L 5 KA 2961/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 4913/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 2961/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.4.2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 102.160,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Honorarkürzungen im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung für die Quartale 3/99 bis 4/01.

A. Der 1949 geborene Kläger nimmt seit 1988 an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in M. teil. Seit 1995 führt er die Gebietsbezeichnung "Facharzt für Allgemeinmedizin". Mit Beschluss vom 9.10.2002 erteilte der zuständige Zulassungsausschuss (ZA) dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin H ... Auf Antrag des Arztes H. wurde die Gemeinschaftspraxis zum 30.9.2006 wieder aufgelöst (Beschluss des ZA vom 27.9.2006). Der Kläger ist außerdem auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie tätig. Er ist Alleingesellschafter der am 31.10.2000 gegründeten "Klinik am W. GmbH" mit Sitz in M ... Dort führt der Kläger vor allem kosmetische Operationen als privatärztliche Behandlung durch. Nach Angaben des Klägers ist am 27.4.2008 Insolvenzantrag gestellt worden.

Neben dem Honorarstreit, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, haben gegen den Kläger Strafverfahren, Verfahren zur Entziehung der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und zum Ruhen und zum Widerruf der Approbation stattgefunden:

Mit Schreiben vom 11.1.2001 erstattete die Kassenärztliche Vereinigung (KV) N. (Rechtsvorgängerin der Beklagten) Strafanzeige gegen den Kläger. Zur Begründung führte sie aus, wie man bei einem Disziplinarverfahren festgestellt habe, habe der Kläger in betrügerischer Weise falsch abgerechnet. Er habe Begleitpersonen gesetzlich Versicherter - in ca. 100 Fällen pro Quartal - die Krankenversicherungskarte abverlangt und für diese die Ordinationsgebühr (Gebührennummer (GNR) 1 EBM A.F. 1996 (a.F.)) abgerechnet.

Mit Anklageschrift vom 12.7.2004 erhob die Staatsanwaltschaft Mannheim Anklage gegen den Kläger vor dem Landgericht Mannheim wegen Betrugs und Körperverletzung. Dem Kläger wurde vorgeworfen, er habe für die Quartale 4/99 und 1/00 Honorar zu Unrecht abgerechnet, in 110 Fällen Patienten ohne deren Wissen Impfstoffe injiziert und in 19 Fällen medizinisch nicht indizierte Röntgenaufnahmen angefertigt; die Taten beträfen die Quartale 4/98 und 4/99 bis 3/01.

Das Landgericht Mannheim erhob das Gutachten des Dr. K. (Hygiene-Institut der Universitätsklinik H.) vom 19.2.2006 und des Prof. Dr. M. (Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Universitätsklinik H.) vom 20.2.2006. Der Kläger nahm im Strafverfahren zu den Vorwürfen Stellung.

Das Landgericht Mannheim verurteilte den Kläger wegen Betrugs in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 87 Fällen, hiervon in einem Fall wegen Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Außerdem wurde dem Kläger für die Dauer von fünf Jahren verboten, als selbstständiger niedergelassener Arzt tätig zu sein. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Kläger habe zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis Ende des Jahres 1999 den Entschluss gefasst, durch Manipulation der Abrechnung gegenüber der Beklagten unberechtigt ärztliche Leistungen anzusetzen und hierfür Honorar zu erlangen. In Ausführung dieses Entschlusses habe er am 30.9.1999 und 10.4.2000 gegenüber der Beklagten bewusst wahrheitswidrig nicht abrechnungsfähige ärztliche Leistungen angesetzt, um auf diese Weise zu Unrecht Honorar in Höhe von insgesamt 53.918,66 DM (27.568,17 EUR) zu erhalten. Die Manipulation der jeweiligen Abrechnung der Quartale 4/99 und 1/00 habe der Kläger dadurch vorgenommen, dass er die mit 90 Punkten bewertete GNR 1 EBM a.F. als hausärztliche Grundvergütung in Höhe von jeweils 9 DM für Begleitpersonen von Patienten in acht Fällen angesetzt habe, obwohl er diese weder behandelt noch beraten habe. Außerdem habe der Kläger für das Quartal 1/00 mehrere GNR des EBM a.F. zu Unrecht abgerechnet und dadurch zu Unrecht Honorar in Höhe von 53.846,66 DM erlangt. Schließlich habe er ab dem Quartal 4/99 in 86 Fällen ohne Wissen und Einwilligung der Patienten Impfungen injiziert und in einem Fall zu injizieren versucht. Die Fälle hätten die Quartale 4/99 bis 3/01 betroffen.

Auf die dagegen eingelegte Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Zur Begründung führte der BGH aus, das Landgericht habe das Urteil nicht fristgerecht abgesetzt, was einen absoluten Revisionsgrund darstelle.

Mit Urteil vom 9.4.2008 (- 2 KLs 616 Js 3682/01 -) verurteilte das Landgericht Mannheim den Kläger wegen Körperverletzung in 46 Fällen und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten; im Übrigen wurde der Kläger freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Bescheid vom 9.7.2007 (Beschluss vom 9.5.2007) entzog der ZA dem Kläger die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Zur Begründung verwies er u.a. auf die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der zuständige Berufungsausschuss mit Bescheid vom 3.2.2010 (Beschluss vom 16.12.2009) zurück, worauf der Kläger am 8.3.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben hat (Verfahren S 1 KA 897/10); über die Klage ist noch nicht entschieden.

Der Kläger suchte außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 1 KA 898/10 ER). Mit Beschluss vom 17.3.2010 ordnete das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zulassungsentziehung (Bescheid des Berufungsausschusses vom 3.2.2010) an.

Mit Bescheid vom 18.6.2007 ordnete das Regierungspräsidium St. das Ruhen der Approbation des Klägers an. Mit Bescheid vom 14.5.2009 widerrief das Regierungspräsidium St. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Approbation des Klägers und gab ihm auf, die Approbationsurkunde bis spätestens 30.6.2009 in Verwahrung zu geben. Der Kläger erhob Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe und suchte um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss 16.7.2009 (- 11 K 1455/09 -) lehnte das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Approbation (Bescheid des Regierungspräsidiums St. vom 14.5.2009) ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 29.2.2009 (- 9 S 1783/09 -) zurück. Der Kläger erhob Verfassungsbeschwerde und suchte auch beim BVerfG um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 23.9.2009 (- 1 BvR 2709/09 -) setzte das BVerfG die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Approbation und die Aufforderung, die Approbationsurkunde in Verwahrung zu geben, vorläufig, längstens für die Dauer von 6 Monaten bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Klägers aus. Das Klageverfahren wurde bis zur Revisionsinstanz fortgeführt (Beschl. des BVerwG vom 26.10.2011, - 3 B 34.11 - über die Zulassung der Revision des Klägers) und schließlich im April/Mai 2012 durch Vergleich beendet. Danach behält der Kläger die Approbation bis zur Vollendung des 68. Lebensjahrs und verzichtet mit Ablauf des Juli 2017 auf die Approbation; einer Wiedererteilung sollen die Vorwürfe, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, nicht entgegenstehen.

B. Die Beklagte erließ für die Quartale 3/99 bis 2/00 folgende Honorarbescheide:

Bescheid vom 17.1.2000 Quartal 3/99 Nettohonorar 130.417,64 DM Bescheid vom 17.4.2000 Quartal 4/99 Nettohonorar 150.462,98 DM Bescheid vom 17.7.2000 Quartal 1/00 Nettohonorar 133.627,85 DM Bescheid vom 16.10.2000 Quartal 2/00 Nettohonorar 122.567,06 DM

Mit Bescheid vom 16.7.2002 (Beschluss vom 6.2.2002) kürzte der zuständige Prüfungsausschuss der KV N. im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung das Honorar des Klägers für das Quartal 3/99 vor Berücksichtigung des Punktwerts um 27.753,00 DM, effektiv 1.440,00 DM, und für das Quartal 4/99 um 12.940,00 DM, effektiv 1.665,00 DM; auch nach der Kürzung war das Praxisbudget des Klägers jeweils überschritten. Mit Kürzungsbescheiden vom 10.12.2002 (Beschluss vom 29.5.2002) und 15.5.2003 (Beschluss vom 30.10.2002) wurde das Honorar des Klägers für die Quartale 1/00 und 2/00 bzw. 3/00 und 4/00 in entsprechender Weise wie folgt gekürzt: Quartal 1/00 149.240,0 Punkte 24.728,1 Punkte Quartal 2/00 56.300,0 Punkte 8.550,0 Punkte Quartal 3/00 167.190,0 Punkte 13.200,0 Punkte Quartal 4/00 159.860,0 Punkte 15.900,0 Punkte

Mit (dem hier streitgegenständlichen) Bescheid vom 3.12.2004 kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers für die Quartale 3/99 bis 4/01 um insgesamt 109.876,55 EUR. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund von Beschwerden sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden wegen des Verdachts auf fehlerhafte Abrechnung. Dabei habe man Falschabrechnungen in größerem Umfang festgestellt und sodann die Abrechnungen für die Quartale 1/00 und 3/00 nach Auswertung der Dokumentationen und einem Vergleich mit den Abrechnungen auf Auffälligkeiten geprüft. Aufgefallen seien insbesondere Art und Umfang der Röntgenleistungen, der Impfleistungen, der Gastroskopien und Bronchoskopien und der Vorsorgeuntersuchungen. Etwaige Leistungsabrechnungen für Begleitpersonen habe man dabei unberücksichtigt gelassen. Der Plausibilitätsausschuss gehe mit der Staatsanwaltschaft M. von vorsätzlichen Falschabrechnungen aus. Für die Quartale 3/99 bis 4/01 sei die Beweiskraft der Abrechnungssammelerklärungen entkräftet. Die fehlerhaften Gebührenansätze würden daher sachlich-rechnerisch berichtigt. Im Einzelnen gelte folgendes:

Die GNR 1 EBM a.F. sei in allen Fällen abgesetzt worden, in denen die Ordinationsgebühr nur mit der Angabe "Notwendigkeit der Impfung" begründet worden sei. Die Komplexgebühr nach GNR 1 EBM a.F. sei nur abrechenbar, wenn im Rahmen eines unmittelbaren persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts eine kurative Behandlung vorgenommen worden sei. Präventive Leistungen, wie Impfungen, genügten nicht. In den Fällen, in denen nur die Ordinationsgebühr als einzige GNR abgesetzt worden sei, habe man auch die hausärztliche Grundvergütung abgesetzt. Entsprechendes gelte in diesen Fällen auch für die Laborpauschalen nach GNR 3450 und 4352 EBM a.F.

GNR 10 EBM a.F. regele die Vergütung eines therapeutischen hausärztlichen Gesprächs zu einem komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblem. Der Kläger habe die Abrechnung dieser GNR in zahlreichen Fällen mit der Diagnose von Akuterkrankungen, wie Grippe, Gastritis oder Verstauchung, begründet. Bei Erkrankungen dieser Art fehlten aber regelmäßig ein komplexes erkrankungsbedingtes Patientenproblem bzw. der therapeutische Gesprächszweck und die geforderte Gesprächsdauer von mindestens 10 Minuten. Diese Merkmale müssten objektiv vorliegen.

GNR 11 EBM a.F. regele die Vergütung eines hausärztlichen Gesprächs zur Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit. In den Abrechnungen des Klägers fehle regelmäßig eine Begründung für diese Leistung durch entsprechende psychische Diagnosen.

GNR 60 EBM a.F. regele die Vergütung des Ganzkörperstatus. Notwendig sei hierfür eine Untersuchung aller Organsysteme. Je nach geäußerten Symptomen, Anamnese und bisherigem Verlauf der klinischen Untersuchung müssten einige Organsysteme vollständig, alle übrigen wenigstens orientierend untersucht werden. Ausdrücklich gefordert werde die Dokumentation der Untersuchung. Nach Auswertung der Dokumentationen des Klägers und der in den Abrechnungen angegebenen Diagnosen hätten zahlreiche Ganzkörperstatus-Leistungen abgesetzt werden müssen.

GNR 160 EBM a.F. regele die Vergütung einer Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten. Gesetzlich Versicherte hätten jedes zweite Jahr Anspruch auf eine solche Untersuchung. Der Kläger habe neben dieser Leistung oftmals eine EKG-Untersuchung nach GNR 603 EBM a.F. abgerechnet. Die Abrechnung dieser Leistung müsse ebenfalls durch eine Diagnose begründet werden. Man habe Ansätze der GNR 160 EBM a.F. in den Fällen abgesetzt, in denen die Leistung bereits im Vorquartal abgerechnet worden sei.

In einem Fall habe der Plausibilitätsausschuss eine Leistung nach GNR 214 EBM a.F., also einen fixierenden Verband an einer Extremität mit Einschluss eines großen Gelenks, und das Wiederanlegen bzw. die Änderung des Verbands (GNR 217 EBM a.F.) sowie die Versorgung einer großen Wunde (GNR 2021 EBM a.F.) nicht nachvollziehen können. Die Abrechnung sei in Verbindung mit den Diagnosen "oberflächliche Verletzung und Aufreißen einer Operationswunde" höchst unplausibel.

GNR 273 EBM a.F. regele die Vergütung einer Infusion, intravenös von mindestens 10 Minuten Dauer. Der Kläger habe in seinen Abrechnungen die Infusion grundsätzlich neben einer Gastroskopie angesetzt. Aus den Diagnoseangaben werde nicht deutlich, weshalb er die Infusion vorgenommen habe. Für die Durchführung von Gastroskopien allein seien Infusionen jedenfalls nicht erforderlich. Die parallelen Infusionen habe man deshalb abgesetzt. Entsprechendes gelte für Impfleistungen, die der Kläger ebenfalls parallel zu diesen Gastroskopien abgerechnet habe. Die Verfahrensweise habe der Plausibilitätsausschuss für höchst unplausibel angesehen.

GNR 378 EBM a.F. regele die Vergütung einer sonographischen Untersuchung des Abdomens oder dessen Organe. Die Erforderlichkeit der Untersuchung müsse durch die Diagnosen begründet werden. Man habe die Abrechnung des Klägers berichtigt, wenn keine im Zusammenhang mit dem Abdomen stehende Diagnose angegeben worden sei.

GNR 505 EBM a.F. regele die Vergütung einer gezielten und kontrollierten Übungsbehandlung bei gestörter Gelenks- und/oder Muskelfunktion, ggf. mit Anwendung von Geräten. GNR 801 EBM a.F. regele die Vergütung einer klinisch-neurologischen Basisdiagnostik oder gezielten neurologischen Überprüfung des Verlaufs einer Erkrankung des zentralen oder peripheren Nervensystems oder einer systematischen Muskelerkrankung. Der Kläger habe diese Leistungen grundsätzlich mit dem Befund "Rückenschmerzen" abgerechnet. Diagnosen, die diese Leistungen begründen könnten, fehlten regelmäßig. Die allein mit Rückenschmerzen begründeten Leistungen seien berichtigt worden.

GNR 691 EBM a.F. regele die Vergütung einer spirographischen Untersuchung mit Darstellung der Flussvolumenkurve; GNR 710 EBM a.F. regele die Vergütung der Bestimmung des Atemwiderstandes. Der Kläger habe diese Leistungen regelmäßig mit der Befundangabe "Dyspnoe" abgerechnet. Dies genüge jedoch nicht. Soweit die erforderlichen Diagnosen fehlten, habe man die Leistungen abgesetzt.

Die vorgenommenen Berichtigungen führten nach der Neuberechnung der Leistungen und der Budgets zu einer Rückforderung in den Quartalen 1/00 und 3/00 von 16,6% bzw. 18,2 % des Honorars des Klägers. Da zumindest in den Quartalen 3/99 bis 4/01 entsprechende Sachverhalte festgestellt worden seien, habe man die Rückforderungen für diese Quartale mit einem Prozentsatz von 17 % hochgerechnet. Daraus ergebe sich ein Kürzungsbetrag von 109.876,55 EUR. Für einen Teil dieser Leistungen seien bereits effektive Kürzungen im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorgenommen worden. Die entsprechenden Bescheide für die Quartale 3/99 bis 2/01 seien bestandskräftig. Unter Verrechnung der darin festgesetzten Kürzungsbeträge von insgesamt 5.204,72 EUR ergebe sich der Rückforderungsbetrag von 104.671,83 EUR.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger u.a. vor, hinsichtlich der Einzelfallprüfung müssten sämtliche beanstandeten Fälle einzeln aufgeführt und die jeweils getroffenen Feststellungen und Erwägungen mitgeteilt werden. In den angefochtenen Bescheiden werde nur ausgeführt, dass in den zunächst betroffenen Quartalen 3/99 bis 4/01 jeweils Fehlansätze vorlägen, die die Beweiskraft der Sammelabrechnungserklärung entkräfteten. Es fehle die substantiierte und präzise Darlegung, von welchen einzelnen, konkreten, vorsätzlichen Fehlansätzen der Plausibilitätsausschuss ausgehe. Es sei nicht zulässig, hierfür auf die Feststellungen der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren Bezug zu nehmen. Speziell zur GNR 10 EBM a.F. wird vorgetragen, die Beklagte habe mit ihrer Begründung die Legende dieser GNR ausgedehnt und neu formuliert. Auch banale Erkrankungen seien Erkrankungen und könnten zu komplexen Patientenproblemen führen. Dies müsse nicht sein, sei aber auch nicht ausgeschlossen. Zur Beurteilung, ob die GNR 10 a.F. zu Unrecht abgerechnet worden sei, hätte die Beklagte den Sachverhalt ausführlicher darstellen müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.6.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Abrechnungen des Klägers seien nachweislich fehlerhaft. So habe der Kläger zum einen Leistungen für Begleitpersonen von Patienten abgerechnet. Außerdem habe er ab dem Quartal 4/99 vermehrt Impfleistungen erbracht, wofür nicht therapeutische, sondern rein finanzielle Erwägungen ausschlaggebend gewesen seien. Impfungen, bei denen ein lebenslanger Schutz bestehe, habe der Kläger wiederholt, teilweise im Abstand von wenigen Monaten, vorgenommen. Die Patienten habe er zuvor nicht aufgeklärt. Zur Verschleierung seines Vorgehens habe der Kläger den Patienten die Injektionen gezielt an solchen Stellen verabreicht, an denen sie Beschwerden angegeben hätten. Hierfür sei die GNR 1 EBM a.F. nicht abrechenbar. Weitere Falschabrechnungen seien nach GNR 160 EBM a.F. erfolgt, indem der Kläger die Einhaltung der Altersvoraussetzung bzw. der Zweijahresfrist nicht überprüft habe. Aus den vom Kläger benannten Diagnosen und Erkrankungen und auch aus seinen Praxisdokumentationen ergebe sich auch nicht, dass komplexe krankheitsbedingte Patientenprobleme im Sinne der GNR 10 EBM a. F. vorgelegen hätten. Bei den Abrechnungen von Leistungen nach GNR 11 EBM a.F. fehle es an einer psychischen Diagnose. Die Voraussetzungen der Leistung nach GNR 60 EBM a.F. (Ganzkörperstatus) habe der Kläger nicht erbracht bzw. nicht ausreichend dokumentiert. Nicht nachvollziehbar seien auch die Ansätze der GNR 214, 217 und 2021 EBM a.F., da völlig unplausibel sei, inwieweit eine große Wunde an einer Extremität betroffen gewesen sei, die das Anlegen bzw. Wiederanlegen eines fixierenden Verbandes unter Verwendung unelastischer, individuell anmodellierter Materialien erforderlich gemacht hätte. Injektionen sowie intravenöse Infusionen von weniger als 10 Minuten Dauer seien mit der Ordinations- bzw. Konsultationsgebühr abgeschlossen, so dass die Leistung nach GNR 273 EBM a.F. (Infusion von mindestens 10 Minuten Dauer) nicht erbracht sei. Die GNR 378, 505, 801, 691 und 710 EBM a.F. könnten nur angesetzt werden, wenn entsprechende Diagnosen vorlägen; das sei nicht der Fall gewesen. Insgesamt sei damit die Beweiskraft der Sammelabrechnungserklärungen des Klägers für die Quartale 3/99 bis 4/01 entkräftet. Da die Rückforderung nach den Auffälligkeiten bzw. Falschabrechnungen für zwei Quartale konkret errechnet worden sei, habe man auch die Rückforderung für die weiteren Quartale festsetzen dürfen. Aufgrund der dargestellten Falschabrechnungen sei das Schätzungsermessen eröffnet. Insgesamt habe man das Honorar des Klägers zu Recht gekürzt.

Am 20.6.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (Verfahren S 11 KA 4913/07). Außerdem suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 11 KA 7235/07 ER -). Mit Beschluss 4.12.2007 (- S 11 KA 7235/07 -) schränkte das Sozialgericht die sofortige Vollziehung der verfügten Honorarkürzung - unter Annahme offener Erfolgsaussichten des Klageverfahrens - insoweit ein, als es der Beklagten aufgab, von den Schlusszahlungen an den Kläger Honorar von höchstens 11.500 EUR je Quartal einzubehalten und darüber hinaus bereits einbehaltene Beträge zurückzuzahlen; im Übrigen wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies der Senat mit Beschluss vom 16.9.2008 (- L 5 KA 101/08 ER-B -) zurück.

Der Kläger trug zur Begründung seiner Klage und seines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz im Wesentlichen vor, hinsichtlich der Quartale 3/99 bis 4/00 sei die vierjährige Ausschlussfrist verstrichen gewesen. Außerdem seien die Entscheidungsgremien mit einem Facharzt für Lungenkrankheiten bzw. für Neurologie und Psychiatrie fachfremd besetzt gewesen.

Der Gesamtbetrag der Honorarkürzung werde durch die Streichung der GNR 10 EBM a.F. zu 58% im Quartal 1/00 und zu 72% im Quartal 3/00 verursacht. Bei einem Durchschnittswert von 65% entfielen 71.419,75 EUR (von 109.846,55 EUR) auf die Streichung dieser GNR. Er habe die Leistungen nach GNR 10 EBM a.F aber ordnungsgemäß abgerechnet. Notwendig sei ein therapeutisches hausärztliches Gespräch zu einem komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblem. Entgegen der aus der Leistungslegende nicht zu begründenden Auffassung der Beklagten könne auch eine akute Erkrankung die Abrechnung der GNR 10 EBM a.F. rechtfertigen; außerdem sei insoweit eine subjektive Betrachtung maßgeblich. Die Wiedergabe konkreter Patientenprobleme in Diagnosen bereite erhebliche Schwierigkeiten. Die ICD-10-Kodierung weise erhebliche Mängel auf, die dazu führten, dass oft verallgemeinernde Diagnosen angegeben werden müssten. Die Frage der Abrechnung von Leistungen nach GNR 10 EBM a.F. bei Akuterkrankungen müsse in einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren geklärt werden, wofür die Beklagte nicht zuständig sei. Die Hochrechnung von zwei Quartalen auf weitere acht Quartale sei unzulässig. Dadurch könne eine Plausibilitätsprüfung bzw. eine sachlich-rechnerische Berichtigung nicht ersetzt werden. Man habe die GNR 10 EBM a.F. doppelt gekürzt. Die Beklagte habe die bei der sachlich-rechnerischen Berichtigung festgesetzte Kürzungssumme nur um die effektiven Kürzungen aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung vermindert. Stattdessen hätte man die tatsächlich errechneten Kürzungsbeträge bzw. die tatsächliche Anzahl der gekürzten GNR, insbesondere der GNR 10 EBM a.F., berücksichtigen müssen. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal 3/00 sei die GNR 10 EBM a.F. im Bescheid vom 15.3.2003 406-mal gestrichen worden. Hier habe man die gleiche GNR durch sachlich-rechnerische Berichtigung für das gleiche Quartal noch einmal um 1260 Ansätze gekürzt; insgesamt sei die GNR 10 EBM a.F. daher im Quartal 3/00 1666 mal berichtigt worden. Er habe Leistungen nach dieser GNR im genannten Quartal aber nur 1523-mal erbracht. Daher werde Honorar zurückgefordert, das er gar nicht erhalten habe. Ein ähnliches Bild ergebe sich für die Kürzung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für das Quartal 1/00. Mit Bescheid vom 10.12.2002 sei die GNR 10 EBM a.F. (in der Wirtschaftlichkeitsprüfung) gestrichen worden. Nach erfolgter Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Berichtigung habe man ihm die GNR 10 EBM a.F. insgesamt 39-mal zugestanden. Im Vergleich zur Fachgruppe sei er in diesem Quartal daher weit unter den Fachgruppendurchschnitt gekürzt worden. In der Fachgruppe werde die GNR 10 EBM a.F. auf 100 Fälle 56-mal angesetzt; bei ihm würden auf 100 Fälle nur 3,5 Gesprächsleistungen anerkannt. Das könne nicht rechtmäßig sein.

Die Beklagte trug vor, Honorarrückforderungen seien bei Rechtsmissbrauch länger als vier Jahre zulässig. Da der Kläger vorsätzlich falsch abgerechnet habe, könne Honorar sogar noch 10 Jahre rückwirkend zurückgefordert werden. Die Besetzung der Entscheidungsgremien sei für die Rechtmäßigkeit der Honorarkürzung nicht von Belang. Man habe die GNR 10 EBM a.F. zu Recht gestrichen. Nach der Leistungslegende sei ein komplexes erkrankungsbedingtes Patientenproblem notwendig. Aus einer Krankheit müsse sich ein komplexes Problemen ergeben, das zu erörtern sei. Das gehe aus den vom Kläger angegebenen Diagnosen und Erkrankungen und der Praxisdokumentation nicht hervor. Der Kläger verkenne offensichtlich, dass nicht jedes Gespräch ein hausärztliches Gespräch im Sinne der Leistungslegende zu GNR 10 EBM a.F. darstelle. Diagnosen, wie Grippe oder Verstauchung rechtfertigten den Ansatz der GNR 10 EBM a.F. nicht. Sie sei für die Honorarkürzung zuständig gewesen, da die GNR 10 EBM a.F. mangels Erfüllung des Leistungsinhalts gestrichen worden sei; das stelle eine sachlich-rechnerische Berichtigung und keine Kürzung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung dar. Eine unzulässige Hochrechnung von zwei auf weitere acht Quartale habe man nicht vorgenommen. Falle die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung weg, dürfe sie das Honorar neu festsetzen. Dabei stehe ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Da man in den übrigen von der Kürzung betroffenen Quartalen entsprechende Sachverhalte wie in den Quartalen 1/00 und 3/00 festgestellt habe, sei die pauschalierende Berechnung des Kürzungsbetrages anhand eines Durchschnittsprozentsatzes zulässig; das sei vom Schätzungsermessen umfasst. Bereits erfolgte Honorarkürzungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung stünden der Kürzung durch sachlich-rechnerische Berichtigung nicht entgegen, da beide Verfahren unterschiedliche Verfahrensgegenstände hätten und sich nicht gegenseitig ausschlössen. Die Honorarkürzungen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung habe man berücksichtigt. Davon abgesehen sei der Kläger im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren mit den Streichungen der GNR 10 EBM a.F. monetär nicht belastet worden. Das ergebe sich aus der Berechnung des Bescheids des Prüfungsausschusses vom 10.12.2002. Gleiches gelte für die Quartale 3/99, 4/99, 3/00 und 4/00. In den Quartalen 1/01 und 2/01 sei die GNR 10 EBM a.F. nicht Verfahrensgegenstand gewesen.

Mit Urteil vom 23.4.2010 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2007 hinsichtlich der Streichung der GNR 214, 217 und 2021 im Behandlungsfall T.K. im Quartal 1/00 sowie hinsichtlich der Streichung der GNR 505 in den Quartalen 3/99 bis 4/01 auf. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Zur Begründung führte das Sozialgericht (unter Darstellung der Rechtsgrundsätze für die sachlich-rechnerische Berichtigung von Honorarabrechnungen und die Auslegung der Gebührennummern des EBM und unter auszugsweiser Wiedergabe des Senatsbeschlusses vom 16.9.2008, - L 5 KA 101/08 ER-B -) aus, die Klage sei zum ganz überwiegenden Teil nicht begründet. Die Beklagte sei zur sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnungen des Klägers zuständig gewesen; ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung habe nicht vorgelegen. Die Ansätze der GNR 10 EBM a.F. seien gestrichen worden, weil der Kläger deren Leistungsinhalt nicht erbracht habe. Der Honorarkürzung stehe die vierjährige Ausschlussfrist nicht entgegen. Die für die Quartale 3/99 bis 4/01 ergangenen Honorarbescheide beruhten auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Abrechnungssammelerklärungen; der Kläger habe die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide erkannt bzw. erkennen müssen, so dass Vertrauensschutz nicht bestehe. Gem. § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X sei die - seinerzeit noch nicht verstrichene - Ausschlussfrist von 10 Jahren maßgeblich. Die vom Kläger gerügte (Fehl-)Besetzung des Plausibilitätsausschusses sei für die Rechtmäßigkeit des Kürzungsbescheids nicht von Belang. Bei Durchführung der Prüfung (2002 bzw. 2004) habe auch eine rechtsgültige Verfahrensordnung vorgelegen. Der Kläger habe in den streitigen Quartalen zumindest grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich falsch abgerechnet; das hätten die Feststellungen der Beklagten und des Strafgerichts ergeben. Nach den Ermittlungsergebnissen des Strafverfahrens habe der Kläger in allen streitigen Quartalen mit Ausnahme des Quartals 4/01 Falschabrechnungen vorgenommen, die zur Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung führten. Die Verurteilung des Klägers (letztendlich) allein wegen Körperverletzung in 46 Fällen und wegen Betrugs ändere daran nichts. Die Beklagte habe zu Recht angenommen, dass der Kläger das in den Quartalen 1/00 und 3/00 an den Tag gelegte Fehlverhalten in vergleichbarer Weise auch in den anderen streitigen Quartalen praktiziert habe. Der Kläger habe die GNR 10 EBM a.F. in einer Vielzahl von Fällen falsch abgerechnet. Insoweit habe die Beklagte zu Recht angenommen, dass der Kläger in den von ihr beanstandeten Fällen auf Grund der genannten Diagnosen und der jeweiligen Patientendokumentationen die in GNR 10 EBM a.F. bewertete Leistung nicht erbracht habe; er habe insoweit jedenfalls grob fahrlässig abgerechnet. Die vom Kläger im Hinblick auf vorangegangene Wirtschaftlichkeitsprüfungen behauptete Doppelkürzung habe nicht stattgefunden. Aus den in der Wirtschaftlichkeitsprüfung ergangenen Prüfbescheiden gehe hervor, dass sich die Honorarkürzungen u.a. hinsichtlich der GNR 10, 214, 505, 691 EBM a.F. in den Quartalen 1/00 und 2/00 gar nicht honorarmäßig ausgewirkt hätten, da auch nach der Kürzung immer noch eine Überschreitung des Praxisbudgets im Bezug auf die angeforderten Punkte in einer Größenordnung von 212.745,1 Punkten (Quartal 1/00) bzw. 144.961,9 Punkten (Quartal 2/00) bestanden habe. Entsprechendes gelte für die Quartale 3/00 und 4/00. Davon abgesehen habe der Kläger keineswegs unterdurchschnittlich abgerechnet; in der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei ihm für die GNR 10 EBM a.F. eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um über 100% belassen worden.

Die Streichungen bei den GNR 1, 3450, 3452, 10, 11, 60, 160, 603, 273, 378, 691 und 710 EBM a.F. seien, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend dargelegt habe, rechtmäßig. Für die Abrechnung der GNR 1 EBM a.F. genüge die Angabe "Notwendigkeit der Impfung" nicht. Diese Komplexziffer setze eine kurative Behandlung voraus, präventive Leistungen seien nicht ausreichend. Das vom Kläger angebotene Nachreichen von Begründungen bzw. Diagnosen sei rechtlich nicht zulässig. Die Berichtigung der Laborpauschalen nach GNR 3450 und 4352 EBM a.F. sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Entsprechendes gelte für die GNR 10 EBM a.F. Bei den vom Kläger hierfür angegebenen Diagnosen, wie Grippe, Gastritis oder Verstauchung, finde ein für den Leistungsinhalt dieser GNR notwendiges hausärztliches Gespräch zu einem komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblem objektiv nicht statt. Der Kläger habe die GNR 10 EBM a.F. in nahezu allen streitigen Quartalen signifikant häufiger als die Fachgruppe abgerechnet. Da durch die Falschabrechnungen in den überprüften Quartalen 1/00 und 3/00 die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärungen nicht nur für diese, sondern auch für die übrigen, gleichartige Abrechnungsauffälligkeiten aufweisenden Quartale entfallen sei, hätte der Kläger das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Einzelfall nachweisen müssen; das sei nicht geschehen.

Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die für die Quartale 1/00 und 3/00 getroffenen Feststellungen im Wege des Schätzungsermessens auf die übrigen streitigen Quartale zu übertragen. Wie die Abrechnungsstatistiken der Quartale 3/99, 4/99, 2/00, 4/00 und 1/01 bis 4/01 zeigten, lägen, bspw. bei der signifikanten Überschreitung der Abrechnungshäufigkeit der GNR 10, 691, 710 EBM a.F., identische Sachverhalte wie in den Quartalen 1/00 und 3/00 vor. Der Kläger habe nicht dargetan, dass die Schätzung dem tatsächlichen Abrechnungsverhalten nicht gerecht werde, was im Hinblick auf den Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung notwendig gewesen wäre.

Die Beklagte habe auch die Ansätze der GNR 11 EBM a.F. zu Recht beanstandet. Die Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit setze psychische Diagnosen voraus, die der Kläger in den geprüften Fällen nicht gestellt habe. Das gelte in entsprechender Weise auch für die Ansätze der GNR 60 EBM a.F. (Ganzkörperstatus); die für den Leistungsinhalt dieser GNR notwendigen Untersuchungen habe der Kläger nicht dokumentiert. Ebenso fehle es im Hinblick auf die GNR 603 EBM a.F. an hinreichend nachvollziehbaren kardiologischen Diagnosestellungen. Die Ansätze der GNR 160 EBM a.F. seien ebenfalls zu Recht gestrichen worden.

Einzelne Streichungen im Behandlungsfall T. K. (Ansätze der GNR 214, 217 und 2021 EBM a.F.) seien jedoch zu Unrecht erfolgt; insoweit habe die Klage (zu einem geringen Teil) Erfolg. Das gelte auch für Ansätze der GNR 801 EBM a.F. Ansätze der GNR 273 EBM a.F. seien aber wiederum zu Recht gestrichen worden. Eine Infusion von 10 Minuten Dauer (Sedierung mit Dormicum bei Endoskopien) habe nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Streichung von Ansätzen der GNR 378 EBM a.F. habe der Kläger sonografische Untersuchungen des Abdomens oder dessen Organe nicht durch hinreichende Diagnosestellungen begründet. Ansätze der GNR 801 EBM a.F. (neurologische Basisdiagnostik oder gezielte neurologische Überprüfung des Verlaufs einer Erkrankung des zentralen oder peripheren Nervensystems oder einer systematischen Muskelerkrankung) habe die Beklagte zu Recht gestrichen, da hierfür die Diagnoseangabe "Rückenschmerzen" nicht ausreiche. Schließlich sei auch die Streichung von Ansätzen der GNR 691 und 710 EBM a.F. (spirografische Untersuchung mit Darstellung der Flussvolumenkurve bzw. Bestimmung des Atemwiderstandes - Überschreitungen im Vergleich zur Fachgruppe teils 1100 bzw. 500 % - Quartal 4/01) rechtmäßig, da hierfür die Diagnose "Dyspnoe" nicht genüge, zumal nähere Diagnosen oder Verdachtsdiagnosen nicht dokumentiert seien.

Auf das ihm am 28.5.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.6.2010 Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren hat zunächst - wegen des Verfahrens auf Widerruf der Approbation - auf Wunsch des Klägers (faktisch) geruht. Nach Abschluss des Rechtsstreits um den Fortbestand der Approbation hat der Kläger am 22.10.2012 eine Berufungsbegründung vorgelegt.

Der Kläger macht geltend, er halte an seiner bisherigen Auffassung fest. Ergänzend wird vorgetragen, er habe sich mit Schreiben vom 5.10.2008 an den D. H. gewandt. Dessen Ehrenvorsitzender habe ihm mit Schreiben vom 08.10.2008, das dem Senat vorgelegt wurde (Bl. 82 Senatsakte), insoweit zugestimmt, als der Ansatz der GNR 10 EBM a.F. auch bei Akuterkrankungen nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Für die Beurteilung dieser GNR sei die Sachkunde von Hausärzten, also von Allgemeinärzten und Internisten grundlegend. Im Gegensatz zu Psychiatern oder Lungenärzten behandelten die Hausärzte lange Zeit ein unausgelesenes Patientengut; typisch sei, dass Diagnostik und Therapie im Zuge eines langfristigen Prozesses sich über viele Jahre erstrecke. Im Hinblick darauf sei die Besetzung des Plausibilitätsausschusses (mit einem Lungenarzt und einem Psychiater) nach wie vor zu rügen. Außerdem dürften die Anforderungen an die Dokumentation des Patientengesprächs (GNR 10 EBM a.F.) nicht überzogen werden; hier müssten einige Stichworte genügen. Soweit er sich erinnern könne, habe er immer sehr viele handschriftliche Ergänzungen zu den der Beklagten vorliegenden Dokumentationen vorgenommen. Der Inhalt des therapeutischen Gesprächs müsse auch die persönlichen (sozialen) Verhältnisse des Patienten einbeziehen und unterliege insoweit subjektiven Maßstäben. Sein Patientenstamm setze sich aus überdurchschnittlich vielen sozial schwachen Menschen zusammen, bei denen größerer Gesprächsbedarf bestehe. Er werde daher auch als Lebenshelfer in Anspruch genommen, was bei der Häufung der Abrechnung von Leistungen nach GNR 10 EBM a.F. berücksichtigt werden müsse. Außerdem habe er durch die Gesprächsleistungen Arzneimittelkosten eingespart und insoweit unterdurchschnittlich abgerechnet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.4.2010 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 3.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2007 in vollem Umfang aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, das Vorbringen des Klägers ändere nichts daran, dass er den Leistungsinhalt der GNR 10 EBM a.F. nicht erbracht habe. Man habe die Ansätze dieser GNR im Rahmen von behandlungsfallbezogenen Prüfungen berichtigt. Hinsichtlich des Leistungsinhalts müsse sich aus einer Krankheit ein Komplex von Problemen ergeben haben, der zu erörtern gewesen sei. Das sei aus den vom Kläger angegebenen Diagnosen bzw. Erkrankungen auch anhand der Praxisdokumentationen nicht ersichtlich. Diagnosen wie Grippe, Infektion der Atemwege oder Verstauchung rechtfertigten den Ansatz der GNR 10 EBM a.F. nicht, da sie ein hausärztliches Gespräch zu einem komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblem nicht bedingten. Diese Merkmale müssten objektiv vorliegen; ein nur subjektiv (vom Patienten) als komplex erlebtes Krankheitsgeschehen genüge für die Abrechnung der GNR 10 EBM a.F. nicht. Der Plausibilitätsausschuss müsse nicht zwingend mit Ärzten der Fachgruppe des geprüften Arztes besetzt sein. Anderes folge weder aus den Regelungen der Verfahrensordnung noch aus der zum 1.1.2004 eingeführten Bestimmung in § 106a SGB V. Davon abgesehen habe an der Entscheidung des Sozialgerichts ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Allgemeinärzte mitgewirkt. Der Vertragsarzt sei verpflichtet, die Behandlung auf dem Behandlungsschein so zu dokumentieren, dass die Nachprüfung der korrekten Diagnostik, Therapie und Abrechnung möglich sei. Das Nachschieben von Diagnosen sei grundsätzlich nicht zulässig. Kompensatorische Einsparungen seien im Verfahren der sachlich-rechnerischen Berichtigung nicht von Belang.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, die Strafakten des Landgerichts Mannheim 2 KLs 616 Js 268/01, die Vorakten des Senats L 5 KA 101/08 ER-B sowie die Akten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und auch sonst zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Kürzungsbescheide sind - soweit sie den Kläger noch belasten - rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.

Das Sozialgericht hat den hier maßgeblichen Sachverhalt ausführlich und zutreffend dargestellt und die einzelnen Kürzungstatbestände rechtlich und tatsächlich fehlerfrei gewürdigt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und macht sich die Argumentation des SG zu eigen.

Die Frage, ob die Kürzungen in dem streitigen Bescheid in Kombination mit den Streichungen der zeitlich vorausgegangenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen für einzelne Quartale zu einer doppelten Streichung der GNR 10, einmal im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung und nochmals im anschließenden Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung bzw. der Plausibilitätsprüfung, geführt haben, wurde vom SG eingehend geprüft und unter Berufung auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 16.09.2008 - L 5 KA 102/08 ER-B dahingehend beantwortet, dass eine doppelte Kürzung von abgerechneten GNR 10 EBM a. F. nicht stattgefunden hat. Hiergegen wendet sich der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr. Im Berufungsverfahren hat der Kläger nur noch die Streichung der GNR 10 EBM a.F. wegen fehlerhafter Auslegung der Leistungslegende dieser GNR beanstandet. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten zu diesem allein verbleibenden Streitpunkt ist anzumerken:

1.) Die GNR 10 EBM 99, die im Abschnitt "Hausärztliche Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen" des EBM 99 aufgeführt ist, hat folgende Leistungslegende: "Therapeutisches hausärztliches Gespräch - zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen und/oder -Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder Suchtproblemen. Dauer mindestens 10 Minuten 300 Punkte

Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Vorausgesetzt wird für die Abrechnung ein erkrankungsbedingtes Problem des Patienten. Dies setzt voraus, dass die Erkrankung auf dem Abrechnungsschein angegeben wird. Wenn der Kläger, was ihm von der Beklagten vorgeworfen wird, akute Erkrankungen wie Grippe, Gastritis oder Verstauchung als Krankheit angibt, so rechtfertigen diese Erkrankungen nach den überzeugenden Darlegungen der Beklagten vom Krankheitsbild her bei ansonsten gesunden Patienten nicht die Durchführung eines 10minütigen Gesprächs, wobei das Gespräch sich als therapeutisches Gespräch auf den Gesundheitszustand des betreffenden Patienten beziehen muss und nicht auf sein soziales Umfeld oder die sich daraus ergebenden Probleme familiärer oder beruflicher Art.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann der Begriff des hausärztlich-therapeutischen Gesprächs in GNR 10 EBM a.F. nicht losgelöst von konkreten Krankheitsbildern angesetzt werden. Es sei dem Kläger zugestanden, dass er in einem sozialen Schwerpunkt tätig ist, und dass die ihn dort konsultierenden Patienten zahlreiche komplexe Probleme beruflicher, sozialer oder familiärer Art haben. Der Kläger erhält seine Vergütung von der Beklagten für therapeutische Gespräche, also für seine ärztliche, auf konkrete Krankheiten bezogene verbale Tätigkeit, nicht aber für eine eventuell zusätzlich übernommene Rolle als Sozialarbeiter.

2.) Wie das Sozialgericht in dem vom Senat in Bezug genommenen Urteil vom 23.04.2010 ausführlich dargelegt hat, hat die Beklagte nicht den Grundsatz aufgestellt, die GNR 10 EBM a.F. sei bei Akuterkrankungen grundsätzlich nicht abrechenbar. Sie ist vielmehr in den konkret angeführten Fällen davon ausgegangen, dass jedenfalls bei den vom Kläger angegebenen Diagnosen das von der GNR 10 EBM a.F. geforderte komplexe, erkrankungsbedingte Patientenproblem sogar nach Hinzuziehung der Patientendokumentationen nicht ersichtlich war. Dem schließt sich der Senat an. Liegen neben der Akuterkrankung noch weitere Erkrankungen vor, die in Verbindung mit der Akuterkrankung ein 10minütiges therapeutisches Gespräch rechtfertigen, so sind diese Erkrankungen zumindest mit der Diagnose anzugeben, weil dann vor allem die Auswirkungen der Akuterkrankung auf das vorbestehende Krankheitsbild Gegenstand des therapeutischen Gesprächs ist; im Kern geht es dann um die Vermeidung der Verschlimmerung der vorbestehenden Krankheiten und erst in zweiter Linie um die Behandlung der Akuterkrankung. Unterlässt der Arzt die entsprechenden Angaben über die weiteren Erkrankungen, so ist seine Abrechnung unplausibel. Dies führt rechtlich zur Kürzung. Der Senat hat zu dieser Problematik im Urteil vom 25.09.2013 - L 5 KA 3777/11 folgendes ausgeführt:

"Gem. § 44 Abs. 4 BMV-Ä/§ 34 Abs. 10 EKV-Ä (auch in der im Jahr 2002 maßgeblichen Fassung) können Abrechnungen nur vergütet werden, wenn die in § 303 Abs. 3 SGB V geforderten Daten in dem jeweils zugelassenen Umfang maschinenlesbar oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern angegeben oder übermittelt worden sind. § 303 Abs. 3 SGB V nimmt für die zu übermittelnden Daten (u.a.) auf § 295 Abs. 1 SGB V Bezug. Diese Vorschrift regelt die Abrechnung ärztlicher Leistungen. Gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte verpflichtet, in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen, aufzuzeichnen und zu übermitteln. Die Einzelheiten sind in der Vordruckvereinbarung (als Teil der Bundesmantelverträge) "Abrechnungsschein für ambulante/belegärztliche Behandlung (Muster 5)" festgelegt (zur Bedeutung der Vordruckvereinbarung BSG, Urt. v. 20.1.1999, - B 6 KA 1/98 R -). Danach müssen im Diagnosefeld des Abrechnungsscheins die Diagnosen, ggf. auch andere Begründungen, in angemessener Kürze, aber so präzise angegeben werden, dass sich daraus die Plausibilität der abgerechneten Leistungen erkennen lässt.

Mit den zur Honorarabrechnung eingereichten Abrechnungsscheinen begründet der Vertragsarzt seinen Honoraranspruch; er macht geltend, dass er eine Leistung erbracht hat, die der Versicherte nach § 12 Abs. 1 SGB V beanspruchen konnte und zu deren Erbringung er berechtigt und verpflichtet war (BSG, Urt. v. 4.5.1994 - 6 RKa 37/92 -). Das setzt (u.a.) die hinreichend genaue Angabe der Diagnose voraus. Diese ist für die ordnungsgemäße Abwicklung des Vergütungsverkehrs zwischen Arzt, Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkasse von wesentlicher Bedeutung und daher ein zwingendes Abrechnungserfordernis und keine bloße Förmlichkeit. Ohne ausreichende Kenntnis der Diagnose können die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen ihre Aufgaben bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nicht erfüllen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen benötigen vollständige Leistungsbeschreibungen einschließlich der Diagnosen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung, die Krankenkassen benötigen die genannten Angaben zur Prüfung ihrer Leistungspflicht. Die Angabe der jeweiligen Geb.-Nr. des EBM genügt nicht. Damit wird nur dargetan, dass eine Behandlung der bezeichneten Art überhaupt stattgefunden, nicht aber, ob sie auch den gesetzlichen Vorgaben für eine vorschriftsmäßige ärztliche Versorgung genügt hat (BSG, Urt. v. 4.5.1994 - 6 RKa 37/92 -; SG Marburg, Urt. v. 20.3.2013, - S 12 KA 83/12 u.a. -). Eine Vergütungspflicht für die von einem Vertragsarzt ohne Angabe der Diagnose abgerechneten Leistungen besteht nicht (BSG, Urt. v. 4.5.1994, a, a, O.). Entsprechendes gilt, wenn die Diagnose nicht genau genug angegeben wird; pauschale Umschreibungen oder allgemein gehaltene "Auffangdiagnosen" genügen nicht. Nach Maßgabe dessen ungenügende Angaben auf den Abrechnungsscheinen sind im Gerichtsverfahren nicht (etwa) durch Beiziehung anderer Behandlungsunterlagen zu vervollständigen."

Liegt somit ein nicht ausreichend mit Diagnosen versehener Abrechnungsschein vor, entsteht kein Vergütungsanspruch des abrechnenden Arztes, selbst wenn rein tatsächlich die Voraussetzungen dieser GNR gegeben wären. Obwohl der Senat zur mündlichen Verhandlung die hier streitigen Abrechnungsunterlagen beigezogen hat, sind seitens des Klägers konkrete Rügen in Bezug auf eine falsche Würdigung einzelner, von der Beklagten beanstandeter Abrechnungsunterlagen nicht erfolgt. Entgegen der vom Kläger im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung trägt aber nicht die Beklagte die Beweislast für die ordnungsgemäße Abrechnung. Zwar mag es im Strafverfahren, wo es darum ging, die Schuld des Klägers an Falschabrechnungen zu widerlegen, sinnvoll gewesen sein, insoweit unterlassene Ermittlungen der Beklagten zu rügen. Für die Rechtmäßigkeit der Abrechnung ärztlicher Leistungen als Voraussetzung eines Vergütungsanspruchs gilt jedoch, dass Leistungen schlüssig geltend gemacht werden müssen. Unschlüssigkeiten, Unplausibilitäten und Unvollständigkeiten gehen bei der Abrechnung zu Lasten desjenigen, der daraus eine Vergütung beansprucht, hier also zu Lasten des Klägers. Es wäre seine Aufgabe gewesen, nicht nur allgemein die Beklagte zu kritisieren, sondern anhand der konkreten Abrechnungsfälle (zumindest exemplarisch) dem Gericht aufzuzeigen, dass seine Abrechnungen vollständig und in sich stimmig waren. Entsprechende Fehler sind vom Kläger jedoch nicht aufgezeigt, Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung des Senats nicht gestellt worden.

3.) Hinsichtlich der Abrechnung der GNR 10 EBM a.F. kann sich der Kläger zudem nicht mit dem Hinweis auf (angeblich) überzogene Anforderungen an die Dokumentation des Patientengesprächs entlasten. Die Anfertigung einer ordnungsgemäßen und vollständigen Dokumentation gehört zu den Pflichten des Vertragsarztes; mit "einigen Stichworten" - so der Kläger - ist es nicht getan. Ohne ausreichende Dokumentation des Patientengesprächs kann die GNR 10 EBM a. F. nicht abgerechnet werden. Ohne ausreichende Dokumentation ist zudem Missverständnissen und Doppelberatungen bei späteren Konsultationen Tür und Tor geöffnet. Die Behauptung des Klägers, er habe nach eigener Erinnerung handschriftliche Ergänzungen vorgenommen, ersetzt das Fehlen der ordnungsgemäßen Dokumentationen nicht. Die Zusammensetzung der Patientenschaft des Klägers aus - so der Kläger - überdurchschnittlich vielen sozial schwachen Menschen ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Wird der Leistungsinhalt einer GNR des EBM nicht erbracht, kann sie nicht abgerechnet werden, ohne dass es hierfür auf die sozialen Verhältnisse des Patienten ankäme. Praxisbesonderheiten sind unerheblich, da Gegenstand des Streits nicht eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern die sachlich-rechnerische Berichtigung fehlerhafter Leistungsabrechnungen ist. Deswegen spielen auch vom Kläger behauptete kompensatorische Einsparungen bei Arzneimittelkosten keine Rolle.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Sie berücksichtigt, dass die Beklagte den zunächst errechneten Rückforderungsbetrag von 109.876,55 EUR bereits um im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gekürzte 5.204,72 EUR reduziert hat. Die vom SG ausgesprochene Teilaufhebung umfasste weitere 2.511,63 EUR. Streitig war somit ein Betrag von 102.160,20 EUR. In dieser Höhe war der Streitwert festzusetzen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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