Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 4140/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1261/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04. März 2013 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 16. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2010 verurteilt, bei dem Kläger ab dem 23. März 2010 einen Grad der Behinderung von 40 (vierzig) festzustellen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte erstattet ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der Kläger ist am 10.08.1953 geboren, deutscher Staatsangehöriger und wohnt im Inland. Erstmals am 23.03.2010 beantragte er bei dem Landratsamt (LRA) Waldshut-Tiengen als Versorgungsamt die Feststellung eines GdB. Die von ihm vorgelegten und vom LRA eingeholten Arztberichte wurden ausgewertet, darunter der Entlassungsbericht des Reha-Klinikums Bad A., Dr. B., über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10.02. bis zum 03.03.2010 (rez. Lumboischialgien links, Leistenschmerz unklarer Genese bei Z.n. Leistenbruch, depressive Verstimmungszustände, Hypertonie, Übergewicht; vollschichtig erwerbsfähig, arbeitsfähig). Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.04.2012 bestehen danach eine Depression und somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 30), Bluthochdruck (10) sowie Krampfadern (operiert) und eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (jeweils kein GdB). Gestützt hier-auf stellte das LRA mit Bescheid vom 16.04.2010 einen GdB von 30 fest.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, seine Schmerzen seien chronisch geworden und beeinträchtigten stark seine Bewegungsfähigkeit. Er sehe keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr. Er legte ärztliche Unterlagen vor, darunter ein Gutachten nach Aktenlage der Bundesagentur für Arbeit vom 26.01.2010 (vollschichtig leistungsfähig bei einigen qualitativen Einschränkungen, v. a. wegen psychoemotionaler Minderbelastbarkeit), den Arztbrief des Dermatologen Dr. C. vom 26.03.2010 (Basaliom links, allseits im Gesunden exzidiert) und den Arztbrief des Chirurgen Dr. D. vom Krankenhaus Bad A. vom 01.04.2010 (betreffend vom Kläger geschilderter plötzlicher Schmerzen nach Leistenhernie-Operation vor sechs Jahren; eine Sensibilitätsstörung habe allerdings nicht nachvollzogen werden können, weitere neurologische bzw. schmerztherapeutische Abklärung nötig). Gestützt auf die versorgungsärztliche Auswertung dieser Unterlagen vom 15.05.2010 erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010.
Am 13.08.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Er habe erhebliche Schmerzen.
Das SG hat behandelnde Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Schreiben des Allgemeinmediziners Dr. E. vom 07.12.2010 (als schwer einzuordnende Depression mit GdB 30, schwere arterielle Hypertonie mit beginnender hypertensiver Herzkrankheit mit GdB 20, leichte Reizung des Nervus genitofemoralis re), des Anästhesiologen Bert vom 08.12.2010 (chronifiziertes Schmerzsyndrom im Grad II nach Gerbershagen, Muskelkettenproblematik lumbosacral, Blockie-rungsketten, somatisierte/reaktive Depression, undifferenzierte Somatisierungsstörung, GdB insgesamt 30) und des Psychiaters F. vom 21.12.2010 (depressive Erkrankung, wohl So¬ma¬ti-sierungsstörung, beides mittelschwer, die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes trifft zu) Bezug genommen.
Sodann hat das SG den Internisten und Kardiologen Dr. G. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.04.2011 bekundet, auf seinem Fachgebiet beständen ein Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung und eine Adipositas. Fachübergreifend beständen eine depressive Störung und eine somatoforme Schmerzstörung. Für den – aktuell gut eingestellten – Bluthochdruck sei ein GdB von 10 anzusetzen, für die somatoforme Schmerzstörung ein GdB von 30. Adipositas und Fettstoffwechselstörung bedingten keine GdB. Der Gesamt-GdB betrage 30.
Diesem Gutachten ist der Kläger entgegengetreten. Er hat weitere Arztunterlagen vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der Schlossklinik Bad H., Dr. I., über einen stationären Aufenthalt vom 02.03. bis 30.03.2011 (emotionale Fehlregulation bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung, arterielle Hypertonie; sämtliche Gelenke und Wirbelsäule frei beweglich, Sensibilitätsstörungen am rechten Leistenbereich und im rechten Oberschenkel, die Schmerzempfindungen beruhten auf einer maladaptiven Verarbeitung organischer Beschwerden auf Grund verschiedener beruflicher Kränkungen, darunter der Entlassung nach 30-jähriger Betriebszugehörigkeit 2009), den Operationsbericht des Universitätsklinikums Freiburg, Dr. J., vom 22.07.2011 über eine Revisions-OP am 21.07.2011, nämlich einen Bruchlückenverschluss als total extraperitoneale Hernioplastik, im Bereich des 2004 eingebrachten Leistenhernienver-schlusses mit Netzimplantation, sowie den Bericht des Universitätsklinikums Freiburg, Dr. K., vom 04.08.2011 (der Kläger berichte von fortbestehendem Brennen und einigen verbliebenen Schmerzen nach der OP).
Sodann hat das SG den Kläger bei dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. L. begutachten lassen. Dieser hat ausgeführt, der Kläger leide unter einer depressiven Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung mit einer Konzentration auf körperliche Beschwerden. Der GdB sei insoweit auf 30 zu schätzen. Für den – fachfremd, nämlich chirurgisch zu beurteilenden – Z.n. Leistenhernie-OP werde geschätzt, dass ein GdB von 10 oder 20 adäquat sei, sodass ein Gesamt-GdB von 40 angenommen werden könne. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen dieses Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten vom 11.11.2011 verwiesen.
Abschließend hat das SG schriftlich weitere behandelnde Ärzte vernommen. Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. M. hat unter dem 02.03.2012 unter Vorlage verschiedener Arztbriefe (neuropathisches Schmerzsyndrom, somatoforme Schmerzstörung, depressive Episode) ausgeführt, auf neurologischem Gebiet ergebe sich auf Grund der unauffälligen Befunde kein GdB. K. hat in seinem Schreiben vom 07.03.2012 ausgeführt, auf viszeralchirurgischem Gebiet bestehe ein behandeltes (Z.n.) Leistenhernien-Rezidiv, das eine MdE (gemeint: GdB) von 0 bedinge. Die Schmerzsymptomatik müsse neurologisch beurteilt werden, soweit fachfremd beurteil¬bar, treffe insoweit die Annahme eines GdB von 30 durch den versorgungsärztlichen Dienst zu.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 04.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung eines GdB von mehr als 30. Bei ihm beständen eine mittelschwere depressive Störung und ein mittelschweres somatoformes Schmerzsyndrom. Dies folge aus dem Gutachten von Dr. L. und den Zeugenaussagen der Ärzte F. und Prof. Dr. M ... Nach den näheren Angaben insbesondere des Sachverständigen liege eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die einen GdB von 30 bedinge. Die Hypertonie bedinge nach dem Gutachten von Dr. G. einen GdB von allenfalls 10. Weitere Gesundheitsstörungen lägen nicht vor. Auf viszeralchirurgischem Gebiet bestehe das behandelte Leistenhernien-Rezidiv, das nach der Aussage von Dr. K. jedoch keinen GdB von wenigstens 10 bedinge.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.03.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Parallel hierzu beantragte der Kläger am 04.04.2013 bei dem LRA Neufestsetzung seines GdB. In diesem Rahmen leitete das LRA am 05.04.2013 ein Überprüfungsverfahren ein. Es wurden dort weitere ärztliche Unterlagen beigezogen, die als neue Diagnosen eine erektile Dysfunktion bei Z.n. Harnwegsinfekt und Prostata-Adenom sowie den V.a. (Verdacht auf) einen Diabetes mellitus ergaben. Mit getrennten Bescheiden vom 13. und vom 14.05.2013 teilte das LRA mit, dass eine Herabsetzung des GdB nicht beabsichtigt sei, und lehnte den Höherstufungsantrag des Klägers ab. Beide Bescheide enthalten eine Widerspruchsbelehrung.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger ergänzend auf Beschwerden an allen drei Abschnitten der Wirbelsäule, einen leichten Muskelhartspann an der HWS (Halswirbelsäule) und eine Beweglichkeit an der BWS (Brustwirbelsäule) von 30-31,5 cm nach dem Ott’schen Zeichen hingewiesen. An der LWS (Lendenwirbelsäule) bestehe ebenfalls ein leichter Muskelhartspann, das Schober’sche Zeichen betrage 10/15,5 cm. Auch beständen eine beidseitige Hüftarthrose und eine beidseitige "Innenmeniskusproblematik". Ein GdB von 30 auf psychiatrischem Fachgebiet reiche nicht aus, entsprechend den Ausführungen Dr. L.s müssten die Schmerzen nach Leistenhernien-Rezidiv gesondert bewertet werden. Die Schmerzen seien erheblich. Er nehme Novaminsulfon-Tropfen ein.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 16. April 2010 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2010 zu verurteilen, bei ihm ab dem 23. März 2010 einen Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen. Der Bescheid vom 13.05.2013 beschwere den Kläger nicht.
Der Kläger hat eine Kopie des fachorthopädischen Zusatzgutachtens von Dr. N. vom 03.05.2012 vorgelegt, das in einem Verwaltungsverfahren betreffend eine Rente wegen Erwerbsminderung erhoben worden war. Danach beständen ein HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei nachgewiesenen leichten degenerativen Veränderungen mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung, eine chronische Schmerzhaftigkeit der rechten Leiste, eine beginnende Coxarthrose bds. ohne wesentliche Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung sowie eine belastungsabhängige Innenmeniskussymptomatik beider Knie ohne wesentliche Funktions- oder Belastbarkeitseinschränkung; für leichte körperliche Arbeiten, günstigerweise in wechselnder Körperhaltung, bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen.
Auf Grund des gerichtlichen Hinweises und Vergleichsvorschlags vom 23.09.2013, auf den Bezug genommen wird, hat der Beklagte unter dem 10.10.2013 im Vergleichswege die Zuerkennung eines GdB von 40 ab Antragstellung angeboten und hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.10.2013 vorgelegt (Depression und funktionelle Organbeschwerden, Einzel-GdB 30; chronisches Schmerzsyndrom, 20; Bluthochdruck, Prostatavergrößerung und erektile Dysfunktion, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, je 10). Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen. Er hat auf seine Hautkrebserkrankung hingewiesen. Ferner hat er ausgeführt, dass ihm ein GdB von nur 40 für das Erreichen seiner Frührente nichts nütze.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger unter dem 14.11.2013 mitgeteilt, zur Behandlung seines (inzwischen gesicherten) Diabetes mellitus nehme er keine hypoglykämie-fördernden Medikamente ein.
Abschließend hat der Senat den Dermatologen Dr. C. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 20.12.2013 mitgeteilt, der Kläger leide im Wesentlichen an aktinischen Präkanzerosen beidseitig und rezidivierenden Basaliomen an der linken Schulter und auf behaarter Kopfhaut, beide UV-induziert sowie einer Leukoplakie bei Cheilitis actinica solare (eine durch UV-Strahlen verursachte Lichtschädigung der Lippen), ferner eigenanamnestisch an einer Penicillin-Allergie. Es sei bislang nicht zu einem invasivem Plattenepithelkarzinom und zu keinem Melanom gekommen.
Beide Beteiligte haben sich zuletzt jeweils unter dem 30.01.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG). 2. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des LRA Waldshut vom 13. und vom 14. Mai 2013. Sie sind nicht nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung in das laufende Berufungsverfahren eingegangen, sondern hätten ggfs. entsprechend ihren Rechtsbehelfsbelehrungen mit Widerspruch angefochten werden können. Ein Bescheid, der während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens über die Neufestsetzung des GdB einen weiteren Neufestsetzungsantrag ebenfalls ablehnt, ändert oder ersetzt den bereits angefochtenen Verwaltungsakt nicht. Ein solcher Bescheid ist entbehrlich, weil in einem laufenden gerichtlichen Verfahren über eine Neufestsetzung das Tatsachengericht grundsätzlich alle bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eintretenden entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen zu berücksichtigen hat. Daran ändert ein zwischenzeitlich ergangener Verwaltungsakt nichts, der einen Neufeststellungsantrag ablehnt. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Kläger sein Klagebegehren daraufhin zeitlich begrenzt. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall (vgl. zu allem Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 17.04.2013, B 9 SB 6/12 R, Juris Rn. 27 f.) 3. In diesem Rahmen ist die Berufung teilweise begründet. Der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) muss teilweise stattgegeben werden. Der Kläger kann von dem Beklagten – dessen Vergleichsvorschlag folgend – die Zuerkennung eines GdB von 40 verlangen. Soweit er die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch begehrt, hat seine Klage dagegen keinen Erfolg.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Ansprüche auf Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Gleiche gilt für die konkreten, z.T. medizinischen Voraussetzungen an die Einzel-GdB für bestimmte Behinderungen und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.V.m. § 30 Abs. 16 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassen worden ist. Die VG gelten seit dem 01.01.2009 und damit für den gesamten hier streitigen Zeitraum.
b) Nach diesen Grundsätzen kann bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 40 angenommen werden. Dem liegen folgende Behinderungen und Einzel-GdB zu Grunde:
An der Wirbelsäule des Klägers bestehen keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen und Beweglichkeitseinschränkungen vor. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf das rentenversicherungsrechtliche Gutachten von Dr. N. vom 03.05.2012, das der Kläger im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat. Dieses verwertet der Senat nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) als öffentliche Urkunde. Eine Verwertung als Sachverständigengutachten nach § 411a ZPO scheidet aus, da die Beweisfragen an Dr. N. andere waren als sie hier in dem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren relevant sind. Hiernach gilt: An der LWS des Klägers bestehen überhaupt keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Dr. N. hat hier – nur – einen leichten Druckschmerz paravertebral angegeben und einen leichten Muskelhartspann gefunden. Die von ihm beschriebenen Schmerzen in der Leistenregion sind eher der damaligen Hernie und den Operationen daran zuzuschreiben. Die Beweglichkeit der LWS war nicht eingeschränkt: Der Finger-Boden-Abstand (FBA) war mit 7 cm noch altersgerecht, die Entfaltbarkeit mit einem Schober’schen Zeichen von 10:15,5 cm sogar noch etwas besser als üblich (10:15 cm). Ein wenig stärker sind die Beeinträchtigungen an der BWS. Hier spricht der Kläger von deutlichem Schmerz mit Ausstrahlung in die rechte Schulter und den rechten Arm, was für Nervenwurzelreizungen sprechen kann. Die Entfaltbarkeit war mit einem Ott’schen Zeichen von 30:31,5 cm eingeschränkt, wobei offen bleiben kann, ob der Normwert 30:32 oder – wie der Kläger vorgetragen hat – 30:34 cm beträgt. Die HWS wies wiederum einen Druckschmerz und einen Muskelhartspann auf, aber die Beweglichkeit war nicht eingeschränkt. Insgesamt können nennenswerte Beeinträchtigungen nur an einem WS-Abschnitt, nämlich der BWS, angenommen werden. Diese müssten nach Nr. 18.9 VG mittelgradig sein, um einen GdB von 20 zu bedingen. Dafür wären z. B. häufige oder über Tage andauernde Syndrome nötig. Dr. N. hat allerdings Bandscheibenvorfälle und eine Spinalkanalstenose ausgeschlossen. Insofern kommt ein GdB von 20 hier isoliert nicht in Betracht, jedenfalls unter der Bedingung, dass die Schmerzempfindungen des Klägers, die ja zum Teil auch die Wirbelsäule betreffen, dann in ein gesondert zu bewertendes chronisches Schmerzsyndrom einfließen.
Das Gleiche gilt im Ergebnis für die Beeinträchtigungen auf Grund der Leistenhernie 2004 und der beiden Operationen dort 2004 und 2011. Verifizierbare körperliche (somatische) Folgen mit mindestens (jeweils) sechsmonatigem Dauercharakter sind nicht verblieben. Dies hat Dr. K. in seiner Zeugenaussage von 07.03.2012 bestätigt und insoweit ausdrücklich einen GdB von 0 angenommen. Dies deckt sich mit den Vorgaben aus Teil B Nr. 11.1 VG, wonach ein Leisten- oder Schenkelbruch je nach Größe und Reponierbarkeit ein- oder beidseitig einen GdB von 0 bis 10 bedingt und ein höherer Wert von 20 nur bei erheblicher Einschränkung der Belastungsfähigkeit in Frage kommt, die aber bei dem Kläger nicht vorliegt. Dr. K. hat aber auch darauf hingewiesen, dass die vom Kläger auch in diesem Bereich (vor allem an der Narbe) geklagten erheblichen Schmerzen, für die er auf viszeralchirurgischem Gebiet keine Ursache finden konnte, neurologisch beurteilt werden müssten. Diese neurologische Seite hatte Dr. L. in seinem erstinstanzlichen Gutachten vom 11.11.2011 nicht ausdrücklich behandelt. Aber auch er hatte auf die Schmerzen in diesen Bereichen hingewiesen und sie nicht in Abrede gestellt, sondern – nur – eine psychische Überhöhung im Sinne einer Somatisierung angenommen. In der Vergangenheit war insoweit auch eine neurologische Diagnose gestellt worden, nämlich eine Schädigung des Nervus genitofemoralis rechts im Sinne einer Nervenläsion. Hierzu hatte sich z. B. Dr. D. in seinem Arztbrief vom 01.04.2010 geäußert. Auch hier liegen also Schmerzen vor – der Kläger stellt diese Schmerzen im Leistenbereich sogar in den Vordergrund, weil er die beruflich mitbedingte Leistenhernie bzw. die nachfolgenden Operationen als Ursachen ansieht –, die in das gesondert festzustellende chronische Schmerzsyndrom organischer Ursachen einfließen. Um diese organischen Schmerzen zu würdigen, hatte Dr. L. auch einen eigenständigen GdB von 10 bis 20 vorgeschlagen.
Dieses Schmerzsyndrom hat Dr. Wolf in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.10.2013 mit einem GdB von 20 bewertet. Eine solche gesonderte Bewertung des Schmerzsyndroms erscheint vertretbar. An sich schließen nach Teil A Nr. 2 lit. j Satz 2 VG die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Ist aber nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (Teil A Nr. 2 lit. j Satz 3 VG). Was die Höhe der Bewertung angeht, machen die VG für die Bewertung eines chronischen Schmerzsyndroms keine konkreten Vorgaben. Herangezogen werden kann z. B. Teil B Nr. 18.4 VG, wonach z. B. eine Fibromyalgie "entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog" zu beurteilen ist. Hierbei werden oft die Werte für Neurosen und ähnliche psychische Behinderungen nach Teil B Nr. 3.7 VG herangezogen, auch wenn die VG nicht mehr zwingend davon ausgehen, dass derartige Schmerzerkrankungen psychisch bedingt sind (der früher in Teil B Nr. 18.4 VG enthaltene Hinweis auf eine "Soma¬ti¬sie¬rung" wurde inzwischen gestrichen). Führt man sich vor Augen, dass nach dieser Regelung eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40 bedingt, ist sogar ein GdB von 30 für das chronische Schmerzsyndrom denkbar. Hierbei berücksichtigt der Senat auch, dass die behandelnden Ärzte ein Stadium II nach Gerbershagen annehmen und der Kläger als Schmerzmittel inzwischen Novominsulfon nimmt, eines der stärkeren nichtopioiden Analgetika.
Die Annahme eines chronischen Schmerzsyndroms mit einem GdB von bis zu 30 hat dann aber Auswirkungen auf die Bewertung der psychischen Erkrankung des Klägers. Insoweit bestehen rezidivierende depressive Episoden. Dies hatte Dr. L. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, entsprechende Diagnosen hatten auch die behandelnden Ärzte gestellt. Offensichtlich kommt es wiederholt zu bis zu mittelgradigen Episoden. Dr. L. hatte insoweit einen GdB von 30 nach Teil A Nr. 3.7 VG vorgeschlagen. Aber maßgeblich für diese Bewertung waren die Schmerzen. Die psychische und auch die soziale Dimension des psychiatrischen Leidens sind bei dem Kläger nicht überaus ausgeprägt. Auf psychischer Ebene hatte Dr. L. von einer Verminderung des Konzentrationsvermögens und einer Einschränkung des affektiven Schwingungsvermögens berichtet. Denkstörungen hat er nicht festgestellt, nur eine Einengung auf das Schmerzerleben. Auf sozialem Gebiet hatte der Kläger bei Dr. L. von einer neuen Beziehung zu einer Freundin und von fortbestehenden sportlichen Aktivitäten berichtet. Der Kläger hat einen geregelten Tagesablauf, er steht früh auf, erledigt den Haushalt und kocht selbst. An jedem Wochenende trifft er seine Freundin. In einer Zusammenschau können diese Auswirkungen – also ohne Berücksichtigung des überhöhten Schmerzempfindens – nicht mehr als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angesehen werden. Auf rein psychischem Gebiet verbliebe demnach ein GdB von 20 für eine leichtere psychische oder psychovegetative Störung im Sinne von Teil B Nr. 3.7 VG.
Zusammengefasst können die depressive Erkrankung und das Schmerzsyndrom mit einem GdB von 40 bewertet werden. Dies entspricht den Vorgaben aus Teil A Nr. 3 lit. d VG zur Bildung des Gesamt-GdB. In dieser Gesamtbewertung decken sich alle Vorschläge: Dr. L. hatte ebenfalls unter Berücksichtigung des gesamten Schmerzkomplexes einen GdB von 40 vorgeschlagen, Dr. Wolf hatte diesen Wert durch Zusammenziehung von Einzel-GdB von 30 für die psychische Erkrankung und von 20 für das Schmerzsyndrom gewonnen. Der Senat hält es, wie ausgeführt, auch für möglich, das Schmerzsyndrom mit einem GdB von 30 zu bewerten und dann aber die psychische Erkrankung im Übrigen mit einem solchen von 20.
Eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB scheidet aus, da keine weiteren Einzel-GdB von mehr als 10 vorliegen, die aber insoweit nötig wären (Teil A Nr. 3 lit. d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG): Dies gilt vor allem auf internistischem Gebiet; hier ist im Einklang mit dem Vorschlag des Sach¬verständigen Dr. G. vom 11.04.2011 ein GdB von 10 anzunehmen. Eine dauerhafte Erhöhung des diastolischen Werts beim Bluthochdruck des Klägers über 100mgHg, wie sie Teil B Nr. 9.3 VG für einen GdB von 20 voraussetzt, liegt nicht vor. Dr. G. hatte 140/88 mgHg gemessen, die behandelnden Ärzte beschreiben den Bluthochdruck als gut eingestellt. Der Diabetes mellitus des Klägers wird nicht mit hypoglykämie-fördernden Medikamenten behandelt, so dass nach Teil B Nr. 15.1 VG kein GdB in Betracht kommt. Das Gleiche gilt für die Hauterkrankung des Klägers, wie sie Dr. C. in seiner Zeugenaussage vom 20.12.2013 beschrieben hat. Er hat verneint, dass bei dem Kläger eine der Diagnosen aus Teil B Nrn. 17.3 bis 17.9 VG vorlägen. Der Kläger leidet im Wesentlichen an lichtbedingten Basalzellkarzinomen. Solche Basaliome sind aber nach Teil B Nr. 17.13 VG ausdrücklich aus der Bewertung des Hautkrebses ausgenommen, da sie "gutartig" sind. Nur maligne Hauttumoren können hiernach einen GdB bedingen, der je nach Stadium bei der Entfernung während der Heilungsbewährung festgestellt wird.
c) Dieser Gesamt-GdB von 40 kann ab Antragstellung am 23.03.2010 angenommen werden. Eine spätere wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes während des Verfahrens ist nicht zu verzeichnen.
4. Die Entscheidung über die Kosten beider Instanzen beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte erstattet ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der Kläger ist am 10.08.1953 geboren, deutscher Staatsangehöriger und wohnt im Inland. Erstmals am 23.03.2010 beantragte er bei dem Landratsamt (LRA) Waldshut-Tiengen als Versorgungsamt die Feststellung eines GdB. Die von ihm vorgelegten und vom LRA eingeholten Arztberichte wurden ausgewertet, darunter der Entlassungsbericht des Reha-Klinikums Bad A., Dr. B., über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10.02. bis zum 03.03.2010 (rez. Lumboischialgien links, Leistenschmerz unklarer Genese bei Z.n. Leistenbruch, depressive Verstimmungszustände, Hypertonie, Übergewicht; vollschichtig erwerbsfähig, arbeitsfähig). Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.04.2012 bestehen danach eine Depression und somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 30), Bluthochdruck (10) sowie Krampfadern (operiert) und eine Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (jeweils kein GdB). Gestützt hier-auf stellte das LRA mit Bescheid vom 16.04.2010 einen GdB von 30 fest.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, seine Schmerzen seien chronisch geworden und beeinträchtigten stark seine Bewegungsfähigkeit. Er sehe keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr. Er legte ärztliche Unterlagen vor, darunter ein Gutachten nach Aktenlage der Bundesagentur für Arbeit vom 26.01.2010 (vollschichtig leistungsfähig bei einigen qualitativen Einschränkungen, v. a. wegen psychoemotionaler Minderbelastbarkeit), den Arztbrief des Dermatologen Dr. C. vom 26.03.2010 (Basaliom links, allseits im Gesunden exzidiert) und den Arztbrief des Chirurgen Dr. D. vom Krankenhaus Bad A. vom 01.04.2010 (betreffend vom Kläger geschilderter plötzlicher Schmerzen nach Leistenhernie-Operation vor sechs Jahren; eine Sensibilitätsstörung habe allerdings nicht nachvollzogen werden können, weitere neurologische bzw. schmerztherapeutische Abklärung nötig). Gestützt auf die versorgungsärztliche Auswertung dieser Unterlagen vom 15.05.2010 erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010.
Am 13.08.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Er habe erhebliche Schmerzen.
Das SG hat behandelnde Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Schreiben des Allgemeinmediziners Dr. E. vom 07.12.2010 (als schwer einzuordnende Depression mit GdB 30, schwere arterielle Hypertonie mit beginnender hypertensiver Herzkrankheit mit GdB 20, leichte Reizung des Nervus genitofemoralis re), des Anästhesiologen Bert vom 08.12.2010 (chronifiziertes Schmerzsyndrom im Grad II nach Gerbershagen, Muskelkettenproblematik lumbosacral, Blockie-rungsketten, somatisierte/reaktive Depression, undifferenzierte Somatisierungsstörung, GdB insgesamt 30) und des Psychiaters F. vom 21.12.2010 (depressive Erkrankung, wohl So¬ma¬ti-sierungsstörung, beides mittelschwer, die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes trifft zu) Bezug genommen.
Sodann hat das SG den Internisten und Kardiologen Dr. G. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.04.2011 bekundet, auf seinem Fachgebiet beständen ein Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung und eine Adipositas. Fachübergreifend beständen eine depressive Störung und eine somatoforme Schmerzstörung. Für den – aktuell gut eingestellten – Bluthochdruck sei ein GdB von 10 anzusetzen, für die somatoforme Schmerzstörung ein GdB von 30. Adipositas und Fettstoffwechselstörung bedingten keine GdB. Der Gesamt-GdB betrage 30.
Diesem Gutachten ist der Kläger entgegengetreten. Er hat weitere Arztunterlagen vorgelegt, darunter den Entlassungsbericht der Schlossklinik Bad H., Dr. I., über einen stationären Aufenthalt vom 02.03. bis 30.03.2011 (emotionale Fehlregulation bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung, arterielle Hypertonie; sämtliche Gelenke und Wirbelsäule frei beweglich, Sensibilitätsstörungen am rechten Leistenbereich und im rechten Oberschenkel, die Schmerzempfindungen beruhten auf einer maladaptiven Verarbeitung organischer Beschwerden auf Grund verschiedener beruflicher Kränkungen, darunter der Entlassung nach 30-jähriger Betriebszugehörigkeit 2009), den Operationsbericht des Universitätsklinikums Freiburg, Dr. J., vom 22.07.2011 über eine Revisions-OP am 21.07.2011, nämlich einen Bruchlückenverschluss als total extraperitoneale Hernioplastik, im Bereich des 2004 eingebrachten Leistenhernienver-schlusses mit Netzimplantation, sowie den Bericht des Universitätsklinikums Freiburg, Dr. K., vom 04.08.2011 (der Kläger berichte von fortbestehendem Brennen und einigen verbliebenen Schmerzen nach der OP).
Sodann hat das SG den Kläger bei dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. L. begutachten lassen. Dieser hat ausgeführt, der Kläger leide unter einer depressiven Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung mit einer Konzentration auf körperliche Beschwerden. Der GdB sei insoweit auf 30 zu schätzen. Für den – fachfremd, nämlich chirurgisch zu beurteilenden – Z.n. Leistenhernie-OP werde geschätzt, dass ein GdB von 10 oder 20 adäquat sei, sodass ein Gesamt-GdB von 40 angenommen werden könne. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen dieses Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten vom 11.11.2011 verwiesen.
Abschließend hat das SG schriftlich weitere behandelnde Ärzte vernommen. Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. M. hat unter dem 02.03.2012 unter Vorlage verschiedener Arztbriefe (neuropathisches Schmerzsyndrom, somatoforme Schmerzstörung, depressive Episode) ausgeführt, auf neurologischem Gebiet ergebe sich auf Grund der unauffälligen Befunde kein GdB. K. hat in seinem Schreiben vom 07.03.2012 ausgeführt, auf viszeralchirurgischem Gebiet bestehe ein behandeltes (Z.n.) Leistenhernien-Rezidiv, das eine MdE (gemeint: GdB) von 0 bedinge. Die Schmerzsymptomatik müsse neurologisch beurteilt werden, soweit fachfremd beurteil¬bar, treffe insoweit die Annahme eines GdB von 30 durch den versorgungsärztlichen Dienst zu.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 04.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuerkennung eines GdB von mehr als 30. Bei ihm beständen eine mittelschwere depressive Störung und ein mittelschweres somatoformes Schmerzsyndrom. Dies folge aus dem Gutachten von Dr. L. und den Zeugenaussagen der Ärzte F. und Prof. Dr. M ... Nach den näheren Angaben insbesondere des Sachverständigen liege eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die einen GdB von 30 bedinge. Die Hypertonie bedinge nach dem Gutachten von Dr. G. einen GdB von allenfalls 10. Weitere Gesundheitsstörungen lägen nicht vor. Auf viszeralchirurgischem Gebiet bestehe das behandelte Leistenhernien-Rezidiv, das nach der Aussage von Dr. K. jedoch keinen GdB von wenigstens 10 bedinge.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.03.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Parallel hierzu beantragte der Kläger am 04.04.2013 bei dem LRA Neufestsetzung seines GdB. In diesem Rahmen leitete das LRA am 05.04.2013 ein Überprüfungsverfahren ein. Es wurden dort weitere ärztliche Unterlagen beigezogen, die als neue Diagnosen eine erektile Dysfunktion bei Z.n. Harnwegsinfekt und Prostata-Adenom sowie den V.a. (Verdacht auf) einen Diabetes mellitus ergaben. Mit getrennten Bescheiden vom 13. und vom 14.05.2013 teilte das LRA mit, dass eine Herabsetzung des GdB nicht beabsichtigt sei, und lehnte den Höherstufungsantrag des Klägers ab. Beide Bescheide enthalten eine Widerspruchsbelehrung.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger ergänzend auf Beschwerden an allen drei Abschnitten der Wirbelsäule, einen leichten Muskelhartspann an der HWS (Halswirbelsäule) und eine Beweglichkeit an der BWS (Brustwirbelsäule) von 30-31,5 cm nach dem Ott’schen Zeichen hingewiesen. An der LWS (Lendenwirbelsäule) bestehe ebenfalls ein leichter Muskelhartspann, das Schober’sche Zeichen betrage 10/15,5 cm. Auch beständen eine beidseitige Hüftarthrose und eine beidseitige "Innenmeniskusproblematik". Ein GdB von 30 auf psychiatrischem Fachgebiet reiche nicht aus, entsprechend den Ausführungen Dr. L.s müssten die Schmerzen nach Leistenhernien-Rezidiv gesondert bewertet werden. Die Schmerzen seien erheblich. Er nehme Novaminsulfon-Tropfen ein.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 16. April 2010 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2010 zu verurteilen, bei ihm ab dem 23. März 2010 einen Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen. Der Bescheid vom 13.05.2013 beschwere den Kläger nicht.
Der Kläger hat eine Kopie des fachorthopädischen Zusatzgutachtens von Dr. N. vom 03.05.2012 vorgelegt, das in einem Verwaltungsverfahren betreffend eine Rente wegen Erwerbsminderung erhoben worden war. Danach beständen ein HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei nachgewiesenen leichten degenerativen Veränderungen mit leichter Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung, eine chronische Schmerzhaftigkeit der rechten Leiste, eine beginnende Coxarthrose bds. ohne wesentliche Funktions- und Belastbarkeitseinschränkung sowie eine belastungsabhängige Innenmeniskussymptomatik beider Knie ohne wesentliche Funktions- oder Belastbarkeitseinschränkung; für leichte körperliche Arbeiten, günstigerweise in wechselnder Körperhaltung, bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen.
Auf Grund des gerichtlichen Hinweises und Vergleichsvorschlags vom 23.09.2013, auf den Bezug genommen wird, hat der Beklagte unter dem 10.10.2013 im Vergleichswege die Zuerkennung eines GdB von 40 ab Antragstellung angeboten und hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.10.2013 vorgelegt (Depression und funktionelle Organbeschwerden, Einzel-GdB 30; chronisches Schmerzsyndrom, 20; Bluthochdruck, Prostatavergrößerung und erektile Dysfunktion, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, je 10). Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen. Er hat auf seine Hautkrebserkrankung hingewiesen. Ferner hat er ausgeführt, dass ihm ein GdB von nur 40 für das Erreichen seiner Frührente nichts nütze.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger unter dem 14.11.2013 mitgeteilt, zur Behandlung seines (inzwischen gesicherten) Diabetes mellitus nehme er keine hypoglykämie-fördernden Medikamente ein.
Abschließend hat der Senat den Dermatologen Dr. C. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 20.12.2013 mitgeteilt, der Kläger leide im Wesentlichen an aktinischen Präkanzerosen beidseitig und rezidivierenden Basaliomen an der linken Schulter und auf behaarter Kopfhaut, beide UV-induziert sowie einer Leukoplakie bei Cheilitis actinica solare (eine durch UV-Strahlen verursachte Lichtschädigung der Lippen), ferner eigenanamnestisch an einer Penicillin-Allergie. Es sei bislang nicht zu einem invasivem Plattenepithelkarzinom und zu keinem Melanom gekommen.
Beide Beteiligte haben sich zuletzt jeweils unter dem 30.01.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG). 2. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des LRA Waldshut vom 13. und vom 14. Mai 2013. Sie sind nicht nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung in das laufende Berufungsverfahren eingegangen, sondern hätten ggfs. entsprechend ihren Rechtsbehelfsbelehrungen mit Widerspruch angefochten werden können. Ein Bescheid, der während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens über die Neufestsetzung des GdB einen weiteren Neufestsetzungsantrag ebenfalls ablehnt, ändert oder ersetzt den bereits angefochtenen Verwaltungsakt nicht. Ein solcher Bescheid ist entbehrlich, weil in einem laufenden gerichtlichen Verfahren über eine Neufestsetzung das Tatsachengericht grundsätzlich alle bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eintretenden entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen zu berücksichtigen hat. Daran ändert ein zwischenzeitlich ergangener Verwaltungsakt nichts, der einen Neufeststellungsantrag ablehnt. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Kläger sein Klagebegehren daraufhin zeitlich begrenzt. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall (vgl. zu allem Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 17.04.2013, B 9 SB 6/12 R, Juris Rn. 27 f.) 3. In diesem Rahmen ist die Berufung teilweise begründet. Der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) muss teilweise stattgegeben werden. Der Kläger kann von dem Beklagten – dessen Vergleichsvorschlag folgend – die Zuerkennung eines GdB von 40 verlangen. Soweit er die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch begehrt, hat seine Klage dagegen keinen Erfolg.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Ansprüche auf Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Gleiche gilt für die konkreten, z.T. medizinischen Voraussetzungen an die Einzel-GdB für bestimmte Behinderungen und an die Bildung des Gesamt-GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.V.m. § 30 Abs. 16 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassen worden ist. Die VG gelten seit dem 01.01.2009 und damit für den gesamten hier streitigen Zeitraum.
b) Nach diesen Grundsätzen kann bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 40 angenommen werden. Dem liegen folgende Behinderungen und Einzel-GdB zu Grunde:
An der Wirbelsäule des Klägers bestehen keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen und Beweglichkeitseinschränkungen vor. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat im Wesentlichen auf das rentenversicherungsrechtliche Gutachten von Dr. N. vom 03.05.2012, das der Kläger im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat. Dieses verwertet der Senat nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) als öffentliche Urkunde. Eine Verwertung als Sachverständigengutachten nach § 411a ZPO scheidet aus, da die Beweisfragen an Dr. N. andere waren als sie hier in dem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren relevant sind. Hiernach gilt: An der LWS des Klägers bestehen überhaupt keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Dr. N. hat hier – nur – einen leichten Druckschmerz paravertebral angegeben und einen leichten Muskelhartspann gefunden. Die von ihm beschriebenen Schmerzen in der Leistenregion sind eher der damaligen Hernie und den Operationen daran zuzuschreiben. Die Beweglichkeit der LWS war nicht eingeschränkt: Der Finger-Boden-Abstand (FBA) war mit 7 cm noch altersgerecht, die Entfaltbarkeit mit einem Schober’schen Zeichen von 10:15,5 cm sogar noch etwas besser als üblich (10:15 cm). Ein wenig stärker sind die Beeinträchtigungen an der BWS. Hier spricht der Kläger von deutlichem Schmerz mit Ausstrahlung in die rechte Schulter und den rechten Arm, was für Nervenwurzelreizungen sprechen kann. Die Entfaltbarkeit war mit einem Ott’schen Zeichen von 30:31,5 cm eingeschränkt, wobei offen bleiben kann, ob der Normwert 30:32 oder – wie der Kläger vorgetragen hat – 30:34 cm beträgt. Die HWS wies wiederum einen Druckschmerz und einen Muskelhartspann auf, aber die Beweglichkeit war nicht eingeschränkt. Insgesamt können nennenswerte Beeinträchtigungen nur an einem WS-Abschnitt, nämlich der BWS, angenommen werden. Diese müssten nach Nr. 18.9 VG mittelgradig sein, um einen GdB von 20 zu bedingen. Dafür wären z. B. häufige oder über Tage andauernde Syndrome nötig. Dr. N. hat allerdings Bandscheibenvorfälle und eine Spinalkanalstenose ausgeschlossen. Insofern kommt ein GdB von 20 hier isoliert nicht in Betracht, jedenfalls unter der Bedingung, dass die Schmerzempfindungen des Klägers, die ja zum Teil auch die Wirbelsäule betreffen, dann in ein gesondert zu bewertendes chronisches Schmerzsyndrom einfließen.
Das Gleiche gilt im Ergebnis für die Beeinträchtigungen auf Grund der Leistenhernie 2004 und der beiden Operationen dort 2004 und 2011. Verifizierbare körperliche (somatische) Folgen mit mindestens (jeweils) sechsmonatigem Dauercharakter sind nicht verblieben. Dies hat Dr. K. in seiner Zeugenaussage von 07.03.2012 bestätigt und insoweit ausdrücklich einen GdB von 0 angenommen. Dies deckt sich mit den Vorgaben aus Teil B Nr. 11.1 VG, wonach ein Leisten- oder Schenkelbruch je nach Größe und Reponierbarkeit ein- oder beidseitig einen GdB von 0 bis 10 bedingt und ein höherer Wert von 20 nur bei erheblicher Einschränkung der Belastungsfähigkeit in Frage kommt, die aber bei dem Kläger nicht vorliegt. Dr. K. hat aber auch darauf hingewiesen, dass die vom Kläger auch in diesem Bereich (vor allem an der Narbe) geklagten erheblichen Schmerzen, für die er auf viszeralchirurgischem Gebiet keine Ursache finden konnte, neurologisch beurteilt werden müssten. Diese neurologische Seite hatte Dr. L. in seinem erstinstanzlichen Gutachten vom 11.11.2011 nicht ausdrücklich behandelt. Aber auch er hatte auf die Schmerzen in diesen Bereichen hingewiesen und sie nicht in Abrede gestellt, sondern – nur – eine psychische Überhöhung im Sinne einer Somatisierung angenommen. In der Vergangenheit war insoweit auch eine neurologische Diagnose gestellt worden, nämlich eine Schädigung des Nervus genitofemoralis rechts im Sinne einer Nervenläsion. Hierzu hatte sich z. B. Dr. D. in seinem Arztbrief vom 01.04.2010 geäußert. Auch hier liegen also Schmerzen vor – der Kläger stellt diese Schmerzen im Leistenbereich sogar in den Vordergrund, weil er die beruflich mitbedingte Leistenhernie bzw. die nachfolgenden Operationen als Ursachen ansieht –, die in das gesondert festzustellende chronische Schmerzsyndrom organischer Ursachen einfließen. Um diese organischen Schmerzen zu würdigen, hatte Dr. L. auch einen eigenständigen GdB von 10 bis 20 vorgeschlagen.
Dieses Schmerzsyndrom hat Dr. Wolf in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.10.2013 mit einem GdB von 20 bewertet. Eine solche gesonderte Bewertung des Schmerzsyndroms erscheint vertretbar. An sich schließen nach Teil A Nr. 2 lit. j Satz 2 VG die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Ist aber nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (Teil A Nr. 2 lit. j Satz 3 VG). Was die Höhe der Bewertung angeht, machen die VG für die Bewertung eines chronischen Schmerzsyndroms keine konkreten Vorgaben. Herangezogen werden kann z. B. Teil B Nr. 18.4 VG, wonach z. B. eine Fibromyalgie "entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog" zu beurteilen ist. Hierbei werden oft die Werte für Neurosen und ähnliche psychische Behinderungen nach Teil B Nr. 3.7 VG herangezogen, auch wenn die VG nicht mehr zwingend davon ausgehen, dass derartige Schmerzerkrankungen psychisch bedingt sind (der früher in Teil B Nr. 18.4 VG enthaltene Hinweis auf eine "Soma¬ti¬sie¬rung" wurde inzwischen gestrichen). Führt man sich vor Augen, dass nach dieser Regelung eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 bis 40 bedingt, ist sogar ein GdB von 30 für das chronische Schmerzsyndrom denkbar. Hierbei berücksichtigt der Senat auch, dass die behandelnden Ärzte ein Stadium II nach Gerbershagen annehmen und der Kläger als Schmerzmittel inzwischen Novominsulfon nimmt, eines der stärkeren nichtopioiden Analgetika.
Die Annahme eines chronischen Schmerzsyndroms mit einem GdB von bis zu 30 hat dann aber Auswirkungen auf die Bewertung der psychischen Erkrankung des Klägers. Insoweit bestehen rezidivierende depressive Episoden. Dies hatte Dr. L. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, entsprechende Diagnosen hatten auch die behandelnden Ärzte gestellt. Offensichtlich kommt es wiederholt zu bis zu mittelgradigen Episoden. Dr. L. hatte insoweit einen GdB von 30 nach Teil A Nr. 3.7 VG vorgeschlagen. Aber maßgeblich für diese Bewertung waren die Schmerzen. Die psychische und auch die soziale Dimension des psychiatrischen Leidens sind bei dem Kläger nicht überaus ausgeprägt. Auf psychischer Ebene hatte Dr. L. von einer Verminderung des Konzentrationsvermögens und einer Einschränkung des affektiven Schwingungsvermögens berichtet. Denkstörungen hat er nicht festgestellt, nur eine Einengung auf das Schmerzerleben. Auf sozialem Gebiet hatte der Kläger bei Dr. L. von einer neuen Beziehung zu einer Freundin und von fortbestehenden sportlichen Aktivitäten berichtet. Der Kläger hat einen geregelten Tagesablauf, er steht früh auf, erledigt den Haushalt und kocht selbst. An jedem Wochenende trifft er seine Freundin. In einer Zusammenschau können diese Auswirkungen – also ohne Berücksichtigung des überhöhten Schmerzempfindens – nicht mehr als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angesehen werden. Auf rein psychischem Gebiet verbliebe demnach ein GdB von 20 für eine leichtere psychische oder psychovegetative Störung im Sinne von Teil B Nr. 3.7 VG.
Zusammengefasst können die depressive Erkrankung und das Schmerzsyndrom mit einem GdB von 40 bewertet werden. Dies entspricht den Vorgaben aus Teil A Nr. 3 lit. d VG zur Bildung des Gesamt-GdB. In dieser Gesamtbewertung decken sich alle Vorschläge: Dr. L. hatte ebenfalls unter Berücksichtigung des gesamten Schmerzkomplexes einen GdB von 40 vorgeschlagen, Dr. Wolf hatte diesen Wert durch Zusammenziehung von Einzel-GdB von 30 für die psychische Erkrankung und von 20 für das Schmerzsyndrom gewonnen. Der Senat hält es, wie ausgeführt, auch für möglich, das Schmerzsyndrom mit einem GdB von 30 zu bewerten und dann aber die psychische Erkrankung im Übrigen mit einem solchen von 20.
Eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB scheidet aus, da keine weiteren Einzel-GdB von mehr als 10 vorliegen, die aber insoweit nötig wären (Teil A Nr. 3 lit. d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG): Dies gilt vor allem auf internistischem Gebiet; hier ist im Einklang mit dem Vorschlag des Sach¬verständigen Dr. G. vom 11.04.2011 ein GdB von 10 anzunehmen. Eine dauerhafte Erhöhung des diastolischen Werts beim Bluthochdruck des Klägers über 100mgHg, wie sie Teil B Nr. 9.3 VG für einen GdB von 20 voraussetzt, liegt nicht vor. Dr. G. hatte 140/88 mgHg gemessen, die behandelnden Ärzte beschreiben den Bluthochdruck als gut eingestellt. Der Diabetes mellitus des Klägers wird nicht mit hypoglykämie-fördernden Medikamenten behandelt, so dass nach Teil B Nr. 15.1 VG kein GdB in Betracht kommt. Das Gleiche gilt für die Hauterkrankung des Klägers, wie sie Dr. C. in seiner Zeugenaussage vom 20.12.2013 beschrieben hat. Er hat verneint, dass bei dem Kläger eine der Diagnosen aus Teil B Nrn. 17.3 bis 17.9 VG vorlägen. Der Kläger leidet im Wesentlichen an lichtbedingten Basalzellkarzinomen. Solche Basaliome sind aber nach Teil B Nr. 17.13 VG ausdrücklich aus der Bewertung des Hautkrebses ausgenommen, da sie "gutartig" sind. Nur maligne Hauttumoren können hiernach einen GdB bedingen, der je nach Stadium bei der Entfernung während der Heilungsbewährung festgestellt wird.
c) Dieser Gesamt-GdB von 40 kann ab Antragstellung am 23.03.2010 angenommen werden. Eine spätere wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes während des Verfahrens ist nicht zu verzeichnen.
4. Die Entscheidung über die Kosten beider Instanzen beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved