Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4431/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3866/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18.07.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Krankengeld von der Beklagten für den Zeitraum vom 18.04.2011 bis 12.08.2011.
Der 1979 geborene Kläger war seit Januar 2009 hauptberuflich selbständig erwerbstätig und bei der Beklagten freiwillig ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert. Nachdem die Beklagte ihm einen Wahltarif angeboten hatte, der einen Anspruch auf Krankengeld vorsah und entsprechend der Leistungserweiterung besondere Prämienzahlungen mit sich brachte, beantragte der Kläger im Dezember 2008 die Aufnahme in den Wahltarif "I.-Krankengeld Plus" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Die Beklagte bestätigte ihm die Aufnahme in diesen Tarif mit einem Monatsbeitrag von 44,10 EUR zum 01.01.2009 mit Bescheid vom 20.01.2009. An den Wahltarif sei er bis 31.12.2011 gebunden. Für den Fall der gesetzlichen Änderung oder einer Anordnung der Aufsichtsbehörde behalte sich die Beklagte die vorzeitige Beendigung des Tarifs vor. In diesen Fällen könne der Tarif durch die I. mit Wirkung zum Ende des Kalendervierteljahres gekündigt werden, in dem das die Kündigung auslösende Ereignis entstanden sei.
Im Sommer 2009 kam es zu einer Gesetzesänderung. Der Wahltarif des Klägers endete kraft Gesetzes mit Ablauf des 31.07.2009 nach § 319 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I, 1990). Weiter regelte diese Vorschrift ua, binnen welcher Fristen eine Wahlerklärung zu neu einzurichtenden geschlechtsneutralen Wahltarifen abgegeben werden konnte.
Eine Wahlerklärung des Klägers erfolgte innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht. Ab August 2009 wurde die Prämie des früheren Wahltarifs in Höhe von 44,10 EUR auch nicht mehr von der Beklagten vom Konto des Klägers abgebucht.
Der Kläger erlitt am 06.03.2011 einen Unfall und zog sich eine Patellarsehnenruptur beidseits zu. Anschließend war er arbeitsunfähig. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2011 (Bl. 11 Verwaltungsakte) verlangte er von der Beklagten die Bestätigung, dass er Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag gemäß dem "Vertrag vom 20.01.2009" habe. Er habe von einem Mitarbeiter der I. auf telefonische Anfrage die Mitteilung erhalten, der Wahltarif zum Krankengeld sei "gekündigt". Er legte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.
Mit Bescheid vom 18.4.2011 (Bl. 15 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 02.05.2011 Widerspruch und machte geltend, die Beklagte habe ihre Obliegenheiten verletzt, ihn nicht ausreichend informiert und müsse ihn so stellen, wie wenn er wirksam unterrichtet worden wäre und den Wahltarif erneut hätte wählen können. Er reichte eine Tarif-Wahlerklärung vom 04.07.2011 ein.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.05.2011 erklärt, sie habe alles Mögliche und Zumutbare getan. Die Rechtsänderung sei kurzfristig in das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften aufgenommen worden. Sie habe in ihren Publikationen auf die Rechtsänderung hingewiesen und die betroffenen Versicherten schriftlich informiert. Über die Rechtsänderung sei auch in den Fachmedien der Arbeitgebervereinigungen und der Kammern informiert worden. Der Kläger müsse sich fragen lassen, weshalb er seit nunmehr fast zwei Jahren keine Beiträge für die Krankengeldversicherung entrichte, insbesondere auch deshalb, weil nach den Satzungsbestimmungen der Leistungsanspruch an die regelmäßige monatliche Beitragszahlung geknüpft sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2011 (Bl. 33 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und wies auf den Grundsatz der formellen Publizität verkündeter Gesetze hin. Sie selbst habe mit ihrem Anschreiben an den Kläger und Hinweisen in ihren Publikationen das ihr Zumutbare getan.
Der Kläger hat am 15.8.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er habe mit der Beklagten zum 01.01.2009 einen wirksamen Vertrag (Wahltarif I. Krankengeld Plus) abgeschlossen. Greife eine Gesetzesänderung unmittelbar in das konkrete Vertragsverhältnis ein, gehöre es zu den Obliegenheiten des Vertragspartners dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Änderungen dem Vertragspartner so vermittelt würden, dass eine Kenntnisnahme gewährleistet sei. Ein Aufklärungsschreiben der Beklagten habe er nie erhalten. Sämtliche eingehende Schreiben würden von ihm und seiner Ehefrau mit besonderer Sorgfalt behandelt und eingeordnet. Schon bei Vertragsschluss sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn auf die ihr schon zu diesem Zeitpunkt sicherlich bekannte bevorstehende Gesetzesänderung hinzuweisen. Auch habe die Beklagte schließlich eine schriftliche Kündigung, wie sie in den Tarifbedingungen auch für den Fall gesetzlicher Änderungen vorgesehen sei, niemals erklärt.
Auf die Frage SG, warum er einerseits geltend mache, der Krankengeldschutz sei für ihn extrem wichtig gewesen und er hätte diesen auch ab August 2009 selbstverständlich erneut gewählt, sich andererseits über eineinhalb Jahre hinweg nicht darum gekümmert habe, warum keine Krankengeldtarif-Beiträge mehr abgebucht worden seien, erklärte der Kläger, alle Büroangelegenheiten in seinem Betrieb würden von seiner Ehefrau ausgeführt, die davon ausgegangen sei, dass von Seiten der Beklagten sämtliche Beiträge, auch die der Krankengeldzusatzversicherung, abgebucht würden. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Selbständigkeit sei eine Unmenge von Schriftverkehr, Büroarbeiten und Korrespondenz mit Versicherungen angefallen. Die Ehefrau des Klägers habe diesbezüglich keine gesonderte Überprüfung vorgenommen, ob die Prämien von der Beklagten abgebucht würden. Man sei davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei, umso mehr, als es beim Abschluss des Zusatztarifs Ende 2008 ja ausdrücklich geheißen habe, dass der Zusatztarif eine Gültigkeit von 3 Jahren habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie habe – ausweislich ihrer Verwaltungsakte im Juli 2009 (Bl. 9 Verwaltungsakte) - den Kläger angeschrieben und auf die Gesetzesänderung und das Ende des bisherigen Wahltarifs zum 31.07.2009 hingewiesen sowie daraufhin, dass er eine neue Tarifwahl vornehmen müsse, falls er einen Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld wolle. Gebe er keine Erklärung ab, werde automatisch eine freiwillige Krankenversicherung ohne Krankengeld wirksam.
Mit Urteil vom 18.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Er habe keinen Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit, also ab dem 18.04.2011. Mit Ablauf des 31.07.2009 sei er nicht mehr in einem Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert gewesen. Er habe eine Erklärung zur Wahl eines neuen Wahltarifs mit Anspruch auf Krankengeld erst unter dem 04.07.2011 abgegeben, mit der eine rückwirkende Aufnahme in den Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 01.08.2009 oder zumindest ab einem Zeitpunkt vor Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit vom 06.03.2011 nicht hätte begründet werden können. Der Wahltarif sei kraft Gesetzes entfallen. Ein Anspruch bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Beklagte habe zwar ihrer Informationspflicht gegenüber dem Kläger mit lediglich einmaligem Versand von Informationspost nicht genügt. Sie hätte diejenigen Mitglieder, die sich nicht gemeldet hätten, vor Ablauf der Fristen für die erneute Wahl eines Krankengeldwahltarifs zumindest noch einmal anschreiben müssen und auf den Ablauf der Fristen zur Wahl eines neuen Wahltarifs hinweisen müssen. Es stehe jedoch fest, dass der Kläger seit dem August 2009 die gesondert festgesetzte Prämie für den Wahltarif Krankengeld in Höhe von 44,10 EUR nicht mehr bezahlt habe und nachdem bis zum Unfallereignis vom 06.03.2011 rund 20 Monate vergangen seien, sei nicht das mangelhafte Informationsverhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger maßgebend dafür, dass er nach dem 31.07.2009 keine weitere Wahl eines Krankengeldtarifs vorgenommen habe, sondern das Verhalten des Klägers selbst bzw. der von ihm beauftragten Ehefrau. Bei einigermaßen sorgfältiger Buchführung und Kontrolle der Bankkonten hätte zumindest nach mehreren Monaten auffallen müssen, dass die Prämien für die Krankengeldversicherung nicht mehr abgebucht worden seien. Es hätte dem Kläger oblegen, bei der Beklagten nachzufragen, was los sei. Damit komme ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, mit dem die Beklagte verpflichtet werden könnte, den Kläger so zu stellen, als habe er auf Information der Beklagten hin rechtzeitig erneut einen Krankengeld-Wahltarif gewählt, nicht mehr in Betracht.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13.08.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 03.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Zu Recht habe das SG eine Pflichtverletzung der Beklagten festgestellt. Folgerichtig müsse auch die Leistungspflicht der Beklagten bejaht werden. Die Nichtabbuchung der Beiträge sei nicht bemerkt worden. Der Kläger und seine Ehefrau hätten eine Vielfalt an Schriftverkehr, Büroarbeiten, Korrespondenz usw. zu führen. Diese Aufgaben hätte die Ehefrau des Klägers neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau durchgeführt und habe davon ausgehen können, dass von der Beklagten sämtliche Beträge abgebucht würden, auch für die Zusatzversicherung. Die Beklagte hätte schon Ende 2008/Anfang 2009, als die Frage des Wahltarifs erstmals im Raum gestanden habe, auf die bevorstehende Gesetzesänderung hinweisen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18.07.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld in gesetzlicher Höhe im Zeitraum 18.04.2011 bis 12.08.2011 zu gewähren und festzustellen, dass die Beklagte ihn über den 31.07.2009 hinaus im Wahltarif Krankengeld Plus mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit zu versichern habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und auf die Ausführungen des SG Bezug.
Im Erörterungstermin am 15.01.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert worden, die Vorschrift des § 319 SGB V, die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und die Bundestags-Drucksache 16/12256 vom 16.03.2009 wurden thematisiert. Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.
Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.02.2014 gegeben worden. Mit Schriftsatz vom 14.02.2014 hat der Kläger mitgeteilt, er halte an der Klage fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld im Zeitraum 18.04.2011 bis 12.08.2011, da er nach dem 31.07.2009 nicht mehr in einem Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war. Die neue Erklärung zur Wahl eines neuen Wahltarifs mit Anspruch auf Krankengeld vom 04.07.2011 bewirkt keine rückwirkende Aufnahme in den Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 01.08.2009 oder zumindest ab einem Zeitpunkt vor Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit vom 06.03.2011.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Grundsätzlich haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige wie den Kläger gelten hiervon abweichend Sonderregelungen.
Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 geltenden Fassung hatten hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB V blieb für diese Gruppe der Versicherten allerdings § 53 Abs. 6 SGB V unberührt. Nach dieser durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 (GKV-WSG, BGBl. I 2007, S. 378) ebenfalls mit Wirkung vom 01.01.2009 eingeführten Vorschrift hat die Krankenkasse ua ihren hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen Versicherten Tarife anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entstehen lassen. Hiervon hat der Kläger im Dezember 2008 Gebrauch gemacht, als er sich für den Wahltarif "I.-Krankengeld Plus" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit entschied.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass kein Wahltarifvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossen worden ist. Die Teilnahme an dem gewählten Wahltarif ergibt sich nicht aus einem Vertrag zwischen Mitglied und Krankenkasse, sondern aus den zugrundeliegenden gesetzlichen bzw. Satzungsbestimmungen. Die Teilnahme an einem Wahltarif iS von § 53 Abs. 6 SGB V erfolgt durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung in Ausübung eines Gestaltungsrechts (Dreher in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 53 Rn 25). Es handelt sich nicht um ein Vertragsangebot, das die Kasse annimmt, vielmehr macht das Mitglied von einer durch die Satzung gebotenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch, wobei dessen einseitige Willenserklärung anschließend durch feststellenden Verwaltungsakt der Kasse, wie auch im vorliegenden Fall geschehen, bestätigt werden kann.
Durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I, 1990) wurde § 53 Abs. 6 SGB V neu gefasst und die bisherigen Wahltarife beendet. In § 53 Abs. 6 SGB V wurde - mit Wirkung vom 01.08.2009 - ein Satz 4 angefügt, der nun besagte, dass die Höhe der Prämienzahlungen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen sei. In einer besonderen Übergangsregelung bestimmte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang, dass diejenigen Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis 31.07.2009 geltenden Fassung des § 53 Abs. 6 SGB V abgeschlossen hatten, zu diesem Zeitpunkt endeten (§ 319 Abs. 1 SGB V), also auch der Wahltarif des Klägers. Weiter regelte diese Vorschrift ua, binnen welcher Fristen eine Wahlerklärung zu den neu einzurichtenden geschlechtsneutralen Wahltarifen abgegeben werden konnte. § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V wurde gleichzeitig dahingehend neu gefasst, dass hauptberuflich selbständig Erwerbstätige keinen Anspruch auf Krankengeld haben, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
Die Beendigung des Krankengeldwahltarifs nach § 319 SGB V tritt kraft Gesetzes ein, einer Kündigung hat es insoweit nicht bedurft (vgl. zutreffend SG Karlsruhe 12.07.2011, S 9 KR 612/10). Wegen des neu aufgenommenen Verbots, bei den Wahltarifen "Krankengeld" Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds zu berücksichtigen, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Krankenkassen die vorher eingerichteten Wahltarife beenden und den Versicherten im nahtlosen Anschluss daran einen den neuen Vorgaben entsprechenden Tarif anbieten würden (BT-Drs. 16/12256, S. 67). Es hätte im Anschluss an die Beendigung der neuerlichen Ausübung eines Gestaltungsrechts des Klägers bedurft, sich bis 30.09.2009 wiederum für einen Wahltarif mit Krankengeldanspruch zu entscheiden. Das ist aber nicht geschehen, weshalb das Versicherungsverhältnis einen Anspruch auf Krankengeld nicht umfasst.
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialen Herstellungsanspruch berufen. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Für eine Anwendung des Herstellungsanspruchs ist vorliegend aufgrund der eindeutigen Regelung in § 319 Abs. 1 SGB V, die nach dem Willen des Gesetzgebers alle bestehenden Wahltarife erfassen soll, insofern kein Raum, als der Kläger eine Fortführung des "alten" Wahltarifs anstrebt und sich auf einen vertragsähnlichen Zustand beruft. § 319 Abs. 1 SGB V geht als lex specialis dem allgemeinen Herstellungsanspruch vor. Aufgrund der ausdifferenzierten Regelung in § 319 Abs. 2 und 3 SGB V zur Frage der Fortführung bzw dem Neuabschluss eines Wahltarifs ist auch insoweit davon auszugehen, dass die gesetzliche Norm als lex specialis den Herstellungsanspruch verdrängt.
Auch wenn man eine Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs annehmen würde, wären die Voraussetzungen zu verneinen. Eine Wahlerklärung des Klägers vor dem 30.09.2009 kann nicht im Wege des Herstellungsanspruchs fingiert werden bzw. kann der Kläger nicht so gestellt werden, als hätte er die Erklärung rechtzeitig abgegeben. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die als – hieran fehlt es vorliegend - wesentliche Bedingung kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist (BSG 18.02.2010, B 4 AS 28/09 R, FEVS 62, 6). Der Senat sieht vorliegend schon keine Pflichtverletzung der Beklagten, jedenfalls fehlt es aber, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, an einer als wesentlicher Bedingung fortbestehenden Verwaltungshandlung.
Ende 2008/Anfang 2009 als der Kläger sich für den Wahltarif entschied, konnte die Beklagte entgegen der schriftsätzlich geäußerten Vermutung des Klägers noch keine Kenntnis von der bevorstehenden Gesetzesänderung haben, denn die zu Grunde liegende Drucksache des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 16/12256) datiert vom 16.03.2009.
Zutreffend ist, wie das SG bereits ausgeführt hat, dass der Kläger als bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied, das zum 01.01.2009 einen Wahltarif Krankengeld gewählt hatte, aus konkretem Beratungsanlass im Sinne der §§ 2 Abs. 2, 14 ff. SGB I über die Gesetzesänderung aufzuklären und auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit, einen neuen Wahltarif (mit geschlechtsneutraler Prämiengestaltung) mit Anspruch auf Krankengeld zu wählen, hinzuweisen war. Dies hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats allerdings mit ihrem Aufklärungs- und Hinweisschreiben vom Juli 2009 getan, worin auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer neuen Wahlerklärung hingewiesen zum 30.09.2009 wurde. Mehr kann man von der Beklagten nach Auffassung des Senats auch nicht verlangen (zu Beratungspflichten bei noch nicht verkündeten Gesetzen BSG 02.09.2004, B 7 AL 18/04 R, NZA 2005, 98, juris Rn 23), bei Gesetzesänderungen BSG 27.07.2004, B 7 SF 1/03 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 5; 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2 bzw zukünftigen Rechtsänderungen BSG 10.12.2003, B 9 VJ 2/02 R, SozR 4-3100 § 60 Nr 1, vgl. auch BSG 26.10.1994, 11 RAr 5/94, SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 51).
Schließlich stellt sich die Nichtzahlung der Beiträge über einen Zeitraum von 20 Monaten selbst als die wesentliche Bedingung für den versicherungsrechtlichen Zustand im März 2011 dar. Soweit der Kläger einerseits vorträgt, dass eingehende Schreiben mit größter Sorgfalt bearbeitet worden seien, weshalb er ausschließen könne, das Aufklärungsschreiben der Beklagten erhalten zu haben, jedoch andererseits vorträgt, aufgrund der Vielzahl der Schreiben, Büroarbeiten, Korrespondenz mit Versicherungen nicht bemerkt zu haben, dass er gar keine Beiträge mehr für seinen Wahltarif zahle, ergibt dies kein stimmiges Gesamtbild und jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung auf Klägerseite.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Krankengeld von der Beklagten für den Zeitraum vom 18.04.2011 bis 12.08.2011.
Der 1979 geborene Kläger war seit Januar 2009 hauptberuflich selbständig erwerbstätig und bei der Beklagten freiwillig ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert. Nachdem die Beklagte ihm einen Wahltarif angeboten hatte, der einen Anspruch auf Krankengeld vorsah und entsprechend der Leistungserweiterung besondere Prämienzahlungen mit sich brachte, beantragte der Kläger im Dezember 2008 die Aufnahme in den Wahltarif "I.-Krankengeld Plus" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Die Beklagte bestätigte ihm die Aufnahme in diesen Tarif mit einem Monatsbeitrag von 44,10 EUR zum 01.01.2009 mit Bescheid vom 20.01.2009. An den Wahltarif sei er bis 31.12.2011 gebunden. Für den Fall der gesetzlichen Änderung oder einer Anordnung der Aufsichtsbehörde behalte sich die Beklagte die vorzeitige Beendigung des Tarifs vor. In diesen Fällen könne der Tarif durch die I. mit Wirkung zum Ende des Kalendervierteljahres gekündigt werden, in dem das die Kündigung auslösende Ereignis entstanden sei.
Im Sommer 2009 kam es zu einer Gesetzesänderung. Der Wahltarif des Klägers endete kraft Gesetzes mit Ablauf des 31.07.2009 nach § 319 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I, 1990). Weiter regelte diese Vorschrift ua, binnen welcher Fristen eine Wahlerklärung zu neu einzurichtenden geschlechtsneutralen Wahltarifen abgegeben werden konnte.
Eine Wahlerklärung des Klägers erfolgte innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht. Ab August 2009 wurde die Prämie des früheren Wahltarifs in Höhe von 44,10 EUR auch nicht mehr von der Beklagten vom Konto des Klägers abgebucht.
Der Kläger erlitt am 06.03.2011 einen Unfall und zog sich eine Patellarsehnenruptur beidseits zu. Anschließend war er arbeitsunfähig. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2011 (Bl. 11 Verwaltungsakte) verlangte er von der Beklagten die Bestätigung, dass er Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag gemäß dem "Vertrag vom 20.01.2009" habe. Er habe von einem Mitarbeiter der I. auf telefonische Anfrage die Mitteilung erhalten, der Wahltarif zum Krankengeld sei "gekündigt". Er legte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.
Mit Bescheid vom 18.4.2011 (Bl. 15 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 02.05.2011 Widerspruch und machte geltend, die Beklagte habe ihre Obliegenheiten verletzt, ihn nicht ausreichend informiert und müsse ihn so stellen, wie wenn er wirksam unterrichtet worden wäre und den Wahltarif erneut hätte wählen können. Er reichte eine Tarif-Wahlerklärung vom 04.07.2011 ein.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.05.2011 erklärt, sie habe alles Mögliche und Zumutbare getan. Die Rechtsänderung sei kurzfristig in das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften aufgenommen worden. Sie habe in ihren Publikationen auf die Rechtsänderung hingewiesen und die betroffenen Versicherten schriftlich informiert. Über die Rechtsänderung sei auch in den Fachmedien der Arbeitgebervereinigungen und der Kammern informiert worden. Der Kläger müsse sich fragen lassen, weshalb er seit nunmehr fast zwei Jahren keine Beiträge für die Krankengeldversicherung entrichte, insbesondere auch deshalb, weil nach den Satzungsbestimmungen der Leistungsanspruch an die regelmäßige monatliche Beitragszahlung geknüpft sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2011 (Bl. 33 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und wies auf den Grundsatz der formellen Publizität verkündeter Gesetze hin. Sie selbst habe mit ihrem Anschreiben an den Kläger und Hinweisen in ihren Publikationen das ihr Zumutbare getan.
Der Kläger hat am 15.8.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er habe mit der Beklagten zum 01.01.2009 einen wirksamen Vertrag (Wahltarif I. Krankengeld Plus) abgeschlossen. Greife eine Gesetzesänderung unmittelbar in das konkrete Vertragsverhältnis ein, gehöre es zu den Obliegenheiten des Vertragspartners dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Änderungen dem Vertragspartner so vermittelt würden, dass eine Kenntnisnahme gewährleistet sei. Ein Aufklärungsschreiben der Beklagten habe er nie erhalten. Sämtliche eingehende Schreiben würden von ihm und seiner Ehefrau mit besonderer Sorgfalt behandelt und eingeordnet. Schon bei Vertragsschluss sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn auf die ihr schon zu diesem Zeitpunkt sicherlich bekannte bevorstehende Gesetzesänderung hinzuweisen. Auch habe die Beklagte schließlich eine schriftliche Kündigung, wie sie in den Tarifbedingungen auch für den Fall gesetzlicher Änderungen vorgesehen sei, niemals erklärt.
Auf die Frage SG, warum er einerseits geltend mache, der Krankengeldschutz sei für ihn extrem wichtig gewesen und er hätte diesen auch ab August 2009 selbstverständlich erneut gewählt, sich andererseits über eineinhalb Jahre hinweg nicht darum gekümmert habe, warum keine Krankengeldtarif-Beiträge mehr abgebucht worden seien, erklärte der Kläger, alle Büroangelegenheiten in seinem Betrieb würden von seiner Ehefrau ausgeführt, die davon ausgegangen sei, dass von Seiten der Beklagten sämtliche Beiträge, auch die der Krankengeldzusatzversicherung, abgebucht würden. Im Zusammenhang mit dem Beginn der Selbständigkeit sei eine Unmenge von Schriftverkehr, Büroarbeiten und Korrespondenz mit Versicherungen angefallen. Die Ehefrau des Klägers habe diesbezüglich keine gesonderte Überprüfung vorgenommen, ob die Prämien von der Beklagten abgebucht würden. Man sei davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei, umso mehr, als es beim Abschluss des Zusatztarifs Ende 2008 ja ausdrücklich geheißen habe, dass der Zusatztarif eine Gültigkeit von 3 Jahren habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie habe – ausweislich ihrer Verwaltungsakte im Juli 2009 (Bl. 9 Verwaltungsakte) - den Kläger angeschrieben und auf die Gesetzesänderung und das Ende des bisherigen Wahltarifs zum 31.07.2009 hingewiesen sowie daraufhin, dass er eine neue Tarifwahl vornehmen müsse, falls er einen Versicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld wolle. Gebe er keine Erklärung ab, werde automatisch eine freiwillige Krankenversicherung ohne Krankengeld wirksam.
Mit Urteil vom 18.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Er habe keinen Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit, also ab dem 18.04.2011. Mit Ablauf des 31.07.2009 sei er nicht mehr in einem Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert gewesen. Er habe eine Erklärung zur Wahl eines neuen Wahltarifs mit Anspruch auf Krankengeld erst unter dem 04.07.2011 abgegeben, mit der eine rückwirkende Aufnahme in den Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 01.08.2009 oder zumindest ab einem Zeitpunkt vor Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit vom 06.03.2011 nicht hätte begründet werden können. Der Wahltarif sei kraft Gesetzes entfallen. Ein Anspruch bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Beklagte habe zwar ihrer Informationspflicht gegenüber dem Kläger mit lediglich einmaligem Versand von Informationspost nicht genügt. Sie hätte diejenigen Mitglieder, die sich nicht gemeldet hätten, vor Ablauf der Fristen für die erneute Wahl eines Krankengeldwahltarifs zumindest noch einmal anschreiben müssen und auf den Ablauf der Fristen zur Wahl eines neuen Wahltarifs hinweisen müssen. Es stehe jedoch fest, dass der Kläger seit dem August 2009 die gesondert festgesetzte Prämie für den Wahltarif Krankengeld in Höhe von 44,10 EUR nicht mehr bezahlt habe und nachdem bis zum Unfallereignis vom 06.03.2011 rund 20 Monate vergangen seien, sei nicht das mangelhafte Informationsverhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger maßgebend dafür, dass er nach dem 31.07.2009 keine weitere Wahl eines Krankengeldtarifs vorgenommen habe, sondern das Verhalten des Klägers selbst bzw. der von ihm beauftragten Ehefrau. Bei einigermaßen sorgfältiger Buchführung und Kontrolle der Bankkonten hätte zumindest nach mehreren Monaten auffallen müssen, dass die Prämien für die Krankengeldversicherung nicht mehr abgebucht worden seien. Es hätte dem Kläger oblegen, bei der Beklagten nachzufragen, was los sei. Damit komme ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, mit dem die Beklagte verpflichtet werden könnte, den Kläger so zu stellen, als habe er auf Information der Beklagten hin rechtzeitig erneut einen Krankengeld-Wahltarif gewählt, nicht mehr in Betracht.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13.08.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 03.09.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Zu Recht habe das SG eine Pflichtverletzung der Beklagten festgestellt. Folgerichtig müsse auch die Leistungspflicht der Beklagten bejaht werden. Die Nichtabbuchung der Beiträge sei nicht bemerkt worden. Der Kläger und seine Ehefrau hätten eine Vielfalt an Schriftverkehr, Büroarbeiten, Korrespondenz usw. zu führen. Diese Aufgaben hätte die Ehefrau des Klägers neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau durchgeführt und habe davon ausgehen können, dass von der Beklagten sämtliche Beträge abgebucht würden, auch für die Zusatzversicherung. Die Beklagte hätte schon Ende 2008/Anfang 2009, als die Frage des Wahltarifs erstmals im Raum gestanden habe, auf die bevorstehende Gesetzesänderung hinweisen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18.07.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 18.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld in gesetzlicher Höhe im Zeitraum 18.04.2011 bis 12.08.2011 zu gewähren und festzustellen, dass die Beklagte ihn über den 31.07.2009 hinaus im Wahltarif Krankengeld Plus mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit zu versichern habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und auf die Ausführungen des SG Bezug.
Im Erörterungstermin am 15.01.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert worden, die Vorschrift des § 319 SGB V, die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und die Bundestags-Drucksache 16/12256 vom 16.03.2009 wurden thematisiert. Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.
Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.02.2014 gegeben worden. Mit Schriftsatz vom 14.02.2014 hat der Kläger mitgeteilt, er halte an der Klage fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld im Zeitraum 18.04.2011 bis 12.08.2011, da er nach dem 31.07.2009 nicht mehr in einem Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war. Die neue Erklärung zur Wahl eines neuen Wahltarifs mit Anspruch auf Krankengeld vom 04.07.2011 bewirkt keine rückwirkende Aufnahme in den Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 01.08.2009 oder zumindest ab einem Zeitpunkt vor Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit vom 06.03.2011.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Grundsätzlich haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige wie den Kläger gelten hiervon abweichend Sonderregelungen.
Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 geltenden Fassung hatten hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB V blieb für diese Gruppe der Versicherten allerdings § 53 Abs. 6 SGB V unberührt. Nach dieser durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 (GKV-WSG, BGBl. I 2007, S. 378) ebenfalls mit Wirkung vom 01.01.2009 eingeführten Vorschrift hat die Krankenkasse ua ihren hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen Versicherten Tarife anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entstehen lassen. Hiervon hat der Kläger im Dezember 2008 Gebrauch gemacht, als er sich für den Wahltarif "I.-Krankengeld Plus" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit entschied.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass kein Wahltarifvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossen worden ist. Die Teilnahme an dem gewählten Wahltarif ergibt sich nicht aus einem Vertrag zwischen Mitglied und Krankenkasse, sondern aus den zugrundeliegenden gesetzlichen bzw. Satzungsbestimmungen. Die Teilnahme an einem Wahltarif iS von § 53 Abs. 6 SGB V erfolgt durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung in Ausübung eines Gestaltungsrechts (Dreher in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 53 Rn 25). Es handelt sich nicht um ein Vertragsangebot, das die Kasse annimmt, vielmehr macht das Mitglied von einer durch die Satzung gebotenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch, wobei dessen einseitige Willenserklärung anschließend durch feststellenden Verwaltungsakt der Kasse, wie auch im vorliegenden Fall geschehen, bestätigt werden kann.
Durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I, 1990) wurde § 53 Abs. 6 SGB V neu gefasst und die bisherigen Wahltarife beendet. In § 53 Abs. 6 SGB V wurde - mit Wirkung vom 01.08.2009 - ein Satz 4 angefügt, der nun besagte, dass die Höhe der Prämienzahlungen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen sei. In einer besonderen Übergangsregelung bestimmte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang, dass diejenigen Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis 31.07.2009 geltenden Fassung des § 53 Abs. 6 SGB V abgeschlossen hatten, zu diesem Zeitpunkt endeten (§ 319 Abs. 1 SGB V), also auch der Wahltarif des Klägers. Weiter regelte diese Vorschrift ua, binnen welcher Fristen eine Wahlerklärung zu den neu einzurichtenden geschlechtsneutralen Wahltarifen abgegeben werden konnte. § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V wurde gleichzeitig dahingehend neu gefasst, dass hauptberuflich selbständig Erwerbstätige keinen Anspruch auf Krankengeld haben, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
Die Beendigung des Krankengeldwahltarifs nach § 319 SGB V tritt kraft Gesetzes ein, einer Kündigung hat es insoweit nicht bedurft (vgl. zutreffend SG Karlsruhe 12.07.2011, S 9 KR 612/10). Wegen des neu aufgenommenen Verbots, bei den Wahltarifen "Krankengeld" Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds zu berücksichtigen, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Krankenkassen die vorher eingerichteten Wahltarife beenden und den Versicherten im nahtlosen Anschluss daran einen den neuen Vorgaben entsprechenden Tarif anbieten würden (BT-Drs. 16/12256, S. 67). Es hätte im Anschluss an die Beendigung der neuerlichen Ausübung eines Gestaltungsrechts des Klägers bedurft, sich bis 30.09.2009 wiederum für einen Wahltarif mit Krankengeldanspruch zu entscheiden. Das ist aber nicht geschehen, weshalb das Versicherungsverhältnis einen Anspruch auf Krankengeld nicht umfasst.
Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialen Herstellungsanspruch berufen. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Für eine Anwendung des Herstellungsanspruchs ist vorliegend aufgrund der eindeutigen Regelung in § 319 Abs. 1 SGB V, die nach dem Willen des Gesetzgebers alle bestehenden Wahltarife erfassen soll, insofern kein Raum, als der Kläger eine Fortführung des "alten" Wahltarifs anstrebt und sich auf einen vertragsähnlichen Zustand beruft. § 319 Abs. 1 SGB V geht als lex specialis dem allgemeinen Herstellungsanspruch vor. Aufgrund der ausdifferenzierten Regelung in § 319 Abs. 2 und 3 SGB V zur Frage der Fortführung bzw dem Neuabschluss eines Wahltarifs ist auch insoweit davon auszugehen, dass die gesetzliche Norm als lex specialis den Herstellungsanspruch verdrängt.
Auch wenn man eine Anwendbarkeit des Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs annehmen würde, wären die Voraussetzungen zu verneinen. Eine Wahlerklärung des Klägers vor dem 30.09.2009 kann nicht im Wege des Herstellungsanspruchs fingiert werden bzw. kann der Kläger nicht so gestellt werden, als hätte er die Erklärung rechtzeitig abgegeben. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die als – hieran fehlt es vorliegend - wesentliche Bedingung kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist (BSG 18.02.2010, B 4 AS 28/09 R, FEVS 62, 6). Der Senat sieht vorliegend schon keine Pflichtverletzung der Beklagten, jedenfalls fehlt es aber, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, an einer als wesentlicher Bedingung fortbestehenden Verwaltungshandlung.
Ende 2008/Anfang 2009 als der Kläger sich für den Wahltarif entschied, konnte die Beklagte entgegen der schriftsätzlich geäußerten Vermutung des Klägers noch keine Kenntnis von der bevorstehenden Gesetzesänderung haben, denn die zu Grunde liegende Drucksache des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 16/12256) datiert vom 16.03.2009.
Zutreffend ist, wie das SG bereits ausgeführt hat, dass der Kläger als bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied, das zum 01.01.2009 einen Wahltarif Krankengeld gewählt hatte, aus konkretem Beratungsanlass im Sinne der §§ 2 Abs. 2, 14 ff. SGB I über die Gesetzesänderung aufzuklären und auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit, einen neuen Wahltarif (mit geschlechtsneutraler Prämiengestaltung) mit Anspruch auf Krankengeld zu wählen, hinzuweisen war. Dies hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats allerdings mit ihrem Aufklärungs- und Hinweisschreiben vom Juli 2009 getan, worin auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer neuen Wahlerklärung hingewiesen zum 30.09.2009 wurde. Mehr kann man von der Beklagten nach Auffassung des Senats auch nicht verlangen (zu Beratungspflichten bei noch nicht verkündeten Gesetzen BSG 02.09.2004, B 7 AL 18/04 R, NZA 2005, 98, juris Rn 23), bei Gesetzesänderungen BSG 27.07.2004, B 7 SF 1/03 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 5; 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2 bzw zukünftigen Rechtsänderungen BSG 10.12.2003, B 9 VJ 2/02 R, SozR 4-3100 § 60 Nr 1, vgl. auch BSG 26.10.1994, 11 RAr 5/94, SozR 3-1200 § 14 Nr 16 S 51).
Schließlich stellt sich die Nichtzahlung der Beiträge über einen Zeitraum von 20 Monaten selbst als die wesentliche Bedingung für den versicherungsrechtlichen Zustand im März 2011 dar. Soweit der Kläger einerseits vorträgt, dass eingehende Schreiben mit größter Sorgfalt bearbeitet worden seien, weshalb er ausschließen könne, das Aufklärungsschreiben der Beklagten erhalten zu haben, jedoch andererseits vorträgt, aufgrund der Vielzahl der Schreiben, Büroarbeiten, Korrespondenz mit Versicherungen nicht bemerkt zu haben, dass er gar keine Beiträge mehr für seinen Wahltarif zahle, ergibt dies kein stimmiges Gesamtbild und jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung auf Klägerseite.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved