Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 2781/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3865/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Sonderrechtsnachfolger seiner am 04.06.2010 verstorbenen Ehefrau 2.520,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen trägt die Beklagte die Hälfte.
Tatbestand:
Der Kläger macht als Sonderrechtsnachfolger seiner am 15.03.1947 geborenen und am 04.06.2010 verstorbenen Ehefrau (Versicherte) die Erstattung von Kosten geltend, die der Versicherten durch eine vom 18.11. bis 23.12.2009 dauernden Behandlung in der V. N. Klinik entstanden sind.
Die Versicherte, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war, bezog von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund aufgrund eines am 08.04.2008 eingetretenen Leistungsfalls ab 01.08.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid der DRV Bund vom 14.09.2009). Sie erkrankte im April 2008 an einem Mammakarzinom rechts, welches durch eine Entfernung der rechten Brust chirurgisch behandelt wurde. Die Durchführung einer Chemotherapie, einer Antihormontherapie und einer Strahlentherapie hatte die Versicherte abgelehnt. Bei einer computertomografischen Untersuchung des Brustkorbs am 08.05.2009 wurde ein ausgedehntes, 3,3 * 5,3 cm großes, rechtsthorakales Tumorrezidiv bis unter die Achseln reichend festgestellt. Die Versicherte befand sich deshalb vom 08.06. bis zum 16.06.2009 in stationärer Behandlung im M. S ... Dort wurde eine palliative Thoraxwandresektion (Brustwandentfernung) und Axillarevision (Entfernung der Lymphknoten aus der Achselhöhle) rechts durchgeführt. Im Arztbrief der Klinik vom 23.06.2009 wird ausgeführt, aufgrund der palliativen Situation und der unter Spannung stehenden Wunde sei in der interdisziplinären Brustkonferenz eine eher zurückhaltende Indikation bezüglich einer Radiatio (Bestrahlung) der Brustwand gestellt worden. Empfohlen worden sei eine systemische Therapie mit einem Aromatase-Inhibitor sowie bei ossärer Filialisierung (Knochenmetastasen) eine Bisphosphonat-Therapie. Die Versicherte wünsche keine Radiatio, sondern möchte alternative Behandlungsmöglichkeiten fortführen.
Die Versicherte beantragte am 23.09.2009 bei der Beklagten die Gewährung einer Rehabilitation. Sie machte ua geltend, sie beabsichtige sich in der V. N. Klinik in E. stationär behandeln zu lassen. Bei dieser Klinik handele es sich um eine Fachklinik für Krebserkrankungen, in welcher neben schulmedizinischen Behandlungen auch alle Möglichkeiten der alternativen Krebsbehandlung eingesetzt würden. Die Klinik werde zwar von den Krankenkassen, nicht aber von den Rentenversicherungsträgern belegt. Deshalb möchte sie die Beklagte als Kostenträger in Anspruch nehmen. Am 20.10.2009 stellte der behandelnde Vertragsarzt mit dem dafür vorgesehenen Vordruck eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation aus. Inhaltlicher Schwerpunkt der Rehabilitation sollte die Förderung und Stabilisierung der Gesundheit durch physikalische und psycho-onkologische Betreuung sein. Hierfür sei die V. N. Klinik in E. die geeignetste Einrichtung. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. In einer sozialmedizinischen Fallberatung vom 23.10.2009 führte Dr. R. aus, eine Krebsnachsorgekur bei fortgeschrittenem Mammakarzinom sei nicht indiziert. Bei dem derart fortgeschrittenen Krankheitsbild sei die Prognose sehr ungünstig, eine längerfristige Besserung in dieser Konstellation nicht zu erwarten. Heilmittelanwendungen und fachärztliche palliative Therapie am Wohnort seien wahrzunehmen. Mit Bescheid vom 26.10.2009 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Nachsorgekur ab.
Die Versicherte legte gegen diese Entscheidung am 29.10.2009 Widerspruch ein. Außerdem begann sie am 18.11.2009 ihren stationären Aufenthalt in der V. Kur Klinik. Für diese Klinik besteht ein Versorgungsvertrag nach § 111 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Mit Schreiben vom 02.12.2009 wandte sich die Klinik an die Beklagte und bat um eine Kostenübernahme für den stationären Aufenthalt. Der bisherige Reha-Verlauf zeige, dass deutliche Fortschritte hätten erzielt werden können. Es komme ein komplexes Behandlungsprogramm zur Anwendung, das sich aus komplementären und konventionellen Therapiemaßnahmen zusammensetze. Unter anderem kämen zur Anwendung: psycho-onkologische Verfahren, Vitamin Hochdosis Infusionen, physikalische Therapie, Inhalationen, Gabe von Immunmodulatoren, Misteltherapie, Sauerstofftherapie, Bisphosphonate, antihormonelle Therapie. Aufgrund des schweren Krankheitszustandes und des bisherigen Verlaufs werde eine Aufenthalt von 5 Wochen erforderlich. Die Beklagte holte hierzu ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten des MDK vom 14.12.2009 ein. Dr. S. führte darin aus, nachvollzogen werden könne, dass der Allgemeinzustand der Versicherten aufgrund der schweren Grunderkrankung eingeschränkt sei und dass palliative Therapieverfahren zur Linderung der Beschwerdesymptomatik in der Brust und im Arm durchgeführte werden müssten. Nicht nachvollzogen werden könne, weshalb die Notwendigkeit bestehe, diese Therapie im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen. Bei dem weit fortgeschrittenen und weiter fortschreitenden Krankheitsbild sei eine kurzzeitige Besserung des Zustandes durch eine Rehabilitationsmaßnahme zwar zu erwarten, ein Fortschreiten der Erkrankung könne jedoch nicht aufgehalten werden. Es liege somit im Hinblick auf mittel- und langfristige Perspektiven keine positive Rehabilitationsprognose vor.
Nach dem Ende der stationären Behandlung am 23.12.2009 legte die Klägerin gemäß einer Aufforderung der Beklagten folgende Unterlagen vor: den Behandlungsvertrag, die Rechnungen und einen Nachweis darüber vor, dass sie die geforderten Beträge bezahlt hat. Der Versicherten sind für die stationäre Behandlung (ohne Wahlleistungen) Kosten in Höhe von insgesamt 4.680,00 EUR (pro Tag 130 EUR bei 36 Tagen) entstanden, für die als Wahlleistung vereinbarte Einbettzimmerbelegung fielen ab 28.11.2009 Kosten in Höhe von 546,00 EUR an (21 EUR pro Tag für 26 Tage). Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Versicherten als unbegründet zurück.
Am 07.05.2010 hat die Versicherte, vertreten durch eine Rechtsanwältin, Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie macht geltend, bei den Anforderungen, die an eine positive Rehabilitationsprognose zu stellen seien, müsse berücksichtigt werden, dass es bereits genüge, wenn das angewandte Naturheilverfahren die Krebserkrankung lindern könne. Am 04.06.2010 ist die Klägerin verstorben; ihr Ehemann, der mit ihr zum Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsame Haushalt gelebt hat, hat den Rechtsstreit fortgeführt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. E., Chefarzt der V. N. Klinik, hat den Entlassungsbrief seiner Klinik vorgelegt und mit Schreiben vom 07.07.2010 ferner ausgeführt, zur Verhinderung von Knochenmetastasen habe die Gabe von Bisphosphonaten zur Verfügung gestanden, welche sich die Versicherte auch habe verabreichen lassen. Des Weiteren habe die Versicherte einer antihormonellen Therapie zugestimmt, eine Polychemotherapie habe sie dagegen völlig abgelehnt. Sämtliche dieser Therapien hätten die Eigenschaft, modifizierend auf den Krankheitsverlauf einzuwirken und die Lebensqualität eventuell zu verbessern, jedoch hätten sie alle einen palliativen Charakter und führten in keinem Fall zu einer Heilung der Erkrankung. Es sei ein Therapieplan erstellt worden, der sowohl konventionelle als auch komplementäre Therapiekomponenten (ua Infrarotoberflächenhyperthermie) enthalten habe. Ein derart kombiniertes Programm könne nicht ambulant durchgeführt werden. PD Dr. H., Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Brustzentrum am M. S., hat die Arztbriefe des Klinikums vorgelegt und in seinem Schreiben vom 16.07.2010 Ausführungen zum Gesundheitszustand der Versicherten im Juni 2009 gemacht. Damals habe aufgrund des Tumorrezidivs mit Metastasierung eine nicht akut, aber dennoch langfristig lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Als anerkannte Behandlungsoptionen hätten eine Fortsetzung der Bisphosphonat-Therapie, eine palliative Radiatio und eine antihormonelle Therapie zur Verfügung gestanden. Bezüglich der Radiatio sei wegen der unter Spannung stehenden Wundverhältnisse nur eine zurückhaltende Indikationsstellung erfolgt. Bezüglich der Bisphosphonat-Therapie und der antihormonellen Therapien seien damals keine Kontraindikationen bekannt gewesen. Zur Indikationsstellung einer notwendigen stationären Rehabilitation der Versicherten im November 2009 könnten keine Angaben gemacht werden, da der letzte Kontakt mit der Versicherten im Juni 2009 stattgefunden habe. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. hat am 30.09.2010 ausgeführt, aufgrund des erheblich reduzierten Allgemeinzustandes der Versicherten und der im November 2009 bereits beginnenden Dyspnoe sei die Versicherte nicht in der Lage gewesen, ambulante Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen. Eine stationäre Betreuung mit entsprechender Pflege und ärztlich/psychologischer Betreuung sei aus hausärztlicher Sicht dringend erforderlich und medizinisch indiziert gewesen. Zu diesen Ermittlungen hat die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten vom 29.10.2010 vorgelegt; hierauf wird verwiesen (Bl 142/143 der LSG-Akte).
Mit Urteil vom 19.04.2012, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 08.08.2012, hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe die Versicherte im November 2009 im Wesentlichen unter den Krankheitsfolgen ihres fortgeschrittenen Krebsleidens gelitten, nämlich unter Schmerzen im Bereich der Operationsnarben, einer Schwellung des rechten Armes bei Lymphödem, Übelkeit und Inappetenz, Reizhusten sowie einem allgemeinen Schwächegefühl. Die stationäre Rehabilitation sei ausweislich des Verordnungsbogens und den Zeugenauskünften von Dr. B. und Dr. E. zu dem Zweck verordnet worden, den Lokalzustand am rechten Arm sowie die operationsbedingten Schäden zu bessern, den körperlichen und seelischen Allgemeinzustand der Versicherten zu kräftigen und eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes zu verhindern. Zur Erreichung dieser Ziele hätten der Versicherten auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten des MDK. Die Versicherte habe die am Wohnort verfügbaren Behandlungen vor Antritt der stationären Rehabilitation größtenteils nicht wahrgenommen.
Am 10.09.2012, einem Montag, hat der Kläger Berufung eingelegt. Das SG habe keinesfalls davon ausgehen dürfen, dass der Versicherten ambulante Behandlungsoptionen zur Verfügung gestanden hätten. Auch sei zu berücksichtigen, dass schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten mit Aussicht auf Heilung nicht mehr vorhanden gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Sonderrechtsnachfolger seiner am 04.06.2010 verstorbenen Ehefrau 4680,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2012 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat als Sonderrechtnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine selbst beschaffte Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 2.520,00 EUR. Insoweit werden das Urteil des SG und der angefochtene Bescheid der Beklagten abgeändert; im Übrigen, dh soweit der Kläger einen höheren Betrag fordert, wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen (ausführlich hierzu BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137; 26.09.2006, B 1 KR 1/06 R, BSGE 97, 112).
Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V (anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX sind für die Dauer von drei Wochen, also vom 18.11. bis zum 08.12.2009, erfüllt. § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V bestimmt: Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX werden nach § 15 SGB IX erstattet. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet, weil sich die Versicherte eine von der Beklagten abgelehnte Leistung zur medizinischen Rehabilitation selbst beschaffte und hierfür Kostenerstattung begehrt. Im Rahmen des § 15 SGB IX kommt hier allein die Tatbestandsvariante des Abs 1 Satz 4 Fall 2 in Betracht. Danach besteht die Erstattungspflicht, wenn der Reha-Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Fallgruppe des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX entspricht jener des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX reicht dementsprechend nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte medizinische Rehabilitation zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 07.05.2013, B 1 KR 53/12 R, juris mwN). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat (BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19). Diese Voraussetzungen sind hier teilweise erfüllt.
Versicherte haben nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht. Reicht eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung nicht aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Regelung in § 40 SGB V bringt zum Ausdruck, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Rehabilitation in einem Stufenverhältnis stehen. Stationäre Rehabilitationsleistungen kommen deshalb erst in Betracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dies folgt im Übrigen auch aus dem in § 12 Abs 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot, das für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gilt und dem im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Grundsatz "ambulant vor stationär" entnommen werden kann (vgl Senatsurteil vom 28.06.2011, L 11 KR 1164/11). Dieser Grundsatz, wonach ambulante Maßnahmen den Vorrang vor teilstationären und diese wiederum den Vorrang vor vollstationären Maßnahmen haben, ist ein allgemeiner Grundsatz des SGB IX und hat zB in § 19 Abs 2 SGB IX Ausdruck gefunden (vgl O´Sullivan in jurisPK-SGB IX, § 19 Rn 26).
Ob dieses Stufenverhältnis auch gilt, wenn es - wie vorliegend - um eine Leistung geht, für die auch eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach § 31 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gegeben ist, könnte deshalb zweifelhaft sein, weil Leistungen nach § 40 SGB V gegenüber solchen nach § 31 SGB VI nicht nachrangig sind (§ 40 Abs 4 SGB V). Dies könnte dafür sprechen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung onkologische Nachsorgekuren (§ 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) in Bezug auf die Erforderlichkeit und die Erfolgsaussicht der Maßnahme unter den gleichen Voraussetzungen erhalten müssen wie Anspruchsberechtigte nach dem SGB VI. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Die Versicherte hatte unabhängig davon einen (Naturalleistungs-)Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach § 40 SGB V für die Dauer von drei Wochen. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu Unrecht abgelehnt. Dadurch sind der Versicherten Kosten in Höhe von 2.730 EUR (21 Tage * 130 EUR) entstanden, von denen die Beklagte abzüglich der Eigenbeteiligung nach § 40 Abs 5 iVm § 61 Satz 2 SGB V (10,00 EUR pro Tag) 2.520 EUR zu erstatten hat.
Der Senat stimmt mit dem SG darin überein, dass die Versicherte im November 2009 im Wesentlichen an den Folgen ihres fortgeschrittenen Krebsleidens litt. Eine Aussicht auf Heilung bestand aufgrund der erheblichen Metastasierung des Karzinoms nicht mehr (sog palliative Situation). Im November 2009 litt die Versicherte Narbenschmerzen nach Entfernung der Brust, einer Schwellung des rechten Armes aufgrund eines Lymphödems, Inappetenz, einem allgemeinen Schwächegefühl, Schlafstörungen, einem chronischen Reizhusten und einer beginnenden Dyspnoe. Dies entnimmt der Senat der schriftlichen Zeugenaussage des behandelnden Hausarztes Dr. B. vom 26.09.2010 (Bl 114/117 des SG-Akte), der die Versicherte von August 2008 bis zu ihrem Tod behandelt hat. Der Senat ist mit dem SG ferner der Auffassung, dass zur Behandlung der Schmerzsymptomatik eine suffiziente Schmerztherapie und zur Therapie des Lymphödems physikalische Maßnahmen erforderlich waren. Außerdem waren Krankengymnastik zur Förderung und zum Erhalt der Beweglichkeit des rechten Armes sowie eine psychologische Begleitung oder psychotherapeutische Betreuung als Hilfe zur seelischen Krankheitsbewältigung notwendig. Der Senat ist davon überzeugt, dass bei der Versicherten eine konkrete Aussicht bestand, dass durch die genannten Maßnahmen die Folgen ihrer Krebserkrankung erheblich gebessert werden konnten. Damit war die für eine Rehabilitation notwendige Erfolgsaussicht gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Versicherten nur noch palliative Behandlungen möglich waren. Die Durchführung einer stationären Rehabilitation erfordert nicht, dass dadurch eine Krankheit geheilt werden kann.
Anders als das SG ist der Senat aber der Überzeugung, dass die vom SG zur Erreichung der medizinisch möglichen Beschwerdelinderung für notwendig und sinnvoll erachteten Behandlungen im November 2009 nicht ambulant hätten erbracht werden können. Die Behandlungskombination - Schmerztherapie, physikalische Therapie, psychotherapeutische Betreuung - machte im November 2009 angesichts des erheblichen Beschwerdebildes zunächst eine stationäre Betreuung notwendig. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung des Hausarztes Dr. B. an, der die Bündelung der unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes für erfolgversprechender hielt als einzelne Maßnahmen am Wohnort. Derartige Maßnahmen, einschließlich einer antihormonellen Therapie sowie einer Behandlung mit Bisphosphonaten wurden in der V. N. Klinik auch erbracht.
Damit lässt sich allerdings nur begründen, dass die Versicherte im November 2009 Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für drei Wochen hatte. Nach § 40 Abs 3 Satz 2 SGB V sollen stationäre Maßnahmen für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Rehabilitation lagen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Aus der Begründung für eine Verlängerung der Kur durch die Reha-Klinik geht hervor, dass die stationäre Rehabilitation eine körperliche Kräftigung der Versicherten und eine Verbesserung der Alltagsfähigkeit der Versicherten bewirkt hatte. Dadurch wurde die Versicherte zur Überzeugung des Senats (wieder) in die Lage versetzt, ambulante Behandlungen am Wohnort in Anspruch zu nehmen. Der Hinweis der Reha-Einrichtung auf die Schwere des Krankheitsbildes genügt in diesem Fall nicht, um die für eine Verlängerung der Kur notwendige medizinische Dringlichkeit zu belegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage nur zum Teil erfolgreich war.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen trägt die Beklagte die Hälfte.
Tatbestand:
Der Kläger macht als Sonderrechtsnachfolger seiner am 15.03.1947 geborenen und am 04.06.2010 verstorbenen Ehefrau (Versicherte) die Erstattung von Kosten geltend, die der Versicherten durch eine vom 18.11. bis 23.12.2009 dauernden Behandlung in der V. N. Klinik entstanden sind.
Die Versicherte, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war, bezog von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund aufgrund eines am 08.04.2008 eingetretenen Leistungsfalls ab 01.08.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid der DRV Bund vom 14.09.2009). Sie erkrankte im April 2008 an einem Mammakarzinom rechts, welches durch eine Entfernung der rechten Brust chirurgisch behandelt wurde. Die Durchführung einer Chemotherapie, einer Antihormontherapie und einer Strahlentherapie hatte die Versicherte abgelehnt. Bei einer computertomografischen Untersuchung des Brustkorbs am 08.05.2009 wurde ein ausgedehntes, 3,3 * 5,3 cm großes, rechtsthorakales Tumorrezidiv bis unter die Achseln reichend festgestellt. Die Versicherte befand sich deshalb vom 08.06. bis zum 16.06.2009 in stationärer Behandlung im M. S ... Dort wurde eine palliative Thoraxwandresektion (Brustwandentfernung) und Axillarevision (Entfernung der Lymphknoten aus der Achselhöhle) rechts durchgeführt. Im Arztbrief der Klinik vom 23.06.2009 wird ausgeführt, aufgrund der palliativen Situation und der unter Spannung stehenden Wunde sei in der interdisziplinären Brustkonferenz eine eher zurückhaltende Indikation bezüglich einer Radiatio (Bestrahlung) der Brustwand gestellt worden. Empfohlen worden sei eine systemische Therapie mit einem Aromatase-Inhibitor sowie bei ossärer Filialisierung (Knochenmetastasen) eine Bisphosphonat-Therapie. Die Versicherte wünsche keine Radiatio, sondern möchte alternative Behandlungsmöglichkeiten fortführen.
Die Versicherte beantragte am 23.09.2009 bei der Beklagten die Gewährung einer Rehabilitation. Sie machte ua geltend, sie beabsichtige sich in der V. N. Klinik in E. stationär behandeln zu lassen. Bei dieser Klinik handele es sich um eine Fachklinik für Krebserkrankungen, in welcher neben schulmedizinischen Behandlungen auch alle Möglichkeiten der alternativen Krebsbehandlung eingesetzt würden. Die Klinik werde zwar von den Krankenkassen, nicht aber von den Rentenversicherungsträgern belegt. Deshalb möchte sie die Beklagte als Kostenträger in Anspruch nehmen. Am 20.10.2009 stellte der behandelnde Vertragsarzt mit dem dafür vorgesehenen Vordruck eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation aus. Inhaltlicher Schwerpunkt der Rehabilitation sollte die Förderung und Stabilisierung der Gesundheit durch physikalische und psycho-onkologische Betreuung sein. Hierfür sei die V. N. Klinik in E. die geeignetste Einrichtung. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. In einer sozialmedizinischen Fallberatung vom 23.10.2009 führte Dr. R. aus, eine Krebsnachsorgekur bei fortgeschrittenem Mammakarzinom sei nicht indiziert. Bei dem derart fortgeschrittenen Krankheitsbild sei die Prognose sehr ungünstig, eine längerfristige Besserung in dieser Konstellation nicht zu erwarten. Heilmittelanwendungen und fachärztliche palliative Therapie am Wohnort seien wahrzunehmen. Mit Bescheid vom 26.10.2009 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Nachsorgekur ab.
Die Versicherte legte gegen diese Entscheidung am 29.10.2009 Widerspruch ein. Außerdem begann sie am 18.11.2009 ihren stationären Aufenthalt in der V. Kur Klinik. Für diese Klinik besteht ein Versorgungsvertrag nach § 111 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Mit Schreiben vom 02.12.2009 wandte sich die Klinik an die Beklagte und bat um eine Kostenübernahme für den stationären Aufenthalt. Der bisherige Reha-Verlauf zeige, dass deutliche Fortschritte hätten erzielt werden können. Es komme ein komplexes Behandlungsprogramm zur Anwendung, das sich aus komplementären und konventionellen Therapiemaßnahmen zusammensetze. Unter anderem kämen zur Anwendung: psycho-onkologische Verfahren, Vitamin Hochdosis Infusionen, physikalische Therapie, Inhalationen, Gabe von Immunmodulatoren, Misteltherapie, Sauerstofftherapie, Bisphosphonate, antihormonelle Therapie. Aufgrund des schweren Krankheitszustandes und des bisherigen Verlaufs werde eine Aufenthalt von 5 Wochen erforderlich. Die Beklagte holte hierzu ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten des MDK vom 14.12.2009 ein. Dr. S. führte darin aus, nachvollzogen werden könne, dass der Allgemeinzustand der Versicherten aufgrund der schweren Grunderkrankung eingeschränkt sei und dass palliative Therapieverfahren zur Linderung der Beschwerdesymptomatik in der Brust und im Arm durchgeführte werden müssten. Nicht nachvollzogen werden könne, weshalb die Notwendigkeit bestehe, diese Therapie im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen. Bei dem weit fortgeschrittenen und weiter fortschreitenden Krankheitsbild sei eine kurzzeitige Besserung des Zustandes durch eine Rehabilitationsmaßnahme zwar zu erwarten, ein Fortschreiten der Erkrankung könne jedoch nicht aufgehalten werden. Es liege somit im Hinblick auf mittel- und langfristige Perspektiven keine positive Rehabilitationsprognose vor.
Nach dem Ende der stationären Behandlung am 23.12.2009 legte die Klägerin gemäß einer Aufforderung der Beklagten folgende Unterlagen vor: den Behandlungsvertrag, die Rechnungen und einen Nachweis darüber vor, dass sie die geforderten Beträge bezahlt hat. Der Versicherten sind für die stationäre Behandlung (ohne Wahlleistungen) Kosten in Höhe von insgesamt 4.680,00 EUR (pro Tag 130 EUR bei 36 Tagen) entstanden, für die als Wahlleistung vereinbarte Einbettzimmerbelegung fielen ab 28.11.2009 Kosten in Höhe von 546,00 EUR an (21 EUR pro Tag für 26 Tage). Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Versicherten als unbegründet zurück.
Am 07.05.2010 hat die Versicherte, vertreten durch eine Rechtsanwältin, Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie macht geltend, bei den Anforderungen, die an eine positive Rehabilitationsprognose zu stellen seien, müsse berücksichtigt werden, dass es bereits genüge, wenn das angewandte Naturheilverfahren die Krebserkrankung lindern könne. Am 04.06.2010 ist die Klägerin verstorben; ihr Ehemann, der mit ihr zum Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsame Haushalt gelebt hat, hat den Rechtsstreit fortgeführt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. E., Chefarzt der V. N. Klinik, hat den Entlassungsbrief seiner Klinik vorgelegt und mit Schreiben vom 07.07.2010 ferner ausgeführt, zur Verhinderung von Knochenmetastasen habe die Gabe von Bisphosphonaten zur Verfügung gestanden, welche sich die Versicherte auch habe verabreichen lassen. Des Weiteren habe die Versicherte einer antihormonellen Therapie zugestimmt, eine Polychemotherapie habe sie dagegen völlig abgelehnt. Sämtliche dieser Therapien hätten die Eigenschaft, modifizierend auf den Krankheitsverlauf einzuwirken und die Lebensqualität eventuell zu verbessern, jedoch hätten sie alle einen palliativen Charakter und führten in keinem Fall zu einer Heilung der Erkrankung. Es sei ein Therapieplan erstellt worden, der sowohl konventionelle als auch komplementäre Therapiekomponenten (ua Infrarotoberflächenhyperthermie) enthalten habe. Ein derart kombiniertes Programm könne nicht ambulant durchgeführt werden. PD Dr. H., Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Brustzentrum am M. S., hat die Arztbriefe des Klinikums vorgelegt und in seinem Schreiben vom 16.07.2010 Ausführungen zum Gesundheitszustand der Versicherten im Juni 2009 gemacht. Damals habe aufgrund des Tumorrezidivs mit Metastasierung eine nicht akut, aber dennoch langfristig lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Als anerkannte Behandlungsoptionen hätten eine Fortsetzung der Bisphosphonat-Therapie, eine palliative Radiatio und eine antihormonelle Therapie zur Verfügung gestanden. Bezüglich der Radiatio sei wegen der unter Spannung stehenden Wundverhältnisse nur eine zurückhaltende Indikationsstellung erfolgt. Bezüglich der Bisphosphonat-Therapie und der antihormonellen Therapien seien damals keine Kontraindikationen bekannt gewesen. Zur Indikationsstellung einer notwendigen stationären Rehabilitation der Versicherten im November 2009 könnten keine Angaben gemacht werden, da der letzte Kontakt mit der Versicherten im Juni 2009 stattgefunden habe. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. hat am 30.09.2010 ausgeführt, aufgrund des erheblich reduzierten Allgemeinzustandes der Versicherten und der im November 2009 bereits beginnenden Dyspnoe sei die Versicherte nicht in der Lage gewesen, ambulante Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen. Eine stationäre Betreuung mit entsprechender Pflege und ärztlich/psychologischer Betreuung sei aus hausärztlicher Sicht dringend erforderlich und medizinisch indiziert gewesen. Zu diesen Ermittlungen hat die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten vom 29.10.2010 vorgelegt; hierauf wird verwiesen (Bl 142/143 der LSG-Akte).
Mit Urteil vom 19.04.2012, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 08.08.2012, hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme habe die Versicherte im November 2009 im Wesentlichen unter den Krankheitsfolgen ihres fortgeschrittenen Krebsleidens gelitten, nämlich unter Schmerzen im Bereich der Operationsnarben, einer Schwellung des rechten Armes bei Lymphödem, Übelkeit und Inappetenz, Reizhusten sowie einem allgemeinen Schwächegefühl. Die stationäre Rehabilitation sei ausweislich des Verordnungsbogens und den Zeugenauskünften von Dr. B. und Dr. E. zu dem Zweck verordnet worden, den Lokalzustand am rechten Arm sowie die operationsbedingten Schäden zu bessern, den körperlichen und seelischen Allgemeinzustand der Versicherten zu kräftigen und eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes zu verhindern. Zur Erreichung dieser Ziele hätten der Versicherten auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten des MDK. Die Versicherte habe die am Wohnort verfügbaren Behandlungen vor Antritt der stationären Rehabilitation größtenteils nicht wahrgenommen.
Am 10.09.2012, einem Montag, hat der Kläger Berufung eingelegt. Das SG habe keinesfalls davon ausgehen dürfen, dass der Versicherten ambulante Behandlungsoptionen zur Verfügung gestanden hätten. Auch sei zu berücksichtigen, dass schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten mit Aussicht auf Heilung nicht mehr vorhanden gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Sonderrechtsnachfolger seiner am 04.06.2010 verstorbenen Ehefrau 4680,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.04.2012 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat als Sonderrechtnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine selbst beschaffte Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 2.520,00 EUR. Insoweit werden das Urteil des SG und der angefochtene Bescheid der Beklagten abgeändert; im Übrigen, dh soweit der Kläger einen höheren Betrag fordert, wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen (ausführlich hierzu BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137; 26.09.2006, B 1 KR 1/06 R, BSGE 97, 112).
Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V (anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX sind für die Dauer von drei Wochen, also vom 18.11. bis zum 08.12.2009, erfüllt. § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V bestimmt: Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX werden nach § 15 SGB IX erstattet. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet, weil sich die Versicherte eine von der Beklagten abgelehnte Leistung zur medizinischen Rehabilitation selbst beschaffte und hierfür Kostenerstattung begehrt. Im Rahmen des § 15 SGB IX kommt hier allein die Tatbestandsvariante des Abs 1 Satz 4 Fall 2 in Betracht. Danach besteht die Erstattungspflicht, wenn der Reha-Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Fallgruppe des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX entspricht jener des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 Satz 4 Fall 2 SGB IX reicht dementsprechend nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte medizinische Rehabilitation zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG 07.05.2013, B 1 KR 53/12 R, juris mwN). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat (BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19). Diese Voraussetzungen sind hier teilweise erfüllt.
Versicherte haben nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB V Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht. Reicht eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung nicht aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Regelung in § 40 SGB V bringt zum Ausdruck, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Rehabilitation in einem Stufenverhältnis stehen. Stationäre Rehabilitationsleistungen kommen deshalb erst in Betracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dies folgt im Übrigen auch aus dem in § 12 Abs 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot, das für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gilt und dem im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Grundsatz "ambulant vor stationär" entnommen werden kann (vgl Senatsurteil vom 28.06.2011, L 11 KR 1164/11). Dieser Grundsatz, wonach ambulante Maßnahmen den Vorrang vor teilstationären und diese wiederum den Vorrang vor vollstationären Maßnahmen haben, ist ein allgemeiner Grundsatz des SGB IX und hat zB in § 19 Abs 2 SGB IX Ausdruck gefunden (vgl O´Sullivan in jurisPK-SGB IX, § 19 Rn 26).
Ob dieses Stufenverhältnis auch gilt, wenn es - wie vorliegend - um eine Leistung geht, für die auch eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach § 31 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gegeben ist, könnte deshalb zweifelhaft sein, weil Leistungen nach § 40 SGB V gegenüber solchen nach § 31 SGB VI nicht nachrangig sind (§ 40 Abs 4 SGB V). Dies könnte dafür sprechen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung onkologische Nachsorgekuren (§ 31 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) in Bezug auf die Erforderlichkeit und die Erfolgsaussicht der Maßnahme unter den gleichen Voraussetzungen erhalten müssen wie Anspruchsberechtigte nach dem SGB VI. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Die Versicherte hatte unabhängig davon einen (Naturalleistungs-)Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach § 40 SGB V für die Dauer von drei Wochen. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu Unrecht abgelehnt. Dadurch sind der Versicherten Kosten in Höhe von 2.730 EUR (21 Tage * 130 EUR) entstanden, von denen die Beklagte abzüglich der Eigenbeteiligung nach § 40 Abs 5 iVm § 61 Satz 2 SGB V (10,00 EUR pro Tag) 2.520 EUR zu erstatten hat.
Der Senat stimmt mit dem SG darin überein, dass die Versicherte im November 2009 im Wesentlichen an den Folgen ihres fortgeschrittenen Krebsleidens litt. Eine Aussicht auf Heilung bestand aufgrund der erheblichen Metastasierung des Karzinoms nicht mehr (sog palliative Situation). Im November 2009 litt die Versicherte Narbenschmerzen nach Entfernung der Brust, einer Schwellung des rechten Armes aufgrund eines Lymphödems, Inappetenz, einem allgemeinen Schwächegefühl, Schlafstörungen, einem chronischen Reizhusten und einer beginnenden Dyspnoe. Dies entnimmt der Senat der schriftlichen Zeugenaussage des behandelnden Hausarztes Dr. B. vom 26.09.2010 (Bl 114/117 des SG-Akte), der die Versicherte von August 2008 bis zu ihrem Tod behandelt hat. Der Senat ist mit dem SG ferner der Auffassung, dass zur Behandlung der Schmerzsymptomatik eine suffiziente Schmerztherapie und zur Therapie des Lymphödems physikalische Maßnahmen erforderlich waren. Außerdem waren Krankengymnastik zur Förderung und zum Erhalt der Beweglichkeit des rechten Armes sowie eine psychologische Begleitung oder psychotherapeutische Betreuung als Hilfe zur seelischen Krankheitsbewältigung notwendig. Der Senat ist davon überzeugt, dass bei der Versicherten eine konkrete Aussicht bestand, dass durch die genannten Maßnahmen die Folgen ihrer Krebserkrankung erheblich gebessert werden konnten. Damit war die für eine Rehabilitation notwendige Erfolgsaussicht gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Versicherten nur noch palliative Behandlungen möglich waren. Die Durchführung einer stationären Rehabilitation erfordert nicht, dass dadurch eine Krankheit geheilt werden kann.
Anders als das SG ist der Senat aber der Überzeugung, dass die vom SG zur Erreichung der medizinisch möglichen Beschwerdelinderung für notwendig und sinnvoll erachteten Behandlungen im November 2009 nicht ambulant hätten erbracht werden können. Die Behandlungskombination - Schmerztherapie, physikalische Therapie, psychotherapeutische Betreuung - machte im November 2009 angesichts des erheblichen Beschwerdebildes zunächst eine stationäre Betreuung notwendig. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung des Hausarztes Dr. B. an, der die Bündelung der unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes für erfolgversprechender hielt als einzelne Maßnahmen am Wohnort. Derartige Maßnahmen, einschließlich einer antihormonellen Therapie sowie einer Behandlung mit Bisphosphonaten wurden in der V. N. Klinik auch erbracht.
Damit lässt sich allerdings nur begründen, dass die Versicherte im November 2009 Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für drei Wochen hatte. Nach § 40 Abs 3 Satz 2 SGB V sollen stationäre Maßnahmen für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Rehabilitation lagen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Aus der Begründung für eine Verlängerung der Kur durch die Reha-Klinik geht hervor, dass die stationäre Rehabilitation eine körperliche Kräftigung der Versicherten und eine Verbesserung der Alltagsfähigkeit der Versicherten bewirkt hatte. Dadurch wurde die Versicherte zur Überzeugung des Senats (wieder) in die Lage versetzt, ambulante Behandlungen am Wohnort in Anspruch zu nehmen. Der Hinweis der Reha-Einrichtung auf die Schwere des Krankheitsbildes genügt in diesem Fall nicht, um die für eine Verlängerung der Kur notwendige medizinische Dringlichkeit zu belegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klage nur zum Teil erfolgreich war.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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