eingeholten weiteren Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. G., der die Leistungseinschätzung der Beklagten bestätigt hat, uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass der Sachverständige Prof. Dr. G. die Leistungsbeurteilung der Beklagten bestätigt und sich mit den Einschätzungen der behandelnden Ärzte sowie den Vorgutachten auseinander gesetzt hat und der Senat keine Zweifel hegt, dass seine Beurteilung zutreffend ist.

Der Kläger leidet im Wesentlichen unter Kniegelenksbeschwerden bei Implantation einer Knieendoprothese rechts mit Inlaywechsel 2011 und verbliebener endgradiger Funktionseinschränkung sowie den Folgen einer Teilarthrodese des rechten Handgelenks nach Os Naviculare und Pseudarthrose (so Dr. Th.) und einer bein- und sensibel betonte PNP (Prof. Dr. G. und Dr. Sch.), einem schädlichen Gebrauch von Nikotin und Alkohol, einem metabolischem Syndrom mit einem Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie, einer Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung, einer Hyperurikämie und einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern mit oraler Antikoagulation (Dr. Sch.) sowie einem beidseitigen KTS (Prof. Dr. G.). Darüber hinausgehende, wesentlich schwerer wiegende dauerhafte Erkrankungen, die für die Beurteilung des Leistungsvermögens im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung von Bedeutung sein könnten, sind dagegen nicht nachgewiesen.

Durch diese Erkrankungen ist das Leistungsvermögen des Klägers nach übereinstimmender Auffassung der vom SG und vom Senat gehörten Sachverständigen wie auch der von der Beklagten zugezogenen Gutachter zwar qualitativ eingeschränkt, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht. Der Kläger kann nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. G. aus nervenärztlicher Sicht Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn kg - ohne Arbeiten mit ständigem Gehen oder Stehen, ständigem Treppensteigen, besonderer Beanspruchung an die Feinmotorik sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten - sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Außerdem sind Zwangshaltungen, ständiges Bücken oder Knien, ständiges Gehen oder Stehen sowie permanente Arbeiten im Freien, ständige Exposition gegenüber Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie Nachtschicht zu meiden (Dr. Th.). Dem schließt sich der Senat an.

Soweit der Kläger eine Äußerung der Dr. K. vom 6. März 2013 vorgelegt hat, ist diese zum einen durch ihre Aussage vom 16. April 2013, die auch vom Sachverständigen Prof. Dr. G. berücksichtigt wurde, zeitlich überholt und ergeben sich aus ihr keine wesentlich neuen Erkenntnisse, die nicht bereits Prof. Dr. G. in seinem Gutachten berücksichtigt hätte. Der Kläger hat auch keine durchgreifenden Einwendungen gegen das Gutachten erhoben, die Nachfragen erforderlich machen oder Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens begründen würden. Prof. Dr. G. hat nachvollziehbar auf ein - insbesondere auch im Hinblick auf das geltend gemachte eingeschränkten Gehvermögen - erkennbares erhebliches Aggravations- bzw. Simulationsverhalten verwiesen, wofür die inkonsistenten Befunde zur Motorik in Vorbefunden (Dr. H.-Z.: Zehen- und Hackengang bedingt möglich, Dr. R.: rechts Hinken, inkomplette Abrollbewegung, Einbeinstand vorgeführt, Hacken- und Zehenstand vorgeführt, Hacken- und Zehengang nicht vorgeführt, Fallneigung, Dr. W.: Gang nicht behindert, Füße normal angehoben, Fersen- und Ballengang möglich, Romberg ohne Fallneigung, Rehazentrum M. H.: Zehenspitzen- und Hackengang unsicher demonstriert, Dr. Sch.: breitbasiger rechts hinkender Gang, Fußsohlen vermindert abgerollt, Einbeinstand, Zehen- und Hackengang sowie Seiltänzergang nicht regelrecht möglich, Dr. Th.: Zehen- und Hackengang beidseits problemlos möglich, Dr. K.: Schwere Gang- und Standunsicherheit mit Sturzneigung, Dr. K.: Wegstrecken von über 500 m mit Pausen in langsamem Tempo zurückzulegen, keine Äußerung zu Koordination sowie Hacken- und Fersenstand bzw. -gang) sowie eine Inkonsistenz zwischen subjektiv geklagten Schmerzen und nicht beobachtbarem Schmerz- und Entlastungsverhalten in der Untersuchungssituation auch bei Prof. Dr. G. sprechen.

Damit kann der Kläger jedenfalls in der Zeit ab 1. Juli 2011 - von vorübergehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit abgesehen - zumindest ihm zumutbare leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Der Kläger ist im Übrigen auch nicht außer Stande einen Arbeitsplatz zu erreichen, weil nicht nachgewiesen ist, dass er auf dem Weg zur Arbeit öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten nicht benutzen und auf den Fußwegen jeweils zwei mal 500 Meter nicht in weniger als 20 Minuten bewältigen kann (Gutachten Prof. Dr. G.) und auch seinen Pkw für die Arbeitswege nicht nutzen kann.

Da der Kläger somit ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich in der strittigen Zeit ab 1. Juli 2011 verrichten kann und auch in der Lage ist, einen Arbeitsplatz zu erreichen, besteht kein Anspruch auf die begehrte Rente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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