Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 822/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1957/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 17.04.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus.
Der 1953 geborene Antragsteller war als selbstständiger Kaufmann im Gewürzhandel tätig. Ab dem 19.03.2012 nahm er an einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil und war seitdem bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Ab dem 09.10.2012 war der Antragsteller arbeitsunfähig. Nach Durchführung einer Bypass-Operation wegen einer schwergradigen peripheren AVK am 24.10.2012 befand er sich vom 12.11.2012 bis zum 12.12.2012 in einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für die Tätigkeit als selbständiger Kaufmann ausgegangen, ein Restleistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich hingegen angenommen.
Mit Bescheid vom 18.01.2013 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zunächst ab dem 13.12.2012, mit Bescheid vom 29.01.2012 sodann bereits ab 15.11.2012 Krankengeld i.H.v. 44,10 EUR netto/täglich (ab 01.01.2013 44,24 EUR).
Die Antragsgegnerin befragte den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Dr. K. teilte am 21.02.2013 mit, dass die Beschreibung des Restleistungsvermögens im Rehabericht mit der maßgeblichen Tätigkeit eines Verkäufers übereinstimme.
Mit Bescheid vom 21.02.2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Beratung eine Meldung zur Agentur für Arbeit ab dem 26.02.2013 möglich sei und der Anspruch auf Krankengeld somit am 25.02.2013 ende.
Dagegen erhob der Kläger am 06.03.2013 Widerspruch und machte geltend, er sei nach wie vor arbeitsunfähig und für die Agentur für Arbeit derzeit nicht vermittelbar. Er legte einen Befundbericht des Internisten und Kardiologen Dr. M. vom 26.02.2013 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger an einer schweren generalisierten Gefäßerkrankung mit rezidivierenden Myokardinfarkt leidet. Auf dem Fahrradergometer sei der Antragsteller bis 75 W belastbar gewesen, bei 75 W habe sich ein Blutdruckabfall sowie ein vollständiger Linksschenkelblock gezeigt. Der Belastungsabbruch sei wegen Erschöpfung und Beinermüdung erfolgt. Die empfohlene medikamentöse Therapie solle fortgeführt und eine Kontrolluntersuchung in sechs Monaten durchgeführt werden. Der Antragsteller sei weiterhin arbeitsunfähig in seinem ausgeübten Beruf.
Auf weitere Anfrage der Antragsgegnerin nahm der MDK durch Dr. S. am 11.03.2013 erneut Stellung. Aus dem aktuellen kardiologischen Befundbericht würden sich keine neuen Aspekte ergeben. Das Leistungsvermögen des Antragstellers sei zwar in kardiologischen Hinsicht dauerhaft eingeschränkt, eine leichte Tätigkeit, überwiegend im Sitzen, sei aber auch nach dem vorgelegten Bericht weiterhin vollschichtig möglich.
Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 13.03.2013 auf, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beantragen (§ 51 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -). Sie wies den Antragsteller ferner auf das Ergebnis der sozialmedizinischen Zweitbegutachtung hin und fragte an, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde.
Mit Schreiben vom 15.03.2013 begründete der Antragsteller daraufhin seinen Widerspruch ergänzend und machte geltend, er vertrete die Auffassung, die Gewährung von Krankengeld stelle einen unbefristeten begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Eine Aufhebung der Bewilligung des Krankengeldes sei daher nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X möglich, die hier nicht vorliegen würden. In den tatsächlichen/rechtlichen Verhältnissen sei keine Änderung eingetreten, da er weiterhin arbeitsunfähig sei. Eine Aufhebungsentscheidung, die zudem eine Anhörung voraussetze, sei bisher nicht getroffen worden. Da aber seine Arbeitsunfähigkeit durch Auszahlungsschein bis zum 28.03.2013 festgestellt sei, stehe ihm Krankengeld weiterhin zu. Die Zahlung sei ohne ausreichenden Rechtsgrund eingestellt worden.
Am 18.03.2013 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Ulm einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, hilfsweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Auch in diesem Antrag vertrat er die Auffassung, die Krankengeldbewilligung erfolge in Form eines unbefristeten Dauerverwaltungsaktes, so dass eine Einstellung der Krankengeldzahlung vor Ablauf eines vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit nur im Wege der Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X erfolgen könne. Seine Arbeitsunfähigkeit sei derzeit bis zum 28.03.2013 bescheinigt worden. Sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2013 habe daher aufschiebende Wirkung. Hilfsweise habe er Anspruch auf eine einstweilige Anordnung mit dem Inhalt, die Antragsgegnerin zur nahtlosen Weitergewährung des Krankengeldes zu verpflichten.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17.04.2013 ab. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei unzulässig, der hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf vorläufige Zahlung von Krankengeld für die Zeit ab dem 26.02.2013. Das Sozialgericht verwies auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, wonach das Krankengeld durch die Krankenkasse grundsätzlich abschnittsweise gewährt werde und dass Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sei. Die Bewilligung des Krankengeldes erfolge somit befristet. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richte sich daher, da in der Hauptsache eine Anfechtung- und Leistungsklage zu erheben sei, nicht nach § 86b Abs. 1 SGG, sondern nach § 86b Abs. 2 SGG. Für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung fehle es aber an einem Anordnungsanspruch. Nach § 44 Abs. 1 SGB V bestehe ein Anspruch auf Krankengeld nur bei Arbeitsunfähigkeit. Nach summarischer Prüfung der medizinischen Unterlagen sei der Antragsteller nicht arbeitsunfähig, ihm seien noch leichte Tätigkeiten vollschichtig möglich. Dies folge sowohl aus dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik als auch aus dem Bericht des Dr. M ... Während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sei eine Belastung über 20 min bei 50 W möglich gewesen, bei der Untersuchung durch Dr. M. im Februar sei eine Belastbarkeit bis 75 W gegeben gewesen, ohne dass Herzbeschwerden aufgetreten seien. Der Abbruch sei ausschließlich wegen Erschöpfung und Beinermüdung erfolgt. Umstände, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen könnten, seien damit nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung von Krankengeld sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Gegen den ihm am 22.04.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30.04.2013 Beschwerde eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Krankengeldbewilligung durch Dauerverwaltungsakt erfolge und bisher keine Rücknahme bzw. Aufhebung erfolgt sei. Die Beurteilung durch den MDK sei unzutreffend. Die Tätigkeit eines Verkäufers sei mit der eines Versicherungskaufmanns nicht zu vergleichen. Sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme nicht verbessert. Die Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben habe aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden müssen.
Der Antragsteller ließ durch seinen zunächst bevollmächtigten Prozessvertreter eine Mitteilung der DRV vom 20.08.2013 vorlegen, wonach diese von einer Erwerbsunfähigkeit auf Dauer seit dem 09.10.2012 ausging. Eine Rentengewährung komme ab dem 01.05.2013 in Betracht. Auf Anfrage des Senats legte der Antragsteller den Rentenbescheid vom 21.08.2013 vor, wonach ihm ab dem 01.05.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (30.04.2019) gewährt und ab dem 01.10.2013 in Höhe von 643,09 EUR monatlich gezahlt werde. Für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 30.09.2013 erhielt der Antragsteller eine Nachzahlung in Höhe von 3.212,25 EUR.
Am 17.10.2013 legitimierte sich der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, der nach Akteneinsicht die Beschwerde mit Schriftsatz vom 09.12.2013 ergänzend begründet hat. Die finanzielle Situation des Antragstellers sei nach wie vor prekär. Aufgrund des Verfahrensablaufes könne man hier nicht argumentieren, es würde über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ein Anordnung ergehen, denn an der drohenden Privatinsolvenz habe sich nichts geändert. Die Erwerbsminderung bestehe auf Dauer. Sie erfasse den streitigen Zeitraum. Für diesen sei keine Rente gezahlt worden und wenn, dann nur in einem deutlich niedrigeren Umfang.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 17.04.2013 aufzuheben und festzustellen bzw. anzuordnen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.02.2013 aufschiebende Wirkung hat und Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus zu gewähren ist, hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg:
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Feststellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.02.2013 über die Einstellung des Krankengeldes zu Recht als nicht statthaft zurückgewiesen. Es ist in der Rechtsprechung des BSG - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - seit langem geklärt, dass die Gewährung von Krankengeld abschnittsweise erfolgt und das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Gewährung von Krankengeld für jeden Abschnitt erneut zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - m.w. N. in Juris). Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung erfolgt die Bewilligung nicht in Form eines Dauerverwaltungsaktes.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist deshalb hier gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers vorläufig gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie vorläufig erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzten könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Der Erlass einer einstweiliger Anordnung ist gleichwohl möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. § 123 Rdnr. 13 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
Nach diesem Maßstäben ist ein Anordnungsgrund vorliegend nicht gegeben. Für eine Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes fehlt es an der besonderen Dringlichkeit.
Dem Antragsteller kann aufgrund der Bewilligung von Erwerbsminderungsrente allenfalls noch rückwirkend für die Zeit vom 26.02.2013 bis zum 30.04.2013 ein Anspruch auf Krankengeld zustehen. Ab dem 01.05.2013 wurde ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt mit der Folge, dass ein etwaiger Anspruch auf Krankengeld nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB V mit dem Beginn der Rentenleistung endet. Die Bewilligung von Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum ist aber der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Antragsteller erhält laufende Leistungen in Form der Erwerbsminderungsrente, so dass sein laufender Lebensunterhalt gesichert ist. Die behauptete drohende Privatinsolvenz hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Für die Frage, ob er für den zurückliegenden Zeitraum von zwei Monaten noch Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld hat, bedarf es deshalb keiner Entscheidung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Dem Antragsteller ist es vielmehr zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, die - sollte sie zu seinen Gunsten ausfallen - zu einer Nachzahlung führen würde.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus.
Der 1953 geborene Antragsteller war als selbstständiger Kaufmann im Gewürzhandel tätig. Ab dem 19.03.2012 nahm er an einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil und war seitdem bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Ab dem 09.10.2012 war der Antragsteller arbeitsunfähig. Nach Durchführung einer Bypass-Operation wegen einer schwergradigen peripheren AVK am 24.10.2012 befand er sich vom 12.11.2012 bis zum 12.12.2012 in einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für die Tätigkeit als selbständiger Kaufmann ausgegangen, ein Restleistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich hingegen angenommen.
Mit Bescheid vom 18.01.2013 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller zunächst ab dem 13.12.2012, mit Bescheid vom 29.01.2012 sodann bereits ab 15.11.2012 Krankengeld i.H.v. 44,10 EUR netto/täglich (ab 01.01.2013 44,24 EUR).
Die Antragsgegnerin befragte den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Dr. K. teilte am 21.02.2013 mit, dass die Beschreibung des Restleistungsvermögens im Rehabericht mit der maßgeblichen Tätigkeit eines Verkäufers übereinstimme.
Mit Bescheid vom 21.02.2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Beratung eine Meldung zur Agentur für Arbeit ab dem 26.02.2013 möglich sei und der Anspruch auf Krankengeld somit am 25.02.2013 ende.
Dagegen erhob der Kläger am 06.03.2013 Widerspruch und machte geltend, er sei nach wie vor arbeitsunfähig und für die Agentur für Arbeit derzeit nicht vermittelbar. Er legte einen Befundbericht des Internisten und Kardiologen Dr. M. vom 26.02.2013 vor, aus dem hervorgeht, dass der Kläger an einer schweren generalisierten Gefäßerkrankung mit rezidivierenden Myokardinfarkt leidet. Auf dem Fahrradergometer sei der Antragsteller bis 75 W belastbar gewesen, bei 75 W habe sich ein Blutdruckabfall sowie ein vollständiger Linksschenkelblock gezeigt. Der Belastungsabbruch sei wegen Erschöpfung und Beinermüdung erfolgt. Die empfohlene medikamentöse Therapie solle fortgeführt und eine Kontrolluntersuchung in sechs Monaten durchgeführt werden. Der Antragsteller sei weiterhin arbeitsunfähig in seinem ausgeübten Beruf.
Auf weitere Anfrage der Antragsgegnerin nahm der MDK durch Dr. S. am 11.03.2013 erneut Stellung. Aus dem aktuellen kardiologischen Befundbericht würden sich keine neuen Aspekte ergeben. Das Leistungsvermögen des Antragstellers sei zwar in kardiologischen Hinsicht dauerhaft eingeschränkt, eine leichte Tätigkeit, überwiegend im Sitzen, sei aber auch nach dem vorgelegten Bericht weiterhin vollschichtig möglich.
Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 13.03.2013 auf, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beantragen (§ 51 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -). Sie wies den Antragsteller ferner auf das Ergebnis der sozialmedizinischen Zweitbegutachtung hin und fragte an, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde.
Mit Schreiben vom 15.03.2013 begründete der Antragsteller daraufhin seinen Widerspruch ergänzend und machte geltend, er vertrete die Auffassung, die Gewährung von Krankengeld stelle einen unbefristeten begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Eine Aufhebung der Bewilligung des Krankengeldes sei daher nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X möglich, die hier nicht vorliegen würden. In den tatsächlichen/rechtlichen Verhältnissen sei keine Änderung eingetreten, da er weiterhin arbeitsunfähig sei. Eine Aufhebungsentscheidung, die zudem eine Anhörung voraussetze, sei bisher nicht getroffen worden. Da aber seine Arbeitsunfähigkeit durch Auszahlungsschein bis zum 28.03.2013 festgestellt sei, stehe ihm Krankengeld weiterhin zu. Die Zahlung sei ohne ausreichenden Rechtsgrund eingestellt worden.
Am 18.03.2013 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Ulm einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, hilfsweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Auch in diesem Antrag vertrat er die Auffassung, die Krankengeldbewilligung erfolge in Form eines unbefristeten Dauerverwaltungsaktes, so dass eine Einstellung der Krankengeldzahlung vor Ablauf eines vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit nur im Wege der Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X erfolgen könne. Seine Arbeitsunfähigkeit sei derzeit bis zum 28.03.2013 bescheinigt worden. Sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2013 habe daher aufschiebende Wirkung. Hilfsweise habe er Anspruch auf eine einstweilige Anordnung mit dem Inhalt, die Antragsgegnerin zur nahtlosen Weitergewährung des Krankengeldes zu verpflichten.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17.04.2013 ab. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei unzulässig, der hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf vorläufige Zahlung von Krankengeld für die Zeit ab dem 26.02.2013. Das Sozialgericht verwies auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, wonach das Krankengeld durch die Krankenkasse grundsätzlich abschnittsweise gewährt werde und dass Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sei. Die Bewilligung des Krankengeldes erfolge somit befristet. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richte sich daher, da in der Hauptsache eine Anfechtung- und Leistungsklage zu erheben sei, nicht nach § 86b Abs. 1 SGG, sondern nach § 86b Abs. 2 SGG. Für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung fehle es aber an einem Anordnungsanspruch. Nach § 44 Abs. 1 SGB V bestehe ein Anspruch auf Krankengeld nur bei Arbeitsunfähigkeit. Nach summarischer Prüfung der medizinischen Unterlagen sei der Antragsteller nicht arbeitsunfähig, ihm seien noch leichte Tätigkeiten vollschichtig möglich. Dies folge sowohl aus dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik als auch aus dem Bericht des Dr. M ... Während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sei eine Belastung über 20 min bei 50 W möglich gewesen, bei der Untersuchung durch Dr. M. im Februar sei eine Belastbarkeit bis 75 W gegeben gewesen, ohne dass Herzbeschwerden aufgetreten seien. Der Abbruch sei ausschließlich wegen Erschöpfung und Beinermüdung erfolgt. Umstände, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen könnten, seien damit nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zahlung von Krankengeld sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Gegen den ihm am 22.04.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30.04.2013 Beschwerde eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Krankengeldbewilligung durch Dauerverwaltungsakt erfolge und bisher keine Rücknahme bzw. Aufhebung erfolgt sei. Die Beurteilung durch den MDK sei unzutreffend. Die Tätigkeit eines Verkäufers sei mit der eines Versicherungskaufmanns nicht zu vergleichen. Sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Ende der Rehabilitationsmaßnahme nicht verbessert. Die Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben habe aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden müssen.
Der Antragsteller ließ durch seinen zunächst bevollmächtigten Prozessvertreter eine Mitteilung der DRV vom 20.08.2013 vorlegen, wonach diese von einer Erwerbsunfähigkeit auf Dauer seit dem 09.10.2012 ausging. Eine Rentengewährung komme ab dem 01.05.2013 in Betracht. Auf Anfrage des Senats legte der Antragsteller den Rentenbescheid vom 21.08.2013 vor, wonach ihm ab dem 01.05.2013 Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (30.04.2019) gewährt und ab dem 01.10.2013 in Höhe von 643,09 EUR monatlich gezahlt werde. Für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 30.09.2013 erhielt der Antragsteller eine Nachzahlung in Höhe von 3.212,25 EUR.
Am 17.10.2013 legitimierte sich der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, der nach Akteneinsicht die Beschwerde mit Schriftsatz vom 09.12.2013 ergänzend begründet hat. Die finanzielle Situation des Antragstellers sei nach wie vor prekär. Aufgrund des Verfahrensablaufes könne man hier nicht argumentieren, es würde über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ein Anordnung ergehen, denn an der drohenden Privatinsolvenz habe sich nichts geändert. Die Erwerbsminderung bestehe auf Dauer. Sie erfasse den streitigen Zeitraum. Für diesen sei keine Rente gezahlt worden und wenn, dann nur in einem deutlich niedrigeren Umfang.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 17.04.2013 aufzuheben und festzustellen bzw. anzuordnen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.02.2013 aufschiebende Wirkung hat und Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus zu gewähren ist, hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm Krankengeld über den 25.02.2013 hinaus zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg:
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Feststellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.02.2013 über die Einstellung des Krankengeldes zu Recht als nicht statthaft zurückgewiesen. Es ist in der Rechtsprechung des BSG - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - seit langem geklärt, dass die Gewährung von Krankengeld abschnittsweise erfolgt und das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Gewährung von Krankengeld für jeden Abschnitt erneut zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - m.w. N. in Juris). Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung erfolgt die Bewilligung nicht in Form eines Dauerverwaltungsaktes.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist deshalb hier gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers vorläufig gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie vorläufig erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzten könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Der Erlass einer einstweiliger Anordnung ist gleichwohl möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. § 123 Rdnr. 13 ff. m.N. zur Rechtsprechung).
Nach diesem Maßstäben ist ein Anordnungsgrund vorliegend nicht gegeben. Für eine Entscheidung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes fehlt es an der besonderen Dringlichkeit.
Dem Antragsteller kann aufgrund der Bewilligung von Erwerbsminderungsrente allenfalls noch rückwirkend für die Zeit vom 26.02.2013 bis zum 30.04.2013 ein Anspruch auf Krankengeld zustehen. Ab dem 01.05.2013 wurde ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt mit der Folge, dass ein etwaiger Anspruch auf Krankengeld nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB V mit dem Beginn der Rentenleistung endet. Die Bewilligung von Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum ist aber der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Antragsteller erhält laufende Leistungen in Form der Erwerbsminderungsrente, so dass sein laufender Lebensunterhalt gesichert ist. Die behauptete drohende Privatinsolvenz hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Für die Frage, ob er für den zurückliegenden Zeitraum von zwei Monaten noch Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld hat, bedarf es deshalb keiner Entscheidung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Dem Antragsteller ist es vielmehr zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, die - sollte sie zu seinen Gunsten ausfallen - zu einer Nachzahlung führen würde.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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