Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 764/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3616/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.07.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1951 geborene Kläger (GdB 60) hat (nach eigenen Angaben) keine Schulausbildung absolviert und auch keinen Beruf erlernt. Von 1973 bis 1995 war er als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit betrieb der Kläger von 1997 bis 2001 einen Imbiss als selbstständig Erwerbstätiger. Von 2001 bis 2004 übte er in einer Hausverwaltung eine geringfügige Beschäftigung aus. Seit 2004 ist der Kläger arbeitslos.
Am 18.2.2011 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. St. vom 25.3.2011. Dieser diagnostizierte belastungsabhängige Hüftbeschwerden rechts bei Beckentiefstand ohne radiologisch pathologisches Substrat, (ohne Aggravationstendenz) geklagte Beschwerden bei belastungsabhängigen Schmerzen der LWS ohne altersvorausschreitende radiologische Aufbraucherscheinungen und ohne neurologische Symptomatik, angegebene bewegungsabhängige Schmerzen über der rechten Schulter ohne pathologisches Substrat, statisch geklagte Schmerzen der Brustwirbelsäule ohne anatomisch pathologisches Substrat, belastungsabhängig geklagte Schmerzen in beiden Kniegelenken bei radiologisch absolut unauffälligem altersentsprechendem Befund, geklagte Schluckbeschwerden (ohne Ergebnis ausdiagnostiziert) sowie Schwerhörigkeit beidseits. Mangels messbaren Medikamentenspiegels sei davon auszugehen, dass die angegebene Medikamenteneinnahme nicht erfolge. Der Kläger könne als Hausmeister 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und in gleichem Umfang leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) verrichten.
Mit Bescheid vom 6.4.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie (nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Sch. vom 28.12.2011) mit Widerspruchsbescheid vom 9.2.2012 zurück.
Am 6.3.2012 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim. Er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr leistungsfähig. Er habe Schmerzen an der Wirbelsäule, der Hüfte und an den Knien und leide außerdem unter einer chronischen Schlafstörung. Seine Erkrankungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte. Der Orthopäde Dr. W. teilte am 24.4.2012 mit, bei ihm habe sich der Kläger letztmals am 29.9.2006 vorgestellt. Der Neurologe und Psychiater Dr. J. teilte unter dem 26.4.2012 mit, er habe den Kläger zuletzt am 25.4.2002 behandelt. Der Internist Dr. Sch. (Hausarzt des Klägers) gab im Bericht vom 7.5.2012 eine Leistungseinschätzung nicht ab und führte aus, das für die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers maßgebliche Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet. Die geistige Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht geprüft; dieser könne allerdings einfachen Gesprächen im Sprechstundenkontakt folgen. Inwieweit er komplexe Sachverhalte überschauen könne, könne er nicht beurteilen. Dem Bericht des Dr. Sch. war ein Bericht des Internisten und Kardiologen Dr. T. vom 5.3.2012 beigefügt. Darin ist ausgeführt, der Kläger habe bei der Untersuchung am 28.2.2012 auf dem Fahrradergometer eine Belastung im Sitzen bis 150 Watt ohne Zeichen der Belastungskoronarinsuffizienz erreicht. Der Orthopäde und Chirurg Dr. F. teilte im Bericht vom 3.5.2012 Befunde mit; eine Leistungseinschätzung gab er nicht ab.
Dr. Sch. führte auf Nachfrage des Sozialgerichts unter dem 6.7.2012 aus, er habe das (ihm zugeleitete) Rentengutachten des Dr. St. studiert und habe hinsichtlich der Befunde keine wesentlichen Ergänzungen beizutragen. Hinsichtlich der Diagnosen fehle die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seit Jahren nicht oder nur geringfügig beruflich und körperlich tätig gewesen sei und deshalb nicht ohne Weiteres das Leistungsvermögen Gleichaltriger erreichen könne. Deswegen seien leichte Tätigkeiten höchstens halbschichtig möglich.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des MDir. L. vom 8.8.2012 vor. Darin ist (u.a.) ausgeführt, es bestünden durchaus Diskrepanzen zwischen Klagen bzw. Funktionseinschränkungen und dem radiologischen Befund. In einem Bericht des Orthopäden Dr. König vom 2.10.2006 sei insoweit ausgeführt, der Kläger habe sich auch unbeobachtet völlig frei bewegen können. Der Kläger habe - ausweislich des von Dr. St. erhobenen Medikamentenspiegels - angeblich eingenommene Arzneimittel (Ibuprofen) auch in Wahrheit nicht eingenommen; diese Medikation scheine daher nicht notwendig zu sein. Eine vom Hausarzt des Klägers veranlasste kardiologische Untersuchung habe eine Belastbarkeit am Fahrradergometer bis 150 Watt ohne Zeichen der Belastungskoronarinsuffizienz ergeben (Bericht des Dr. T. vom 5.3.2012). Das sei für die Altersklasse des Klägers eine sehr gute Belastbarkeit. Hinsichtlich einer vorgebrachten psychischen Betroffenheit finde eine fachärztliche Behandlung ersichtlich nicht statt (letzte Vorstellung beim Nervenarzt im Jahr 2002). Die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit bedinge qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) über 6 Stunden täglich verrichten.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.7.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) stehe dem Kläger nicht zu, weil er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten könne. Das gehe aus dem Rentengutachten des Dr. St., dessen Diagnostik und Befunderhebung der Hausarzt des Klägers, Dr. Sch., im Wesentlichen bestätigt habe, und der beratungsärztlichen Stellungnahme des MDir L. überzeugend hervor, zumal der Kläger bei einer ergometrischen Untersuchung eine Leistungsfähigkeit bis 150 Watt bewiesen habe. Eine sozialmedizinisch beachtliche Schmerzerkrankung liege nicht vor; der Kläger nehme entsprechende Medikamente offenbar nicht ein und es finde auch eine nervenärztliche Behandlung (seit 2002) nicht statt. Die Auffassung des Dr. Sch. (nur halbschichtige Leistungsfähigkeit) sei deswegen nicht nachvollziehbar. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) komme für den zuletzt versicherungspflichtig als ungelernter Bauarbeiter beschäftigten und deswegen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Kläger nicht in Betracht.
Auf den ihm am 29.7.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.8.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Auf das Rentengutachten des Dr. St. könne sich die Beklagte nicht stützen. Der Gutachter habe seine Schmerzen (u.a.) im Bereich der Wirbelsäule, der Hüfte und der Knie und eine chronische Schlafstörung nicht ausreichend berücksichtigt und in unangemessener Weise ein "südländisch-mediterranes" Schmerzempfinden angeführt. Aggravationstendenzen habe der Gutachter nicht gefunden. Das Sozialgericht habe das Gutachten nicht zutreffend gewürdigt. Man möge ein orthopädisches und ein schmerztherapeutisches bzw. neurologisches Gutachten erheben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.7.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.2.2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.02.2011 bis 31.01.2014 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat ihren Bescheid vom 07.02.2014 vorgelegt, wonach dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.02.2014 in Höhe von laufend 555,67 EUR gewährt wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. St. vom 25.3.2011 und der beratungsärztlichen Stellungnahme von MDir L. vom 8.8.2012 überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung des Hausarztes des Klägers (Internist Dr. Sch.) kann sich der Senat nicht anschließen.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht vor. Das ergibt sich aus dem Verwaltungsgutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. St. vom 25.3.2011. Dieser hat auf orthopädischem Fachgebiet im Wesentlichen altersentsprechende Befunde und Leistungseinschränkungen erhoben, die einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht im Wege stehen. Der Hausarzt des Klägers, Dr. Sch., hat der Befunderhebung und der (orthopädischen) Diagnostik von Dr. St. im Bericht vom 6.7.2012 zugestimmt. Eine orthopädische Behandlung findet, wie der Orthopäde Dr. W. im Bericht vom 24.4.2012 mitgeteilt hat, auch seit Jahren (seit 29.9.2006) nicht statt. Entsprechendes gilt für eine behauptete Schmerzerkrankung bzw. für Erkrankungen des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets. Auch insoweit findet eine Behandlung ebenfalls seit Jahren (seit 25.4.2002) nicht statt (Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. J. vom 26.4.2012); eine angegebene Schmerzmedikation fehlt, Schmerzmittel nimmt der Kläger entgegen anderslautenden Vorbringens nach dem von Dr. St. erhobenen Medikamentenspiegel offensichtlich nicht ein. Dr. Sch. hat die für die berufliche Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden auch (allein) dem orthopädischen Fachgebiet zugeordnet (Bericht vom 7.5.2012). Internistisch-kardiologisch ist der Kläger altersentsprechend sehr gut belastbar (Bericht des Kardiologen Dr. T. vom 5.3.2012: Belastung auf dem Fahrradergometer bis 150 Watt ohne Zeichen einer Belastungskoronarinsuffizienz; beratungsärztliche Stellungnahme des Sozialmediziners MDir L. vom 8.8.2012). Für eine sozialmedizinisch beachtliche Schlafstörung mit Auswirkungen auf die rentenrechtlich maßgebliche zeitliche Leistungsfähigkeit gibt es weder Anhaltspunkte noch Befunde; solche hat auch der Hausarzt Dr. Sch. nicht mitgeteilt. Eine hierauf bezogene Behandlung findet ersichtlich (ebenfalls) nicht statt. Die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit des Klägers bedingt qualitative Leistungseinschränkungen und führt nicht zur Berentung. Anhaltspunkte für eine rentenrechtlich beachtliche Einschränkung der geistig-intellektuellen Leistungsfähigkeit bestehen nicht. Dafür genügt es nicht, dass der Kläger weder Schul- noch Berufsausbildung absolviert hat. Das hat ihn an einer langjährigen versicherungspflichtigen Beschäftigung von 1973 bis 1995 als Bauarbeiter, dem Betreiben eines Imbisses im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit und der (geringfügigen) Beschäftigung als Hausmeister offensichtlich nicht gehindert (vgl. auch Senatsurteil vom 14.2.2011, - L 5 R 3394/09 -: intellektuelle Grenzbegabung).
Die abweichende Auffassung von Hausarzt Dr. Sch. im Bericht vom 6.7.2012 (höchstens halbschichtige Leistungsfähigkeit) stellt eine angesichts des vorliegenden Rentengutachtens des Dr. St. (dessen Befunden und Diagnosen sich Dr. Sch. im Übrigen angeschlossen hat) und der beratungsärztlichen Stellungnahme von MDir L. nicht überzeugende ärztliche Meinungsäußerung dar. Sie beruht nicht auf einer aus Befunden nachvollziehbar begründeten sozialmedizinischen Leistungseinschätzung. Dass der Kläger seit Jahren nicht oder nur geringfügig beruflich und körperlich tätig gewesen ist, steht der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für den auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Kläger nicht in Betracht.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts des Rentengutachtens des Dr. St., der vom Sozialgericht erhobenen Arztberichte und der beratungsärztlichen Stellungnahme des MDir L. weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf. Der Senat ist an der Verwertung des Rentengutachtens des Dr. St., dessen Einschätzung MDir L. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 8.8.2012 auch bestätigt und dessen Befunderhebung und (orthopädischen) Diagnostik sich der Hausarzt des Klägers Dr. Sch. im Bericht vom 6.7.2012 angeschlossen hat, aus Rechtsgründen nicht gehindert. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Gutachters sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden (vgl. § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 406 ZPO, zur rechtzeitigen Geltendmachung etwaiger Befangenheitsgründe auch etwa LSG Bayern, Beschl. v. 1.2.2010, - L 2 R 663/09 B -). Die vom Kläger beanstandete Formulierung im Gutachten des Dr. St. hinsichtlich des Schmerzempfindens ("südländisch-mediterran") genügt dafür nicht, zumal Dr. St. ausdrücklich festgestellt hat, dass er Aggravationstendenzen nicht habe feststellen können, wofür es etwa im Hinblick auf die offenkundig falschen Behauptungen des Klägers zur Schmerzmitteleinnahme freilich Anhaltspunkte gegeben hat.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1951 geborene Kläger (GdB 60) hat (nach eigenen Angaben) keine Schulausbildung absolviert und auch keinen Beruf erlernt. Von 1973 bis 1995 war er als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit betrieb der Kläger von 1997 bis 2001 einen Imbiss als selbstständig Erwerbstätiger. Von 2001 bis 2004 übte er in einer Hausverwaltung eine geringfügige Beschäftigung aus. Seit 2004 ist der Kläger arbeitslos.
Am 18.2.2011 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte erhob das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. St. vom 25.3.2011. Dieser diagnostizierte belastungsabhängige Hüftbeschwerden rechts bei Beckentiefstand ohne radiologisch pathologisches Substrat, (ohne Aggravationstendenz) geklagte Beschwerden bei belastungsabhängigen Schmerzen der LWS ohne altersvorausschreitende radiologische Aufbraucherscheinungen und ohne neurologische Symptomatik, angegebene bewegungsabhängige Schmerzen über der rechten Schulter ohne pathologisches Substrat, statisch geklagte Schmerzen der Brustwirbelsäule ohne anatomisch pathologisches Substrat, belastungsabhängig geklagte Schmerzen in beiden Kniegelenken bei radiologisch absolut unauffälligem altersentsprechendem Befund, geklagte Schluckbeschwerden (ohne Ergebnis ausdiagnostiziert) sowie Schwerhörigkeit beidseits. Mangels messbaren Medikamentenspiegels sei davon auszugehen, dass die angegebene Medikamenteneinnahme nicht erfolge. Der Kläger könne als Hausmeister 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und in gleichem Umfang leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) verrichten.
Mit Bescheid vom 6.4.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie (nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Sch. vom 28.12.2011) mit Widerspruchsbescheid vom 9.2.2012 zurück.
Am 6.3.2012 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim. Er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr leistungsfähig. Er habe Schmerzen an der Wirbelsäule, der Hüfte und an den Knien und leide außerdem unter einer chronischen Schlafstörung. Seine Erkrankungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte. Der Orthopäde Dr. W. teilte am 24.4.2012 mit, bei ihm habe sich der Kläger letztmals am 29.9.2006 vorgestellt. Der Neurologe und Psychiater Dr. J. teilte unter dem 26.4.2012 mit, er habe den Kläger zuletzt am 25.4.2002 behandelt. Der Internist Dr. Sch. (Hausarzt des Klägers) gab im Bericht vom 7.5.2012 eine Leistungseinschätzung nicht ab und führte aus, das für die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers maßgebliche Leiden liege auf orthopädischem Fachgebiet. Die geistige Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht geprüft; dieser könne allerdings einfachen Gesprächen im Sprechstundenkontakt folgen. Inwieweit er komplexe Sachverhalte überschauen könne, könne er nicht beurteilen. Dem Bericht des Dr. Sch. war ein Bericht des Internisten und Kardiologen Dr. T. vom 5.3.2012 beigefügt. Darin ist ausgeführt, der Kläger habe bei der Untersuchung am 28.2.2012 auf dem Fahrradergometer eine Belastung im Sitzen bis 150 Watt ohne Zeichen der Belastungskoronarinsuffizienz erreicht. Der Orthopäde und Chirurg Dr. F. teilte im Bericht vom 3.5.2012 Befunde mit; eine Leistungseinschätzung gab er nicht ab.
Dr. Sch. führte auf Nachfrage des Sozialgerichts unter dem 6.7.2012 aus, er habe das (ihm zugeleitete) Rentengutachten des Dr. St. studiert und habe hinsichtlich der Befunde keine wesentlichen Ergänzungen beizutragen. Hinsichtlich der Diagnosen fehle die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger seit Jahren nicht oder nur geringfügig beruflich und körperlich tätig gewesen sei und deshalb nicht ohne Weiteres das Leistungsvermögen Gleichaltriger erreichen könne. Deswegen seien leichte Tätigkeiten höchstens halbschichtig möglich.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des MDir. L. vom 8.8.2012 vor. Darin ist (u.a.) ausgeführt, es bestünden durchaus Diskrepanzen zwischen Klagen bzw. Funktionseinschränkungen und dem radiologischen Befund. In einem Bericht des Orthopäden Dr. König vom 2.10.2006 sei insoweit ausgeführt, der Kläger habe sich auch unbeobachtet völlig frei bewegen können. Der Kläger habe - ausweislich des von Dr. St. erhobenen Medikamentenspiegels - angeblich eingenommene Arzneimittel (Ibuprofen) auch in Wahrheit nicht eingenommen; diese Medikation scheine daher nicht notwendig zu sein. Eine vom Hausarzt des Klägers veranlasste kardiologische Untersuchung habe eine Belastbarkeit am Fahrradergometer bis 150 Watt ohne Zeichen der Belastungskoronarinsuffizienz ergeben (Bericht des Dr. T. vom 5.3.2012). Das sei für die Altersklasse des Klägers eine sehr gute Belastbarkeit. Hinsichtlich einer vorgebrachten psychischen Betroffenheit finde eine fachärztliche Behandlung ersichtlich nicht statt (letzte Vorstellung beim Nervenarzt im Jahr 2002). Die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit bedinge qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) über 6 Stunden täglich verrichten.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.7.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) stehe dem Kläger nicht zu, weil er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten könne. Das gehe aus dem Rentengutachten des Dr. St., dessen Diagnostik und Befunderhebung der Hausarzt des Klägers, Dr. Sch., im Wesentlichen bestätigt habe, und der beratungsärztlichen Stellungnahme des MDir L. überzeugend hervor, zumal der Kläger bei einer ergometrischen Untersuchung eine Leistungsfähigkeit bis 150 Watt bewiesen habe. Eine sozialmedizinisch beachtliche Schmerzerkrankung liege nicht vor; der Kläger nehme entsprechende Medikamente offenbar nicht ein und es finde auch eine nervenärztliche Behandlung (seit 2002) nicht statt. Die Auffassung des Dr. Sch. (nur halbschichtige Leistungsfähigkeit) sei deswegen nicht nachvollziehbar. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) komme für den zuletzt versicherungspflichtig als ungelernter Bauarbeiter beschäftigten und deswegen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Kläger nicht in Betracht.
Auf den ihm am 29.7.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.8.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Auf das Rentengutachten des Dr. St. könne sich die Beklagte nicht stützen. Der Gutachter habe seine Schmerzen (u.a.) im Bereich der Wirbelsäule, der Hüfte und der Knie und eine chronische Schlafstörung nicht ausreichend berücksichtigt und in unangemessener Weise ein "südländisch-mediterranes" Schmerzempfinden angeführt. Aggravationstendenzen habe der Gutachter nicht gefunden. Das Sozialgericht habe das Gutachten nicht zutreffend gewürdigt. Man möge ein orthopädisches und ein schmerztherapeutisches bzw. neurologisches Gutachten erheben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.7.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.2.2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.02.2011 bis 31.01.2014 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat ihren Bescheid vom 07.02.2014 vorgelegt, wonach dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.02.2014 in Höhe von laufend 555,67 EUR gewährt wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. St. vom 25.3.2011 und der beratungsärztlichen Stellungnahme von MDir L. vom 8.8.2012 überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung des Hausarztes des Klägers (Internist Dr. Sch.) kann sich der Senat nicht anschließen.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht vor. Das ergibt sich aus dem Verwaltungsgutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. St. vom 25.3.2011. Dieser hat auf orthopädischem Fachgebiet im Wesentlichen altersentsprechende Befunde und Leistungseinschränkungen erhoben, die einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht im Wege stehen. Der Hausarzt des Klägers, Dr. Sch., hat der Befunderhebung und der (orthopädischen) Diagnostik von Dr. St. im Bericht vom 6.7.2012 zugestimmt. Eine orthopädische Behandlung findet, wie der Orthopäde Dr. W. im Bericht vom 24.4.2012 mitgeteilt hat, auch seit Jahren (seit 29.9.2006) nicht statt. Entsprechendes gilt für eine behauptete Schmerzerkrankung bzw. für Erkrankungen des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets. Auch insoweit findet eine Behandlung ebenfalls seit Jahren (seit 25.4.2002) nicht statt (Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. J. vom 26.4.2012); eine angegebene Schmerzmedikation fehlt, Schmerzmittel nimmt der Kläger entgegen anderslautenden Vorbringens nach dem von Dr. St. erhobenen Medikamentenspiegel offensichtlich nicht ein. Dr. Sch. hat die für die berufliche Leistungsfähigkeit maßgeblichen Leiden auch (allein) dem orthopädischen Fachgebiet zugeordnet (Bericht vom 7.5.2012). Internistisch-kardiologisch ist der Kläger altersentsprechend sehr gut belastbar (Bericht des Kardiologen Dr. T. vom 5.3.2012: Belastung auf dem Fahrradergometer bis 150 Watt ohne Zeichen einer Belastungskoronarinsuffizienz; beratungsärztliche Stellungnahme des Sozialmediziners MDir L. vom 8.8.2012). Für eine sozialmedizinisch beachtliche Schlafstörung mit Auswirkungen auf die rentenrechtlich maßgebliche zeitliche Leistungsfähigkeit gibt es weder Anhaltspunkte noch Befunde; solche hat auch der Hausarzt Dr. Sch. nicht mitgeteilt. Eine hierauf bezogene Behandlung findet ersichtlich (ebenfalls) nicht statt. Die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit des Klägers bedingt qualitative Leistungseinschränkungen und führt nicht zur Berentung. Anhaltspunkte für eine rentenrechtlich beachtliche Einschränkung der geistig-intellektuellen Leistungsfähigkeit bestehen nicht. Dafür genügt es nicht, dass der Kläger weder Schul- noch Berufsausbildung absolviert hat. Das hat ihn an einer langjährigen versicherungspflichtigen Beschäftigung von 1973 bis 1995 als Bauarbeiter, dem Betreiben eines Imbisses im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit und der (geringfügigen) Beschäftigung als Hausmeister offensichtlich nicht gehindert (vgl. auch Senatsurteil vom 14.2.2011, - L 5 R 3394/09 -: intellektuelle Grenzbegabung).
Die abweichende Auffassung von Hausarzt Dr. Sch. im Bericht vom 6.7.2012 (höchstens halbschichtige Leistungsfähigkeit) stellt eine angesichts des vorliegenden Rentengutachtens des Dr. St. (dessen Befunden und Diagnosen sich Dr. Sch. im Übrigen angeschlossen hat) und der beratungsärztlichen Stellungnahme von MDir L. nicht überzeugende ärztliche Meinungsäußerung dar. Sie beruht nicht auf einer aus Befunden nachvollziehbar begründeten sozialmedizinischen Leistungseinschätzung. Dass der Kläger seit Jahren nicht oder nur geringfügig beruflich und körperlich tätig gewesen ist, steht der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für den auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Kläger nicht in Betracht.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts des Rentengutachtens des Dr. St., der vom Sozialgericht erhobenen Arztberichte und der beratungsärztlichen Stellungnahme des MDir L. weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf. Der Senat ist an der Verwertung des Rentengutachtens des Dr. St., dessen Einschätzung MDir L. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 8.8.2012 auch bestätigt und dessen Befunderhebung und (orthopädischen) Diagnostik sich der Hausarzt des Klägers Dr. Sch. im Bericht vom 6.7.2012 angeschlossen hat, aus Rechtsgründen nicht gehindert. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Gutachters sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden (vgl. § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 406 ZPO, zur rechtzeitigen Geltendmachung etwaiger Befangenheitsgründe auch etwa LSG Bayern, Beschl. v. 1.2.2010, - L 2 R 663/09 B -). Die vom Kläger beanstandete Formulierung im Gutachten des Dr. St. hinsichtlich des Schmerzempfindens ("südländisch-mediterran") genügt dafür nicht, zumal Dr. St. ausdrücklich festgestellt hat, dass er Aggravationstendenzen nicht habe feststellen können, wofür es etwa im Hinblick auf die offenkundig falschen Behauptungen des Klägers zur Schmerzmitteleinnahme freilich Anhaltspunkte gegeben hat.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved