Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 397/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1932/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) erhebliche Gehbehinderung ("G") streitig.
Bei dem im Jahr 1947 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (VA) zuletzt wegen der Folgen eines Schlaganfalls (Teil-GdB 50), einer koronaren Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt und Bluthochdruck (Teil-GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20), einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 20), einem Gallensteinleiden (Teil-GdB 10), einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 10) und einem Diabetes mellitus (Teil-GdB 20) mit Bescheid vom 20.03.2009 den GdB mit 80 neu fest und lehnte die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" ab.
Am 16.06.2010 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Das VA zog den Bericht der B.-Klinik B. T. vom 17.06.2010 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bei (Diagnosen: Chronisches Schmerzsyndrom LWK, Z.n. Bandscheibenvorfall L5/S1, Z.n. Vorderwandinfarkt 1992 mit PTCA, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, hypermobiles Vorhofseptumaneurysma und Antikoagulation mit Marcumar). Hierzu holte das VA die gutachtliche Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. P., vom 15.09.2010 ein, die den GdB weiterhin mit 80 vorschlug und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" verneinte. Mit Bescheid vom 17.09.2010 entsprach das VA dem Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB sowie auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht.
Gegen den Bescheid vom 17.09.2010 legte der Kläger am 28.09.2010 Widerspruch ein und bat in Bezug auf das Merkzeichen "G" den Sachverhalt zu prüfen. Das VA holte die Befundbeschreibung des Dr. K. vom 17.12.2010 ein, der (u.a.) mitgeteilte, das Gehvermögen des Klägers sei nur durch einen Bandscheibenvorfall eingeschränkt, aktuell nicht sehr erheblich, wobei der Befund stark wechsele bei oft sehr starken Schmerzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2010 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.01.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug zur Begründung vor, durch den Schlaganfall oder durch die Rückenprobleme bestünden deutliche Beschwerden beim Gehen und Stehen. Infolge des 2008 erlittenen Schlaganfalls leide er unter einer linksseitigen Körperlähmung. Die hierdurch bedingte Gefühllosigkeit führe zu einem völligen Kontrollverlust des linken Beines und des Fußes. Der Fuß sei ständig angeschwollen. Zudem bestehe eine Fehlstellung des linken Fußes. Darüber hinaus habe die Lähmung zu einer Fehlbelastung der Wirbelsäule und zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule mit Schmerzausstrahlungen ins rechte Bein geführt. Hierdurch und infolge einer durch die Herzleistungsminderung bedingte körperliche Schwäche sei er auf die ständige Zuhilfenahme einer Unterarmgehstütze angewiesen. Er sei nur noch in der Lage, unter erheblicher körperlicher Anstrengung maximal 200 Meter sehr verlangsamt und mit mehrmaligem Ausruhen zurückzulegen.
Das SG hörte die den Kläger behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.05.2011 mit, der Kläger sei in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Der Kläger könne 2 km in 30 Minuten höchstwahrscheinlich nicht bewältigen. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.05.2011 den Behandlungsverlauf mit und sah sich aufgrund der durchgeführten Untersuchungen nicht in der Lage, zum Gehvermögen des Klägers Angaben zu machen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. teilte in seiner Stellungnahme vom 11.07.2011 mit, der Kläger sei durch eine lumbosakrale Wurzelirritation bei Bandscheibenvorfall sowie einer noch verbliebenen Hemiparese links in der Beweglichkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde halte er für nicht möglich. Außerdem zog das SG den Entlassbrief des S. K. K. vom 24.01.2011 sowie den Bericht vom 12.11.2011 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 04.02.2011 bis 05.02.2011 bei (Diagnosen: Instabile AP, Ausschluss einer akuten myokardialen Ischämie, suffiziente Marcumartherapie bei hypermobilem Vorhofseptum und Z.n. Apoplex 2008, gute systolische LV-Funktion, Coronarsklerose ohne hämodynamisch relevante Stenosen bei V.a. KHK).
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 13.10.2011 der Klage entgegen.
Das SG holte von Dr. J. das orthopädische Gutachten vom 22.12.2011 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Bewertung, orthopädischerseits seien die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beim Kläger zweifelsfrei nicht erfüllt. Letztendlich habe sich beim Kläger im Rahmen der Untersuchung eine deutliche Diskrepanz zwischen den angegebenen Beschwerden sowie der demonstrierten massiv eingeschränkten Mobilität und dem klinischen sowie bildgebenden Befund gefunden. Ursächlich hierfür könnten Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet sein. Aus rein orthopädischer Sicht sei dem Kläger das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde noch möglich. Dr. J. empfahl eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Entsprechend der Empfehlung des Dr. J. holte das SG das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. D. vom 29.03.2012 ein. Der Sachverständige gelangte zusammenfassend zu der Bewertung, eine deutliche Diskrepanz zwischen den angegebenen Beschwerden und dem klinischen Befund habe auch bei der klinisch-neurologischen Untersuchung beobachtet werden können. Wahrscheinlich habe die Symptomatik einen organpathologischen Kern, der in der Untersuchungssituation psychogen akzentuiert werde. Ein Hinweis darauf, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen neurologisch fassbare radikuläre Läsionen auslösen, bestehe nicht. Der Kläger sei nach einem im Zusammenhang mit dem Insult 2008 einmalig erlittenen epileptischen Anfall unter medikamentöser Therapie anfallsfrei geblieben. Der psychopathologische Querschnittsbefund sei völlig unauffällig. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sich neurologisch-psychiatrisch eine leichtgradige neurologische Restsymptomatik nach Mediateilinfarkt und eine auf die antiepileptische Medikation gut ansprechbare vaskuläre Epilepsie diagnostizieren ließen. Zusätzlich sei eine gewisse psychogene Überlagerung der dargebotenen Symptomatik in der Untersuchungssituation festzustellen. Der Kläger sei prinzipiell dazu in der Lage, die Wegstrecke von 2 km auf ebener Strecke ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere zurückzulegen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Kläger diese Strecke nicht mehr in einer halben Stunde zurücklegen könne, da er nach einer Wegstrecke von 200 bis 300 Metern kurze Pausen einlegen müsse, weil die Belastbarkeit des linken Beines krankheitsbedingt reduziert sei.
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 11.06.2012 der Klage weiter entgegen. Der Kläger hält das Gutachten des Dr. D. für überzeugend (Schriftsatz vom 30.07.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.03.2013 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung - gestützt auf die Gutachten von Dr. J. und Dr. D. - aus, der Kläger leide nicht unter einer das Merkzeichen "G" rechtfertigten Einschränkung des Gehvermögens. Nach dem Gutachten von Dr. J. bestünden auf orthopädischem Fachgebiet keine Behinderungen, die Rückschlüsse auf eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke zuließen. Auch die neurologischen und inneren Leiden des Klägers begründeten nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Die Einschränkungen des Gehvermögens auf orthopädischem und neurologischem Gebiet seien insgesamt nur leichtgradig. Die verlangsamte Gehgeschwindigkeit bei reduzierte Belastbarkeit des linken Beins sei psychogen beeinflusst. Der Kläger habe bei der körperlichen Untersuchung nur bedingt mitgearbeitet und dabei zum Teil erkennbare Aggravationstendenzen gezeigt. Diese unschlüssigen Befunde führten dazu, dass der Nachweis einer für das Merkzeichen "G" erforderlichen erheblichen Gehstörung nicht erbracht worden sei. Die vaskuläre Epilepsie des Klägers sei medikamentös gut eingestellt und könne deshalb ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenangaben von Dr. K. und Dr. N. könne nicht gefolgt werden, da deren Einschätzungen vor dem Hintergrund der durch die Gutachter erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar seien.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 26.04.2013 (beim SG) eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei erheblich beeinträchtigt. Er leide insbesondere aufgrund des 2008 erlittenen Schlaganfalls nach wie vor unter einer deutlichen linksseitigen Einschränkung der körperlichen Bewegungsfähigkeit. Er sei nicht in der Lage, ortsübliche Gehstrecken von 2 km in einer halben Stunde zurückzulegen. Dies stehe aufgrund des Gutachtens von Dr. D. und den Angaben von Dr. K. und Dr. N. fest.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 17. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Dezember 2010 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Das SG habe den vorliegenden medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers könne eine abweichende Beurteilung nicht begründen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Gerichtsakte des SG und einen Band Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die vor dem Senat angefallene Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die Neufeststellung des GdB. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 28.09.2010, mit dem sich der Kläger nur gegen die Ablehnung des Merkzeichens "G" gewandt hat, nicht, weshalb der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.09.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2010) hinsichtlich der Ablehnung der Neufeststellung eines höheren GdB teilweise bestandskräftig geworden ist. Dem entsprechen auch die Anträge des Klägers im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G". Der Bescheid des Beklagten vom 17.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2010, mit dem die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 -, unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher (für die Zeit ab Inkrafttreten der VG) allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 - juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass der Kläger wegen der bei ihm bestehenden Behinderungen nicht in der Lage ist, Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet, dass nach dem Gutachten von Dr. J. auf orthopädischem Fachgebiet keine Behinderungen bestehen, die Rückschlüsse auf eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke zulassen. Auch die neurologischen und inneren Leiden des Klägers begründen nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Die Einschränkungen des Gehvermögens auf orthopädischem und neurologischem Gebiet sind jeweils insgesamt nur leichtgradig. Der Kläger hat bei der körperlichen Untersuchung nur bedingt mitgearbeitet und dabei zum Teil erkennbare Aggravationstendenzen gezeigt, was dazu führt, dass der Nachweis einer für das Merkzeichen "G" erheblichen Gefühlstörung nicht erbracht worden ist. Die vaskuläre Epilepsie des Klägers ist medikamentös gut eingestellt und kann deshalb ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenangaben von Dr. K. und Dr. N. kann nicht gefolgt werden, da deren Einschätzungen vor dem Hintergrund der durch die Gutachter erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar sind. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu derselben Überzeugung. Er schließt sich diesen Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll an, die er sich zu Eigen macht und auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zwar deutet das bei der Untersuchung durch Dr. J. und durch Dr. D. in ihren Gutachten beschriebene vom Kläger demonstrierte Gangbild darauf hin, dass er erheblich in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist. So beschreibt Dr. J. ein unsicheres, ataktisch und leicht breitbeiniges Gangbild bei deutlichem Hinken links mit linksseitig weitgehend aufgehobener Abrollbewegung des Fußes sowie die Benutzung einer Unterarmgehstütze rechts. Dr. D. beschreibt in seinem Gutachten sogar eine schwere Gangstörung mit ausgeprägtem Nachziehen des linken Beines, in ihrem Ausmaß allerdings von der Zuwendung des Untersuchers abhängig.
Diese vom Kläger demonstrierte Einschränkung des Gehvermögens steht jedoch nach den Gutachten von Dr. J. und Dr. D. in deutlicher Diskrepanz zum klinischen sowie bildgebenden Befund, wie die Sachverständigen übereinstimmend in ihren Gutachten für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt haben. So hat Dr. J. beim Kläger als sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Behinderungen nur eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und im Bereich der unteren Extremitäten eine links endgradig eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit bei leichter Hüftgelenksarthrose festgestellt, die eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers nach dem objektiven medizinischen Befund nicht plausibel machen. Eine auffällige Muskelverschmächtigung im Beinbereich besteht bei seitengleicher Fußsohlenbeschwielung nicht, was ebenfalls gegen eine erhebliche Gehbehinderung spricht. Dr. J. gelangt in seinem Gutachten zu der den Senat überzeugenden Bewertung, dass aus orthopädischer Sicht dem Kläger das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde noch möglich ist. Dieser überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an.
Auch Dr. D. geht in seinem Gutachten für den Senat nachvollziehbar von Aggravationstendenzen des Klägers aus. Vom Kläger demonstrierte z. T. schwergradige motorische Defizite in der linken Körperseite sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. in seinem Gutachten wegen einer Inkonstanz bei wiederholter Prüfung nicht pathologisch verwertbar. Sowohl Dr. D. als auch Dr. J. haben keinen Hinweis darauf finden können, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen beim Kläger neurologisch fassbare radikuläre Läsionen auslösen. Solche Läsionen hat Dr. D. sogar weitgehend ausgeschlossen. Weiter beschreiben Dr. D. und Dr. J. in ihren Gutachten übereinstimmend keine sich auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirkende neurologische Funktionsausfälle als verbliebene Folge des 2008 erlittenen Mediateilinfarktes. Dr. D. geht beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lediglich von einer leichtgradigen neurologischen Restsymtomatik des Mediateilinfarkts aus, die auch unter Berücksichtigung der leichtgradigen orthopädischen Behinderungen eine erhebliche Gehbehinderung nicht plausibel machen. Auch Dr. D. hält den Kläger aus neurologischer Sicht prinzipiell für in der Lage, eine Wegstrecke von 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere zurückzulegen. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an.
Soweit Dr. D. in seinem Gutachten davon ausgeht, dass beim Kläger hinsichtlich des von ihm demonstrierten schwergradigen motorischen Defizits in der linken Körperseite (wahrscheinlich) von einem organpathologischen Kern, der in der Untersuchungssituation psychogen akzentuiert wird, auszugehen ist, rechtfertigt dies die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht. Dabei kann der Senat vorliegend offen lassen, ob eine (nur) psychogene Beeinträchtigung des Gehvermögens die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen kann. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Kläger wegen einer pathologischen psychogenen Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, 2 km Wegstrecke in ca. einer halben Stunde zurückzulegen. Dagegen spricht, dass nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung von Dr. D. in seinem Gutachten der erhobene psychopathologische Querschnittsbefund beim Kläger völlig unauffällig ist. Dem Kläger ist es nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. gelungen, seine körperliche Erkrankung adäquat innerpsychisch zu verarbeiten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Folge der Hirnschädigung ein relevantes organisches Psychosyndrom entwickelt hat, gibt es nicht. Die vom Kläger demonstrierten Verhaltensweisen bei der Untersuchung sind nach der Überzeugenden Bewertung von Dr. D. bewusstseinsnah generiert und nicht Ausdruck eines psychischen Leidens. Soweit Dr. D. gleichwohl von einer "gewissen psychogenen Überlagerung der dargebotenen Symptomatik" ausgeht, wäre diese nicht krankheitswertig und damit nicht als Behinderung feststellbar.
Letztlich hat Dr. D. in seinem Gutachten eine stärker ausgeprägte psychogene Beeinträchtigung des Gehvermögens des Klägers auch nicht angenommen, wenn er eine bloße Akzentuierung eines - unbeschriebenen - Kerns der organpathologisch begründeten Symptomatik in der Untersuchungssituation unterstellt. Der auf die psychogene Überlagerung gestützten Bewertung von Dr. D., dass der Kläger nicht in der Lage sei, die grundsätzlich mögliche Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde zurückzulegen, kann daher nicht gefolgt werden. Weder Dr. J. noch Dr. D. beschreiben in ihren Gutachten - auf orthopädischem und/oder neurologischem Gebiet liegende - Funktionseinbußen oder Befunde, die eine reduzierte Belastbarkeit des linken Beins des Klägers plausibel machen, die dazu zwingt, nach einer Wegstrecke von 200 bis 300 Metern kurze Pausen einzulegen, worauf Dr. D. seine Ansicht, dass der Kläger eine Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde nicht zurücklegen könne, aber tragend stützt. Ein krankheitswertiges psychisches Leiden, das eine psychogenen Überlagerung verursacht, ist nicht nachgewiesen. Eine verhaltensbedingte, in einer Untersuchungssituation auftretende Akzentuierung einer nach dem organpathologischen Befund nicht erheblichen Gehbeeinträchtigung vermag eine Funktionsbeeinträchtigung auf Dauer nicht zu begründen, unabhängig von der Frage, ob eine solchermaßen psychogene Überlagerung ohne weiteres willentlich überwindbar ist. Eine dauerhafte Einschränkung des Gehvermögens des Klägers, die in ihrem Ausmaß die Feststellung des Merkzeichens "G" rechtfertigt, wird durch die Gutachten von Dr. J. und Dr. D. somit nicht belegt, wie Dr. F. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.06.2012, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, ebenso überzeugend ausführt, weshalb sich der Senat diesen Ausführungen anschließt.
Dass beim Kläger (dauerhaft) Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit bestehen, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Ein im Zusammenhang mit dem Insult 2008 vom Kläger erlittener epileptischer Anfall blieb - unter medikamentöser Therapie - einmalig. Auch ein inneres Leiden (Herzerkrankung), die die Gehfähigkeit des Klägers erheblich einschränkt, liegen nicht vor. Nach dem Entlassbrief des S. K. K. vom 24.01.2011 war der Kläger bei einer Ergometrie bis 150 Watt belastbar. Der Abbruch erfolgte wegen muskulärer Erschöpfung. Zwar erlitt der Kläger in der Nachbelastung einen erschöpfungsbedingten Kollaps ohne AP bei normaler Herzfrequenz und normalem Blutdruck, der sich im Liegen rasch besserte. Die Echokardiographie erbrachte eine noch gute systolische LV. Eine am 04.02.2011 durchgeführte Koronarangiographie erbrachte nach dem Bericht des S. K. K. vom 12.11.2011 eine Koronarsklerose ohne hämodynamisch relevante Stenosen. Aufgrund dieser Befunde kann beim Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass er wegen einer Herzleistungsminderung nicht in der Lage ist, Wegstrecken von 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Die VG Teil B Nr. 9.1.1 gehen bei einer Einschränkung der Herzleistung u.a. davon aus, dass das Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) einer Leistungsbeeinträchtigung beim Spazierengehen von nur 3 bis 4 km/h gleichsteht. Hieraus kann nach der Rechtsprechung des Senats gefolgert werden, dass in einem solchen Fall das Zurücklegen einer Wegstrecke zu Fuß von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht mehr möglich ist (Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 682/10 -). Eine solche Einschränkung der Herzleistung des Klägers besteht nicht.
Danach sind beim Kläger keine Behinderungen erwiesen, die - für sich oder in der Gesamtschau - die Annahme einer erheblichen Gehbehinderung rechtfertigen. Die vom Kläger im Verlaufe des Rechtsstreits geltend gemachte Beeinträchtigung seines Gehvermögens ist durch die bestehenden (objektiven) medizinische Befunde nicht belegt.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die vom Beklagten und vom SG durchgeführten Ermittlungen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) erhebliche Gehbehinderung ("G") streitig.
Bei dem im Jahr 1947 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (VA) zuletzt wegen der Folgen eines Schlaganfalls (Teil-GdB 50), einer koronaren Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt und Bluthochdruck (Teil-GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20), einer Sehminderung beidseitig (Teil-GdB 20), einem Gallensteinleiden (Teil-GdB 10), einer Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 10) und einem Diabetes mellitus (Teil-GdB 20) mit Bescheid vom 20.03.2009 den GdB mit 80 neu fest und lehnte die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" ab.
Am 16.06.2010 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Das VA zog den Bericht der B.-Klinik B. T. vom 17.06.2010 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bei (Diagnosen: Chronisches Schmerzsyndrom LWK, Z.n. Bandscheibenvorfall L5/S1, Z.n. Vorderwandinfarkt 1992 mit PTCA, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, hypermobiles Vorhofseptumaneurysma und Antikoagulation mit Marcumar). Hierzu holte das VA die gutachtliche Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. P., vom 15.09.2010 ein, die den GdB weiterhin mit 80 vorschlug und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" verneinte. Mit Bescheid vom 17.09.2010 entsprach das VA dem Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB sowie auf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht.
Gegen den Bescheid vom 17.09.2010 legte der Kläger am 28.09.2010 Widerspruch ein und bat in Bezug auf das Merkzeichen "G" den Sachverhalt zu prüfen. Das VA holte die Befundbeschreibung des Dr. K. vom 17.12.2010 ein, der (u.a.) mitgeteilte, das Gehvermögen des Klägers sei nur durch einen Bandscheibenvorfall eingeschränkt, aktuell nicht sehr erheblich, wobei der Befund stark wechsele bei oft sehr starken Schmerzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2010 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.01.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug zur Begründung vor, durch den Schlaganfall oder durch die Rückenprobleme bestünden deutliche Beschwerden beim Gehen und Stehen. Infolge des 2008 erlittenen Schlaganfalls leide er unter einer linksseitigen Körperlähmung. Die hierdurch bedingte Gefühllosigkeit führe zu einem völligen Kontrollverlust des linken Beines und des Fußes. Der Fuß sei ständig angeschwollen. Zudem bestehe eine Fehlstellung des linken Fußes. Darüber hinaus habe die Lähmung zu einer Fehlbelastung der Wirbelsäule und zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule mit Schmerzausstrahlungen ins rechte Bein geführt. Hierdurch und infolge einer durch die Herzleistungsminderung bedingte körperliche Schwäche sei er auf die ständige Zuhilfenahme einer Unterarmgehstütze angewiesen. Er sei nur noch in der Lage, unter erheblicher körperlicher Anstrengung maximal 200 Meter sehr verlangsamt und mit mehrmaligem Ausruhen zurückzulegen.
Das SG hörte die den Kläger behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.05.2011 mit, der Kläger sei in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Der Kläger könne 2 km in 30 Minuten höchstwahrscheinlich nicht bewältigen. Dr. K. teilte in seiner Stellungnahme vom 26.05.2011 den Behandlungsverlauf mit und sah sich aufgrund der durchgeführten Untersuchungen nicht in der Lage, zum Gehvermögen des Klägers Angaben zu machen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. N. teilte in seiner Stellungnahme vom 11.07.2011 mit, der Kläger sei durch eine lumbosakrale Wurzelirritation bei Bandscheibenvorfall sowie einer noch verbliebenen Hemiparese links in der Beweglichkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde halte er für nicht möglich. Außerdem zog das SG den Entlassbrief des S. K. K. vom 24.01.2011 sowie den Bericht vom 12.11.2011 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 04.02.2011 bis 05.02.2011 bei (Diagnosen: Instabile AP, Ausschluss einer akuten myokardialen Ischämie, suffiziente Marcumartherapie bei hypermobilem Vorhofseptum und Z.n. Apoplex 2008, gute systolische LV-Funktion, Coronarsklerose ohne hämodynamisch relevante Stenosen bei V.a. KHK).
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 13.10.2011 der Klage entgegen.
Das SG holte von Dr. J. das orthopädische Gutachten vom 22.12.2011 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Bewertung, orthopädischerseits seien die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beim Kläger zweifelsfrei nicht erfüllt. Letztendlich habe sich beim Kläger im Rahmen der Untersuchung eine deutliche Diskrepanz zwischen den angegebenen Beschwerden sowie der demonstrierten massiv eingeschränkten Mobilität und dem klinischen sowie bildgebenden Befund gefunden. Ursächlich hierfür könnten Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet sein. Aus rein orthopädischer Sicht sei dem Kläger das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde noch möglich. Dr. J. empfahl eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.
Entsprechend der Empfehlung des Dr. J. holte das SG das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. D. vom 29.03.2012 ein. Der Sachverständige gelangte zusammenfassend zu der Bewertung, eine deutliche Diskrepanz zwischen den angegebenen Beschwerden und dem klinischen Befund habe auch bei der klinisch-neurologischen Untersuchung beobachtet werden können. Wahrscheinlich habe die Symptomatik einen organpathologischen Kern, der in der Untersuchungssituation psychogen akzentuiert werde. Ein Hinweis darauf, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen neurologisch fassbare radikuläre Läsionen auslösen, bestehe nicht. Der Kläger sei nach einem im Zusammenhang mit dem Insult 2008 einmalig erlittenen epileptischen Anfall unter medikamentöser Therapie anfallsfrei geblieben. Der psychopathologische Querschnittsbefund sei völlig unauffällig. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sich neurologisch-psychiatrisch eine leichtgradige neurologische Restsymptomatik nach Mediateilinfarkt und eine auf die antiepileptische Medikation gut ansprechbare vaskuläre Epilepsie diagnostizieren ließen. Zusätzlich sei eine gewisse psychogene Überlagerung der dargebotenen Symptomatik in der Untersuchungssituation festzustellen. Der Kläger sei prinzipiell dazu in der Lage, die Wegstrecke von 2 km auf ebener Strecke ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere zurückzulegen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der Kläger diese Strecke nicht mehr in einer halben Stunde zurücklegen könne, da er nach einer Wegstrecke von 200 bis 300 Metern kurze Pausen einlegen müsse, weil die Belastbarkeit des linken Beines krankheitsbedingt reduziert sei.
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 11.06.2012 der Klage weiter entgegen. Der Kläger hält das Gutachten des Dr. D. für überzeugend (Schriftsatz vom 30.07.2012).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.03.2013 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung - gestützt auf die Gutachten von Dr. J. und Dr. D. - aus, der Kläger leide nicht unter einer das Merkzeichen "G" rechtfertigten Einschränkung des Gehvermögens. Nach dem Gutachten von Dr. J. bestünden auf orthopädischem Fachgebiet keine Behinderungen, die Rückschlüsse auf eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke zuließen. Auch die neurologischen und inneren Leiden des Klägers begründeten nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Die Einschränkungen des Gehvermögens auf orthopädischem und neurologischem Gebiet seien insgesamt nur leichtgradig. Die verlangsamte Gehgeschwindigkeit bei reduzierte Belastbarkeit des linken Beins sei psychogen beeinflusst. Der Kläger habe bei der körperlichen Untersuchung nur bedingt mitgearbeitet und dabei zum Teil erkennbare Aggravationstendenzen gezeigt. Diese unschlüssigen Befunde führten dazu, dass der Nachweis einer für das Merkzeichen "G" erforderlichen erheblichen Gehstörung nicht erbracht worden sei. Die vaskuläre Epilepsie des Klägers sei medikamentös gut eingestellt und könne deshalb ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenangaben von Dr. K. und Dr. N. könne nicht gefolgt werden, da deren Einschätzungen vor dem Hintergrund der durch die Gutachter erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar seien.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 26.04.2013 (beim SG) eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei erheblich beeinträchtigt. Er leide insbesondere aufgrund des 2008 erlittenen Schlaganfalls nach wie vor unter einer deutlichen linksseitigen Einschränkung der körperlichen Bewegungsfähigkeit. Er sei nicht in der Lage, ortsübliche Gehstrecken von 2 km in einer halben Stunde zurückzulegen. Dies stehe aufgrund des Gutachtens von Dr. D. und den Angaben von Dr. K. und Dr. N. fest.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 17. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Dezember 2010 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Das SG habe den vorliegenden medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt. Das Berufungsvorbringen des Klägers könne eine abweichende Beurteilung nicht begründen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachte Gerichtsakte des SG und einen Band Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die vor dem Senat angefallene Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die Neufeststellung des GdB. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 28.09.2010, mit dem sich der Kläger nur gegen die Ablehnung des Merkzeichens "G" gewandt hat, nicht, weshalb der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.09.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2010) hinsichtlich der Ablehnung der Neufeststellung eines höheren GdB teilweise bestandskräftig geworden ist. Dem entsprechen auch die Anträge des Klägers im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G". Der Bescheid des Beklagten vom 17.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.12.2010, mit dem die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 -, unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher (für die Zeit ab Inkrafttreten der VG) allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 - juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass der Kläger wegen der bei ihm bestehenden Behinderungen nicht in der Lage ist, Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet, dass nach dem Gutachten von Dr. J. auf orthopädischem Fachgebiet keine Behinderungen bestehen, die Rückschlüsse auf eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke zulassen. Auch die neurologischen und inneren Leiden des Klägers begründen nicht die Voraussetzungen des Merkzeichens "G". Die Einschränkungen des Gehvermögens auf orthopädischem und neurologischem Gebiet sind jeweils insgesamt nur leichtgradig. Der Kläger hat bei der körperlichen Untersuchung nur bedingt mitgearbeitet und dabei zum Teil erkennbare Aggravationstendenzen gezeigt, was dazu führt, dass der Nachweis einer für das Merkzeichen "G" erheblichen Gefühlstörung nicht erbracht worden ist. Die vaskuläre Epilepsie des Klägers ist medikamentös gut eingestellt und kann deshalb ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" führen. Den schriftlichen sachverständigen Zeugenangaben von Dr. K. und Dr. N. kann nicht gefolgt werden, da deren Einschätzungen vor dem Hintergrund der durch die Gutachter erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar sind. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu derselben Überzeugung. Er schließt sich diesen Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll an, die er sich zu Eigen macht und auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zwar deutet das bei der Untersuchung durch Dr. J. und durch Dr. D. in ihren Gutachten beschriebene vom Kläger demonstrierte Gangbild darauf hin, dass er erheblich in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist. So beschreibt Dr. J. ein unsicheres, ataktisch und leicht breitbeiniges Gangbild bei deutlichem Hinken links mit linksseitig weitgehend aufgehobener Abrollbewegung des Fußes sowie die Benutzung einer Unterarmgehstütze rechts. Dr. D. beschreibt in seinem Gutachten sogar eine schwere Gangstörung mit ausgeprägtem Nachziehen des linken Beines, in ihrem Ausmaß allerdings von der Zuwendung des Untersuchers abhängig.
Diese vom Kläger demonstrierte Einschränkung des Gehvermögens steht jedoch nach den Gutachten von Dr. J. und Dr. D. in deutlicher Diskrepanz zum klinischen sowie bildgebenden Befund, wie die Sachverständigen übereinstimmend in ihren Gutachten für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt haben. So hat Dr. J. beim Kläger als sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Behinderungen nur eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und im Bereich der unteren Extremitäten eine links endgradig eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit bei leichter Hüftgelenksarthrose festgestellt, die eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers nach dem objektiven medizinischen Befund nicht plausibel machen. Eine auffällige Muskelverschmächtigung im Beinbereich besteht bei seitengleicher Fußsohlenbeschwielung nicht, was ebenfalls gegen eine erhebliche Gehbehinderung spricht. Dr. J. gelangt in seinem Gutachten zu der den Senat überzeugenden Bewertung, dass aus orthopädischer Sicht dem Kläger das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde noch möglich ist. Dieser überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an.
Auch Dr. D. geht in seinem Gutachten für den Senat nachvollziehbar von Aggravationstendenzen des Klägers aus. Vom Kläger demonstrierte z. T. schwergradige motorische Defizite in der linken Körperseite sind nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. in seinem Gutachten wegen einer Inkonstanz bei wiederholter Prüfung nicht pathologisch verwertbar. Sowohl Dr. D. als auch Dr. J. haben keinen Hinweis darauf finden können, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen beim Kläger neurologisch fassbare radikuläre Läsionen auslösen. Solche Läsionen hat Dr. D. sogar weitgehend ausgeschlossen. Weiter beschreiben Dr. D. und Dr. J. in ihren Gutachten übereinstimmend keine sich auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirkende neurologische Funktionsausfälle als verbliebene Folge des 2008 erlittenen Mediateilinfarktes. Dr. D. geht beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lediglich von einer leichtgradigen neurologischen Restsymtomatik des Mediateilinfarkts aus, die auch unter Berücksichtigung der leichtgradigen orthopädischen Behinderungen eine erhebliche Gehbehinderung nicht plausibel machen. Auch Dr. D. hält den Kläger aus neurologischer Sicht prinzipiell für in der Lage, eine Wegstrecke von 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere zurückzulegen. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an.
Soweit Dr. D. in seinem Gutachten davon ausgeht, dass beim Kläger hinsichtlich des von ihm demonstrierten schwergradigen motorischen Defizits in der linken Körperseite (wahrscheinlich) von einem organpathologischen Kern, der in der Untersuchungssituation psychogen akzentuiert wird, auszugehen ist, rechtfertigt dies die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht. Dabei kann der Senat vorliegend offen lassen, ob eine (nur) psychogene Beeinträchtigung des Gehvermögens die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen kann. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Kläger wegen einer pathologischen psychogenen Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, 2 km Wegstrecke in ca. einer halben Stunde zurückzulegen. Dagegen spricht, dass nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung von Dr. D. in seinem Gutachten der erhobene psychopathologische Querschnittsbefund beim Kläger völlig unauffällig ist. Dem Kläger ist es nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. gelungen, seine körperliche Erkrankung adäquat innerpsychisch zu verarbeiten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Folge der Hirnschädigung ein relevantes organisches Psychosyndrom entwickelt hat, gibt es nicht. Die vom Kläger demonstrierten Verhaltensweisen bei der Untersuchung sind nach der Überzeugenden Bewertung von Dr. D. bewusstseinsnah generiert und nicht Ausdruck eines psychischen Leidens. Soweit Dr. D. gleichwohl von einer "gewissen psychogenen Überlagerung der dargebotenen Symptomatik" ausgeht, wäre diese nicht krankheitswertig und damit nicht als Behinderung feststellbar.
Letztlich hat Dr. D. in seinem Gutachten eine stärker ausgeprägte psychogene Beeinträchtigung des Gehvermögens des Klägers auch nicht angenommen, wenn er eine bloße Akzentuierung eines - unbeschriebenen - Kerns der organpathologisch begründeten Symptomatik in der Untersuchungssituation unterstellt. Der auf die psychogene Überlagerung gestützten Bewertung von Dr. D., dass der Kläger nicht in der Lage sei, die grundsätzlich mögliche Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde zurückzulegen, kann daher nicht gefolgt werden. Weder Dr. J. noch Dr. D. beschreiben in ihren Gutachten - auf orthopädischem und/oder neurologischem Gebiet liegende - Funktionseinbußen oder Befunde, die eine reduzierte Belastbarkeit des linken Beins des Klägers plausibel machen, die dazu zwingt, nach einer Wegstrecke von 200 bis 300 Metern kurze Pausen einzulegen, worauf Dr. D. seine Ansicht, dass der Kläger eine Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde nicht zurücklegen könne, aber tragend stützt. Ein krankheitswertiges psychisches Leiden, das eine psychogenen Überlagerung verursacht, ist nicht nachgewiesen. Eine verhaltensbedingte, in einer Untersuchungssituation auftretende Akzentuierung einer nach dem organpathologischen Befund nicht erheblichen Gehbeeinträchtigung vermag eine Funktionsbeeinträchtigung auf Dauer nicht zu begründen, unabhängig von der Frage, ob eine solchermaßen psychogene Überlagerung ohne weiteres willentlich überwindbar ist. Eine dauerhafte Einschränkung des Gehvermögens des Klägers, die in ihrem Ausmaß die Feststellung des Merkzeichens "G" rechtfertigt, wird durch die Gutachten von Dr. J. und Dr. D. somit nicht belegt, wie Dr. F. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.06.2012, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, ebenso überzeugend ausführt, weshalb sich der Senat diesen Ausführungen anschließt.
Dass beim Kläger (dauerhaft) Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit bestehen, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Ein im Zusammenhang mit dem Insult 2008 vom Kläger erlittener epileptischer Anfall blieb - unter medikamentöser Therapie - einmalig. Auch ein inneres Leiden (Herzerkrankung), die die Gehfähigkeit des Klägers erheblich einschränkt, liegen nicht vor. Nach dem Entlassbrief des S. K. K. vom 24.01.2011 war der Kläger bei einer Ergometrie bis 150 Watt belastbar. Der Abbruch erfolgte wegen muskulärer Erschöpfung. Zwar erlitt der Kläger in der Nachbelastung einen erschöpfungsbedingten Kollaps ohne AP bei normaler Herzfrequenz und normalem Blutdruck, der sich im Liegen rasch besserte. Die Echokardiographie erbrachte eine noch gute systolische LV. Eine am 04.02.2011 durchgeführte Koronarangiographie erbrachte nach dem Bericht des S. K. K. vom 12.11.2011 eine Koronarsklerose ohne hämodynamisch relevante Stenosen. Aufgrund dieser Befunde kann beim Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass er wegen einer Herzleistungsminderung nicht in der Lage ist, Wegstrecken von 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Die VG Teil B Nr. 9.1.1 gehen bei einer Einschränkung der Herzleistung u.a. davon aus, dass das Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) einer Leistungsbeeinträchtigung beim Spazierengehen von nur 3 bis 4 km/h gleichsteht. Hieraus kann nach der Rechtsprechung des Senats gefolgert werden, dass in einem solchen Fall das Zurücklegen einer Wegstrecke zu Fuß von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht mehr möglich ist (Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 682/10 -). Eine solche Einschränkung der Herzleistung des Klägers besteht nicht.
Danach sind beim Kläger keine Behinderungen erwiesen, die - für sich oder in der Gesamtschau - die Annahme einer erheblichen Gehbehinderung rechtfertigen. Die vom Kläger im Verlaufe des Rechtsstreits geltend gemachte Beeinträchtigung seines Gehvermögens ist durch die bestehenden (objektiven) medizinische Befunde nicht belegt.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die vom Beklagten und vom SG durchgeführten Ermittlungen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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