L 2 R 4062/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3771/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4062/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Rente durch eine andere Bewertung von Verfolgungszeiten nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG).

Der Kläger wurde 1935 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geboren und begann dort nach Abschluss der Schulausbildung im September 1954 zunächst ein Medizinstudium, das er auf staatlichen Druck schon kurze Zeit später wieder abbrechen musste. Nach einigen Monaten Tätigkeit als Verkäufer begann er im September 1956 ein Studium als Lehrer für die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule für Deutsch und Kunsterziehung, das er im Juni 1959 abschloss (Bl. 54 der Verwaltungsakte - VA -, vorangestellter Teil). Anschließend war er bis August 1961 als Lehrer tätig. Nach Erteilung eines Berufsverbotes als Lehrer übte er bis 24. November 1976 verschiedene Tätigkeiten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aus, bis er gemeinsam mit seiner Familie am 3. Dezember 1976 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste (vgl. zum Ganzen Bl. 24ff u 56 VA, vorangestellter Teil). Dort arbeitete er u.a. von 1982 bis 1988 als Angestellter in der Ausländerbetreuung, 1990 und 1991 als Lehrer an einer Privatschule und von 1992 an als Lehrer im öffentlichen Schuldienst des Landes Thüringen, dazwischen war der Kläger mehrmals arbeitslos.

Am 21. April 1993 beantragte er aufgrund psychischer Erkrankungen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei der Beklagten, die ihm mit Bescheid vom 14. Juli 1994 (Bl. 58 VA) für die Zeit ab 23. Februar 1994 zugesprochen wurde (Rentenhöhe knapp 1.900,- DM). Der Kläger wies im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens darauf hin, seine Familie werde aufgrund der geringen Höhe der Rente sozialhilfebedürftig. Er bitte zu überprüfen, ob die Zeiten seiner Verfolgung nicht zu einer höheren Rente führen müssten.

Mit Schreiben vom 30. Januar 1996 (Bl. 117 VA) bescheinigte die Rehabilitierungsbehörde zum Vollzug des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes (2. SED-UnBerG) dem Kläger, dass er in der Zeit vom 1. März 1955 bis 31. August 1956 und vom 1. September 1961 bis 3. Dezember 1976 gem. § 2 BerRehaG verfolgt wurde. Für den Zeitraum der durch Verfolgungsmaßnahme nicht abgeschlossenen Ausbildungszeiten wurde der Beginn der Hochschulausbildung am 1. September 1954 genannt. Die Ausbildung sei am 28. Februar 1955 abgebrochen, wäre regelmäßig aber erst am 31. August 1960 beendet worden. Ohne die Verfolgung wäre vom 1. September 1961 bis 3. Dezember 1976 der Beruf des Lehrers im Bereich 18 in der Qualifikationsgruppe 1 ausgeübt worden. Die Beklagte berechnete auf dieser Grundlage die sich ergebenden Entgelte für die Zeit ab 1. September 1961 (Bl. 123 VA). Dem Kläger wurde das Ergebnis mit Zuordnungsbescheid vom 21. März 1996 mitgeteilt (Bl. 43 LSG-Akte), gegen den der Kläger nicht vorging. Die festgestellten Entgelte wurden in sämtlichen danach ergangenen Rentenbescheiden für die Berechnung der auf die Verfolgungszeit entfallenden Entgeltpunkte in der festgestellten Höhe zugrundegelegt. Eine Berücksichtigung der abgebrochenen Hochschulausbildung erfolgte zunächst nicht.

Mit Bescheid vom 23. September 1996 (Bl. 168 VA) stellte die Beklagte die bisherige Rente wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest und berücksichtigte die von der Rehabilitierungsbehörde bestätigten Zeiten ab 1. September 1961. Die Rente erhöhte sich auf monatlich rund 2.200,- DM.

Am 4. Februar 2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Regelaltersrente bei der Beklagten (Bl. 368 VA). Die Beklagte setzte diese Rente mit Bescheid vom 7. September 2000 für die Zeit ab 1. Dezember 2000 fest (Zahlbetrag rd. 2.300,- DM; Bl. 396a VA). Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein.

Nach Überprüfung im Hinblick auf die Berücksichtigung der abgebrochenen Hochschulausbildung bewertete die Beklagte mit Bescheid vom 1. November 2000 (Bl. 421 VA mit Erläuterungen auf Bl. 420 VA) auch die bisher unberücksichtigten Zeiten vom 1. März 1955 bis 31. August 1956 nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Sie stellte daraufhin die dem Kläger gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente mit Bescheiden vom 26. November 2001 (Zeitraum bis 31. Dezember 1996, monatlicher Zahlbetrag rd. 2.250,- DM; Bl. 506 VA) und 10. Dezember 2001 (Zeitraum ab 1. Januar 1997, monatlicher Zahlbetrag rd. 2.300,- DM; Bl. 539 VA) nochmals neu fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der festgesetzten Regelaltersrente zurück (Bl. 632 VA).

Für die zu gewährenden Renten führte die Beklagte aufgrund einer Gesetzesänderung in der Folgezeit nochmals Vergleichsberechnungen entsprechend des neu eingefügten § 13 Abs. 1a BerRehaG durch, dessen Ergebnis sie dem Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 (Bl. 664 VA) mitteilte. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Nach nochmaliger Überprüfung und Durchführung weiterer Vergleichsberechnungen entsprechend des ebenfalls neu gefassten § 11 Satz 2 BerRehaG (vgl. Bl. 670 u. 700 sowie 757 VA) stellte die Beklagte die dem Kläger zuvor gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 25. November 2002 (Bl. 685 VA) für die Zeit bis 31. Dezember 1996 abermals neu fest. Eine weitere Neufeststellung für die Zeit ab 1. Januar 1997 erfolgte mit Bescheid vom 23. März 2003 (Bl. 742 VA). Der monatlich zu zahlende Betrag erhöhte sich jeweils um rd. 25,- EUR.

Mit Bescheid vom 6. Juni 2003 (Bl. 790 VA) stellte die Beklagte die an den Kläger gewährte Altersrente ab 1. Dezember 2000 neu fest. Grund hierfür waren ebenfalls die durchgeführten Vergleichsberechnungen. Die Rente erhöhte sich ebenfalls um rd. 25,- EUR pro Monat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen das mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 festgestellte Ergebnis der Vergleichsberechnung zurück (Bl. 849 VA). Im Bescheid wurde ebenfalls der Widerspruch des Klägers gegen einen Bescheid der Beklagten vom 25. September 2003 zurückgewiesen, mit dem diese den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Rente für die Dauer des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes anerkannt und die Auslandsrente in Höhe der bisherigen Inlandsrente festgesetzt hatte (Bescheid Bl. 836 VA).

Mit Bescheid vom 4. September 2006 (Bl. 902 VA) berechnete die Beklagte die Rente ab 1. September 2006 aufgrund geänderter Beitragssätze zur Krankenversicherung neu.

Mit Schreiben vom 2. April 2011 (Bl. 933 VA) reichte der Kläger, der seinen Wohnsitz wieder dauerhaft im Inland hatte, eine "Rechtsbeschwerde" im Hinblick auf die Berechnung seiner Rente bei der Beklagten ein, die dem jetzt anhängigen gerichtlichen Verfahren zugrunde liegt. Der Zahlbetrag seiner heutigen Angestelltenrente liege deutlich unter dem der Pension eines Postboten und erst recht unter dem durchschnittlichen Ruhegehalt eines Stasi-Unrechtstäters der früheren DDR. Als Betroffener nach dem Reha-Aktenzeichen BSRH 8673/95 des Landgerichtes Leipzig sowie nach dem 2. SED-UnrBerG werde er dadurch zusätzlich bedrückend behandelt. Für die erlittenen Leiden sei eine Entschädigung zu zahlen.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 19. April 2011 (Bl. 935 VA) mit, dass ihm bereits Rente mit den Zeiten der beruflichen Rehabilitierung gezahlt werde. Die vom Versorgungsträger mitgeteilten Entgelte würden berücksichtigt. Der Rentenversicherungsträger sei an die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde gebunden. Einwände gegen den Inhalt der Rehabilitierungsbescheinigung müsse der Kläger gegenüber der Rehabilitierungsbehörde geltend machten.

In der Folgezeit wandte sich der Kläger mit mehreren Schreiben an die Beklagte und verwies unter anderem darauf, dass im Rahmen des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes eine allgemeine Rehabilitierungsbescheinigung überhaupt nicht genüge, um den Zielen des 2. SED-UnrBerG gerecht zu werden. Ein tatsächlicher Nachteilsausgleich sei bisher offenbar noch nicht vorgenommen worden. Es sei zu fordern, dass die Beklagte verhindern könne, dass ein ehemaliger Lehrer der polytechnischen Oberschule, der zuletzt an einem Gymnasium beschäftigt gewesen sei, heute wirtschaftlich schlechter gestellt werde als ein ehemaliger Postbote. Er erhalte lediglich Rente in Höhe von ca. 49 % des Ruhegehaltes eines ehemaligen Grund- und Hauptschullehrers. Er sei sich sicher, dass eine solche Herabwürdigung den Rehabilitierungszielen diametral im Wege stehe.

Die Beklagte berief sich zur Erwiderung zunächst darauf, die gegenüber dem Kläger ergangenen Bescheide seien allesamt bestandskräftig und damit für alle Beteiligten bindend. Der letzte Bescheid sei am 4. September 2006 ergangen.

Mit einer undatierten Mitteilung passte die Beklagte die Rente des Klägers zum 1. Juli 2011 an (im Folgenden: "Rentenanpassung zum 1. Juli 2011"; Bl. 20 der Akte des Sozialgerichts Reutlingen - SG-Akte -). Gegen die Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. Juni 2011 Widerspruch (Bl. 945 VA) und verwies nochmals auf die Benachteiligung, der er ausgesetzt sei. Der Gesetzesauftrag der SED-Unrechtsbereinigung werde nicht einmal ansatzweise erfüllt.

Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 13. Juli 2011 (Bl. 948 VA) und teilte mit, der Widerspruch sei unzulässig. Der Kläger wende sich wieder gegen die Berücksichtigung der Zeiten nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz in der Rentenberechnung. Hierüber sei bereits mit dem Bescheid vom 18. Oktober 2002 in Verbindung mit den Rentenbescheiden vom 25. November 2002 und 6. Juni 2003 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2004 entschieden worden. Die Bescheide seien bestandskräftig. Die Einwände des Klägers würden als Überprüfungsantrag nach § 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - behandelt.

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit dem - hier im Streit stehenden - Bescheid vom 5. August 2011 (Bl. 949 VA) ab. Sie verwies darauf, die Rente sei unter Einbeziehung der Zeiten zur beruflichen Rehabilitierung berechnet worden. An die Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde sei der Rentenversicherungsträger gebunden.

Mit Schreiben vom 10. August 2011 (Bl. 950 VA), das am darauf folgenden Tag bei der Beklagten einging, erhob der Kläger Widerspruch. Er verwies darauf, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb allein die Rehabilitierungsbehörde die bei der Rentenberechnung entstandenen Unverhältnismäßigkeiten verursacht haben solle. Ganz allgemein sei nämlich sein Bildungsstand unter dem Niveau von kaum ausgebildeten Postboten festgelegt worden. Diese erhielten ihre Ruhegehälter nach der Besoldungsstufe A 6, seine Kollegen sogar nach A 12. Wieso er demgegenüber nach A 4 bewertet werden solle sei unklar. Offenbar spielten hier frühere DDR-Berufsverbote und deren Folgeschäden eine Rolle, die nach dem 2. SED-UnrBerG eigentlich ausgeglichen werden sollten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2011 (Bl. 956 VA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 als unzulässig zurück. Die Berücksichtigung der Zeiten zur beruflichen Rehabilitierung sei nicht Regelungsgegenstand der Rentenanpassung gewesen. Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 5. August 2011 wies sie als unbegründet zurück. Für die vom Kläger begehrte bessere Bewertung der Zeiten zur beruflichen Rehabilitierung gebe es keine rechtliche Grundlage. Die von der Rehabilitierungsbehörde gemeldete Entgelte nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz würden bei der Altersrente bereits berücksichtigt.

Am 30. Dezember 2011 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat zur Begründung vorgetragen, dass durch eine Unterbewertung der Rentenbeitragszeiten eine persönliche und familiäre Härtefallsituation bewirkt werde. Er erhalte von der Beklagten eine durch Ausbildung und Lehrerberuf nicht zu rechtfertigende Rente nach dem Angestelltentarif A 3. Ein Postbote erhalte wenigstens A 6. Die pädagogische Vorbildfunktion für Jugendliche während des Kalten Krieges sowie bei der Überwindung der politischen Schandmauer bleibe unberücksichtigt. Dafür habe er Haft, Verfolgung und zahlreiche berufliche Nachteile bis zum Rentenalter zu ertragen.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei zwar - auch im Hinblick auf die vom Kläger angegriffene Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 - zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 sei nicht zu beanstanden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Ermittlung des Grades der Anpassung des Rentenwertes fehlerhaft erfolgt sei. Der Geldwert der Rente, um dessen Berechnung es dem Kläger gehe, sei hingegen nicht Gegenstand dieses Bescheides. Unbegründet sei die Klage auch, soweit sich der Kläger gegen den Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 5. August 2011 wende. Dieser Bescheid sei - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 - nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine teilweise Rücknahme der zuletzt ergangenen Rentenbescheide und auf Neuberechnung seiner Renten unter Zugrundelegung einer höheren Qualifikationsgruppe im sogenannten Zugunstenverfahren. Vielmehr sei die Berechnung der Altersrente durch die Beklagte unter Zugrundelegung der Arbeitsverdienste für die anerkannte Verfolgungszeit vom 1. März 1955 bis 31. August 1956 und vom 1. September 1961 bis zum 3. Dezember 1976 entsprechend der Bescheinigung nach § 22 BerRehaG und die Ermittlung der Entgeltpunkte aus den Tabellenwerten der jeweiligen Jahre in rechtmäßiger Weise erfolgt. Zu einer eigenständigen Prüfung der Eingruppierung nach § 22 BerRehaG sei die Beklagte nicht befugt gewesen. Sie habe zu Recht die in der Rehabilitierungsbescheinigung vom 30. Januar 1996 festgestellte Einstufung der Tätigkeit des Klägers wegen der anerkannten Verfolgungszeit in die Qualifikationsgruppe 1 als bindend zugrundegelegt. Die Bindungswirkung ergebe sich aus § 22 Abs. 3 BerRehaG. Die Berechnung der Rente durch die Beklagte sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die erlittenen Benachteiligungen seien damit ausgeglichen. Weitere Ausgleichsmaßnahmen zugunsten des Klägers seien nicht vorgesehen, auch wenn der Kläger damit nicht zufrieden sei. Es bestehe keine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Anspruch auf vollen Ersatz der Verfolgungsschäden zu gewähren. Der Gesetzgeber habe seiner Pflicht vielmehr dadurch genüge getan, dass er den benachteiligten Personenkreis im Hinblick auf die Einbußen von Berufschancen und deren Folge bei der Rentenversicherung so gestellt habe wie den Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbaren Qualifikationen im Beitrittsgebiet. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Rentenanspruches wesentlich von der individuellen Erwerbsbiographie abhänge.

Gegen den ihm am 5. September 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. September 2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und bringt vor, seine Angestelltenrente solle nach dem Gebot des Sozialausgleichs gemäß dem BerRehaG seiner Qualifizierungsgruppe A 12 entsprechen und das Einkommen eines Lehrers nicht wesentlich unterschreiten. Im Übrigen sei klar, dass seine individuelle Erwerbsbiographie von politischer Haft und Vertreibung vom Ministerium der Staatssicherheit der früheren DDR vernichtend geprägt worden sei. Diese Unverhältnismäßigkeit heute in grausamer Beständigkeit fortsetzen zu wollen, halte er für eine Verletzung der Menschenwürde im Sinne gröblichster Ungleichbehandlung.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. August 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 und des Bescheides vom 5. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 25. November 2002, 23. März 2003, 6. Juni 2003 und 4. September 2006 eine Erwerbsunfähigkeits- bzw. ab dem 1. Dezember 2000 eine Regelaltersrente zu bewilligen, die der Besoldungsstufe A 12 entspricht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf die beigezogene Veraltungsakte (5 Bände) sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten, mit der diese eine Abänderung der ergangenen Rentenbescheide bzw. die Gewährung höherer Altersrente ab 1. Juli 2011 abgelehnt hat, sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Abänderung dieser Bescheide und Gewährung einer höheren Erwerbsunfähigkeits- bzw. Altersrente.

Dabei ist die Beklagte zunächst in der Sache zu Recht davon ausgegangen, dass die Schreiben des Klägers aus der Zeit von April bis Juni 2011 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Hinblick auf die zuletzt ergangenen Rentenbescheide zu werten sind. Zu überprüfen waren daher die Bescheide vom 25. November 2002 und 23. März 2003, mit denen die dem Kläger gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente letztmals für den gesamten Zeitraum neu festgestellt wurde. Zu überprüfen war weiter der Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2003, mit dem die an ihn gewährte Altersrente ab 1. Dezember 2000 neu festgestellt wurde, sowie der Bescheid der Beklagten vom 4. September 2006, mit dem eine Neuberechnung ab 1. September 2006 erfolgte. Inhaltlich geht es hinsichtlich sämtlicher zu überprüfender Bescheide um die Frage, ob die Beklagte die Verfolgungszeiten des Klägers in der Zeit vom 1. März 1955 bis 31. August 1956 und 1. September 1961 bis 3. Dezember 1976 zutreffend berücksichtigt hat (unten 1.).

Im Streit steht weiter die Rentenanpassung der Beklagten zum 1. Juli 2011 aufgrund der Erhöhung der Rente zu diesem Zeitpunkt. Auch insoweit macht der Kläger allein eine unzutreffende Berücksichtigung seiner Verfolgungszeiten des Klägers geltend (unten 2.).

1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit oder für die Zukunft zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Voraussetzung dieser Norm liegen nicht vor. Insoweit wird zur Begründung zunächst gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Gerichtsbescheid vom 30. August 2012 Bezug genommen. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren folgendes auszuführen:

Zunächst ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass im hier zu entscheidenden Verfahren weder eine Überprüfung daraufhin vorgenommen werden kann, ob die Verfolgungszeit zutreffend bestimmt wurde, noch, ob die Einstufung in die Leistungs- und Qualifikationsgruppe in richtiger Weise vorgenommen wurde. Diese Feststellung obliegt allein der zuständigen Rehabilitierungsbehörde, hier dem Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales. Dieses stellt u.a. Beginn und Ende der Verfolgungszeit, Angaben über eine wegen Verfolgungsmaßnahmen nicht abgeschlossene Fach- oder Hochschulausbildung sowie Angaben über die Qualifikationsgruppe nach Anlage 13 und den Bereich nach Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bindend fest, § 22 Abs. 3 BerRehaG. Zu einer eigenen Überprüfung dieser Feststellungen ist die Beklagte nicht befugt (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil v. 10. November 2010 - L 3 R 11/10 - juris Rdnr. 29), worauf sie bereits mehrfach hingewiesen hat. Der Beklagten obliegt lediglich die Umsetzung der von der Rehabilitierungsbehörde getroffenen Feststellungen zur Berechnung der konkreten Höhe der Rente. Diese Berechnung hat sie korrekt vorgenommen.

Bei der Umsetzung zu bestimmen ist die Höhe der Entgeltpunkte, die während der als Verfolgungszeiten anerkannten Zeiträume erworben wurden. Rechtliche Grundlage hierfür sind insbesondere die §§ 11 - 13 BerRehaG. Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte für die Verfolgungszeiten ist der Anlage 14 zum SGB VI zu entnehmen und um 20 vom Hundert zu erhöhen, wobei allerdings die Entscheidung, unter Berücksichtigung welcher Qualifikationsgruppe und anhand welcher Tabelle in Anlage 14 zum SGB VI die Zahlen zu ermitteln sind, nicht von der Beklagten zu treffen ist, sondern durch Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde bindend vorweggenommen wird. Einwendungen dahingehend, die Werte seien einer anderen Tabelle in Anlage 14 zum SGB VI zu entnehmen, können daher gegenüber der Beklagten nicht mit Erfolg vorgebracht werden. Einwendungen im Hinblick auf die festgestellte Qualifikationsgruppe müssen im hier zu entscheidenden Fall schon deshalb erfolglos bleiben, weil die Tätigkeit des Klägers bereits der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet wurde und folglich nicht besser bewertet werden kann. Für die Beklagte bleibt die Entscheidung zu treffen, welche der in § 11 Satz 2 und § 13 Abs. 1a BerRehaG dargestellten Methoden der Berücksichtigung der Verfolgungszeiten die für den Kläger günstigste ist. Dem ist sie mit den vor Ergehen der Rentenbescheide vom 25. November 2002 und 23. März 2003 sowie 6. Juni 2003 vorgenommenen Vergleichsberechnungen nachgekommen. Das im Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2002 festgestellte Ergebnis dieser Berechnungen ist nach der Zurückweisung des gegen den Bescheid gerichteten Widerspruchs bindend geworden. Das für den Kläger günstigste Ergebnis hat die Beklagte ihren Berechnungen zugrunde gelegt, wodurch sich die Zahlungen an den Kläger monatlich um rund 25,- EUR im Vergleich zu den zuvor festgesetzten Beträgen erhöht haben.

Eine weitere Erhöhung der dem Kläger zu zahlenden Rente sieht das Gesetz nicht vor. Ein solcher Anspruch ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger beruft sich zur Begründung seines Begehrens darauf, er müsse, da er eine Ausbildung als Lehrer habe, eine Altersversorgung erhalten, die dem Lehrertarif entspreche. Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Eine solche Regelung ergibt sich insbesondere weder aus dem Gleichheitsgrundsatz noch aus dem Grundsatz der Menschenwürde. Insoweit ist - wie auch schon vom SG dargestellt - noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Rentenanspruchs wesentlich von der individuellen Erwerbsbiographie abhängt. Insoweit wirkt sich auf die Höhe der Rente des Klägers aus, dass er von Juli 1986 bis zum Beginn des Bezuges seiner Erwerbsminderungsrente im Februar 1994 viele Monate arbeitslos war und anschließend bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen hat. Dies wirkt sich auf die Höhe der Rente wesentlich aus. Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist daher nicht zu beanstanden, dass die Rente des Klägers hinter der Rente eines Lehrers, der durchgehend gearbeitet hat, zurückbleibt; ein vergleichbarer Sachverhalt liegt nicht vor.

Auch dem Grundsatz der Menschenwürde widersprechen die im Streit stehenden Entscheidungen der Beklagten nicht. Es ist auch vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass die erlittene Verfolgung nicht stärker berücksichtigt wird. Der Gesetzgeber ist, worauf auch schon das SG in zutreffende Weise hingewiesen hat, nicht verpflichtet, Verfolgungsschäden vollumfänglich zu ersetzen. Vielmehr erfüllt er seine Pflicht in ausreichender Weise, wenn er den benachteiligten Personenkreis im Hinblick auf die Einbußen von Berufschancen und deren Folgen so stellt wie den Durchschnitt der Versicherten mit vergleichbarer Qualifikation. Dies ist durch die Ermittlung der Entgeltpunkte unter Zugrundelegung der der Anlage 14 zum SGB VI entnommenen Zahlen geschehen. Die Höhe der Rente im Einzelnen richtet sich dann - wie erwähnt - nach den im Einzelfall weiter erwirtschafteten Rentenanwartschaften. Eine Erhöhung dieser - außerhalb der Verfolgungszeiten erworbenen - Rentenanwartschaften z.B. mit der Begründung, die Erwerbsbiographie hätte sich hypothetisch anders weiterentwickelt, dächte man die vorangegangenen Verfolgungszeiten hinweg, sieht das Gesetz nicht vor. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der Entscheidung, allein die als Zeiten der Verfolgung festgestellten Zeiten einer gesonderten Bewertung zuzuführen, eine abschließende Entscheidung getroffen.

Die Berufung im Hinblick auf die Ablehnung des Überprüfungsantrages konnte daher keinen Erfolg haben.

2. Ebenso erfolglos bleiben musste die Berufung, soweit sie sich gegen die Rentenanpassung der Beklagten zum 1. Juli 2011 richtet. Insoweit hat die Beklagte eine Neufeststellung der der Höhe der Rente zugrunde liegenden Parameter nicht vorgenommen, sondern die Rente nur aufgrund der gesetzlich geregelten Erhöhung des Rentenwertes um 0,99 % auf (damals) 27,47 EUR rechnerisch angepasst. Diese Anpassung hat sie korrekt vorgenommen.

Die Berufung war daher auch insoweit zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

III.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved